Erker 12 2016

Page 82

KULTUR

Tschodile. Frauen am Schneeberg von Christine Haller-Martin „Eine schöne Frau in weißem Kleid, mit Geschmeide an Hals und Armen, sitzt am Ufer des Wasserspiegels von Seemoos. Sie winkt den Gamsjäger zu sich, der dem Wild bis dort hinauf nachgestiegen ist, und zeigt ihm funkelndes Edelgestein in ihrem Schoß. Wenn er vom Wild ablässt, das unter ihrem Schutz steht, so verspricht sie, wird sie ihm wunderbare Schätze zeigen.“ Bereits die Sage über den Ursprung, über die „Erfindung“ (in der Bergmannssprache) des Bergbaus am Schneeberg weist dem weiblichen Geschlecht eine besondere Rolle zu. Aus der mündlichen Überlieferung der Sage und dem Dunkel der Geschichte wird der Erzabbau am Schneeberg um 1237 hervorgeholt, als das „argentum bonum de Sneberch“, das gute Schneeberger Silber, erstmals urkundlich erwähnt wird, als Tauschmittel für eine Lieferung Schwerter. Die Anwesenheit des weiblichen Geschlechts am Schneeberg ist damit aber noch lange nicht urkundlich erfasst. Bald aber weiß man über die Verehrung weiblicher Heiliger durch die Bergleute: Im 14. Jahrhundert galt die heilige Anna als „Erzmacherin“ und als „Silberheilige“. Im 15. Jahrhundert wurde sie von der heiligen Barbara abgelöst.

82

Erker 12 I 16

Erzklauberinnen um 1910 am Schneeberg

Im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts, in der Blütezeit des Tiroler Bergbaus also, tauchen erste Hinweise auf eine weibliche Beteiligung am Bergsegen des Schneebergs auf: 1428 richtet Anna von Braunschweig, die zweite Gemahlin Friedrichs IV. von Tirol, in einem Briefdokument an den Bergrichter zu Gossensaß, Conrad Strewn, die Mahnung, ihre Rechte und Neuntelanteile an den vielen neuen Funden am Schneeberg zu wahren. Im Verleihbuch des Berggerichtes Sterzing-Gossensaß finden sich zwischen 1481 und 1514 mehrere Eintragungen über die Vergabe von Grubenrechten an weibliche Gewerken. Zuerst an adelige Frauen, beispielsweise an die erste Gemahlin von Sigmund dem Münzreichen, Eleonore von Schottland, die 1468

und 1473 Bergwerksanteile besaß. Dann finden sich auch Verleihungen an Bürgerfrauen aus dem alten Sterzinger Bergbaugeschlecht der Familie Jöchl: 1491 scheint Dorothea Jöchl als Bergbau-Unternehmerin auf. Sie ist die Witwe des Lienhard Jöchl, Sohn des Erbauers des Ansitzes Jöchlsthurn in Sterzing. 1496 erscheint Barbara Jöchl, die Schwiegertochter der Dorothea, als Bergbau- Unternehmerin und 1512 auch Agata Jöchl, die Gemahlin des Burghart Jöchl. Eine andere bekannte Sterzinger Gewerkenfamilie war jene der Flam(m): Um 1500 erwirbt Lucia, verehelichte Flam(m), Bergwerksrechte und benennt ihre Grube nach ihrer Namenspatronin, weil diese ihr Erzsegen bescheren sollte. Die Reihe der Sterzinger Bürger-

frauen als Anteilseignerinnen am Schneeberg ließe sich mit der Familie Köck fortsetzen. Der Historiker Harald Kofler hat in seinem 2012 erschienenen Buch „Silber und Blei“ diese Erfolgsgeschichte der mittelalterlichen Gewerkinnen am Schneeberg, wie sie Lia Hörmann 1991 in ihrem Artikel „Die Frauen vom Schneeberg“ in der Zeitschrift „Tirolerin“ annimmt, relativiert, indem er schreibt: „Formal tauchen Frauen als Gewerken nur dann auf, wenn ihre Männer aufgrund ihrer Beamtenstellung keine Grube erwerben konnten oder sie als Vormünder für ihre Kinder agieren mussten.“ Er nennt Margareta Griesstetter und Apolonia Kuchler (beide Gattinnen von Bergrichtern) sowie Anna und Lucia Flam(m) und schreibt weiters: „An-


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.