Erker 02 2013

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Nennung „mit Familie“ jeweils drei Personen gerechnet. Ein besonderes Interesse wird auf das Jahr vor und nach 1867 zu richten sein, wurde doch in diesem Jahr die Eisenbahnlinie über den Brenner eröffnet. Hat sich diese Neuerung tatsächlich so schwerwiegend auf den Reiseverkehr ausgewirkt, dass der Durchreiseverkehr auf der Straße nahezu zum Erliegen kam, wie mehrere Historiker behaupten? Dies, so wird in mehreren Quellen zitiert, habe auch 1876 zum Konkursverfahren von Witwe Maria A. Elisabeth Knollenberger, Gasthausbesitzerin „Zum Goldenen Greifen“, geführt. Jahr 1862 (ab 2. April) 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 (bis 10. November)

Anzahl der Übernachtungen 382 497 315 206 158 155 134 210 68 185 177 143 184 139 98

Wie die Zählung der jährlichen Übernachtungen deutlich zeigt, setzte 1865 ein Abwärtstrend ein, der mit dem Jahr 1870 einen Negativrekord erreichte; auch danach wurden die Übernachtungserker februar 13

zahlen vom Beginn der Aufzeichnungen nie mehr erzielt. Der Einbruch der Nächtigungszahlen 1866 (158) und 1870 (68) wird auch mit zwei Kriegsereignissen (PreußischÖsterreichischer Krieg 1866 und Deutsch-Französischer Krieg 1870) mit zu erklären sein, fehlte doch in diesen Jahren die wichtigste Gruppe der Reisenden, die Gäste aus dem Deutschen Reich. Die Umstellung des Reiseverkehrs von der Straße auf die Schiene hat dann auch tatsächlich dazu geführt, dass die Gastwirte an der Brennerroute zunehmend mit schwindenden Zahlen an Reisenden und Nächtigungen zu kämpfen hatten.

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erkunft der Reisenden

Eine weitere Untersuchung geht der Frage nach, woher die Reisenden kamen. Darüber gibt im Fremdenbuch die Rubrik „Gewöhnlicher Wohnort“ Auskunft. Diese Frage wurde von den meisten Gästen – es handelt sich im untersuchten Zeitraum immerhin um 3.051 Personen – beantwortet. Dem Gebiet des Deutschen Reiches lassen sich 1.424 Personen zuordnen, womit diese Gruppe den größeren Anteil stellte. Viele Bürger vor allem aus den verschiedenen Großstädten zwischen München und Berlin wählten die Brennerroute für ihre Reise. Den zweiten Platz nehmen die Reisenden aus Österreich (ohne Tschechien, Ungarn und Südtirol) mit 464 Personen ein. Diese Zahl mag etwas verwundern, liegt das Land doch nahe an der Brenner-

route. Doch gab es dort weit weniger Großstädte als im Deutschen Reich und die meisten Reisenden waren eben Städter. Überraschend viele Gäste kamen aus England; sie liegen mit 462 Personen nahezu gleichauf mit den Reisenden aus Österreich. Ebenso mag auch die Zahl an US-Amerikanern verwundern, auch wenn deren Zahl (90) deutlich geringer war. Reisende aus Frankreich finden sich vor allem in der Zeit vor Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870; nach diesem Jahr kamen nur mehr vereinzelt Gäste aus diesem Land. In der Zeit von 1862 bis 1876 waren es insgesamt 64 Personen. Des weiteren kamen Reisende aus folgenden Ländern: Italien (119), der Schweiz (48), Russland (48), den Niederlanden (39), Ungarn (38), Tschechien (34), Schottland (26), Irland (26), Polen (23), Belgien (13), Dänemark (10), Livland (10), Norwegen (6), Schweden (6), Estland (5), Kroatien (4), Ägypten (4), Serbien (3), Galizien (3), Siebenbürgen (2), Slowenien (2), Bulgarien (2), Mähren (2); je ein Gast kam aus Rumänien, Australien, Kurland, der Walachei und Finnland. Aus dem Raum Südtirol kamen 59 Personen.

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ie gesellschaftliche Zusammensetzung der Reisenden

Die Auswertung der im Gästebuch geführten Rubrik „Charakter oder Beschäftigung“ ermöglicht einen Einblick in die gesellschaftliche Zusammensetzung der Reisenden 39


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