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Desinformation gefährdet Demokratie

from eGovernment 3/2023
by vit
Um die Digitalisierung voranzutreiben, bräuchte Deutschland entsprechende Fachkräfte, doch viele Bundesbürger schätzen die Folgen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt völlig falsch ein. So ein zentrales Ergebnis des neuen Digitalindex der Initiative D21.
Über viele Jahre hinweg hat die Macher von eGovernment das Thema der digitalen Spaltung bewegt.
Zu offensichtlich war die Gefahr, breite Bevölkerungsschichten bei der Digitalisierung außen vor zu lassen – mit allen negativen Folgen in Wirtschaft und Gesellschaft.
Auch die Autoren des Digitalindex der Initiative D 21 sahen sich über viele Jahre hinweg veranlasst, auf diese Gefahr hinzuweisen.
Jetzt scheint sich die Lage jedoch zu entspannen. Auch wenn die digitale Spaltung noch keineswegs überwunden ist. Allerdings scheint sich die Kluft zwischen On- und Offlinern langsam zu schließen.
Das jedenfalls folgern die Autoren des aktuellen Digitalindex aus den erhobenen Zahlen.
So geben die Verfasser zu Protokoll, dass inzwischen für die große Mehrheit der Menschen in Deutschland die Digitalisierung fester Bestandteil des eigenen Lebens sei. Mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger, nämlich 55 Prozent, würden zu jener „Digitalen Mitte“ gehören, die gut beim digitalen Wandel mithalten könne.
Zudem könne sich mehr als ein Viertel der befragten Bundesbürger mittlerweile zu den Digitalen Profis zählen. Der aktuelle, von der Studie erhobene Wert, liegt hier jetzt bei 30 Prozent. Diese Gruppe findet sich souverän und kompe- für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, dazu: „Die Studie des D21-Digital-Index zeigt erfreuliche Fortschritte bei Wissen und Kompetenzen zur Digitalisierung in der Bevölkerung. Die deutsche Gesellschaft ist in der digitalen Welt angekommen und profitiert von deren Möglichkeiten. Allerdings ist das Zusammenspiel zwischen digitalem und grünem Wandel noch nicht ausreichend durchdrungen.“
Habeck weiter: „Als Bundesregierung bestärken uns die Ergebnisse daher, das Wissen und das Verständnis über die Vorteile und Möglichkeiten neuer klimafreundlicher Technologien noch stärker zu fördern. Mit den DeepTech & ClimateFonds (DTFC) fördern wir beispielsweise Investitionen in den Innovationsstandort Deutschland,
Bürgern fällt eine realistische Einschätzung der Wechselwirkungen von Digitalisierung und grünem Wandel weiterhin schwer.“
Laut Digitalmonitor gibt knapp die Hälfte (49 Prozent) an, dass ihnen bei der Nutzung digitaler Anwendungen Informationen über die damit verbundenen Umweltauswirkungen fehlen. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung (35 Prozent) ist sich unschlüssig, ob sie bei zwei vergleichbaren digitalen Produkten die nachhaltigere Alternative wählen würde, wenn diese teurer wäre. Auch bei der Identifikation von wirkungsvollen Maßnahmen für einen grünen Wandel seien die Bürgerinnen und Bürger unentschlossen: Mit ähnlichen Anteilen beurteilen sie Anreize und Förderprogramme (33 Prozent), Investitionen in Forschung (33 talindex vielen Menschen noch nicht bewusst geworden. Wie einschneidend dieser Veränderungsprozess mittlerweile geworden ist, verdeutlichen bereits einige wenige Zahlen aus dem Index: So sind 40 Prozent der zwischen 2005 und 2016 neu geschaffenen Berufe in digitalintensiven Branchen entstanden. Zwar stimmen 80 Prozent der Berufstätigen der Aussage zu, bis 2035 könnten ganze Berufe verschwinden, jedoch glauben nur 19 Prozent, dies könne auch sie selbst betreffen. Die meisten Berufstätigen (61 Prozent) glauben, dass sie von der Digitalisierung profitieren, wobei eine knappe Mehrheit (58 Prozent) ihren Arbeitgebern attestiert, die nötigen Schritte für den digitalen Wandel zu ergreifen. Allerdings geben nur 16 Prozent an, in den letzten 12 Monaten Schulungen und Weiterbildungsangebote zum Thema Digitalisierung in Anspruch genommen zu haben, die von den Arbeitgebern bezahlt wurden. Zur Herausforderung für den Wohlstand im Land droht das Bildungssystem zu werden, von dem nur 31 Prozent annehmen, dass es den Schülern ausreichend digitale Fähigkeiten vermittelt, um im internationalen Vergleich mithalten zu können. Die Einschätzung der aktuellen Situation in der Bundesrepublik fällt daher durchaus kritisch aus.
Stellungnahme von VITAKO zum Entwurf des OZGNachfolgegesetzes.
Die EU-Kommission hat die Indikatoren für ihre Digitalstrategie vorgelegt.
Lena-Sophie Müller, Geschäftsfüh-
kratie auswirkt. Auf der anderen Seite sehen 20 Prozent der Bevölkerung in der Digitalisierung eine Gefahr für die Demokratie. Damit ist der Anteil derjenigen Bürgerinnen und Bürger, die in der Digitalisierung eine Gefahr für die Demokratie sehen, im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozentpunkte gesunken. 64 Prozent geben an, dass in ihren Augen Desinformationen eines der größten Risiken für die Demokratie sei und fast ebenso vielen (61 Prozent) sind Desinformationen im Netz bereits begegnet. Sechs von zehn Bürgern behaupten von sich, dass sie unseriöse Nachrichten im Netz erkennen können. Das sind etwas mehr, als sich zutrauen, die Richtigkeit von Informationen und deren Quellen beurteilen zu können (50 Prozent).
Resilienz als zentrale Fähigkeit
Etwas besser steht es dagegen um die Resilienz der Bürger in Sachen digitalem Wandel. Unter Resilienz wird in der Psychologie die Anpassungsfähigkeit beziehungsweise der Prozess verstanden, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren. Der Digitalindex kommt hier zu dem Ergebnis, dass 64 Prozent der Bürger derzeit über wichtige Resilienzfaktoren verfügen und in der Lage sind, sich den stetigen Veränderungsprozessen anzupassen.
Neben der Fähigkeit, ihre digitalen Kompetenzen kritisch einschätzen zu können, weisen sie ein grundlegendes Verständnis für zukünftig notwendige Kompetenzen sowie eine insgesamt positive Grundeinstellung gegenüber dem digitalen Wandel auf. Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist der Überzeugung, dass zukünftig noch viel komplexere Fähigkeiten notwendig werden, um am digitalen Leben selbstbestimmt teilhaben zu können.
„Als Bundesregierung bestärken uns die Ergebnisse daher, das Wissen und das Verständnis um die Vorteile und Möglichkeiten neuer klimafreundlicher Technologien noch stärker zu fördern“ tent in der digitalen Welt zurecht. Allerdings kommt die Gruppe der „digitalen Vermeider“, die wenig oder gar nicht am digitalen Leben teilhaben (können) noch immer auf beachtliche 15 Prozent. Vor allem Frauen, ältere und Menschen mit niedriger formaler Bildung liefen Gefahr, ins digitale Abseits zu geraten und gesellschaftlich und ökonomisch den Anschluss zu verlieren, so die Autoren.
Den Menschen dieser Gruppe falle es zudem auch nach wie vor schwer, bei spezifischeren Themen, wie etwa den Wechselwirkungen von Digitalisierung und Klimaschutz, zu einer realistischen Einschätzung zu kommen. Der Schirmherr des Digitalindex, der Bundesminister um die Wirtschaft zu stärken und die positiven Effekte für den Klimaschutz für die Menschen sichtbar zu machen.“
Der digitale Wandel ist grün
Bis dahin liegt aber noch ein weiter Weg vor allen Beteiligten. Denn nicht nur in der Gruppe der „digitalen Verweigerer“ fällt eine objektive und realistische Einschätzung der Zusammenhänge vielen Bürgern noch schwer.
In der Studie heißt es dazu: „Neben der digitalen Transformation ist der grüne Wandel eine der zentralen Herausforderungen für die Gesellschaft. Den Bürgerinnen und
Prozent), Selbstverpflichtungen der Industrie (31 Prozent) und Regulierungen (30 Prozent) als mögliche Maßnahmen für einen erfolgreichen digitalen und grünen Wandel. Mit etwas Abstand werden internationale Abkommen von einem knappen Viertel (24 Prozent) genannt.
Wohlstand durch digitale Wertschöpfung
Doch nicht nur bei der Ökobilanz herrscht noch Aufklärungsbedarf, auch die heraufziehenden Veränderungen in der Arbeitswelt werden von weiten Teilen der Bevölkerung noch ignoriert. Denn obwohl die Wertschöpfungsketten der Wirtschaft immer häufiger von der Digitalisierung geprägt werden, sind die damit verbundenen Transformationskräfte, laut Digi- rerin der Initiative D2 formuliert das so: „Die Initiative D21 identifiziert in der Studie einen deutlichen Vogel-Strauß-Effekt in der Bevölkerung. Die Mehrheit der Erwerbstätigen nimmt zwar die starken Veränderungen in der Arbeitswelt oder das Verschwinden ganzer Berufe wahr, aber nur wenige sehen sich selbst als Betroffene. Entsprechend selten ergreifen sie Maßnahmen zur Sicherung ihrer Beschäftigungsfähigkeit. Diese Wahrnehmungslücke muss Wirtschaft und Politik aufrütteln.“
Desinformation gefährdet Demokratie
Ein weiteres Problemfeld zeigt sich bei den politischen Folgen. So glauben laut Digitalindex 56 Prozent der Bürger, dass sich die Digitalisierung eher positiv auf die Demo-
Vor dem Hintergrund, dass sich 44 Prozent der Befragten zwingend für analoge Alternativen neben digitalen Angeboten aussprechen und 20 Prozent glauben, es werde zu viel digitalisiert, erklärt Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21: „Der digitale Wandel hat viele neue digitale Angebote zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitsbereich hervorgebracht. Deshalb ist der weitere Aufbau von Resilienz und digitalen Kompetenzen eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben für Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.“ mk
Weitere Informationen ... ... zum aktuellen Digitalindex sowie die vollständige Studie finden Sie hier: