DER ZECKENCHIRURG
DER ZECKENCHIRURG Ori Schipper
Als Willy Burgdorfer den Erreger der Borreliose entdeckte, arbeitete er schon über 20 Jahre in den Vereinigten Staaten. Doch ohne seine Ausbildung am Schweizerischen Tropeninstitut in Basel und den Schweizer Uhrmacherpinzetten hätte er die Entdeckung wohl nicht gemacht.
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ür Laien haben die Geschlechtskrankheit Syphilis, das afrikanische Rückfallfieber und die in Europa und den Vereinigten Staaten verbreitete Wanderröte nichts miteinander zu tun. Doch für Wilhelm Burgdorfer, den Entdecker des Erregers der durch Zecken übertragenen LymeBorreliose (siehe Kasten), schien der Fall sofort klar zu sein, als er unter seinem Mikroskop in den Rocky Mountain Laboratories auf etwas völlig Unerwartetes stiess. «Sobald sich meine Augen auf die länglich gewundenen Organismen konzentrierten, habe ich erkannt, was ich zuvor schon eine Million Mal gesehen habe: Spirochaeten», gab Burgdorfer zu Protokoll, als er in einem Interview im Jahr 2001 auf seine aufsehenerregende Entdeckung zurückblickte, die er zwei Jahrzehnte zuvor gemacht hatte. Geboren wurde Burgdorfer 1925 in Basel, wo er auch die «vier obligatorischen Primarschuljahre», das Realgymnasium und ab 1944 auch Vorlesungen an der «Philosophischnaturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel» und dem «Schweizerischen Tropeninstitut in Basel» besuchte, wie er in seiner im Jahr 1951 eingereichten Dissertation festhielt. Weil sich sein Interesse schon früh auf
«medizinisch-entomologische und bakteriologische» Fragestellungen konzentrierte, fiel es dem Gründer und Leiter des Tropeninstituts Rudolf Geigy leicht, Burgdorfer für eine Doktorarbeit unter seiner Obhut zu gewinnen. «Er zeigte mir eine Sandprobe, die er im belgischen Kongo eingesammelt hatte, und forderte mich auf, die darin enthaltenen Zecken zu untersuchen», wird sich Burgdorfer fast 50 Jahre später erinnern. Dass diese Zecken den Erreger des afrikanischen Rückfallfiebers, Borrelia duttoni, eine Bakterie der Gruppe der Spirochaeten, übertragen, war damals schon bekannt. Burgdorfers Aufgabe bestand darin, «auf Grund einer eingehenden Beschreibung der Zeckenanatomie die einzelnen Etappen des Spirochaetenschicksals im Zeckenkörper zu verfolgen», schreibt Burgdorfer in der Einleitung seiner Doktorarbeit. Zwischen 1949 und 1951 zerlegte er – mit feinen Pinzetten, die er von Schweizer Uhrmachern erstanden hatte – Tausende von Zecken. «Ich bin damals zu einem Zeckenchirurgen geworden – und das bin ich seitdem auch geblieben», erzählte Burgdorfer später im Interview. 37