Eine «Fledermaus» mit Biss Es ist eine Premiere für das argovia philharmonic: Mit der «Fledermaus», die ab dem 30. August in der Alten Schmiede Baden zu sehen ist, wagt sich das Orchester erstmals aufs Operettenparkett. Wer allerdings eine Produktion mit herkömmlichem Glamour erwartet, wird überrascht. Trotzdem geht es hoch her bei Gabriel von Eisenstein und Co. von Dr. Verena Naegele Wer kennt sie nicht, die «Fledermaus», die
aus. Allerdings in einer Version, die Reinhardts
Operette der Rache von Gefängnisdirektor
revolutionären theatralischen Vorstellungen
Falke für die Schmach, als Fledermaus kos-
entsprach. Unterstützt durch den Kabarettau-
tümiert auf der Strasse verhöhnt worden zu
tor Marcellus Schiffer bearbeitete er Text und
sein. Walzerseligkeit und der Glanz einer de-
Libretto und griff in die Partitur ein.
kadenten adligen Gesellschaft haben beim Publikum nichts von ihrer Anziehungskraft
Blieben die Partien der Protagonisten Ro-
und ihrem Charme verloren, zumal die Musik
salinde, Adele und Alfred unangetastet und
von Johann Strauss voller Schmiss und mit-
damit versierten Opernsängern vorbehalten,
reissender Melodien ist.
so richtete Reinhardt die restlichen Rollen für Schauspieler ein, um, wie ein Kritiker ein-
Doch das argovia philharmonic will keine her-
mal bemerkte, «der Oper zu entgehen». Und
kömmliche, traditionell produzierte «Fleder-
genau diese Vermischung von Theater und
maus». Deshalb wurde mit Robert Hunger-
Musik fasziniert auch Robert Hunger-Bühler.
Bühler ein Regisseur verpflichtet, der für
So vertraut er die Hosenrolle des russischen
Originalität und Innovation steht. Der Aarauer
Prinzen Orlofsky – normalerweise ein Mezzo-
Vollblutschauspieler lockt das Publikum scha-
sopran und bei Reinhardt mit einem Tenor be-
renweise ans Schauspielhaus Zürich, wo er
setzt – einer Schauspielerin an.
seit 2002 zum Ensemble gehört. Von ihm ist stets Unerwartetes zu erleben.
In dieser Version der «Fledermaus» wird viel gesprochen, «es entsteht ein befruchtender
Aber Hunger-Bühler und Operette? Diese
Austausch zwischen Schauspielern und Sän-
Kombination scheint auf den ersten Blick
gern», so Robert Hunger-Bühlers Überzeu-
nicht so richtig zu passen. Zudem ist es seine
gung. Er liebt Experimente, den Laborcharak-
erste Regie, die er für das Musiktheater reali-
ter, um ein Stück zu erarbeiten. Und genau
siert, obwohl er Musik liebt. «Zuerst habe ich
diese Qualitäten lässt die Reinhardt-Fassung
gedacht, die ‹Fledermaus› ist auf- und abge-
zu, obwohl der Aargauer dezidiert sagt: «Ich
flattert durch die Welt», meint er lachend auf
traue dem Ablauf des Stücks, ich will beflü-
die Frage, warum er ausgerechnet bei dieser
geln, nicht zerstören.»
wohl berühmtesten Operette des Repertoires sein Musiktheater-Debüt gibt.
Zu diesem neuen Ansatz gehört die Aufhebung der Guckkastenbühne und damit das
Es ist die besondere Fassung des Stücks,
Verwischen der Grenzen zwischen Publi-
eingerichtet von Max Reinhardt, bei der Ro-
kum und Szene. Bühnen- und Kostümbild-
bert Hunger-Bühler Feuer gefangen hat. Der
ner Stefan Mayer beschreibt die Situation so:
Regisseur Max Reinhardt, der 1920 die Salz-
«Bühne und Kostüme richten sich nach unse-
burger Festspiele mitbegründete, brachte die
rem Konzept, wonach die Darsteller ähnlich
«Fledermaus» 1929 am Deutschen Theater
derer aus Shakespeares ‹Sturm› am Spielort
Berlin, dessen Intendant er damals war, her-
‹angeschwemmt› werden, um Zuflucht zu fin15