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DAS THEMA DER WOCHE | Pflück dich gesund! |
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DIE FURCHE • 14 | 7. April 2016
BUCH-TIPPS
Derzeit ist eine Rückbesinnung auf ganzheitliche Heilmittel feststellbar, auch um Medikamenten-Nebenwirkungen zu vermeiden.
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Heilkräuter
Pflanzendrogen
Johanniskraut, Beinwell, Brennnessel & Co: Karin Buchart und Miriam Wiegele präsentieren in „Die Natur-Apotheke“ (2016) altbewährte Tipps und Rezepte sowie neue Erkenntnisse über heimische Heilpflanzen.
Zwischen „Gift-“ und Heilkräutern: In der Neuauflage ihres Buches „Bewusstseinsverändernde Pflanzen von A–Z“ (2010) bietet Angelika Prentner (s.u.) ein dichtes Kompendium, von der Alraune bis zur Tollkirsche.
Angelika Prentner
Foto: © Apotheke (1); Shutterstock (2)
Die Südsteirerin hat an der Universität Graz studiert. Neben ihrer Arbeit als Apothekerin forschte die Pharmazeutin in Südamerika über traditionelle Heilpflanzen. 2007 übernahm sie die Apotheke „Zur Gnadenmutter“ in Mariazell, deren 300-jähriges Jubiläum 2018 gefeiert wird. Prentner engagiert sich für die Vermittlung der lokalen Heilpflanzenkunde.
Hält das alte Kräuterwissen der aktuellen Prüfung stand? Angelika Prentner über das schwierige Verhältnis von Naturheilkunde und Schulmedizin. | Das Gespräch führte Martin Tauss
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iele Menschen suchen heute natürliche Wege, um angesichts hoher Anforderungen fit und gesund zu bleiben, ist Angelika Prentner überzeugt. Vor fünf Jahren gründete sie die 1. Heilpflanzenakademie der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM). Die FURCHE traf die Mariazeller Apothekerin in Wien zum Gespräch.
DIE FURCHE: Wie hat sich bei Ihnen das Interesse für Heilpflanzen entwickelt? Angelika Prentner: Von früh auf kannte ich Menschen, die sich mit Naturheilmitteln ausgekannt haben. Nach dem PharmazieStudium habe ich in einer klassischen Apotheke gearbeitet. Aber nur mit modernen Arzneimitteln zu arbeiten, war mir zu wenig. Überall wo ich war, habe ich nach Heilpflanzen Ausschau gehalten. Als ich früher viel in Südamerika gereist bin, habe ich oft die Pflanzenmärkte aufgesucht. Bei den Indios im Gran-Chaco-Gebiet erlebte ich, wie die Pflanzen noch viel stärker in die Medizin eingebunden sind. Dort waren damals erst rund 80 Prozent der Heilpflanzen erforscht. Durch das Reisen stellte ich fest, dass die gleichen Pflanzen in unterschiedlichen Regionen immer ein bisschen anders wirken. Das merkt man bereits, wenn man in Südamerika einen Pfefferminztee trinkt. DIE FURCHE: Insofern war es wohl ein glücklicher Zufall, die Apotheke in Mariazell zu übernehmen, die eine ungebrochene Tradition in der Naturheilkunde hat? Prentner: Absolut! Damals habe ich mich entschlossen, mit den traditionellen heimischen Heilpflanzen zu arbeiten, weil sie optimal zu unserem Organismus passen. Bevor moderne Arzneimittel zum Standard geworden sind, waren Heilpflanzen die Grundlage jeder Apotheke. In Mariazell hat sich diese Tradition erhalten, weil es als entlegenes Gebiet im Winter oft eingeschneit war. Man hat versucht, alles Nötige in der Gegend herzustellen. Es hat Frauen gege-
„Heute sind die Ärzte
OFFENER“ „
ben, die Kräuter für die Apotheke gesammelt haben. Dieses Wissen ist von Generation zu Generation weitergegeben worden. Am Dachboden haben wir Kräuterbücher
Auf Reisen stellte ich fest, dass die gleichen Pflanzen in unterschiedlichen Regionen immer ein bisschen anders wirken. Das merkt man schon, wenn man in Südamerika einen Pfefferminztee trinkt.
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aus dem Jahr 1835 gefunden, voll mit alten Rezepturen. Manche davon haben wir wieder eingeführt, zum Beispiel das „Mariazeller Lebenselixier“. Wir haben aber auch neue Rezepturen entwickelt, um die Heilmittel an heutige Bedürfnisse anzupassen, etwa für Schlafstörungen, Erschöpfungssymptome und das Burn-out-Syndrom. DIE FURCHE: Welche Pflanzen würden Sie gegen Erschöpfung und Burnout empfehlen? Prentner: Zum Beispiel die Taiga-Wurzel:
KRÄUTERWANDERUNG
„Heilige und Heilende Wege“ Wie sehr Naturheilkunde und Volksfrömmigkeit traditionell verbunden sind, zeigt sich heute noch in Mariazell, einem der größten Wallfahrtsorte Mitteleuropas. Die „Via Sacra“ von Wien zur berühmten Basilika gehört zu den ältesten Pilgerwegen Österreichs. Im alpinen Mariazellerland ist es ein alter Brauch, am Wegesrand vor jedem Marterl einen kleinen Kräutergarten anzulegen. Demgemäß hat die Mariazeller Apothekerin Angelika Prentner zur letztjährigen N.Ö. Landesausstellung („Ötscher:Reich“) das Programm
der „Heiligen und Heilenden Wege“ initiiert: Am St. Sebastiani Weg, der von der gleichnamigen Kapelle bis nach Mariazell führt, wurde an den Kreuzwegstationen ein Heilkräutergarten für bestimmte Themen (Hildegard von Bingen, Bibel etc.) sowie gesundheitliche Problemstellungen (Schlaf, Wunden, Gelenke etc.) angelegt. Gepflanzt wurden die wichtigsten Heilpflanzen der lokalen Heiltradition. Bei geführten Wanderungen werden die Besucher über die Wirkung und Anwendung dieser Heilkräuter informiert. Der Weg endet in der Apotheke „Zur Gnadenmutter“ (Termininformation vor Ort). (mt)
Die hilft bei der Anpassung an Stress, indem sie Sauerstoff in den Körper bringt und die Regeneration der Zellen unterstützt. Auch die Angelikawurzel kann hilfreich sein, da sie die „Erdenergie“ stärkt. Es ist eine Pflanze, die stark verwurzelt ist und sich für Menschen eignet, die gewissermaßen ihre „Wurzeln“ verloren haben. Sie schützt unser Energiesystem; das ist vor allem für energieintensive Berufe wie Lehrer oder die helfenden Professionen wichtig. DIE FURCHE: Sie beziehen sich auf ein „Energiesystem“, das in Studien nicht untersucht wird, also einen Bereich jenseits der akademischen Medizin. Wie sehen sie das Verhältnis von Naturheilkunde und Schulmedizin? Prentner: Die traditionellen Heilsysteme sind für mich eine sinnvolle Ergänzung. Wir müssen froh sein, dass wir die Schulmedizin haben. Sie geht heute aber immer mehr ins Detail, bis auf die Zellebene usw. Auch die Strukturen in der Medizin werden immer spezialisierter. Dadurch verliert man oft den Überblick über die Zusammenhänge im Körper. Traditionelle Heilsysteme hingegen sind ganzheitlich ausgerichtet: Sie berücksichtigen nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische, seelische, energetische Ebene. DIE FURCHE: Die medikamentöse Therapie orientiert sich heute an der Evidenz-basierten Medizin, die durch große Studien gespeist wird. Demnach wird in der Naturheilkunde oft von einer Wirkung gesprochen, die streng wissenschaftlich nicht belegt ist ... Prentner: Die traditionelle Heilkunde ist eine jahrtausendealte Erfahrungswissenschaft. Aber sie ist schlecht dokumentiert, weil die Heilkundigen oft nicht schreiben konnten und entsprechende Messmethoden fehlten. Heute legt die Schulmedizin ihre Studien darauf an, Arzneimittel zu entwickeln, die auf der Zellebene wirken. Ich bin überzeugt, dass mit den aktuellen Methoden die Effekte der Pflanzen auf unser Energiesystem nachweisbar wären. Das aber hat keine Priorität in klinischen Studien. DIE FURCHE: Es gibt in der modernen Medizin verschiedene Evidenz-Levels: Ganz