BOG

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SIGFRIED SCHIBLI

GESCHICHTE DER BASLER ORCHESTER-GESELLSCHAFT 1971–2007

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SIGFRIED SCHIBLI

GESCHICHTE DER BASLER ORCHESTER-GESELLSCHAFT 1971–2007

SCHRIFTENREIHE DER STIFTUNG BASLER ORCHESTER-GESELLSCHAFT, HEFT 5, ’091


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INHALT Zum Geleit Vorwort

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TEIL I Geschichte der BOG 1971–2008 Rückblick: Die BOG bis 1972 Erweiterung: Ein zweites Orchester Umsetzung: Der Teufel steckt im Detail Definition: Orchester oder Formation? Demokratie: Die BOG in der Öffentlichkeit Strukturreform: Kommissionen und Konzepte Rückzug: Die Politik der SRG Blockade: Neue Partner gesucht Fusionsgeräusche: Der Ratschlag 8053 Verteidigung: Komitee zur Erhaltung der BOG Spaltung: Musiker sind uneins Ablösung: Die Orchesterstiftung übernimmt Eigentumsfrage: Wem gehören die Instrumente? Neuorientierung: Neue Aufgaben für die BOG Förderung des Musiklebens: Die Stiftung der BOG

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TEIL II Exkurs: Die Orchesterstiftung Neuanfang: Alte und neue Probleme Reduktion: Modellspiele um die Orchestergrösse Enttäuschung: Die Orchester fusionieren

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TEIL III Bilanz: Zwanzig Jahre danach

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TEIL IV Anmerkungen

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TEIL V Anhang 1: Die Präsidenten der BOG seit 1972 Anhang 2: Die Subventionen an die BOG seit 1972 Anhang 3: «Berufsbild des Orchestermusikers», 1974 Anhang 4: «Zur Lage» von Dr. Hans Ziegler, 1988 Anhang 5: Die Orchester der BOG auf Reisen Anhang 6: Aufnahmen mit den Orchestern der BOG Anhang 7: Langspielplatten mit den Orchestern der BOG Personenregister Bildlegenden

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ZUM GELEIT Die Schrift, die Sie in Händen halten, will Zeugnis ablegen über ein Stück Basler Kulturgeschichte. Basel ist von der neueren Geschichtsschreibung nicht verwöhnt worden, nach wie vor fehlt eine umfassende Schau der Geschichte Basels im 19. und 20. Jahrhundert, und es scheint fast, als scheue sich das offizielle Basel noch immer vor einer vertieften Selbstbetrachtung. Umso wertvoller sind Darstellungen von Einzelbereichen durch kompetente Kenner der betreffenden Szene. Zu diesen Darstellungen gesellt sich nun der zweite Band der Geschichte der Basler Orchester-Gesellschaft, welcher die Periode von 1971 bis 2008 abdeckt. Es ist eine Geschichte der Liebe zur Musik, zur Musikkultur, zu Ensembles und zu Solisten, und immer auch der Liebe zu Basel. Es ist eine Geschichte von Anstrengungen, Auseinandersetzungen, Richtungskämpfen, in denen viel Herzblut geflossen ist, in der Freude, Enttäuschung, Begeisterung und Wut nahe beieinanderlagen. 5


Wer weiss, wieviel Arbeit, Energie, Disziplin, Leidensfähigkeit und Durchhaltewillen die Musik Berufs-Musikerinnern und Musikern abverlangt, muss sich nicht wundern, wenn Jene, welche sich bemühen, das Musikleben zu gestalten und zu organisieren, dies mit grosser Leidenschaft und grossem selbst auferlegtem Leistungsdruck tun. In den Jahren 1948 bis 2003 wurde die BOG massgeblich geprägt von einer grossen Persönlichkeit: Dr. Hans Ziegler. In dieser Schrift blitzt seine herausragende Leistung für die BOG und ihre Musikerinnen und Musiker immer wieder auf. Es wird kaum zu vermeiden sein, dass die vorliegende Darstellung nicht deckungsgleich ist mit der persönlichen Wahrnehmung bzw. den Erinnerungen einzelner Akteure und Zeitzeugen. Das ist das Schicksal jedes Versuchs der Geschichtsschreibung. Das deutliche Bemühen um eine neutrale und zurückhaltende Darstellung einer turbulenten Periode macht eine unverstellte Sicht auf die Ereignisse und die Anteile der Akteure an ihnen möglich – nicht ohne Urteil, aber ohne zu verletzen. Die Stiftung Basler Orchester-Gesellschaft hofft, mit dieser Publikation die nachhaltige Wirkung auf das Musikleben aufzuzeigen, die Basel durch die BOG zuteil wurde und durch die Stiftung BOG – in bescheidenerem Rahmen – weiterhin zuteil wird.

Maria Iselin Präsidentin der Stiftung Basler Orchester-Gesellschaft

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B

VORWORT Die Basler Orchester-Gesellschaft (BOG) hat eine lange Geschichte – und sie ist in gewissem Sinn selbst schon Geschichte. 1921 gegründet, war sie Jahrzehntelang als TrägerInstitution des Sinfonieorchesters in Basel ein zentraler Faktor des Musiklebens, bis sie 1988 ihre Funktion als Trägerin der mittlerweile zwei Basler Sinfonieorchester verlor. 2007 wurde sie als Verein aufgelöst, sie lebt aber durch die Stiftung Basler Orchester-Gesellschaft fort. Es ist daher Zeit, ihre Geschichte niederzuschreiben. Die vorliegende Publikation ist die Fortsetzung der Gedenkschrift «50 Jahre Basler Orchester-Gesellschaft (BOG) 1921/22 bis 1971/72». Verfasst hatte sie der langjährige operative Chef der BOG, Hans Ziegler (1917 bis 2003). Voller Bescheidenheit nannte sich Ziegler stets «Verwalter»; er hätte getrost auch den Titel Direktor tragen dürfen. Als promovierter Jurist, der präzis zu arbeiten gewohnt war, und leidenschaftlicher Musikfreund verfügte er über die besten Voraussetzungen, in einer schnörkellos genauen Chronik Rechen7


schaft abzulegen über die Geschichte dieser für das Basler Orchestermusikleben lange Zeit so zentralen Institution. Als Hans Ziegler im Jahr 2003 verstarb, hinterliess er ein umfangreiches Manuskript mit dem Titel «Basler Orchester-Gesellschaft 1972 bis 2002». Es sollte der zweite Band der Geschichte der BOG werden; doch war es Ziegler nicht mehr vergönnt, das Manuskript abschliessend zu redigieren, zu ergänzen und zum Druck zu befördern. Die vorliegenden Aufzeichnungen, verfasst vom langjährigen Musikredaktor der «Basler Zeitung», stützen sich in vielen Einzelheiten auf Zieglers Notizen, ergänzt durch eigene Nachforschungen. Insbesondere die Übernahme des Radio-Orchesters Beromünster durch die BOG wird verhältnismässig ausführlich dargestellt, weil sie sich für das Fortbestehen der BOG als entscheidend herausstellte. Dabei erwies sich die Darstellung Hans Zieglers in seinem Entwurf als ausserordentlich hilfreich. Dem Andenken Hans Zieglers sei diese Publikation deshalb in Dankbarkeit gewidmet. Dank gebührt auch der langjährigen Sekretärin und Archivverwalterin der BOG, Frau Cilgia Küry, sowie dem Archiv der «Basler Zeitung». Sigfried Schibli Basel, im Februar 2009

Berufsbezeichnungen wie «Musiker» schliessen jeweils beide Geschlechter ein. 8


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TEIL I: GESCHICHTE DER BOG 1971–2008 RÜCKBLICK: DIE BOG BIS 1972

Es gibt verschiedene Modelle, wie die Tätigkeit eines Sinfonieorches ters organisiert werden kann. Es kann in eigener Regie als selbstständiges Unternehmen agieren, Dirigenten und Solisten nach eigener Wahl engagieren und die Spielorte nach den eigenen Erfordernissen und finanziellen Möglichkeiten wählen, die Mitwirkung in Opern- und Choraufführungen frei zusagen oder ablehnen. Nach diesem privatwirtschaftlichen Muster war die Allgemeine Musikgesellschaft mit ihrem Orchester bis 1921 tätig. Heute findet dieses Modell vorwiegend bei Orchestern Anwendung, die überwiegend auf dem freien Markt für Orchesterdienstleistungen tätig sind, in Basel etwa bei der «basel sinfonietta» oder dem Kammerorchester Basel. Wenn der Staat beziehungsweise der Kanton oder die Gemeinde als wesentlicher Finanzierungsfaktor hinzukommt, wird man in der 9


Regel ein anderes Organisationsmodell wählen, das in Basel von 1988 bis 2007 praktiziert worden ist: Eine staatsnahe Institution steuert die Geschäfte des Orchesters und verpflichtet sich, dem städtischen oder regionalen Konzert- und Opernbetrieb zu dienen. In Deutschland heissen solche Klangkörper häufig «Staatsphilharmonie» oder «Staatsorchester». In der Schweiz ist diese Bezeichnung nicht üblich, auch wenn sie durchaus sachgerecht wäre. Nach diesen Vorstellungen ist die «Stiftung Basler Orchester» konstruiert worden. Sie fasst Betreiber und Nutzer des Orchesters unter einem Dach zusammen, pflegt aber selber keine wesentlichen künstlerischen Aktivitäten auszuüben. Diese überlässt sie den angestammten Institutionen des Musiklebens. Eine weitere, lange Zeit bei der Tonhalle-Gesellschaft in Zürich praktizierte Variante sieht vor, dass Orchester, Konzertveranstalter und Saalverwaltung in einer Hand vereinigt sind, wobei der Kanton beziehungsweise die Stadt gewisse Bestandsgarantien geben, während die Einnahmen durch Saalvermietungen und Schallplattenaufnahmen in die Vereinskasse fliessen. Zwischen den beiden Extremen – privatwirtschaftliche versus quasi-staatliche Struktur – gibt es etliche Varianten. Bis 1921 wurde das Basler Sinfonie-Orchester, wie es später genannt wurde, von der Allgemeinen Musikgesellschaft (AMG) getragen. Dieser private, vom Basler Bürgertum getragene Verein bezweckte nicht eigentlich einen kommerziellen Geschäftsbetrieb, sondern in erster Linie die Durchführung von Orchesterkonzerten und die Mitwirkung in Opern-, Operetten- und Ballettaufführungen. Er war im gleichen Jahr gegründet worden, in dem der Basler Musiksaal eingeweiht wurde: 1876. Von da an hatten die Orchesterkonzerte in Basel einen rund 1500 Plätze zählenden Raum, der akustisch hervorragend und überdies ästhetisch repräsentativ war und es bis heute ist. Unter Dirigenten wie Alfred Volkland und Hermann Suter errang das Orchester der AMG um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einen glänzenden Ruf weit über Basel hinaus. Das Orchester der AMG diente auch den Zwecken des Theaters und der lokalen Chorvereinigungen. Doch sein institutioneller Träger war die AMG – ganz ähnlich, wie es seit Herbst 2007 faktisch auch wieder der Fall ist (siehe den Abschnitt «Bilanz: Zwanzig Jahre danach»). Die Basler Orchester-Gesellschaft wurde 1921 gegründet. Sie war das Produkt einer gemeinsamen Anstrengung verschiedener Gruppierungen des Basler Musiklebens. Die Allgemeine Musik10


gesellschaft (AMG) als bisherige Trägerin des städtischen Orchesters, die Gesellschaft des Stadttheaters, das Konservatorium, die Kommission für Volkskonzerte der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG), der Basler Gesangverein (BGV), die Basler Liedertafel (BLT) und der Basler Männerchor taten sich zusammen und riefen die Basler Orchester-Gesellschaft ins Leben. Sie sollte als partnerschaftliche, keine eigenen Interessen verfolgende, sondern die unterschiedlichen Bedürfnisse und Gewichte berücksichtigende Institution das damals 57 Musikerstellen umfassende Orchester institutionell tragen. Der Kanton schüttete dafür eine Subvention von 100 000 bis 150 000 Franken jährlich an die BOG zu Gunsten ihres Orchesters aus. Diese Summe entspräche heute 5 bis 7,5 Millionen Franken. Bis 1971/72 stieg diese Subvention auf vier bis fünf Millionen Franken an, und mit ihr wuchs auch die Zahl der Orchestermitglieder von ursprünglich 56 auf 158 für zwei Orchester. Am meisten Subventionen flossen 1996 mit 16,6 Millionen Franken allein aus dem Kanton Basel-Stadt, danach gingen die Subventionen kontinuierlich zurück. 2008 beläuft sich die Subvention des heutigen Sinfonieorchesters Basel noch auf 15,1 Millionen Franken von Basel-Stadt (darin eingerechnet 1,492 Millionen Pensionskassen-Beiträge) und 1,7 Millionen Franken vom Kanton Basel-Landschaft (siehe Anhang 2). Damit konnten noch 89,5 Musikerstellen finanziert werden. Auch wenn die BOG regelmässig, etwa zur Saisoneröffnung, eigene Konzerte mit ihrem Orchester veranstaltete,1 bestand ihre Haupttätigkeit in den darauf folgenden fünfzig Jahren doch in der Verwaltung und im Vermieten des Klangkörpers an die diversen Benutzer – zahlenmässig vor allem an das Theater und die AMG, ausserdem an den Gewerkschaftsbund (Volkssinfoniekonzerte) und die Coop-Genossenschaft, aber auch an die Chöre und gelegentlich andere Benutzer wie die Universität. Diese lokalen Veranstalter mussten nur einen Bruchteil der Kosten zahlen, die bei einer Vollkostenrechnung für Orchesterdienste angefallen wären. Man kann daher sagen, dass sie «indirekt subventioniert» waren und es bis heute sind. Die BOG als «Zwischenhändlerin» von Orchesterleistungen war verantwortlich für die Neuengagements von Orchestermusikerinnen und -musikern, während die Programmgestaltung sowie das Engagement der jeweiligen Dirigenten, Sänger und Konzertsolisten Sache der Konzertveranstalter blieb. Wohl trafen sich die Vorstände der BOG und der Orchesterbenutzer, wenn es um Fragen wie die Höhe der Saalmiete oder die Neubesetzung der Chefdirigenten11


Position ging. Und selbstverständlich hatte die BOG mehr als nur ein Wörtchen mitzureden bei der Ausgestaltung der Orchestertarife. Aber alle diese Entscheidungen traf sie nicht in eigener Regie, sondern gemeinsam und partnerschaftlich mit den Konzertveranstaltern, mit Musikervertretern sowie Vertretern des subventionierenden Kantons. Sie verstand sich als Subventionsempfängerin und Arbeitgeberin, nicht aber als künstlerische Leitinstitution im Basler Orchesterbetrieb. Diese gewissermassen neutrale Funktion bewährte sich einige Jahrzehnte lang, wobei sie bisweilen dafür belächelt wurde – Michael Boder, von 1989 bis 1993 in der Nachfolge von Armin Jordan Chefdirigent am Theater, verglich dieses Wirken ohne eigene Verantwortlichkeit spöttisch mit einem «Partyservice» im «Dienstleistungssektor», weil die Orchester unterschiedlichsten Herren dienten.2 Zu dieser Zurückhaltung gehörte es auch, dass sich sowohl Edgar Refardt, der die BOG von 1921 bis 1948 managte, als auch sein Nachfolger Hans Ziegler als Verwalter und nicht etwa als Intendanten oder Direktoren bezeichneten. In ihren 67 langen Jahren als Orchesterträgerin hatte die BOG nur zwei Verwalter, Refardt und Ziegler. Die Jahrzehnte nach der Gründung der BOG waren wenig spektakulär. Das Basler Orchestermusikleben war in einem steten Aufschwung begriffen. Das Orchester wurde immer grösser und immer professioneller. Und der Beruf des Orchestermusikers wurde im Zug der Zeit sozial immer besser abgesichert. Erwähnenswert ist, dass in den späten Zwanzigerjahren die Witwen- und Waisenkasse und 1950 das Pensionswesen im Interesse der Musikerinnen und Musiker neu geregelt wurden. 1941 gelang es, die Musikerschaft in den Genuss des Teuerungsausgleichs kommen zu lassen und sie insofern dem Staatspersonal gleichzustellen. 1956 folgte dann als logische Konsequenz die Integration der Orchestermitglieder in die staatliche Pensionskasse. Ein «Fonds für Stellenlose» wurde 1939 eingerichtet und konnte 1968 aufgehoben werden. Ein Fonds für hilfsbedürftige Musiker besteht indes heute noch. Die Mitgliederzahl des Vereins BOG schwankte stark und unregelmässig, ebenso die Zahl der die Generalversammlungen besuchenden Mitglieder, während die Zahl der Orchestermitglieder stetig wuchs und die Zahl der Orchesterdienste bis 1950 auf neun bis zehn Dienste pro Woche zunahm, im Zuge des sozialen Fortschritts und der Arbeitszeitverkürzung danach aber wieder abnahm. (Unter einem Dienst versteht man eine Probe beziehungsweise eine 12


Aufführung von zweieinhalb oder drei Stunden Dauer; die genaue Definition unterliegt dem jeweiligen Vertrag.) Staatsvertreter sassen stets im Vorstand der BOG, nicht aber in den Vorständen der Konzertveranstalter. So darf man von einer frühen und weitgehend gelungenen Form der heute so beliebten und gern zitierten «Public Private Partnership» sprechen.

ERWEITERUNG: EIN ZWEITES ORCHESTER

Ein massiver Einschnitt in die Struktur der BOG war die Hinzu nahme des Radio-Orchesters Beromünster (wie es damals hiess) im Jahr 1970. Wie es dazu kam, verdient eine etwas eingehendere Darstellung – verbindet sich mit der Veränderung vom Ein-Orchester-Betrieb zu einem Zwei-OrchesterUnternehmen doch das weitere Schicksal der BOG bis 1988 und darüber hinaus. Hans Ziegler hat in seinen Aufzeichnungen zu einem zweiten Band der BOG-Gedenkschrift nachgewiesen, dass eine Erweiterung der BOG beziehungsweise ein Umzug des Radio-Orchesters Beromünster nach Basel und die Übernahme durch die BOG schon etliche Jahre vor dem tatsächlichen Transfer des Radio-Orchesters nach Basel im Jahre 1970 ein Thema war. Schon 1955 prüfte man, ob aus den festen Zuzügern der «Operettenformation» und weiteren Musikern ein fester Zuzügerstamm gebildet werden könnte. 1958 gab es im Vorstand der AMG Stimmen, die sich für eine zweite Orchesterformation unter der Verwaltung der BOG aussprachen. Die Begründung dafür lautete, dass es sinnvoll wäre, neben Konzerten gleichzeitig Operetten und Spielopern aufführen zu können. Diskutiert wurde auch, ob man dieses Ziel mit einem festen Stamm von Zuzügern erreichen könne, was eine Mehrheit im BOG-Vorstand verwarf: Angeblich wären auf dem Platz Basel nicht genügend gut qualifizierte freie Musiker zu mobilisieren gewesen. Der Aufbau einer zweiten Orchesterformation wäre aber nur zu rechtfertigen gewesen, wenn es für diesen genügend Konzert-, Theater- und Radiodienste zu erledigen gegeben hätte. Um darüber Klarheit zu erlangen, führte die BOG 1958 eine Umfrage unter den Benützern des Orchesters durch. Das Ergebnis war für die Anhänger einer Erweiterung der BOG ernüchternd. Sowohl das Theater als auch die AMG gaben an, sie sähen in naher Zukunft keinen Mehrbedarf an Orchesterleistungen. Seinen Bericht über eine Vergrösserung des Orchesters beschliesst BOG-Präsident Eugen Dietschi 1958 mit dem Satz: «Für die nächsten Jahre wird, wie die obigen 13


Ausführungen schliessen lassen, kaum mit der Aufstellung einer zweiten Orchesterbesetzung zu rechnen sein.»3 Doch das Thema war damit nicht vom Tisch. Schon zwei Jahre später brachte die Reorganisation der Schweizerischen Rundspruch-Gesellschaft (SRG) neue Bewegung in die Basler Orchesterdiskussion. Wenn nicht der Aufbau eines neuen Orchesters, dann vielleicht die Übernahme eines bestehenden Klangkörpers – so lautete jetzt die Devise. Indirekt trug die Standortfrage des Deutschschweizer Fernsehstudios zur Neubestimmung des Basler Orchesterlebens bei. Denn nach dem Entscheid des Bundesrates für Zürich als Fernseh-Standort tauchte die Frage nach einem gerechten Ausgleich für Basel auf – eine Idee, die durch den Bundesrat selbst lanciert worden war. Die Radio-Genossenschaft Basel machte sich in diesem Sinne für Basel als Sitz des Radio-Orchesters Beromünster stark. Eine Kommission zur Prüfung dieser Frage führte Vertreter der SRG, des Kantons Basel-Stadt, der BOG sowie den Dirigenten und Musikmäzen Paul Sacher zusammen. Insbesondere Sacher argumentierte für einen Transfer des Orchesters nach Basel, und zwar unter die Obhut der BOG. Die Kosten, so Sacher im Januar 1961, sollten von der SRG und vom Kanton getragen werden. Vorgängig sei aber noch die Frage eines eigenen Saals für das «neue» BOG-Orchester zu klären.4 Der in der Kommission als Vertreter der basel-städtischen Regierung anwesende Regierungsrat Peter Zschokke unterstützte Sachers Votum nachdrücklich. Bezüglich eines Saalbaus für die zweite Orchesterformation gab er sich optimistisch. Skeptisch äusserte sich indes BOG-Präsident Eugen Dietschi. Er verwies darauf, dass die BOG noch drei Jahre zuvor eine Bedürfnisabklärung mit Basler Veranstaltern gemacht habe, die ein negatives Ergebnis gezeitigt habe. Überdies, so Dietschi, entständen für den Kanton inakzeptable Mehrkosten.5 Dietschi rechnete vor, dass der Einkauf der Radio-Musiker in die Pensionskasse der BOG mindestens 800 000 Franken kosten würde und dass dafür der Kanton einstehen müsse. Überdies seien die Löhne des Radio-Orchesters tiefer als die der BOG-Musiker, was einen kostspieligen Ausgleich notwendig machte. Aus diesen Gründen halte er die Dislozierung von Zürich nach Basel für unrealistisch. Der BOG-Verwalter Hans Ziegler ergänzt in seinen Notizen, «das Bedürfnis nach einer zweiten vollen Orchesterformation» sei «von den Anforderungen her auf die nächsten Jahre hinaus nicht nachgewiesen» gewesen. In der BOG herrschte die Meinung vor, es 14


gehe der SRG gar nicht um einen kulturpolitischen Ausgleich, sondern nur darum, einen Teil der Kosten für das Radioorchester einzusparen und sie dem aus Zürcher Sicht «reichen Basel» aufzubürden. Die BOG blieb skeptisch und wurde in ihrer Skepsis letztlich von der Entwicklung bestätigt. In der Folge äusserten sich die Hauptbenutzer des Basler Orchesters nochmals zur Frage, ob sie sich eine signifikante Steigerung ihrer orchestralen Aktivitäten vorstellen könnten. Die Antworten waren gleich wie drei Jahre zuvor. Sowohl das Theater als auch die AMG verneinten auf entsprechende Anfragen im Februar 1961. Gleichwohl betrachteten wichtige Exponenten des Basler Kulturlebens ein zweites Orchester als kulturelle Chance. Paul Sacher meinte in einer Besprechung des BOG-Vorstandes mit dem OrchesterAusschuss am 1. März 1961 zur Bedarfsfrage nach einem zweiten Orchester, «Verwendungszwecke für das Orchester wären zu finden». Er verwies überdies darauf, dass beide Formationen «wie bei der Tonhalle» in Zürich «nicht streng getrennt verwendet werden» müssten. Dirigier-Meisterkurse «mit einem grossen internationalen Dirigenten» an der Musik-Akademie hätten nicht stattfinden können, weil das BOG-Orchester ausgelastet gewesen sei; ein zweiter Klangkörper würde dieses Problem lösen. Allerdings fanden solche Kurse mit Pierre Boulez 1960 bis 1963 sowie 1965 auch ohne zweites Orchester statt.6 Von Seiten der Musik-Akademie, deren Direktor von 1954 bis 1964 Walter Müller von Kulm war, wurde ebenfalls für ein zweites Orchester votiert – im Hinblick auf die Schlusskonzerte des Konservatoriums. Im gleichen Sinne argumentierte Emil Vogt, der langjährige Kulturbeauftragte im Basler Erziehungsdepartement (man pflegte diese starke Persönlichkeit mit liebevoller Ironie als «Kulturvogt» zu bezeichnen). Er forderte die BOG auf, sie solle «positiv an das Radio-Orchesterprojekt herantreten». Der Grosse Rat sei erfahrungsgemäss in sozialen Fragen aufgeschlossen und werde das Projekt nicht torpedieren, meinte er. Überall nähmen die Festspiele zu, und dafür bräuchte es mehr Orchesterleistungen. Er zitierte den künstlerischen Leiter der AMG, Hans Münch, mit dem Satz, es fehle an Orchesterleistungen, «um gewisse Orchesterwerke einstudieren zu können. Es sollte eine Dynamik in unser Musikleben getragen werden». Die Spitzen der BOG hingegen waren unverändert voller Skepsis – und mochten sich einer näheren Prüfung des Vorhabens dennoch nicht verweigern. Aus späterer Sicht mag man dies als Inkonse15


quenz, gar als Fehler betrachten, denn zweifellos trug das «Experiment Radioorchester» mit all seinen Folgen letzten Endes dazu bei, dass die BOG 1988 ihrer Rolle als Trägerin des Basler Orchesterbetriebs verlustig ging. Aber wir wollen nicht vorgreifen. Zunächst ging mit Datum vom 1. August 1961 ein Brief des Direktors der Radio-Genossenschaft Basel, Fritz Ernst, an die BOG mit der Bitte um Hilfestellung in der Radioorchester-Frage. Diese beantwortete die BOG dahingehend, dass es in ihren Augen zwei Möglichkeiten gebe: eine Dislozierung des Radioorchesters zu den Bedingungen der in Basel üblichen Gehälter, Pensions- und Vertragsbedingungen – oder aber eine Einordnung des Orchesters als eigene Formation in die BOG. Ernst warf auch eine Frage auf, die zwar vorläufig nicht weiter verfolgt wurde, die aber dennoch erwähnenswert ist: die Frage, ob das Radio auf das von Cédric Dumont geleitete «Unterhaltungsorchester» mit 15 Musikerpositionen verzichten könne, da «dessen Produktion zu einem guten Teil gleich ist wie die von der Schallplattenindustrie angebotene Unterhaltungsmusik». Dafür könne ein «Promenadenorchester» des Radios auch Dienste im Theater verrichten, wodurch das Sinfonieorchester «vom Theaterdienst befreit» würde. Beide Klangkörper wären der BOG unterstellt. Die BOG antwortete darauf mit einem Brief, in dem finanzpolitische Argumente den Ausschlag gaben für eine zwar nicht radikal ablehnende, aber doch skeptische Haltung den Übernahmeplänen gegenüber. Doch die basel-städtische Regierung liess sich nicht von ihrem Kurs abbringen. Sie sah sich in einer Konkurrenz mit Bern und Zürich um das Radio-Orchester und wollte den Wettstreit gewinnen. Die Regierung teilte dem Zentralvorstand der Schweizerischen Rundspruch-Gesellschaft am 9. Juni 1964 mit, aufgrund des Bedürfnisses nach zusätzlichen Orchester-Leistungen votiere sie für eine Verlegung des Radioorchesters nach Basel. Dort sollte es ungefähr ein Drittel der Dienste für das Basler Opern- und Konzertleben leisten und die restlichen zwei Drittel weiterhin fürs Radio. Die Übernahme des Radioorchesters durch Basel sei geradezu eine «Ideallösung». Für einige Jahre ruhten die Gespräche bezüglich des Radio-Orchesters Beromünster. In der Basler Kulturpolitik indes gab es ein Tauziehen um die Stärke des BOG-Orchesters. Während der Vorstand der BOG eine Verstärkung von dessen Streicherbestand, eine Anhebung der Musikerlöhne und entsprechend höhere Subventionen wünschte, zögerte die Regierung unter Federführung von Kultursekretär Emil Vogt den Entscheid mit Hinweis auf die noch pendente Radio16


orchester-Frage zuerst hinaus. Noch im Juni 1964 erklärte der Vertreter des Erziehungsdepartements, eine von der Orchester-Fachkommission gewünschte Vergrösserung des Orchesters könne «aus politischen Gründen» jetzt nicht der Regierung unterbreitet werden.7 Was war mit diesen «politischen Gründen» gemeint? Zwischen der BOG und der Regierung war eine Art von Grundsatzkonflikt entstanden. Während die BOG für ein starkes einziges Orchester kämpfte, neigten Regierungsvertreter zu einem Zwei-Orchester-Modell. Das Stichwort für diese Debatte lieferte der Staatsdelegierte im BOGVorstand Christoph Bernoulli: Basel solle ein «Ort der Elite» werden, dem «expansiven Zürich» solle ein «intensives Basel» gegenübertreten, wofür er neben dem Orchester die Universität und den Kunstbetrieb als Beispiele nannte.8 Trotz ihrer begründeten Zweifel am Sinn einer Übernahme des Radioorchesters Beromünster konnte sich die BOG einer weiteren Präzisierung der Übernahmepläne nicht verweigern. Hinter ihrem abwartenden Verhalten steckte die Angst, ihre Rolle als Orchesterträger zu verlieren. Nach einer Vorstandssitzung am 29. März 1965 teilte sie der Regierung mit, der Vorstand der BOG begrüsse «grundsätzlich die Bestrebungen des Regierungsrates für die Übernahme dieses Orchesters (sc. des Radio-Orchesters Beromünster)». «Sofern es wünschenswert erscheint, stellen wir unsere Dienste gerne zur Verfügung.» Die BOG befand sich ganz offensichtlich in einem Dilemma. Das Radio wollte sein Orchester abtreten und stellte den Bau eines neuen Saals auf dem Bruderholz in Aussicht. Die Regierung wollte aus Prestigegründen ein zweites Basler Orchester, und auch im Grossen Rat herrschte sowohl bei Bürgerlichen als auch bei Linken die Bereitschaft vor, das finanzielle Engagement für das Radio-Orchester zu leisten. Gegen eine solche Übermacht wollte oder konnte die BOG mit ihren Zweifeln nicht antreten. Mit grossem Mehr gegen nur drei Stimmen bewilligte der Grosse Rat 1969 einen Staatsbeitrag für den Einkauf des Orchesters von über drei Millionen Franken und den Vertragsabschluss über 25 Jahre, bis 31. März 1995.

Danach nahm der Regionalvorstand der SRG die konkreten Verhandlungen mit Basel auf, und die BOG stellte sich auf die Übernahme ein. Im Zuge einer Bereinigung des Dienstvertrags zwischen dem Schweizerischen MusikerverUMSETZUNG:

DER TEUFEL STECKT IM DETAIL

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band (SMV) und der BOG, die unter anderem das Pensionierungsalter und die Modalitäten in Krankheitsfällen neu regelte, sollten auch die Musikerinnen und Musiker des Radio-Orchesters dem neuen Vertrag unterstellt werden. Er trat auf Anfang des Jahres 1967 in Kraft. Aus dem einstigen Dienstvertrag wurde ein Gesamtarbeitsvertrag, womit eine alte Forderung der Musikerverbände erfüllt wurde. Ganz freiwillig war das Einschwenken der BOG auf einen Gesamtarbeitsvertrag allerdings nicht: Die Orchestermitglieder des Radio-Orchesters, die überwiegend dem Verband des Personals der Öffentlichen Dienste (VPOD) angehörten, hatten in Zürich einen GAV mit der SRG und konnten in Basel nicht schlechter gestellt werden. So profitierten auch die Mitglieder des bisherigen BOG-Orchesters von ihren künftigen Kolleginnen und Kollegen aus Zürich. Am 1. August 1972 trat der neue Basler GAV in Kraft. Nicht alle bisherigen Mitglieder des Radio-Orchesters Beromünster erklärten sich bereit, in Zukunft in Basel zu arbeiten. Von seinen über sechzig Mitgliedern kamen deren 47 nach Basel; die restlichen vierzehn sowie sieben kurz vor der Pensionierung stehende Orchestermusiker wurden nach Probespielen durch jüngere Kräfte ersetzt. Als Unterkunft für das Orchester diente zuerst der Landgasthof in Riehen – ein Saal auf dem Bruderholz, wo das Radio-Studio Basel angesiedelt ist, bestand erst auf dem Papier. Die Musikerinnen und Musiker wurden am 6. April 1970 im Grossratssaal des Basler Rathauses festlich empfangen. Regierungsrat Max Wullschleger beschwor als Festredner den «Beginn einer neuen Epoche im Basler Musikleben» und vergass nicht, die Orchestermitglieder um Verständnis dafür zu bitten, dass das neue Orchesterstudio auf dem Bruderholz noch nicht gebaut sei. Es sollte nie Wirklichkeit werden … Zu den unmittelbaren Folgen der neuen Partnerschaft gehörte es, dass sich die Zusammensetzung des BOG-Vorstands veränderte. So nahm ein Delegierter des Radios DRS Einsitz in den Rat – zuerst Hans Vogt, dann Rudolf Kelterborn und später Andreas Wernli. Laut Vertrag beteiligte sich Radio DRS mit namhaften finanziellen Beiträgen an den Kosten des Radio-Orchesters. Zu den Staatsbeiträgen von Basel-Stadt kamen jetzt auch Zuschüsse des Kantons Basel-Landschaft. Allerdings betrugen sie weniger als ein Zehntel der basel-städtischen Subvention, nämlich 60 000 Franken pro Jahr. Ausserdem nahm ein Delegierter des 18


Baselbieter Regierungsrates Einsitz im Vorstand der BOG. Aus Rücksicht auf den Landkanton wurde der erste Paragraf der BOGStatuten angepasst: Als Zweck des Vereins wurde jetzt nicht mehr «die Organisation, Finanzierung und Verwaltung eines ständigen Konzert- und Theaterorchesters für die Stadt Basel» genannt (Statuten vom 9. März 1948), sondern «die Organisation, Finanzierung und Verwaltung eines ständigen Orchesters, das in zwei Formationen den Konzertveranstaltern, dem Theater und dem Radio DRS zur Verfügung gestellt wird» (Statuten vom 25. Februar 1971). Die Ortsangabe «Basel» findet sich also nicht mehr. Diese Änderung in den Statuten entsprach einem Wunsch der basel-städtischen Regierung, für die sich insbesondere der seit 1947 als Kultursekretär im Erziehungsdepartement tätige Emil Vogt stark machte. Ebenfalls eine Begleiterscheinung der neuen Konstellation bestand darin, dass ab 1970 häufiger als zuvor die weitere Umgebung Basels bespielt wurde. Jetzt standen Orchesterkapazitäten zur Verfügung, die vor der Übernahme des Radio-Orchesters gefehlt hatten. Die neuen Arbeitsverträge waren nicht die einzige rechtliche Veränderung im Basler Orchesterbetrieb, die durch das Hinzutreten des Radio-Orchesters notwendig wurde. Zuvor noch mussten neue Namen für die bestehenden Klangkörper gefunden werden. Zur Debatte standen Namen wie «Basler Philharmonie», «Basler Sinfoniker» und auch «Radio-Orchester der BOG». Nach längerer Evaluation einigte man sich auf «Basler Sinfonie-Orchester» für das ehemalige Orchester der BOG und «Radio-Sinfonieorchester Basel» für das ehemalige Radio-Orchester Beromünster. Damit wurde das substanzielle Engagement des Radios im Namen des «neuen» Klangkörpers festgeschrieben.9

DEFINITION: ORCHESTER ODER FORMATION?

Kaum hatte sich die BOG mit der Regierung auf eine Übernahme des bisherigen Zürcher Orchesters geeinigt, traten neue Differenzen in Erscheinung. Während die BOG, darin einig mit der Radio-Genossenschaft Basel, von «zwei Orchestern» sprach, schwebte der Regierung ein grosses Orchester vor, das in zwei «Formationen» geteilt werden konnte.10 Hinter dieser für den Laien vielleicht marginalen Nuancesteckte die Vorstellung, dass die einzelnen Musikerinnen und Musiker nicht einem der beiden Orchester fest zugeordnet wären, sondern je nach Erfordernis vom einen Klangkörper in den andern wechselten. Sicherlich standen dahinter auch finanzielle Überlegungen. So scheint es betriebswirt19


schaftlich durchaus sinnvoll, die Spieler relativ spezieller und nicht ständig gebrauchter Instrumente wie bestimmter Schlaginstrumente, Harfe oder Englischhorn für beide Orchester einzusetzen, anstatt in jedem Orchester Spezialisten zu haben, die dann doch nur selten zum Einsatz kommen. Dieser Plan scheiterte am Widerstand zahlreicher Orchestermusiker – und an dem der BOG, die aus Qualitätsgründen am bewährten Modell festhielt. Aus heutiger Sicht kann man sich fragen, ob die Ablehnung der Formations-Idee nur Ausdruck konservativer Besitzstandwahrung und Veränderungsangst war. Von Anfang an schwebte auf Musikerseite die Angst im Raum, die Übernahme des Radio-Orchesters durch die BOG sei eine Vorbereitung der Fusion der beiden Orchester. Schon 1970, unmittelbar vor der Übernahme am 6. April im Landgasthof Riehen, brachten Musikervertreter diese Sorge zum Ausdruck, und der baselstädtische Staatsvertreter im BOG-Vorstand, der Musikwissenschafts-Professor Hans Oesch, sah sich veranlasst, ausdrücklich ins Protokoll zu diktieren: «Von uns aus können wir heute schon versichern, dass wir nie für eine Fusion sind.» Sowohl Orchestervertreter als auch die BOG-Verwaltung beharrten auf der Identität eines jeden der beiden Klangkörper und wehrten sich vehement gegen eine Vermischung. In den Jahren danach kam es nur vereinzelt vor, dass Orchestermitglieder aus dem einen Klangkörper im anderen «aushalfen». So spielte etwa zur Saisoneröffnung im August 1990 das Radio-Sinfonieorchester verstärkt durch Musiker des Basler Sinfonie-Orchesters unter Michael Boder Ravels «La Valse». Das war damals noch die absolute Ausnahme, während es in den Neunzigerjahren häufiger vorkam, bis es 1997 zur Fusion der beiden Klangkörper kam. Kompliziert gestaltete sich die Frage der Senderechte, das heisst das Recht auf radiophonische Verwertung von Aufnahmen. Bei musikalischen Radiodarbietungen fallen Ansprüche der Musikerinnen und Musiker sowie gegebenenfalls der Komponisten an. Letztere werden in der Schweiz durch die Urheberrechts-Gesellschaft SUISA vertreten, erstere durch die Schweizerische Interpreten-Gesellschaft (SIG). Bei der Umsiedlung des Radio-Orchesters wurde den Musikern zur Bedingung gestellt, dass die Interpretenrechte uneingeschränkt bei der SRG verblieben. Damit konnte sich die BOG nicht einverstanden erklären, hatte sie doch das RadioOrchester vollumfänglich übernommen. Nach längerem Ringen einigte man sich darauf, dass die BOG der SRG 300 Orchesterdienste pro Spielzeit erbringe und dafür einen bestimmten Be20


trag erhalte. Mit der Abtretung des Radio-Orchesters an die BOG fielen dieser jetzt auch die Senderechte zu. Mit dem Hinzutreten des Radio-Orchesters veränderte sich das Gesicht der BOG erheblich. Nicht nur standen jetzt rund 165 Musikerinnen und Musiker im Sold ihres Arbeitgebers. Auch die Zahl und der Charakter ihrer Einsätze in Oper, Ballett und Konzert veränderten sich. Namentlich im Bereich der Festivals und der Neuen Musik ergaben sich zusätzliche Möglichkeiten, denn plötzlich waren Orchesterdienste in reicher Zahl verfügbar. Aus heutiger Sicht mag man sagen: Der Mehrbedarf an Orchesterleistungen war nicht gegeben, er wurde nach 1970 geschaffen. Aber untätig mussten die Orchestermitglieder nicht bleiben. So spielte das Basler Sinfonie-Orchester wiederholt bei den Salzburger Festspielen, bei den Luzerner Musikfestwochen, beim Musikfestival in Montreux-Vevey, beim Festival de Sion Tibor Varga und bei den Settimane Musicali di Ascona. Ein künstlerischer Höhepunkt war sicherlich die Aufführung des riesenhaften Werks «Des Canyons aux Etoiles» von Olivier Messiaen im September 1984 bei den «Frankfurt Festen»; Dirigent war Heinz Holliger. Pierre Boulez, der mit Paul Sacher befreundet war und mehrmals Meisterkurse an der Musik-Akademie leitete, stand immer wieder am Dirigentenpult des Basler Sinfonie-Orchesters und wurde eine Zeitlang sogar als möglicher neuer Chefdirigent des Sinfonie-Orchesters gehandelt. Im Rückblick waren dies sicherlich goldene Jahre in der Geschichte des angestammten Basler Orchesters. Auch das Radio-Sinfonieorchester Basel kam verschiedentlich zu Festival-Ehren. Nachdem der international wenig bekannte Dirigent Jean-Marie Auberson 1974 nach kaum dreijähriger Tätigkeit bei diesem Orchester abgetreten und Matthias Bamert als neuer Chef installiert war, konnte man das RSOB regelmässig an Festivals und im Fernsehen hören, hier vor allem in den innovativen Musikverfilmungen des Regisseurs Adrian Marthaler. Bei den Luzerner Musikfestwochen gastierte das RSOB etwa im August 1978 sowie im September 1980 mit einem Mozart-Salieri-Programm und später (1993) in einer Festwochen-Matinee unter dem Gastdirigenten Mario Venzago, der vier Jahre später zum künstlerischen Leiter der AMG und faktisch, wenn auch nicht formell, zum ersten Chefdirigenten des dannzumal fusionierten Sinfonieorchesters Basel werden sollte. Dass der vor allem als Operndirigent international bekannte Nello Santi 1987 Chefdirigent des RSOB wurde und dies zehn Jahre 21


lang blieb, mochte manchen Beobachter verwundern. Im Nachhinein ergibt diese Personalie durchaus einen Sinn: Konnte man doch darauf bauen, dass Santi, der den Höhepunkt seiner Karriere damals bereits überschritten hatte und eine Chefposition im Grunde nicht mehr nötig hatte, einer Einstellung seines Orchesters beziehungsweise Fusion mit dem Basler Sinfonie-Orchester keinen Widerstand entgegen bringen würde. Das Radio-Sinfonieorchester, das in seiner früheren Funktion viel zeitgenössische Musik gespielt hatte, wurde durch den Umzug nach Basel zu einem ständigen Zuträger von Orchesterleistungen im populären Klassik-Segment. Es spielte in der Coop-Reihe und bei den Volkssinfoniekonzerten, bei der AMG und im Theater, und zwar sowohl in der Oper als auch im Ballett. Seine Stellung als «zweites Orchester» auf dem Platz Basel und «jüngere Schwester» des Basler Sinfonie-Orchesters konnte es indes nie ganz überwinden. In den Abonnementskonzerten wurde das mittlerweile zum eher «konservativen» Klangkörper gewordene Orchester zwar häufig in den Sonntagsmatineen eingesetzt, aber es blieb klar die «Nummer zwei», und es gab einige Dirigenten (wie Armin Jordan oder Horst Stein), die es ablehnten, mit ihm zu spielen. «Das RSOB hatte immer ein wenig einen Minderwertigkeitskomplex und blieb in der Basler Orchesterlandschaft der ‘kleine Bruder’ des Basler Sinfonie-Orchesters», sagt Markus Ernst heute, lange Jahre Schlagzeuger im BSO. Das Basler Sinfonie-Orchester indes bekam es damals öfter auch mit experimenteller Musik zu tun. Und dies nicht immer zur Freude der Musiker. Erwähnenswert ist hier der «Fall» eines Konzerts im Rahmen der von Paul Sacher initiierten und finanzierten Reihe des Basler Kammerorchesters (BKO), das mehrheitlich aus Mitgliedern des Basler Sinfonie-Orchesters bestand. Am 16. Juni 1972 sollte das Orchester die Komposition «Pneuma» von Heinz Holliger spielen. Dieses Werk aus dem Jahr 1970 verlangt von den Bläsern unterschiedliche neue Instrumentaltechniken zur Erzeugung eines aussergewöhnlich breiten Klangspektrums. «Ich hoffe sehr, dass ich dadurch nicht den Zorn der Orchestermusiker auf mich ziehe», schrieb Holliger in einem Brief an Josef Häusler von den Donaueschinger Musiktagen anlässlich der dortigen Uraufführung von «Pneuma».11 Holligers Wunsch ging nicht in Erfüllung, jedenfalls in Basel nicht. Vor der geplanten Basler Aufführung im Juni 1972 kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Musikern und dem Veranstalter, Paul Sachers 22


BKO. Ein Klarinettist äusserte, das von den Musikern Verlangte «widerspricht allem, was wir an Konservatorien und Musikhochschulen gelernt haben». Nebengeräusche, die normalerweise zu vermeiden seien, würden hier gerade gefordert, was einen «völligen Bruch mit dem Bisherigen» darstelle. Mehrere Musiker äusserten sich in der Öffentlichkeit und in Vorstandssitzungen der BOG ähnlich. In der Basler Presse war sogar von einem «Streik» der Bläser die Rede. Auch wenn diese Formulierung stark übertrieben war, nahmen Paul Sacher und der Gastdirigent Heinz Holliger Abstand von der Mitwirkung der BOG an diesem Konzert. Es ging schliesslich ohne Orchester und ohne «Pneuma» zum vorgesehenen Termin über die Bühne. Der Vorfall hatte Folgen für die kommenden Konzerte. So erkundigte sich das Präsidium der BOG vor dem nächsten BKO-Programm mit neuer Musik Anfang Mai 1973, ob die vorgesehenen Werke von Bernd Alois Zimmermann, Klaus Huber, Heinz Holliger und Jürg Wyttenbach – der auch dirigierte – «nichts Aussergewöhnliches oder Ungebräuchliches» enthielten. Nachdem Paul Sacher den Orchesterträger diesbezüglich beruhigt hatte, gab die BOG grünes Licht – verbunden mit der Auflage, die Musiker müssten vorgängig Studien und Fortbildungsproben in neuester Musik besuchen können. Für deren Leitung wurde der renommierte deutsche Dirigent und Komponist Hans Zender engagiert. So resultierte aus einer krisenhaften Situation doch immerhin noch ein positiver Lerneffekt.

DEMOKRATIE: KULTUR UND ÖFFENTLICHKEIT

Die Kultur und die Demokratie wollen sich nur selten harmonisch zueinander fügen. Diese pessimistische Devise mag durch die jüngere Geschichte der BOG illustriert werden. Zwei Mal seit 1975 musste sie sich, die ja eigentlich ein privater Verein ist, dem Votum des Souveräns an der AbstimmungsUrne stellen. Und beide Male war sie nicht von Erfolg gekrönt. Das erste Mal ging es um die Löhne der Musikerinnen und Musiker, das zweite Mal um den Wechsel der Trägerschaft 1988 (siehe unten). Im Zuge des 1970 eingeführten neuen Lohngesetzes für das basel-städtische Staatspersonal wurden die Gehälter des Personals verschiedener staatsnaher Betriebe unter die Lupe genommen. So kam es nach 1971 zu Lohnanpassungen beim Kaufmännischen Verein und beim Theater Basel (das sich damals «Die Basler Theater» nannte), in deren Folge auch die Löhne der BOG-Angestellten neu verhandelt wurden. Dies entsprach dem Wunsch der Regierung. 23


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Die Musik-Akademie hatte im Rahmen einer Eigenbewertung als Grundlage der Löhne ihrer Lehrerinnen und Lehrer die 13. Lohnklasse genannt. Sollten die bisher in die Lohnklasse 15 bei den Primar- und Sekundarlehrern eingeteilten BOG-Musikerinnen und -Musiker, die zweifellos einer harten internationalen Konkurrenz ausgesetzt sind und als ausführende Künstler ständig vor dem Urteil der Öffentlichkeit bestehen müssen, nicht mindestens gleich gut behandelt werden wie Mittellehrer, Bibliothekare und Konservatoren? Dieses vom BOG-Vorstand in einem detaillierten Berufsbild für Orchestermusiker (siehe Anhang 3) ausgearbeitete Argument vermochte die Regierung nicht zu überzeugen. Sie ordnete die Orchestergagen in die etwas tiefere 14. Lohnklasse ein, in welcher zum Beispiel Sonderklassenlehrer und Berufsberater angesiedelt waren. Die Lohnanpassung sollte rückwirkend auf Anfang 1973 erfolgen. 24


Dieser Vorschlag der Regierung passierte den Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt mühelos mit allen gegen nur fünf Stimmen. Doch auch diese Einordnung blieb nicht unbestritten. So gab es zwischen der BOG und der SRG Probleme um die Reallohnerhöhungen der Musikerinnen und Musiker, an denen sich die SRG als massgeblicher Zahler beteiligen musste. Die SRG machte daraufhin Finanzierungsprobleme geltend. Rudolf Kelterborn argumentierte in seiner Eigenschaft als Musik-Abteilungsleiter von Radio DRS, das Radio habe keine teuerungsgemässen Mehreinnahmen, da die Konzessionsgebühr fest sei, und es habe ja gerade aus Mangel an finanziellen Mitteln das Orchester an die BOG abgetreten. Damit gestand er ein, dass das Verhalten der SRG ihrem Orchester gegenüber weniger kulturpolitisch als durch die Sparabsicht motiviert war. Die Gegenseite erinnerte daran, dass dem Radio schon vor der Abtretung des Radio-Orchesters bekannt gewesen sein musste, dass eine Lohnerhöhung anstand. «Das Radio hat einen kuriosen Vertrag abgeschlossen», bemerkte Paul Sacher in einer Besprechung mit Vertretern der BOG und der SRG, «wenn es wirklich kein Geld hat, warum geht es denn solche Verpflichtungen ein?»12 Zu diesen internen Problemen kam eine Auseinandersetzung auf der politischen Bühne hinzu. Die rechtsbürgerliche «Nationale Aktion» drohte damit, das Referendum gegen die Einstufung der Orchestermusiker in die Lohnklasse 14 mit Rückwirkung zu ergreifen. Federführend war auf ihrer Seite Grossrat Hans Jeker, von Beruf Typograf bei der «National-Zeitung». Die Volksabstimmung war auf den 8. Juni 1975 festgesetzt worden, und die BOG-Spitze sah ihr mit Bangen entgegen – waren doch auf diesen Termin auch wenig beliebte eidgenössische Fragen wie die Benzinzoll-Erhöhung und die AHV-Renten traktandiert worden. Ein hochrangiges Unterstützungskomitee stand auf der Seite der Musikerschaft und der BOG. Die Linke war gespalten, aber nicht alle teilten den Futterneid gegenüber den Orchestermusikern. So stritt der populäre sozialdemokratische Nationalrat Helmut Hubacher als Sekretär des Komitees für die materiellen Anliegen der Musiker. Jeker persönlich bekämpfte nur die Tatsache der Rückwirkung der Lohnerhöhung und fand sich darin – eine seltsame Allianz! – vom sparwilligen Radio unterstützt, während viele seiner Kollegen auch die Lohnerhöhung als solche für unangemessen hielten. Die Abstimmung ging – bei einer Stimmbeteiligung von 34 Prozent – für die Musiker negativ aus. 26 093 Nein-Stimmen standen 23 014 25


Ja-Stimmen gegenüber. Damit war das Referendum erfolgreich. Kommentatoren bewerteten das Abstimmungsergebnis als «nicht überraschend», hätten doch viele Wählerinnen und Wähler die wirtschaftliche Situation und die Finanzlage Basels in Rechnung gestellt (Jan Krieger in der «National-Zeitung»). In den «Basler Nachrichten» beklagte Hans Spinnler den Abstimmungsausgang: Den Musikern sei «der gerechte Lohn vorenthalten» worden, und dies sei «ein Akt krasser Ungerechtigkeit».13 Am Ende sollte NZ-Redaktor Jan Krieger Recht behalten, der mutmasste, die Einordnung der Musiker in die 14. Lohnklasse würde ohne die Rückwirkungsklausel «sämtliche politische Hürden» überwinden. So war es denn auch: Fünf Monate später stimmte der Grosse Rat dem neuen Ratschlag und damit einer wesentlichen Erhöhung der Musikerlöhne zu, aber ohne jede Rückwirkung. In Prozentzahlen entsprach dies einer Erhöhung der bisherigen Entlöhnung um 22 Prozent.

STRUKTURREFORM: Im Mai 1978 veröffentlichten MitKOMMISSIONEN glieder des Sinfonieorchesters der UND KONZEPTE BOG um den langjährigen Bratschisten, Musikerverbandspräsidenten und Nietzsche-Forscher Curt Paul Janz eine Broschüre mit dem Titel «Die aktuelle Struktur des Basler Musiklebens aus der Erfahrung des Orchesters». Es ist die Beschreibung eines Zustands, den man auch als auf Dauer gestelltes Malaise bezeichnen kann. Im Fokus steht einerseits der Mangel an Kompetenzen der BOG, die zwar Arbeitgeberin der Orchester, aber nicht qualifiziert war, einen Chefdirigenten zu berufen. Ein weiteres Problem lag in der Verfügbarkeit des Musiksaals im Basler Stadtcasino. Dieses sollte laut den Autoren der Studie in den Besitz der BOG oder des Kantons Basel-Stadt übergehen, damit seine Belegung «rein künstlerischen Aspekten unterstellt»werden könne – eine Forderung, die auch Paul Sacher immer wieder erhob. Darüber hinaus schlugen BOG-Musiker um Janz die Schaffung einer Intendantenund einer Chefdirigentenposition vor, beides «mit dem Einverständnis der hauptsächlichsten Orchesterbenützer und der Orchester». Eine Stärkung der BOG und eine gewisse Zentralisierung seien notwendig, um die Qualität der Orchesterleistungen in der Gegenwart und in der Zukunft – die Studie wirft schon einen Blick aufs Jahr 1995 voraus – zu verbessern.

Es war die hohe Zeit der Konzept-Diskussionen und Fachgremien. Ebenfalls im Mai 1978 trat erstmals eine «Kommission für Zusam26


menarbeit im Basler Musikleben» unter dem Vorsitz des Musikwissenschafts-Professors Hans Oesch zusammen. Mitglieder der vom Vorstand der BOG berufenen Kommission waren Andreas Theodor Beck (AMG), Rudolf Kelterborn (SRG), Andreas P. Hauri als Verwaltungsratspräsident des Theaters, der Musiker Curt Paul Janz, der Dirigent Paul Sacher, Emil Vogt vom Basler Erziehungsdepartement sowie der BOG-Verwalter Hans Ziegler. Den Vorsitz hatte Hans Oesch, damals Präsident der BOG. Diese Kommission war unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Entwicklung und der finanziellen Situation des Kantons gebildet worden. Sie sollte die bestehenden Subventionsverhältnisse überprüfen und nach Möglichkeiten einer intensiveren, Finanzmittel einsparenden Zusammenarbeit der Partner im Musikleben – insbesondere auch der Benützer der beiden BOG-Orchester – suchen. Schon im Februar 1979 stellte die Kommission fest, Strukturveränderungen im Basler Musikleben seien «nicht nur auf die Benützer der BOG, sondern auch auf die BOG selber» auszudehnen.14 In diesem Kreis wurde eine Fusion von AMG und Basler Kammerorchester (BKO) zumindest angedacht, ebenso die Suche nach einem gemeinsamen Intendanten für das ganze Basler Musikleben und nach einem gemeinsamen Dirigenten. Auch die später im Abstimmungskampf diskutierte Frage, ob der GAV den Musikern zu viele Freiheiten für Nebenverdienste einräume, wurde hier schon thematisiert. Paul Sacher wünschte sich eine «straffere Führung der BOG» sowie die Schaffung der Möglichkeit für Kammerorchesterkonzerte zwischen 8 und 18 Musikern mit BOG-Musikern, die aber nicht als Solisten bezahlt werden sollten.15 Ein Zwischenbericht dieser Kommission vom Dezember 1979 («Vorläufiger Bericht der Kommission für Zusammenarbeit im Basler Musikleben») fasst die Aufgabenstellung der Kommission wie folgt zusammen: «Der Auftrag des Vorstandes der BOG an diese Kommission ist, zu prüfen, wie die Zusammenarbeit unter den das Basler Musikleben tragenden Institutionen verbessert werden kann. Anlass dazu gegeben hat die Meinungsäusserung von (AMG-Präsident) Herrn Beck, Basel sollte einen künstlerischen Leiter haben, der mehr als nur die AMG-Konzerte dirigiere.»16 Dieses Papier lässt schon eine für die kommenden Jahre prägende Dichotomie der Grundhaltungen erkennen. Um die Orchesterdienste rationeller und sinnvoller zu verwalten, schlägt ein Teil der Kommission ein «fallweise zu vereinbarendes Zusammenwirken» der einzelnen Institutionen vor, wie es bisher schon funktionierte. 27


Ein anderer Teil der Kommission – nennen wir ihn den staatsfreundlicheren – plädierte für eine straffere Koordination des Musiklebens durch eine Programm- und Koordinationskommission. Die Idee der Bestellung eines für mehrere Institutionen der klassischen und der neueren Musik zuständigen Dirigenten wird in diesem Papier zwar als theoretische Möglichkeit erwähnt, ihre Realisierung aber als unrealistisch bezeichnet, da «zur Zeit die Voraussetzungen fehlen, Gemeinschaftspläne zu entwickeln».17 1981, zwei Jahre nach dem «Vorläufigen Bericht», legte die Kommission für Zusammenarbeit dem Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ihren definitiven Bericht «Basler Musikstruktur» vor. Dieser stellt grundsätzlich fest, dass die «auf nichtobrigkeitlicher, privatinstitutioneller Grundlage wirkende Struktur des Basler Musiklebens mit der staatlichen Orchestersubvention in dieser Kombination funktionstüchtig und produktiv und dank des Einsatzes privater Mittel und Arbeitsleistung beachtenswert kostengünstig» sei. Der Bericht verhehlt indes nicht die Schwachpunkte dieses Modells. Es ermögliche weder dem Basler Sinfonie-Orchester noch seinen Dirigenten eine wirkungsvolle Profilierung über Basel hinaus, da die konzertgebenden Institutionen jeweils ihre eigenen Chefdirigenten beriefen und die Konzerte unter ihrem eigenen Label organisierten. «Die Bestellung eines Basler Chefdirigenten durch die BOG, die übrigens zu ihren Lasten ginge,wird von den Konzertinstitutionen nicht akzeptiert», heisst es lakonisch.18 Weiter thematisiert der Bericht die Klage kleinerer Konzertveranstalter wie des Cantate-Chors, die sich von der BOG aus dem Kreis der privilegierten Abnehmer vergünstigter Orchesterdienste verstossen fühlten (die reduzierten Tarife betrugen 1981 1650 Franken fürs Basler Sinfonie-Orchester und 1100 Franken fürs Radio-Sinfonieorchester). Von grösserer Tragweite sind in dem Bericht die Auslassungen über den bisher «sehr losen Einfluss» der BOG auf die Verwendung ihrer Orchester durch die Benutzer. Die BOG solle zumindest «verlangen können, dass sie in geeigneter Weise zu Beratungen und Entscheiden der Orchesterbenutzer beigezogen wird, wenn es um wesentliche Fragen über die Verwendung des Orchesters geht». Die Schaffung einer zentralistischen Struktur mit einem allein herrschenden Intendanten oder Generalmusikdirektor an der Spitze wird indes von der Kommission verworfen. Viel mehr als eine Fortführung des Status quo hatte die Kommission für Zusammenarbeit nicht vorzuschlagen. Die Stärke ihres Berichts lag darin, die Struktur des Basler Musiklebens mit ihren Eigenhei28


ten, ihren Vor- und Nachteilen objektiv dargestellt zu haben. Wohl sah die Kommission die Probleme, die 1995 mit dem Auslaufen des Vertrags mit der SRG auf das Basler Musikleben zukommen würden. Aber Visionen entwickelte sie keine. Sie stellte lediglich fest, dass ein Gremium gebildet werden solle, das die anstehenden Strukturprobleme rund um die BOG, die SRG und die diversen Orchesterbenutzer diskutieren solle. Historisch ist die Kommission für Zusammenarbeit dennoch bedeutend, steht sie doch am Anfang der Reorganisation des Basler Musiklebens, die 1988 in der Ersetzung der BOG durch die «Stiftung Basler Orchester» gipfeln sollte – wenngleich ein solches Ergebnis gewiss nicht in der bewussten Absicht der Kommission und ihres Präsidenten Hans Oesch lag. Nachdem sie im August 1981 ihren Bericht «Basler Musikstruktur» abgeliefert hatte, erwartete sie natürlich, dass ihre Analyse der Musikstruktur in dem in Arbeit befindlichen «Entwurf zu einem Kulturkonzept» des basel-städtischen Erziehungsdepartements aufgegriffen würde. 19 Zum Verdruss der Kommissionsmitglieder blieb die Analyse der Kommission für Zusammenarbeit in dem rund hundert Seiten starken «Entwurf», der unter Federführung des basel-städtischen Kultursekretärs Cyrill Häring entstanden war, unerwähnt. Wenig diplomatisch sprach die Kommission in einer ersten Reaktion auf den Kulturkonzept-Entwurf von einem «unentschuldbaren Affront gegenüber den aus freien Stücken und persönlicher Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen tätigen Mitarbeitern des Berichts».20 Trotz dieser atmosphärischen Verstimmung verweigerte sich die Kommission der Aufforderung des Regierungsrats nicht, sich detailliert zum Kulturkonzept-Entwurf zu äussern. Ende 1984 war Cyrill Häring von seinem Posten beim Erziehungsdepartement zurückgetreten, um einen Posten bei der Christoph Merian Stiftung anzutreten, und hatte der Juristin Susanne Imbach Platz gemacht, die im April 1985 als Delegierte der Regierung in der BOG-Vorstand eintrat. Mit dieser Juristin, die bisher am Baselbieter Verwaltungsgericht und bei der «Roche» gearbeitet hatte und gute Kontakte zur Baselbieter Regierung hatte, begann für die BOG ein rauherer Wind zu wehen. Nach einer ersten, eher spontanen und emotional gefärbten Reaktion vom Juni 1985 nahm die BOG-Kommission im September 1985 schriftlich Stellung zum Kulturkonzept-Entwurf. Sie fand darin zahlreiche Formulierungen, denen sie zustimmen konnte.21 So wurde die bestehende Musikstruktur prinzipiell als gültig und die Rollenverteilung zwischen Staat und Privaten als funktional anerkannt. Darin kann man durchaus eine Spur des Papiers «Basler 29


Musikstruktur» erkennen. Doch war der regierungsrätliche Entwurf der Kommission für Zusammenarbeit in wichtigen Details zu wenig konkret. So wird unter der Überschrift «Reorganisation der BOG» im «Entwurf» auch die Frage nach der Zukunft des Radio-Sinfonieorchesters diskutiert. Diese Frage sei «gesamtschweizerisch zu lösen», heisst es kurz und knapp. Und dies, obwohl das RSOB ja inzwischen ein «Basler Orchester» geworden war. Es sei aber, argumentierte die Kommission für Zusammenarbeit in ihrer Vernehmlassung, schon jetzt (1985) absehbar, «dass das Radio in Zukunft weniger Orchesterleistungen als seinerzeit verlangt abzunehmen bereit ist» und dass es «zugleich seine Ausgaben für musikalische Eigenproduktionen beträchtlich senken möchte». Noch bevor sie sich um die für die Zukunft des Basler Orchesterlebens entscheidenden Radiovorschläge kümmern konnte, diskutierte die Kommission für Zusammenarbeit die im Konzeptentwurf geäusserten Gedanken zum Musikerberuf kritisch. Sie erkannte darin die unter anderem von den Dirigenten Pierre Boulez und Michael Gielen, aber auch von Jürg Wyttenbach22 lancierte Idee eines Musiker-Pools wieder, aus dem fallweise verschiedene Formationen gebildet werden können. Sie meldete indes erhebliche Zweifel an der Realisierbarkeit dieser Idee an. Nicht einmal Boulez selbst habe sie in seinen Orchestern in New York und London verwirklichen können. Hohe künstlerische Qualität sei mit einem TeilzeitOrchester nicht zu erreichen, heisst es in dem unter Federführung von Prof. Hans Oesch verfassten Kommentar zum KulturkonzeptEntwurf. Die Kommission ist darin völlig einig mit dem Schweizerischen Musiker-Verband, der den Konzeptentwurf ebenfalls im September 1985 kritisch kommentierte. Auch für einen «Einheitsdirigenten» für AMG- und andere Konzerte sowie für Theater und Radio kann sich die Kommission nicht erwärmen. (Massgebliche Dirigenten waren damals Horst Stein für die AMG, Nello Santi beim Radio-Sinfonieorchester und Armin Jordan am Theater.) Sie erkennt Züge eines «dirigistischen Systems» bei den Vorschlägen zur Neugestaltung der Dienstpläne und vermisst eine Analyse der Saalverhältnisse in Basel. «Verfehlt, unangemessen und zu unnötigen Mehrkosten führend» – mit diesem harten Verdikt rechnet die Kommission mit dem Kulturkonzept ab. Unabhängig von der BOG nannte Paul Sacher die vorgeschlagenen Veränderungen des Musikerberufes in seinem Brief an Regierungsrat Striebel «völlig abwegig». «Die Mitgliedschaft in einem Berufsor30


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chester muss ein Vollamt sein», schrieb er am 17. September 1985 und verteidigte gleichzeitig die Verwaltungsarbeit der BOG als «sparsam und wirkungsvoll». Ähnlich reagierte die Theatergenossenschaft Basel in ihrer Vernehmlassung zum Kulturkonzept-Entwurf am 12. September 1985. «Das ‘fluktuierende Orchester’ mit zirka 40 ‘halbamtlichen Orchestermusikern’ plus ‘Zuzügern’ wäre für das Theater künstlerisch eine Katastrophe.» 23 Lobende Worte für die schlanke Struktur der BOG finden sich in der Stellungnahme der AMG vom 12. September 1985. Hier wird der Verwaltung der BOG attestiert, sie komme – «namentlich etwa im Vergleich zum Ausland» – «mit einem Minimum von finanziellem Aufwand» aus (Thomas Staehelin, Präsident). Tatsächlich kam das BOG-Büro am Münsterplatz mit dem Verwalter und einer Sekretärin aus. Allenfalls, räumte Staehelin ein, bedürfe die Verwaltung «unter veränderten personellen Voraussetzungen einer Verstärkung». In einem Punkt aber kommt der Bericht der AMG dem Kulturkonzept-Entwurf entgegen: Die Zusammensetzung des BOGVorstandes sei zu überdenken. Gemeint ist damit, dass die AMG und dabei speziell ihr künstlerischer Leiter (bisher Moshe Atzmon, neu gewählt war Horst Stein) in künstlerischen Belangen grösseren Einfluss auf das Basler Sinfonie-Orchester erhalten sollte.24 Bereits zwei Jahre vorher hatte Grossrat Stefan Cornaz (der später selber Erziehungsdirektor und damit «Kulturminister» werden sollte) in einer Interpellation an die Regierung wissen wollen, wie 31


sie die Zukunft des Radio-Sinfonieorchesters sehe. Die Regierung bekannte damals ihre Überzeugung, dass «neben dem Basler Sinfonie-Orchester das Radio-Sinfonieorchester Basel auch nach 1995 in seiner jetzigen Struktur grundsätzlich zu erhalten» sei. Voraussetzung dafür sei allerdings, «dass die notwendige finanzielle Mitträgerschaft vorhanden sein wird.» Es zeigt sich darin einmal mehr ein Grundzug der kulturpolitischen Vorstellungen der Basler Regierung: ein bisweilen realitätsferner Optimismus, die unausgesprochene Annahme, es werde sich dann schon irgend eine Finanzierungsmöglichkeit auftun, wenn man nur die Zuversicht nicht verliere. Der Sinn einer Vernehmlassung besteht darin, Verbesserungsvorschläge für einen konzeptionellen Vorschlag zu erhalten. Die Reaktionen zum Kulturkonzept-Entwurf gingen weit darüber hinaus. Es hagelte förmlich massive Kritik – zum Beispiel seitens der AMG, die in dem Text «praktisch keine Erwähnung» fand. Der Text sei sachlich unvollständig, verrate eine schiefe Optik, vernachlässige die klassische Musiksparte von Haydn bis Strauss, sei in seinen Vorschlägen unrealisierbar und insgesamt von «nur sehr beschränkter Brauchbarkeit». Speziell zur Forderung nach einem «Einheitsdirigenten» merkte AMG-Präsident Thomas Staehelin an, man habe den Nachfolger des künstlerischen Leiters Moshe Atzmon, den Dirigenten Horst Stein, «durchaus nicht im Alleingang», sondern in Absprache mit der BOG, dem Basler Theater, dem Basler SinfonieOrchester, dem Radio und dem Erziehungsdepartement ernannt. «Es versteht sich von selbst, dass Horst Stein nie nach Basel gekommen wäre, hätte er sich etwa der vorgeschlagenen Musik-Kommission oder ähnlichen Koordinations-Instanzen unterziehen müssen.»25 Freundlicher, aber in der Sache ähnlich entschieden fiel das Urteil des Schweizerischen Musikerverbands (Sektionspräsident: Martin Lehmann) aus. «Eingespart werden soll offenbar beim klassischen, traditionellen Bereich. Hier wird die Rechnung möglicherweise ohne den Wirt (sprich: das Publikum) gemacht!» Erwartungsgemäss schlägt der Musikerverband eine «Teilnahme der Orchestermusiker an den Entscheidungsprozessen» vor. Eher überraschend und für die Zukunft bemerkenswert ist seine Forderung nach einem BOG-eigenen Chefdirigenten, was ein Zusammenrücken von BOG und AMG voraussetzen würde.26 Unter den zahlreichen Institutionen und Personen, die sich im Rahmen der Vernehmlassung zum Kulturkonzept-Entwurf äusserten, war auch der Dirigent und Mäzen Paul Sacher. Einmal mehr 32


verdanken wir ihm Äusserungen von staunenswerter Klarheit und unbürokratischer Griffigkeit. Sacher erkannte, dass der Kulturkonzept-Entwurf unter anderem auch eine Folge der 68er Bewegung und ihrer Neubewertung der «Alternativkultur» war. Sein Schreiben an Regierungsrat Striebel vom 17. September 1985 beginnt mit dem Satz: «Wenn die Behörden Geld für die ‘alternative Kultur’ zur Verfügung stellen wollen, ist das erfreulich. Es darf aber nicht durch Kürzungen der Subvention beschafft werden, die den das Musikleben tragenden Institutionen zukommt.» Gemeint war damit konkret die BOG und insbesondere das Basler Sinfonie-Orchester.27 In einem eigenen Papier nahm der an der Basler Musik-Akademie lehrende Komponist, Pianist und Dirigent Jürg Wyttenbach Stellung zum Entwurf des Kulturkonzepts.28 Er tat dies «ehrenamtlich», aber auf Aufforderung des Erziehungsdepartements. Auch Wyttenbach, ein kompromissloser Mann der zeitgenössischen Musik, hält die BOG für erhaltenswert. Sie müsse sich aber in einen «Pool von Künstlern» verwandeln, vermehrt Teilzeitstellen einrichten und ihr Management professionalisieren. Wyttenbach schlägt vor, die BOGDienste auf drei Programmbereiche aufzugliedern: einen «klassischen, traditionellen» Bereich mit einem neu zu installierenden künstlerischen Leiter, einen «prospektiven, neuen» Bereich und einen «übergreifenden, ein- und ausstrahlenden» Bereich. Ein Lenkungsgremium von Fachleuten solle die Projekte und Programme aufeinander abstimmen und die BOG-Dienste zuteilen. Visionär ist ein Satz, den Wyttenbach seinem Konzeptpapier handschriftlich anfügte: «Jazz-, Rock-, Folk-, Pop-Gruppen ist vermehrt Infrastruktur zur Verfügung zu stellen.» Zu Wyttenbachs Konzeptentwurf merkte der Musiker Curt Paul Janz in der BOG-Vorstandssitzung vom 22. Januar 1986 scharfzüngig an, er sei «originell und völlig ungeeignet».

RÜCKZUG: Es war kein Geheimnis, dass das DIE POLITIK DER SRG Radio-Sinfonieorchester Basel so wohl für die SRG als auch für die BOG ein Problemkind war. Die BOG hatte es 1970 ohne innere Überzeugung adoptiert oder vielmehr adoptieren müssen, weil es der SRG allmählich zu teuer wurde und sich die basel-städtische Regierung davon einen Prestigegewinn für die Musikstadt Basel versprach. Der neue Musik-Abteilungsleiter Andreas Wernli rechnete schon 1980 in einer internen Studie vor, das RSOB sei mit den damals 4,1 Millionen Franken, die das Radio in die BOG-Kasse zahlte, der mit Abstand teuerste Produktionsträger des Radios. Auf 233 Fran-

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ken komme eine einzige Sendeminute mit diesem Klangkörper zu stehen, während das Abspielen von Schallplatten nur 16 Franken koste. Die genauen Zahlen sind in der Broschüre «Die SRG und die Orchester» ausgewiesen. Programmdirektor Andreas Blum seinerseits rechnete vor, dass das Radio-Sinfonieorchester und die DRSBand 14 Prozent des Programmbudgets von Radio DRS ausmachten – «das war eindeutig zu viel».29 So fragwürdig solche Rechnungen auch anmuten und so sehr sich Chefdirigent Matthias Bamert damals auch gegen Abbaupläne beim Orchester wehrte: Langfristig waren sie nicht zu vermeiden. Mit dem Boom an internationalen Schallplattenaufnahmen aus allen Musiksparten schien die Legitimation für einen Rundfunk-Klangkörper dahinzuschwinden. Allerdings hätte ein Blick nach Deutschland zeigen können, dass gerade die Rundfunk-Sinfonieorchester weiterhin wichtige Funktionen im Musikleben wahrnahmen und qualitativ überdies ausserordentlich hohe Standards erreichten. Mitten in die Phase der Diskussion um ein neues Basler Kulturkonzept traf noch vor den Sommerferien 1985 ein Brief der Programmdirektion des Radios der deutschen und der rätoromanischen Schweiz beim Kulturminister Prof. H.R. Striebel ein, unterzeichnet von DRS-Programmdirektor Andreas Blum und DRS-Musikabteilungsleiter Andreas Wernli. Aus dem Schreiben ging hervor, dass die SRG beabsichtigte, sich sukzessive aus dem Engagement als alleiniger Träger von Klangkörpern zurückzuziehen. Man wolle mit dem Regierungsrat zusammen eine Lösung finden, die einen Erhalt des Radio-Sinfonieorchesters Basel bei gleichzeitiger finanzieller Entlastung der SRG möglich mache.30 Dann ist die Rede von Teilzeitstellen, mit denen sich Geld einsparen lasse, und von einer neuen gemeinsamen Trägerschaft des Orchesters, deren juristische Form noch zu finden sei. Die Stossrichtung ist indes klar: «Die SRG und der Kanton Basel-Stadt – nach Möglichkeit auch der Kanton Baselland – bilden die gemeinsame Trägerschaft des Radio-Sinfonieorchesters Basel.» Mit der BOG wird hier nicht mehr gerechnet. Die Rede ist von einer Reduktion der Dienstzahl und von Lohneinbussen der Musiker sowie – einigermassen kryptisch – von einer «verbesserten Lebens- und Arbeitsqualität und neuem Selbstverständnis» der Orchestermitglieder. Dann werden die Radioherren konkret: «Im Einvernehmen mit der Generaldirektion SRG gehen wir von der Zielsetzung aus, im Bereich des Radio-Sinfonieorchesters Basel eine Einsparung von rund 25 Prozent zu erreichen.» 34


So sehr dieser Vorstoss der Programmdirektion im finanziellen Eigeninteresse der SRG stand, so sehr koinzidierte er mit Tendenzen ausserhalb der SRG – was wohl letzten Endes auch dazu führte, dass er Erfolg hatte. Die Stossrichtung der Programmdirektion deckte sich zum Teil durchaus mit Tendenzen im Verständnis des Orchestermusiker-Berufs, wie sie im Entwurf zum Basler Kulturkonzept ihren Niederschlag fanden. Dort ist die Rede davon, dass man den Beruf des Orchestermusikers «offener und flexibler zu gestalten» gedenke, indem man drei Stufen von Anstellungsverhältnissen (vollamtliche, halbamtliche und Zuzüger) schaffe. Zwei Vorschläge im Kulturkonzept-Entwurf wurden von Kreisen des traditionellen Musiklebens, auch von der BOG, besonders heftig kritisiert: die Anregung zu einem «Koordinator-Animator», einer Art von Generalintendanten für das Musikleben, und die Idee einer Kulturvermittlungsstelle, eines «Kulturforums». Beide Ideen waren schon 1979 im Erziehungsdepartement angedacht worden. Das «Kulturforum» wurde im Kulturkonzept-Entwurf vom April 1985 als «Kulturvermittlungsstelle» definiert, die Künstlerinnen und Künstler beraten sowie eine gewisse Koordination der Termine und sogar einen zentralen Billettverkauf ermöglichen sollte. Auch an eigene Veranstaltungen wurde gedacht. Einem Modetrend folgend, stand die «Verbesserung der Kommunikation» im Zentrum des Interesses. An zentraler Lage in der Stadt sollten dafür Räume gemietet werden. Zur Finanzierung schwebte den Initianten eine Drittelparität von Staat, Privaten und Eigenfinanzierung vor.31 Die vom Kulturkonzept-Entwurf geforderte «Reorganisation der BOG» geht auf die genannte Arbeitsgruppe mit Andreas Theodor Beck, Rudolf Kelterborn, Paul Sacher und Emil Vogt zurück. Laut Protokoll vom 22. Februar 1979 hatte sie nicht nur eine Straffung der Kompetenzen der BOG, sondern auch eine stärker künstlerische als politische Zusammensetzung des BOG-Vorstandes gefordert – was im Kreis um den BOG-Verwalter Hans Ziegler stets abgelehnt wurde, sah sich die BOG selbst doch als reinen Dienstleister am Musikleben ohne eigene künstlerische Kompetenzen und nicht als Institution mit künstlerischer Programmatik. Hans Ziegler persönlich sah sich niemals als Intendanten, sondern stets nur als Verwalter der beiden Orchester und als treuen Diener der Musikerschaft. Was aber hat es mit dem «Kulturforum» auf sich, das die BOG so heftig ablehnte? Dieses Instrument der Planung und Koordination weckte in besonderem Masse die Angst vor staatlichem Dirigismus. Zudem war es den Verfassern des Kulturkonzept-Entwurfs offen35


bar entgangen (oder sie verschwiegen absichtlich), dass mit dem privaten Basler Musik-Konvent schon ein Instrument existierte, das zumindest für das traditionelle Musikleben jene Kommunikation und Koordination leistete, die im staatlichen «Kulturforum» erst realisiert werden sollte. Sowohl Prof. Hans Oesch als auch BOG-Vorstandsmitglied und Musik-Konvent-Leiter Prof. Marc Sieber wiesen in ihren Stellungnahmen zum Entwurf auf diese Tatsache hin.32 «Besonders auffallend ist», schrieb Sieber, «dass der Musik- Konvent, der für die Sammelkonzertplakate auf den Kulturtrommeln verantwortlich ist und im Sinne der gewünschten besseren Koordination seit 1983 mit Hilfe eines Kleincomputers einen nach Veranstaltern, Komponisten, Werken und Solisten gegliederten, aktuellen und prognostischen Konzertkalender führt, im Bericht überhaupt nicht erwähnt wird.» Und Oesch schrieb: «Die Zusammenarbeit im und mit dem also vorhandenen Basler Musik-Konvent wäre realistischer als die Errichtung eines ‘Kulturforums’.» Dieses kam denn auch in der vom Kulturkonzept-Entwurf vorgesehenen Form nie zustande, realisiert wurde nur ein relativ kleines und wirkungsarmes «Kulturbüro». Dieses öffnete im Sommer 1989 seine Türen, zeigte aber lediglich in der Szene der «Alternativkultur» eine bescheidene Wirkung, ohne jemals die dem «Kulturforum» zugeschriebene Zentrumsfunktion für die gesamte Kulturszene zu erreichen. Die vorerst letzte Neugründung eines «Kulturbüros» datiert vom August 2008: Damals wurde an der Florastrasse/ Ecke Klybeckstrasse im Kleinbasel ein halb privat, halb kantonal finanziertes «Kulturbüro» eröffnet, das in erster Linie auf die Bedürfnisse Filmschaffender und im grafischen Bereich Tätiger zugeschnitten ist. Nach monatelanger Vernehmlassung durch Verbände, Institutionen und Einzelpersonen wurde Anfang August 1986 vom Erziehungsdepartement der «Bericht des Regierungsrates über die staatliche Kulturförderung im Kanton Basel-Stadt» vorgestellt. Es ist ein 170 Seiten starkes Buch, in das etliche Anregungen der Vernehmlassung eingegangen sind. Bezüglich der BOG wird darin festgehalten, die im Kulturkonzept-Entwurf vorgeschlagenen Massnahmen zur Reorganisation der BOG seien «auf übereinstimmende Ablehnung durch alle Betroffenen und Interessierten gestossen». Besonders der Vorschlag, vermehrt mit Teilzeitmusikern zu arbeiten, sei in Frage gestellt worden. «Angesichts dieser Situation», heisst es im Text resigniert, «ist es nicht möglich, Ihnen bereits im Rahmen dieses Berichts konkrete Anträge hinsichtlich der Reorganisation der BOG 36


zu stellen.»33 Nicht nur von den im Entwurf formulierten OrchesterReformen war nicht viel übrig geblieben. Auch auf eine Koordinations- und Animationsstelle wurde nach dem einhelligen Protest der betroffenen Musikkreise verzichtet. Doch aufgeschoben war nicht aufgehoben, und die BOG sollte weiterhin ein Thema für die Regierung bleiben: «Die Frage der Programmkoordination ist im Zusammenhang mit der Reorganisation der BOG nochmals zu prüfen», heisst es im Konzept. Der Erfolg dieses umfangreichen Papiers war zumindest im führenden publizistischen Medium der Stadt zwiespältig. Reinhardt Stumm sprach in der «Basler Zeitung» von einem «klassischen Schwundstufenpapier», dem es an «Perspektive und intellektuellem Format» fehle.34

BLOCKADE: Auch wenn die für die Geschichte NEUE PARTNER der BOG entscheidende VolksabGESUCHT stimmung erst im Herbst 1988 stattfand, waren schon einige Jahre zuvor erste Anzeichen für eine «Wachablösung» zu konstatieren. Sie gingen zuerst vom Schweizer Radio DRS aus. Dieses hatte im August 1983 eine nicht namentlich gezeichnete Broschüre mit dem Titel «Die SRG und ihre Orchester» publiziert, in welcher schon eine Sparabsicht bei den Orchestern angedeutet wird: «Die finanziellen Mittel der SRG nehmen praktisch nicht mehr zu. Die zu treffenden Entscheide hängen somit mehr und mehr von dieser finanziellen Gegebenheit ab.» Und zentral, wenn auch als «Hypothese» getarnt: «Die SRG legt mehr Gewicht auf ihre Funktion als Sendeveranstalter; dies in der Annahme, dass sie ihre diesbezügliche Aufgabe ausreichend erfüllen kann, ohne eigene Orchester zu unterhalten.» Wenige Monate nach Erscheinen der Broschüre teilte die SRG der Basler Regierung mit, dass sie ihre Bezüge von Orchesterleistungen des Radio-Sinfonieorchesters Basel um 50 Prozent zu reduzieren gedenke.35

Dagegen wollte die basel-städtische Regierung zwar intervenieren; doch setzte das Erziehungsdepartement auf einen sanften Umgang mit der SRG und verzichtete auf Drohgebärden und moralische Anklagen gegen den Partner SRG. Im Kreis der BOG wurden die Rückzugstendenzen der SRG zwar wahrgenommen, aber offenbar mit wenig Nachdruck bekämpft. So liest man im Protokoll der Generalversammlung vom 22. September 1983, die SRG weiche der BOG in der Beantwortung der Frage nach der Zukunft des Radioorchesters aus. «Es sollen darum auf der Ebene der Regierung Verhandlungen mit der SRG aufgenommen werden», wird der Präsident Prof. Hans Oesch zitiert. 37


Der Vertrag zwischen der SRG und der BOG über das Radio- Sinfonieorchester Basel hatte eine Laufzeit bis 31. März 1995. Schon frühzeitig machten sich verschiedene nationale und regionale Stellen Gedanken über die Zeit danach. In einer «Ideenskizze» mit dem Titel «Vorschlag für eine Neukonzeption des Radio-Sinfonieorchesters Basel» vom 4. Juni 1985 ist unter Punkt 2 («Die Grundlagen eines neuen Konzepts») die Vision einer neuen Trägerschaft für das Orchester angedeutet. Diese sollte gemeinsam von der SRG, dem Kanton Basel-Stadt und «nach Möglichkeit» dem Kanton Basel-Landschaft gebildet werden. Die Erfahrungen mit der BOG als Trägerin hätten gezeigt, dass «die beiden BOG-Orchester zwar einen identischen Gesamtarbeitsvertrag haben, aber trotzdem zwei praktisch völlig getrennte Formationen geblieben sind».36 Dahinter steckte das Eingeständnis, dass die Regierung längerfristig eine Fusion der beiden Klangkörper im Auge hatte. Doch mit der BOG war das Ziel eines Orchesters mit zwei Formationen offenbar nicht zu erreichen. Eine neue Trägerschaft könnte sich vom Zwang zur Gleichbehandlung der beiden Orchester befreien und Teilzeitstellen einrichten, mit deren Hilfe Geld gespart werden könnte. Damals, in der Saison 1984/5, beliefen sich die Kosten für das Radio-Sinfonieorchester auf 7,842 Millionen Franken jährlich, von denen sieben Zehntel von Radio DRS getragen wurden. «Ob das Orchester darüber (über den 31. März 1995) hinaus weitergeführt wird, ist noch offen», heisst es in einem undatierten Text «Über die BOG und ihre Orchester» aus der Feder von Hans Ziegler. Drei Problemkreise brachten die Existenz der beiden Orchester und mittelbar auch der BOG in den späteren Achtzigerjahren ins Wanken. Zum Einen der erklärte Sparwille der SRG, die ihre Ansprüche an das Orchester um 110 Dienste oder rund einen Viertel ihres bisherigen finanziellen Engagements reduzieren wollte. Zum Zweiten die Absicht des Kantons Basel-Stadt, die Einnahmen durch die Interpretenrechte in Zukunft nicht mehr den Musikern direkt oder indirekt (via Schweizerische Interpreten-Gesellschaft SIG), sondern dem Orchesterträger zukommen zu lassen. Und drittens die Absicht des Kantons, seine Kulturausgaben zu senken beziehungsweise das anhaltende Ungleichgewicht der beiden Basler Halbkantone in der Orchesterfinanzierung zu korrigieren und den Landkanton stärker in die Finanzierung einzubinden. Denn von den 7,842 Millionen Franken, die das Radioorchester an Subventionen kostete, wurden 1984/85 nur 60 000 Franken von Seiten des Kantons Basel-Landschaft bezahlt. Und dies, obwohl schon damals rund ein Drittel der Konzertabonnenten im Landkanton 38


Wohnsitz hatten. Damals wohnten fast gleich viele Orchestermitglieder im Baselbiet wie im Stadtkanton. Ein Sitzungsprotokoll der Arbeitsgruppe «Neukonzeption des Radio-Sinfonieorchesters Basel» vom 14. April 1986 37 brachte die Situation auf den Punkt: Der Prozess war blockiert. Das Radio hielt an seiner Kürzungsabsicht fest, von Basel-Stadt war kein stärkeres Engagement zu erwarten, ein dritter Partner neben Basel-Stadt und der SRG war nicht in Sicht, und ein Teilzeitorchester war aus künstlerischen Gründen nicht erwünscht. Eine, vielleicht die einzig realistische Variante lautete: Auflösung des Radio-Sinfonieorchesters. Sie wäre zwar durchführbar gewesen und wurde im Erziehungsdepartement auch angedacht, konnte aber von der BOG aus Gründen der Solidarität und der Glaubwürdigkeit nicht unterstützt werden. Schliesslich verstand sich die BOG als Interessenvertreterin der Musiker und nicht als Vollzugsorgan staatlicher Sparbemühungen. In dieser Arbeitsgruppe sassen vier Vertreter der BOG (Hans Oesch, A. Alioth, Max E. Hauck, Hans Ziegler), vier Radiovertreter (Peter Keller, Andreas Wernli, P. Ullrich, F. P. Wittpennig) sowie A. Brenner von der Baselbieter Erziehungs- und Kulturdirektion sowie Susanne Imbach vom Erziehungsdepartement Basel-Stadt. Auffällig ist dabei der paritätische Anteil von Orchesterträgerschaft (BOG) und auf dem Rückzug befindlicher SRG. Die BOG bekam von dieser Arbeitsgruppe den Auftrag, neue Partner für die Orchesterträgerschaft zu suchen, denn durch den angekündigten Teilrückzug der SRG fehlten 1,4 Millionen Franken in der Kasse des Orchesterträgers. Dies paradoxerweise wenige Monate, nachdem das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt der BOG schriftlich mitgeteilt hatte, eine Kontaktaufnahme der BOG mit dem Landkanton über eine allfällige Kostenbeteiligung sei «verfrüht», und die basel-städtische Regierung plane selber Gespräche mit dem Kanton BaselLandschaft.38 Ihrem neuen Auftrag kam die BOG, die bisher noch nie Verhandlungen mit Kantonsregierungen ausserhalb Basels zu führen hatte, im August 1986 nach. Sie sandte ein vom Präsidenten Hans Oesch unterschriebenes gleichlautendes Schreiben an die Kantonsregierungen von Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Glarus, Zug, Solothurn, Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell Ausser- und Innerrhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau und Wallis. Doch ihr Versuch, mit einer Bettelbriefaktion die fehlenden 1,4 Millionen Franken einzutreiben und eine interkantonale Trägerschaft 39


einzurichten, musste scheitern. Die Kantone waren nicht bereit, das «reiche Basel» zu unterstützen. Ebenso wenig Erfolg war dem Versuch des Verwalters Hans Ziegler beschieden, stadtnahe Gemeinden wie seine Wohngemeinde Binningen zur Mitfinanzierung der Orchesterkosten zu ermuntern – ein Versuch, den Ziegler akribisch mit dem Hinweis auf die 617 Konzertabonnenten aus Binningen und die zwölf in Binningen lebenden Orchestermusiker untermauerte.39 Es waren letzten Endes unbeholfene Versuche, bei kantonalen und kommunalen Instanzen Gelder zu akquirieren, ohne als privater Verein auf gleicher Augenhöhe mit diesen verhandeln zu können. Und man muss davon ausgehen, dass dieser Misserfolg vom Basler Erziehungsdepartement geradezu programmiert worden war, um die BOG blossstellen und sie leichter ihrer bisherigen Funktion als Orchesterträgerin entheben zu können. Jetzt mehrten sich die Krisensymptome. Die Unsicherheit über die Orchesterzukunft machte sich unter den Musikern in einer Häufung von physischen und psychischen Erkrankungen, auch von Alkoholismus, bemerkbar. Dass davon das Radio-Sinfonieorchester besonders stark betroffen war, ist vielleicht kein Zufall, sondern hängt wohl mit der besonders unsicheren Zukunft dieses Klangkörpers zusammen. Die Häufung chronischer Krankheitsfälle war ein Thema mehrerer BOG-Vorstandssitzungen 1986 und 1987. Hinzu kamen künstlerische Probleme wie eine pannenreiche «Don Pasquale»-Premiere am Theater mit dem Radio-Sinfonieorchester unter dem Dirigenten Baldo Podic im November 1986, die in der Presse weidlich ausgeschlachtet wurde. Die Krise wurde durch personelle Veränderungen verschärft. BOG-Präsident Prof. Hans Oesch demissionierte auf Ende 1986, nachdem er wissenschaftlicher Leiter der Paul Sacher Stiftung geworden war. Hinzu kamen andere Rücktritte aus dem BOG-Vorstand. Schon im November 1985 hatte das Erziehungsdepartement die BOG um detaillierte Angaben zum Sollstellenplan, zu den Nebenbeschäftigungen, Urlauben und Krankheitsausfällen der Musiker gebeten. Und als es im Januar 1987 auf eigene Faust eine Erhebung über die Häufigkeit und Höhe der Nebentätigkeiten der Orchestermusiker machte, war das gute Einvernehmen zwischen dem Staat und der privaten BOG endgültig zerstört.40 Die Musiker selbst, von denen tatsächlich einige auch an der Musik-Akademie unterrichteten und von dort einen zweiten Lohn bezogen, konnten argumentieren, es sei doch unsinnig, wenn die Musik-Akademie zum Beispiel einen auswärtigen Hornlehrer suche und bezahlen müsse, 40


während doch qualifizierte Hornisten im Basler Orchester sässen und ohne Qualitätseinbusse für das Orchester einige Stunden am spiel- und probenfreien Nachmittag unterrichten könnten. Die BOG empfand diese Erhebung des Erziehungsdepartements als extremen Misstrauensbeweis.41 Spätestens von da an stand sie unter dem Eindruck, das Erziehungsdepartement arbeite daran, die BOG zu schwächen und schliesslich zu entmachten. Und im Nachhinein muss man sagen, dass diese Aktion, die mit einem Sieg des Kantons gegen die BOG endete, mit politischer Raffinesse durchgeführt wurde. Aus BOG-Sicht lief die Strategie der Regierung darauf hinaus, den Vorstand der BOG so zu verändern, dass er sich den Plänen des Erziehungsdepartements geschmeidiger fügte. In BOG-Kreisen sprach man von einer Unterwanderung des Vorstands. Susanne Imbach war von Regierungsrat Striebel beauftragt worden, Nachfolger für die zurückgetretenen Staatsvertreter im BOG-Vorstand zu suchen. Sie suchte gezielt nach Personen, die sie für reformfähig und konzeptionell denkfähig hielt, und schlug als neues Vorstandsmitglied und als Präsidenten Peter Mosimann vor. Als im «alten» Vorstand massive Kritik daran laut wurde, zog sie diesen Vorschlag zurück. Einerseits wurde Mosimann vorgeworfen, er sei zugleich als Anwalt für die SRG tätig und sei somit nicht unabhängig. Überdies könne er nicht zugleich Staatsdelegierter und Präsident sein, denn als Staatsdelegierter befinde er sich notwendigerweise in Abhängigkeit vom Staat. Als darauf der bisherige Präsident Prof. Hans Oesch – der allerdings ebenfalls Staatsdelegierter und Präsident zugleich war – als Alternative zu Mosimann den Rechtsanwalt Andreas Staehelin als seinen Nachfolger vorschlug, wurde dieser von der Generalversammlung vom 27. Januar 1987 einstimmig gewählt.42 Susanne Imbach schlug als weitere Vorstandsmitglieder neben Mosimann Prof. Gian-Reto Plattner und Rosemarie Leuenberger, eine Landrätin aus dem Kanton Basel-Landschaft, vor – Persönlichkeiten, von denen sie wohl annehmen konnte, sie seien auf ihrer, der BOG-kritischen Seite. Zugleich ersetzte sie die bisherige gemeinsame Arbeitsgruppe (bestehend aus Vertretern des ED, der BOG und der SRG), die erfolglos neue Partner für die Trägerschaft gesucht hatte, durch eine neue, die sich insbesondere mit dem Schicksal des Radio-Sinfonieorchesters befassen sollte. «Herr Schürmann war für die Bildung der neuen Arbeitsgruppe. Sie setzte sich zusammen aus den Herren Blum, Wernli, Keller, Wittpennig (Radio), Kelterborn (1. Sitzung), Linder, Brenner (BL), Mosimann 41


(für Rechtsfragen) und mir», wird Susanne Imbach im Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 15. Mai 1987 zitiert. Der Präsident der BOG beklagte sich, dass die BOG «nicht von der Einsetzung einer eigenen Arbeitsgruppe» orientiert worden sei.43 Mittlerweile war die Basler Orchesterfrage auch zum populären Medienstoff geworden. Radiodirektor Andreas Blum erklärte im Interview mit Jürg Erni von der «Basler Zeitung» unumwunden, das Gebälk im Basler Orchesterbetrieb sei morsch und bedürfe dringend der Erneuerung. Er kündigte überdies an, die SRG wolle schon vor Vertragsablauf 1995 die Kosten für das Orchester senken und auf 60 Dienste verzichten.44 Die Namen der neuen, erst in der Generalversammlung vom 27. Januar 1987 gewählten Vorstandsmitglieder inklusive Präsident standen schon am 19. Januar in der «Basler Zeitung» – eine Indiskretion, die manches BOG-Mitglied befremdete. Schliesslich kam auch die Nachricht von der Schaffung einer Orchesterstiftung im Mai 1987 durch eine Indiskretion via «Radio Basilisk» ans Licht der Öffentlichkeit. Diese Vorfälle mussten im kulturellen Basel den Eindruck erwecken, die BOG habe nicht mehr das Heft in der Hand, es werde von aussen über sie verfügt. In dieser für die BOG misslichen Lage machten Mitglieder des Schweizerischen Musikerverbands (SMV) 1987 einen konstruktiven Vorschlag, der in einer Übergangsphase auf einen Erhalt des RadioSinfonieorchesters trotz Reduktion der Radiodienste hinauslief, als «Zielsetzung» aber «ein fusioniertes grosses Orchester der BOG» vorsah, das «in zwei Formationen» den Konzertveranstaltern, dem Theater und Radio DRS zur Verfügung gestellt werden sollte. Der Musikerverband stützte sich dabei explizit auf einen Entwurf von Curt Paul Janz.45 Baselland sollte 76 Dienste beziehen und bezahlen, und sowohl das Radio als auch das Theater und der Kanton Basel-Stadt sollten eine Anzahl Dienste zusätzlich übernehmen. In diesem Modell taucht eine alte Idee wieder auf: die Auflösung des Radioorchesters und die Neugründung eines Kammerorchesters. Die Streicher sollten jeweils fest einem der beiden Klangkörper zugehören und nicht ausgetauscht werden, während Bläser, Schlagzeuger und Harfenisten in beiden Formationen eingesetzt werden sollten. Auch dies blieb ein Modell auf dem Papier, schon weil es niemanden gab, der mit dem Kanton Baselland, der gerade an einem eigenen Kulturkonzept laborierte, in Verhandlungen über eine Subventionserhöhung treten konnte oder wollte.

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FUSIONSGERÄUSCHE: DER RATSCHLAG 8053

Die basel-städtische Regierung hatte es eilig, ihr Konzept einer Orchesterstiftung voranzutreiben, und der neu zusammengesetzte BOG-Vorstand sollte ihr dabei helfen. An Pfingsten 1988 trat das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt mit dem Ratschlag 8 053 betreffend Subventionierung einer Orchesterstiftung an Stelle der BOG an die Öffentlichkeit bzw. an die Mitglieder des Grossen Rates.46 Im Text des Ratschlags kehren Formulierungen aus dem Kulturkonzept von 1985 wieder. Überdies sah der Ratschlag eine stärkere Einbindung der SRG in die Basler Orchesterstruktur vor – dies, obwohl sich die SRG finanziell gerade weniger stark als bisher an den Orchesterkosten beteiligen wollte.

Für die BOG war dies nicht die einzige Provokation. Als stossend empfand sie insbesondere die Formulierungen im Abschnitt «Notwendigkeit der Reorganisation» – auch wenn hier endlich der der BOG nahe stehende Musik-Konvent und die Kommission für Zusammenarbeit Erwähnung finden. Es fehle der BOG, heisst es im Text, die notwendige «Infrastruktur und die Möglichkeit, die Programmgestaltung zu koordinieren». Ausserdem hätten die Benutzer der Orchester, die Konzertveranstalter und das Theater, «kein eigentliches Mitbestimmungsrecht». Daher fehle eine «kontinuierliche künstlerische Betreuung der beiden Orchester».47 Der Ratschlag erwähnt dann die aus Vertretern der BOG, des Radios und des Erziehungsdepartements zusammengesetzte Arbeitsgruppe, die 1986 mangels Ergebnissen aufgelöst wurde, und nennt die diversen Nachfolge-Arbeitsgruppen. Es habe sich gezeigt, dass die notwendigen Reformen nicht innerhalb der BOG hätten realisiert werden können. Ob dies in den Statuten der BOG oder in der damaligen personellen Zusammensetzung des BOG-Vorstandes begründet war, sagt der Ratschlag nicht. Der BOG, die durch die neue Trägerschaft ihre Aufgabe als «Sachwalterin des Orchesters» verliere, wird eine neue Aufgabe zugeschrieben: Sie könne sich, heisst es im Ratschlag, ähnlich wie der Theaterverein Basel auch weiterhin in den Dienst des Basler Musiklebens stellen, besondere Projekte fördern und mitfinanzieren. Von einer Zusammenlegung der beiden Klangkörper ist im Ratschlag nicht mehr ausdrücklich die Rede – trotz der hier angekündigten Stellenreduktion. Offensichtlich rechnete die basel-städtische Regierung aber schon früher damit, dass die beiden Orchester unter dem Spardruck bald fusionieren würden. «Die beiden Orchester 43


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können nicht in ihrer heutigen Grösse erhalten bleiben», heisst es schon im Papier «Reorganisation der Orchesterstruktur», das am 26. August 1987 vom Erziehungsdepartement verabschiedet wurde. «Zusammenlegen beider Orchester und sukzessiver Abbau der Stellen auf 136 volle Stellen», heisst es weiter. Dann die entscheidende Formulierung zur Strukturfrage: «Als neue Trägerschaft des Orchesters ist eine Stiftung zu gründen, an der sich neben den Geldgebern (…) auch die beiden Hauptbenützer der Orchester beteiligen.»48 Interessanterweise wurde die Fusionsidee im Ratschlag fallen gelassen. Stattdessen findet sich unter dem Stichwort «Grundsätze des neu erarbeiteten Konzepts» ausdrücklich der Satz: «Beide Orchesterformationen sind als gleichberechtigt zu behandeln.» Die Orchesterfusion, obwohl längst angedacht, hätte sich vermutlich bei einem allfälligen Referendum gegen einen Grossratsbeschluss nicht an der Urne durchsetzen lassen und hätte die Pläne der Regierung insgesamt zu Fall gebracht. Und einen «Plan B» für den 44


Fall einer Ablehnung des Ratschlags durch das Kantonsparlament gab es nicht. Am Ziel, die BOG durch eine staatsnähere Stiftung zu ersetzen, wollte das Erziehungsdepartement unter allen Umständen festhalten. Der Ratschlag 8053 sieht grundsätzlich vor, dass die Interpretenrechte an den Orchesterproduktionen automatisch an die Orchesterstiftung fallen. Damit sollte eine aus der Sicht der Regierung nicht vertretbare Privilegierung der Orchestermusiker aus der Welt geschafft werden – genossen diese doch einerseits hohe staatlich garantierte Löhne – der Durchschnittslohn eines Basler Orchestermusikers belief sich um 1990 auf 123 000 Franken jährlich – und profitierten zusätzlich von der Abgeltung der Nebenrechte, die ihnen durch die Aufnahmen anfielen. Im Hinblick auf den Wechsel der Trägerschaft hatte das Erziehungsdepartement im September 1987 die Schrauben angezogen und eine Art Handlungsverbot über die BOG verhängt. Diese sollte, «um die Planung der neuen Strukturen zu ermöglichen», keine im Sollstellenplan nicht vorgesehenen neuen Musiker anstellen, bei Neuanstellungen für beide Orchester eine einheitliche Fachkommission zu Rate ziehen, den Zeitpunkt des altersbedingten Rücktritts des Verwalters Hans Ziegler festlegen und den Gesamtarbeitsvertrag kündigen. «Ein Hinausschieben dieses Entscheids ist nicht möglich», heisst es ultimativ in einem Schreiben von Regierungsrat Prof. H. R. Striebel vom 28. September 1987 an den BOG-Präsidenten.49 Dieser erhob umgehend Einspruch. Wenn das für einen Rechtsstaat fundamentale Prinzip von Treu und Glauben nicht mehr geachtet werde, sei zu befürchten, dass diese Haltung auch in der neuen Stiftung zu Problemen führen werde, schrieb der Präsident Andreas Staehelin. Indem der Staat die Musiker zwinge, ihre bisherigen Stellen aufzugeben und zu einem neuen Arbeitgeber zu wechseln, greife er unstatthaft in privatrechtliche Verhältnisse ein. Dieses autoritär in den Kulturbetrieb eingreifende Verhalten des Staates sei selber kulturfeindlich. In ihrem Antwortbrief «bedauerte» Susanne Imbach im Namen von Regierungsrat Striebel, dass die BOG keine aktivere Rolle in der Reorganisation übernommen und keine konstruktiven Lösungen angeboten habe.50 In der Sache blieb die Regierung hart. Die Stiftungslösung habe den Vorteil, dass aus den früheren Benutzern, den Konzertveranstaltern und dem Theater also, «verantwortliche Mitträger» würden. Schon in der BOG-Vorstandssitzung vom 16. Juni 1987 hatte Susanne 45


Imbach ähnlich argumentiert. «Die grossen Benützer sollen näher an das Orchester kommen», sagte sie. Überdies solle der Kanton Basel-Landschaft stärker an den Orchesterkosten beteiligt werden, was bei einer Stiftung leichter zu erreichen sei als bei einem privaten Verein, der so eng mit der basel-städtischen Geschichte verbunden sei wie die BOG. Diese müsse zu diesem Konzept «konstruktiv Stellung nehmen». Imbach legte überdies dar, dass die finanziellen Ressourcen für ein 152 Musiker umfassendes Orchester nicht ausreichten, und sprach von 132 vollen Planstellen. Die BOG wurde von Susanne Imbach mit Verweis auf Regierungsrat Striebel aufgefordert, den Gesamtarbeitsvertrag mit dem Musikerverband zu kündigen, da die Stiftung Basler Orchester als neuer Arbeitgeber vorgesehen sei. Peter Mosimann arbeitete die Stiftungsstatuten aus, und die Regierung bewilligte 150 000 Franken als Stiftungskapital.51 In der Folge wurde innerhalb des BOG-Vorstands und darüber hinaus heftig um die Strukturfrage gestritten. Argumente für die neu gegründete Stiftung waren: • stärkere Einbindung der Orchesterbenützer, die Arbeitgeber funktion erhalten sollten, vor allem der AMG und des Theaters • Chance, einen gemeinsamen Chefdirigenten zu wählen • stärkere Mitverantwortung der SRG • stärkere Einbindung des Kantons Basel-Landschaft • Bessere Programm-Koordination • Ähnliche Rechtsform wie Theater und Musik-Akademie • Ungelöste Nachfolgefrage für den Verwalter wegen der unge wissen Zukunftsaussichten Die Gegner der Stiftungslösung führten zu Gunsten der bisherigen Trägerschaft ins Feld: • Bewährte, schlanke Struktur seit 1921 • Vereinsform flexibler als Stiftungsform • Stiftung wäre quasi Verstaatlichung des Orchestermusiklebens • bessere Wahrung der Arbeitnehmer-Interessen • stärkere Stellung des Privaten gegenüber dem Staat • Radio DRS würde zugleich weniger zahlen und mehr Einfluss gewinnen • keine Garantie, dass Baselland im Stiftungsrat mitmacht und mehr zahlt • Musiker waren in Stiftungsvorbereitungen zu wenig einbezogen. BOG-Präsident Andreas Staehelin nannte die Stiftung abschätzig eine «Staatslösung» und lehnte sie schon im Ansatz ab, ebenso wie 46


der Verwalter.52 Die Stiftung, heisst es in einem Papier von Hans Ziegler, komme einer «diskreten Verstaatlichung der Orchester und einer Verbeamtung der Musiker» gleich. Doch musste sich die BOG den Vorwurf gefallen lassen, keine eigenen Vorschläge zur Lösung der Krise gemacht zu haben, wie Prof. Gian-Reto Plattner in der Vorstandssitzung vom 16. November 1987 monierte. Zwei Wochen später verlangten vier Mitglieder des BOG-Vorstands – die stiftungsfreundlichen Susanne Imbach (die allerdings nicht stimmberechtigt war), der Pianist Klaus Linder, Peter Mosimann und Gian-Reto Plattner –, dass eine Vorstandssitzung einberufen würde mit dem Traktandum «Kündigung des Gesamtarbeitsvertrages». Dieser wurde denn auch am 26. Januar 1988 gekündigt. Möglich war dies geworden, nachdem sich die Mehrheitsverhältnisse im Vorstand zugunsten der Stiftungslösung verschoben hatten. Die Abstimmung im Vorstand fiel auch deshalb zu Gunsten einer Kündigung aus, weil die zwei Musikervertreter im Vorstand in den Ausstand getreten waren – dies in der Annahme, sie seien dazu verpflichtet. Nachträglich stellte sich heraus, dass sie durchaus hätten mitstimmen dürfen. Dann wäre das Ergebnis der Vorstandsabstimmung möglicherweise ein anderes gewesen. Die Verwirrung darüber war gross. Die Auseinandersetzung um die BOG war inzwischen auf dem Siedepunkt angelangt. Eine knappe Mehrheit des BOG-Vorstandes befürwortete die Stiftungslösung und damit die Entmachtung des bisherigen Trägers, eine starke Minderheit hielt an der bisherigen Struktur fest. Ein Rechtsgutachten sollte klären, ob die Anordnung des Erziehungsdepartements zur Kündigung des GAV rechtsgültig gewesen sei. Christian Brückner sollte das Gutachten verfassen, aber man war sich zuerst nicht einig darüber, wer es bezahlen solle. Auf jeden Fall, so die Kulturverantwortliche Susanne Imbach, dürfe das Gutachten nicht mit Subventionsgeldern finanziert werden.53 Ein Musiker im Vorstand bezeichnete die Atmosphäre in den Vorstandssitzungen als «unerträglich». Es kam zu persönlichen Gehässigkeiten zwischen den beiden Parteien. Der Verwalter fühlte sich von Susanne Imbach beleidigt, weil im Orchesterratschlag offen über seine Nachfolge spekuliert wurde. Am 5. Februar 1988 kam es zu einer ausserordentlichen, im Anschluss daran zu einer ordentlichen Generalversammlung der BOG. Susanne Imbach verkündete, dass die Orchesterstiftung inzwischen gegründet worden sei und noch im gleichen Jahr ihre Tätigkeit aufnehmen werde. Mit allen gegen 47


eine Stimme beschloss die ausserordentliche Generalversammlung, das erwähnte neutrale Rechtsgutachten darüber in Auftrag zu geben, ob die vom Vorsteher des Erziehungsdepartements angeordnete Weisung, den GAV zu kündigen, rechtlich einwandfrei sei. In der sich anschliessenden ungewöhnlich stark besuchten ordentlichen Generalversammlung wurde es sehr persönlich. Einzelne stiftungsfreundliche BOG-Vorstandsmitglieder wurden unverblümt zu ihrer Rolle befragt. Curt Paul Janz bezeichnete das Vorstandsmitglied Peter Mosimann öffentlich als «Chamäleon», weil er zugleich als Anwalt für die SRG tätig war und im BOG-Vorstand sass, und richtete an die Adresse der Vorstandsmitglieder Rosemarie Leuenberger und Gian-Reto Plattner die Frage: «Wie kann man im Vorstand eines Vereins sitzen, den man auflösen will?»54 Als vier Monate später wieder eine stark besuchte ausserordentliche Generalversammlung stattfand – diesmal waren 90 von insgesamt 650 BOG-Mitgliedern erschienen –, war als erstes Thema die «Abberufung der Vorstandsmitglieder Frau R. Leuenberger und Herr G. R. Plattner» traktandiert. Das Ergebnis war eindeutig: 73 Stimmen für Abberufung, 8 dagegen und 8 leer eingelegte. Susanne Imbach äusserte, sie sei «bekümmert», weil zwei Vorstandsmitglieder, die «auch zur Öffnung nach BL und nach den Links-Parteien» in den Vorstand gewählt worden waren, abberufen wurden. Leuenberger und Plattner wurden durch loyalere Anhänger der BOG ersetzt, durch Irene Stroux und Alfred Briellmann. Dann prallten Votanten der verschiedenen Lager aufeinander. Musiker aus dem Radio-Sinfonieorchester sagten, sie hätten in fast zwanzig Jahren «keine Identifikation mit der BOG» entwickeln können, weil sie zur Hauptsache im Dienste des Radios standen. Jetzt, da die SRG sich zurückziehen wolle, hätten sie «einfach Angst».55 Die Medien sprachen von einem «Grabenkrieg» innerhalb des BOGVorstandes. BOG-Präsident Andreas Staehelin warf der Kulturbeauftragten vom Erziehungsdepartement in einem Brief an die Regierung vor, sie habe die BOG daran gehindert, eine aktivere Rolle zu ergreifen. Insbesondere habe sie der BOG untersagt, «direkte Kontakte mit dem Kanton Basel-Landschaft und Radio DRS aufzunehmen, da dies Aufgabe der staatlichen Organe sei». Staehelin zweifelte offen an der Rechtsstaatlichkeit dieses Vorgehens und ebenso der Anordnung der Regierung, die BOG müsse den Gesamtarbeitsvertrag mit den Musikern kündigen.56 Zur Verstärkung der juristischen Kompetenz im Vorstand wählte dieser im Juni 1988 Irene Stroux als Vizepräsidentin. 48


Spät und womöglich zu spät erkannte die BOG, dass sie nicht nur die Stiftungspläne kritisieren, sondern auch Hand zur Veränderung ihrer eigenen Struktur bieten musste. Ende November 1987 stellte sie ihrem Vorstand geänderte Statuten zur Diskussion, die einen Teil der gegen sie vorgebrachten Kritikpunkte berücksichtigten.57 Nach dem Änderungsvorschlag der Statuten sollte der Vorstand jetzt pluralistischer zusammengesetzt sein und den Vertretern der Konzertveranstalter mehr Raum bieten. In derselben Vorstandssitzung wurde auch die «Nachfolge des Verwalters» angesprochen. Der langjährige Verwalter, der mittlerweile siebzigjährige Hans Ziegler, wollte nun rasch seine Nachfolge als Kopf der BOG geregelt wissen. Er hatte wohl bemerkt, dass er ein Teil des Problems war, das die Regierung mit der BOG hatte: seine erzliberale, staatskritische Grundhaltung, aber auch sein Beharrungsvermögen, sein Eigensinn und seine Neigung, sich nach aussen zu verschliessen. Die Regierung hatte schon länger auf eine Ablösung des Verwalters aus Altersgründen gedrängt, war aber plötzlich nicht mehr interessiert an einer Erneuerung der BOG – hatte sie doch deren Abschaffung im Sinn. Sie wollte die BOG durch die Stiftung Basler Orchester ersetzen und an der Spitze der Orchesterstiftung einen künstlerischen und einen administrativen Direktor installieren, analog dem Theater und der Musik-Akademie. Das Geschäft wurde vertagt. Als das vom BOG-Vorstand in Auftrag gegebene Gutachten von Christian Brückner am 29. Juni 1988 endlich fertig war, bekam die BOG nochmals einige Argumente zu ihren Gunsten geliefert. Denn das 17 Seiten umfassende Gutachten kam zum Schluss, die Weisung des Erziehungsdepartements, die BOG müsse den Gesamtarbeitsvertrag kündigen, sei unrechtmässig gewesen, da «zur sogenannten Vereinsautonomie ‘das allen juristischen Personen ihrem Wesen nach eignende Selbstbestimmungsrecht’ (gehört)». Ebenfalls nicht rechtsgültig sei der Beschluss des BOG-Vorstandes vom 17. Dezember 1987 gewesen, den GAV auf 31. Juli 1988 zu kündigen. Doch war die Wirkung dieses Gutachtens in der öffentlichen Meinungsbildung gering, und das Klima im ohnehin gespaltenen BOG-Vorstand wurde dadurch auch nicht besser.58 Ein Vertragsentwurf von Peter Mosimann, der das Verhältnis zwischen der Stiftung Basler Orchester und den Benützern von Orchesterleistungen zum Gegenstand hat, datiert vom Juli 1987. Er wurde in modifizierter Form dem BOG-Vorstand im November 1987 vorgelegt. Gegründet wurde die Stiftung Basler Orchester am 30. Dezember 1987, im Februar kam der Entwurf für einen neuen Gesamt49


arbeitsvertrag mit den Musikern zustande, und am 10. Mai 1988 wurde sie ins Handelsregister des Kantons Basel-Stadt eingetragen.59 Im Stiftungsrat der Stiftung Basler Orchester sassen Mitglieder der AMG, der Basler Theater, von Radio DRS, Vertreter der «kleinen Veranstalter» (Chöre), Vertreter beider Orchester und Staatsdelegierte, ausserdem gab es zwei freie Sitze. Der Kanton Basel-Landschaft war zuerst nicht bereit, einen Sitz im Stiftungsrat einzunehmen. Erst 1991/92 nahm mit dem Baselbieter Kultur-Abteilungsleiter Niggi Ullrich ein Staatsvertreter des Landkantons Einsitz im Stiftungsrat; von da an beteiligte sich der Landkanton auch finanziell markant an den Orchesterkosten. Die Stiftung Basler Orchester erklärte am 24. Mai 1988 den Musikerinnen und Musikern gegenüber, sie werde trotz des gekündigten GAV die normativen Bestimmungen des alten GAV als verbindlich anerkennen. Da im Mai/ Juni die Übertragung der Subvention an die neue Stiftung im Grossen Rat traktandiert war, war Eile darin geboten, die Öffentlichkeit und insbesondere die Mitglieder des Grossen Rats zu überzeugen.

KOMITEE ZUR ERHALTUNG DER BOG

Die BOG beugte sich dem harten Faktum der Existenz einer Nach folge-Institution nicht kampflos. Schon Anfang Februar gaben Freunde und Vorstandsmitglieder der BOG anlässlich der Generalversammlung eine Erklärung ab, in welcher sie sämtliche relevanten Argumente gegen einen Wechsel der Orchester-Trägerschaft zusammentrugen. In diesem Argumentarium spielt der geplante Rückzug der SRG von der Mitfinanzierung der beiden Basler Orchester eine zentrale Rolle. Der SRG, heisst es in dem Papier, werde ein «Geschenk von gesamthaft 18 bis 20 Millionen» Franken gemacht, wenn man ihrem Ansinnen folge. Die ganze «Strukturreform» genannte Übung werde überhaupt nur gemacht, um der SRG zu ermöglichen, sich aus finanziellen Gründen vorzeitig aus dem Vertrag mit der BOG zu lösen. «Vom baslerischen Musikleben aus besteht kein Anlass, die BOG als Orchesterträger auszuschalten, es geschieht ausschliesslich und nur im Interesse der SRG und unter deren Federführung.»60 VERTEIDIGUNG:

Unterschrieben war diese Erklärung von Curt Paul Janz, Alfred Briellmann, Prof. Hans Rudolf Müller, Arnold Schäublin, Hermann Fredenhagen, Prof. Marc Sieber, Anton Renz und Hans Rapp. Es fällt auf, dass kaum Frauen an vorderster Front aktiv für die Erhaltung der BOG kämpften. Einige dieser Personen wirkten auch im «Komitee zur Erhaltung der BOG und ihrer Orchester» mit, welches im Frühling die politische Bühne betrat. Fast im Stil einer Verschwö50


rung notierte der Sprecher des «Komitees», der Internist Jürg Geiser, in einem Brief an seine Mitkämpfer vom 10. Juni 1988: «Es ist jetzt äusserst wichtig, nicht zu erlahmen und möglichst viel Zeit am Telefon, beim persönlichen Gespräch und an der Schreibmaschine zu verbringen. Wenn das nicht geschieht und der Feind eine Erschöpfung bei uns feststellt, hat er genau das, was er will.» Die BOG-Freunde sollten «zerpflücken, was am letzten Donnerstag von (Regierungsrat Prof. Hans Rudolf) Striebel und den Stiftungsfreunden gesagt wurde. Von Striebel gibt es eine ganze Menge, das sich bestens dazu eignet, von den Votanten nicht weniger.» Von einem möglichen Referendum im Falle eines für die BOG ungünstigen Grossratsentscheids solle man nicht so «moderat und distanziert» sprechen, das Referendum brauche es absolut, wenn man die Demokratie nicht stillschweigend aufgeben wolle. Auch der langjährige BOG-Musiker und Ehrendoktor Curt Paul Janz wandte sich mit einer persönlichen Erklärung an die Mitglieder des Grossen Rats. In seinem zweiseitigen Schreiben stellt er der SRG ein miserables Zeugnis als Arbeitgeberin für die Musikerschaft aus. Er nennt das Verhalten der SRG der BOG gegenüber «erpresserisch». Die Stiftung Basler Orchester würde «statt der klaren Kompetenzentscheidung bei der BOG» «eine heillose Vermengung z.T. widerstrebender Teilnehmer» bringen. Der Grosse Rat solle die Subvention bei der BOG belassen und den Abschluss eines Subventionsvertrages mit der BOG fordern.61 Um der «Basler Nabelschau» zu entgehen, hatte das Komitee zur Erhaltung der BOG und ihrer Orchester bereits im Dezember 1987 bei der Staatskanzlei eine Petition mit 1350 Unterschriften eingereicht. Sie sollte einen Marschhalt in der Reorganisation der Basler Orchester und eine neutrale Expertise erwirken. Sprecher der Petenten waren der Anwalt Michael Pfeifer und Markus Ernst, Schlagzeuger im Basler Sinfonie-Orchester. Der 65 Seiten starke Bericht der Petitionskommission unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Carlo Conti kam am 4. Mai 1988 heraus und ist erkennbar um ein ausgewogenes Gesamtbild unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren bemüht. Zur Meinungsbildung zog die Petitionskommission des Grossen Rates nicht nur Vertreter der Basler Institutionen, sondern auch Experten von auswärts bei, veranstaltete Hearings und erbat von den Befragten eine Einschätzung der Basler Orchesterfrage.62 Der «Bericht der Petitionskommission» zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Objektivität der Darstellung aus und enthält überdies einige Punkte, die in der auf die «grossen Züge» zugespitzten 51


öffentlichen Diskussion zu kurz kamen. Der Bericht rekapituliert in knappen Strichen die Struktur des Basler Orchesterbetriebs und die Vorgeschichte des Orchesterstreits, weist auf die Rolle des Kulturkonzept-Entwurfs des Erziehungsdepartements hin und auf die Sparabsichten der SRG, die «den Stein ins Rollen» gebracht hätten. Auch die vorübergehende Absicht einer Fusion der beiden Orchester wird thematisiert. Bis in Details der Verhandlungsführung wird die Auseinandersetzung zwischen BOG-Anhängern und Stiftungs-Befürwortern zusammengefasst. Die Reform des Orchesterbetriebs, so wird die Position der BOG umschrieben, solle offenbar «auf dem Buckel der Musiker» durchgeführt werden. Diese sollten bei einer neuen Struktur die Interpretenrechte an die Stiftung als ihren Arbeitgeber abtreten, auch an Nachmittagen proben müssen und ihren Nebenerwerb einschränken. Auch das Privileg des absoluten Kündigungsschutzes solle fallen. Ausführlich diskutiert wird die Frage, ob das Erziehungsdepartement berechtigt war, die BOG zur Kündigung des Gesamtarbeitsvertrags mit dem SMV und dem VPOD aufzufordern. Letztlich lässt der Bericht diese Frage offen. Dagegen bezeichnet er es als «Verletzung der vertraglichen Rechte der BOG», dass der Kanton Basel-Stadt direkt mit RDRS einen Vertrag über die Höhe (beziehungsweise über die Senkung) seiner finanziellen Beteiligung abgeschlossen habe. Offen lässt der Bericht die Frage, ob die BOG einen (zeitlich begrenzten) Anspruch auf die Subventionen habe. Dies sei eine Frage, die gründlicher Abklärung bedürfe. In der Öffentlichkeit umstritten war die Frage, ob die Rechtsform eines Vereins oder die einer Stiftung besser geeignet sei zur Organisation eines Orchesterbetriebs. Die Petition hält fest, dass eine Stiftung, in welcher vier Stifter einen beherrschenden Einfluss hätten, leichter steuerbar sei als ein Verein mit einer aus allen Mitgliedern bestehenden Vereinsversammlung im Hintergrund. Aus Sicht der SRG sei daher die Stiftung ein berechenbarerer Partner als der Verein BOG. «Insofern», heisst es abschliessend dazu, «ist die Rechtsform des Trägers nicht so unbedeutend, wie dies allenthalben gesagt worden ist.» Die Petitionskommission hatte mehrere unabhängige Experten zu Hearings eingeladen. Ron Golan, der Generalsekretär des Orchestre de la Suisse Romande, wandte sich insbesondere gegen eine Vermischung der beiden Orchester und gegen Teilzeitstellen, wie sie den Stiftungs-Befürwortern vorschwebten: «Man kann nicht einen halben oder Viertelmusiker engagieren.» Zwingende Gründe für 52


eine Änderung der Orchesterträgerschaft wollte Golan keine erkennen. «Das Radio, welches die Probleme verursacht, wird zu einem voll mitbestimmenden Mitglied der Stiftung. Es trägt aber die finanziellen Folgen seiner Mitbestimmung nicht mit. Warum diese Struktur der Trägerschaft besser sein soll als die bisherige, ist nicht einsehbar.» Jürg Keller, der Vizedirektor der Zürcher Tonhalle-Gesellschaft, sah im Stiftungsmodell mindestens einen Vorteil: «Grundsätzlich ist es gut, wenn der Orchesterhalter in die Verantwortung des Benützers hineingezogen wird» und wenn die Hauptbenützer des Orchesters auch die Arbeitgeberfunktion ausübten. Diskutiert wurde auch der Vorschlag einer Zusammenlegung der beiden Orchester. Interessant ist Ron Golans Äusserung, das Basler Theatersystem eigne sich im Unterschied zum Genfer StagioneSystem mit seinen jeweils nur sieben bis zehn Aufführungen «en suite» nicht dafür, von nur einem grossen Orchester bedient zu werden. Bemerkenswert deshalb, weil die heute praktizierte Lösung der Orchesterfrage im Theater auch nicht im Ansatz gestreift wurde: das Engagement zusätzlicher Orchester ausser dem «staatlichen». Es war damals auch für das Theater ein Tabu, sich einen anderen Klangkörper als einen der BOG unterstellten im Theaterdienst vorzustellen. Dieses Tabu wirkte bis 1999, als erstmals das Barockorchester «La Cetra» im Theater spielte, dann ab 2006 auch die «basel sinfonietta» und das Kammerorchester Basel. Der Bericht hält zwar fest, «Auslöser des Ganzen» sei «Radio DRS, das ein finanzielles Desengagement und eine vereinfachte Verwertbarkeit der Orchesterleistungen sucht». Der Bericht benennt aber auch «Unzulänglichkeiten bei der BOG», auf die sich das Erziehungsdepartement bei seiner Politik stets berief. Allerdings seien diese nicht so gravierend, dass sie einen Wechsel der Trägerstruktur erforderten. Die Orchesterbenützer (Veranstalter) seien bisher schon in der Trägerschaft vertreten gewesen, und sie würden wohl auch im Falle einer Einführung der Orchesterstiftung ihre Dirigenten beibehalten. Der Bericht verweist auf die von der BOG angestrebte Statutenreform, die allerdings durch den von Stiftungsanhängern dominierten Vorstand blockiert werde. Er bezeichnet die Verwaltungskosten der BOG mit 230 000 Franken jährlich als «sehr bescheiden». Für die neue Stiftung würden bei einer Reduktion der Orchesterstellen Verwaltungskosten von einer Million eingeplant. Es war nicht die Aufgabe der Petitionskommission, eine abschliessende Meinung oder gar eine Abstimmungsempfehlung für den Grossen Rat zu formulieren. Alles in allem aber lieferte der Bericht 53


einige gute Argumente für die Beibehaltung der BOG als Orchester-Trägerschaft und nur wenige Argumente für einen Wechsel zur Orchesterstiftung. Und er schliesst sich in einem für die Zukunft entscheidenden Punkt einem Vorschlag von Ron Golan an: Die Frage eines «künstlerischen Intendanten» für das Basler Orchestermusikleben sei zu prüfen. Dazu ist es bis heute nicht gekommen. Im Vorfeld der Grossratsdebatte vom 16. Juni 1988 über den Ratschlag 8053 «betreffend die Bewilligung von Staatsbeiträgen an die Stiftung Basler Orchester für die Jahre 1988 bis 1991» beantwortete die Regierung verschiedene Interpellationen zur Orchestersituation. Ihr Wille, die BOG als Orchesterträgerin und Subventionsempfängerin abzulösen, kommt darin unmissverständlich zum Ausdruck. Die bestehenden Strukturen seien unzulänglich und eine gründliche Reform sei notwendig, bei welcher die Orchesterbenützer, vor allem die AMG und das Theater, mehr Mitspracherechte erhalten müssten und die Programmkoordination zu verbessern wäre. Die bisherige Struktur lasse das Engagement eines Chefdirigenten nicht zu. Daher müsse die Stiftung eingesetzt werden.63 Kurz vor der Debatte im Grossen Rat gab der Verwalter Hans Ziegler ein Papier mit dem Titel «Zur Lage» heraus, in welchem die Zukunft der BOG in sieben Punkten zusammengefasst wird64 (s. Anhang 4). Zieglers Text lässt ein gewisses Entgegenkommen gegenüber den Plänen der Regierung vor allem hinsichtlich der Anzahl Musikerstellen erkennen. Laut seiner Skizze benötigt das Basler Musikleben nach einer Reduktion des SRG-Leistungsbezugs um 50 Prozent noch 148 Musiker, «zur Hauptsache Vollstellen, in beschränkter Zahl allenfalls in Halbstellen». Nach einem vollständigen Rückzug der SRG sei ein Bestand von 130 Musikern vonnöten, um die Qualität des Basler Musiklebens zu erhalten. Durch eine Statutenrevision werde die BOG «den Wünschen von AMG und Theater nach statuarischer Vertretung Rechnung tragen». Der Vorstand werde erneuert und Entscheidungsabläufe würden speditiver gestaltet. Die BOG wolle überdies Gelder von Nachbarkantonen, Gemeinden sowie von Sponsoren akquirieren. Allein, dieses Zeugnis von Erneuerungsbereitschaft kam zu spät und entfaltete keine spürbare Wirkung mehr. Im Ratschlag selbst ist die Rede davon, «von Seiten der BOG (lägen) keine Vorschläge für Alternativlösungen vor». «Ein unverändertes Weiterführen des bestehenden Vertrages mit Radio DRS bis ins Jahr 1995 würde im dannzumaligen Zeitpunkt zu schwerwiegenden Problemen führen. Entweder müsste der Kanton Basel-Stadt die heutigen Zahlungen 54


von Radio DRS zur Finanzierung der Orchester übernehmen oder die BOG auffordern, einen Teil der Musiker zu entlassen.»65 Die Abstimmung über den Orchester-Ratschlag und damit die Einsetzung der Stiftung Basler Orchester im Grossen Rat vom 16. Juni 1988 war ein Debakel für die BOG. 72 Befürwortern der neuen Trägerschaft standen nur 6 Gegner gegenüber. Allerdings gab es 29 Enthaltungen. «Ein guter Entscheid», lobte Urs Häusel in der «Basler Zeitung».66 Nachdem der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt mit grossem Mehr den Orchester-Ratschlag der Regierung und damit den Übergang von der BOG zur Orchesterstiftung beschlossen hatte, reichte das «Komitee zur Erhaltung der BOG und ihrer Orchester» das Referendum ein. Es war Ende Juli mit rund 3000 Unterschriften zustande gekommen. Zum Referendumskomitee gehörten folgende Persönlichkeiten: Carlo Binetti, Alfred Briellmann, Marie-Louise Fleissig, Hermann Fredenhagen, Jürg Geiser, Felix Mattmüller, Hans Rudolf Merkel, Prof. Hans Rudolf Müller, Martin Oberholzer, Markus Ritter, Prof. Peter Schiess, Ernst Stricker, Alois Suter, Vera Suter, Jürgen von Tomei, Thomas Wilhelmi und Christoph Wydler. Ideell schlossen sich auch der Dirigent und Mäzen Paul Sacher, der Dirigent Armin Jordan und der Gambist und Dirigent August Wenzinger dieser Gruppierung an. Zu den Aktivitäten des Komitees kamen zahlreiche Privatinitiativen hinzu. So richtete Hans Rudolf Müller einen Appell «an einige mir persönlich bekannte Basler Ärzte», den «unglücklichen Entscheid des Grossen Rates» zu korrigieren und sich auf der Seite des Referendums zu engagieren.67 Ergänzend zu den Aktivitäten der Referendumsgruppe gab es eine organisatorisch vom Basler Rechtsanwalt Michael Pfeifer geführte Gruppierung, den Verein «Gesellschaft zur Erhaltung der Orchester der BOG». Dieser Verein wandte sich in erster Linie gegen eine Zusammenlegung der beiden Orchester und verstand sich als neutral bezüglich der Strukturfrage. «Wir waren nicht gegen die Stiftung als solche», sagt Michael Pfeifer heute im Rückblick, «sondern wir wollten die Vielfalt der Angebote erhalten.» Personell stand der Verein der Mozart-Gemeinde Basel nahe, in deren Vorstand Pfeifer selbst bis zu deren Auflösung 2005 mitwirkte. Weitere Protagonisten der «Gesellschaft zur Erhaltung …» waren die Musiker Charles Bopp und Markus Ernst sowie Anton Renz. Pfeifer selbst erklärte sich – als Zeichen dafür, dass er sich nicht den «Zeichen der Zeit» widersetzen wollte – bereit, im Stiftungsrat der Stiftung Basler Orchester mitzuwirken, doch machte diese keinen Gebrauch von seinem Angebot.68 55


Beide Gruppierungen rekrutierten sich vorwiegend aus dem Basler Bürgertum und leisteten viel ehrenamtliche politische Arbeit. Die hohen Kosten für Inserate, Flyer, Portoauslagen etc. wurden durch Spenden von Privaten gedeckt. Da die Stiftung im August zwei Mitarbeiter eingestellt hatte, vermutete man in den BOG-Kreisen, diese würden im Abstimmungskampf mitwirken und «in Ermangelung anderer Aufgaben» mit Staatsgeldern Propaganda für die staatsnahe Stiftung und gegen die private BOG machen.69 Nach den Sommerferien 1988 setzte ein Meinungskampf ein, wie ihn das kulturelle Basel noch selten erlebt hat und der in der Volksabstimmung vom 25. September 1988 gipfelte. Das Komitee brachte seinen Standpunkt und seine Ziele in zahlreichen Zuschriften an Zeitungen und Fachblätter sowie in Inseraten und Flugblättern zum Ausdruck. Die BOG ihrerseits nutzte das populäre «Konzert für alle» zur Saisoneröffnung vom 20. August 1988 zur Propaganda. Das Komitee warb dafür, die Kündigung des Gesamtarbeitsvertrages rückgängig zu machen und die SRG nicht vorzeitig aus ihrem Subventionsvertrag mit dem Orchesterträger aussteigen zu lassen. Überdies sollte der Verein BOG als Trägerschaft beider Orchester erhalten und der Minimalbestand von 148 Musikern garantiert werden. Nachdem die Regierung ebenso wie der Grosse Rat klar für die Ablösung der BOG votiert hatten, meldeten sich die Veranstalter zu Wort. AMG-Präsident Thomas Staehelin und der künftige Theaterdirektor Frank Baumbauer – also die Repräsentanten der grössten Abnehmer von Orchesterdiensten – erklärten in einem gleichlautenden Schreiben, sie erhofften sich von der neuen Struktur eine klare Verbesserung. Trotz des persönlichen Engagements zahlreicher musikliebender Bürgerinnen und Bürger wurde die BOG im Meinungsstreit um die Zukunft der Basler Orchester einsamer. Die Lokalpresse war gespalten, neigte aber eher der «Staatslösung» zu. Die «Basler Zeitung» und die «Nordschweiz/Basler Volksblatt» nahmen Stellung für die Stiftung Basler Orchester. In Kreisen der BOG nahm man zur Kenntnis, dass Jürg Erni, der Musikredaktor der «Basler Zeitung», im Frühjahr 1988 gekündigt hatte, um eine neue Stelle bei Radio DRS 2 anzunehmen, was Zweifel an seiner Objektivität im Orchesterstreit aufkommen liess. Ein Gerücht, auch Susanne Imbach gehe zum Radio als neuem Arbeitgeber, erwies sich als irrig. Der «Blick Basel» und die «Basellandschaftliche Zeitung» verteidigten die bestehende Struktur mit der privaten BOG als Orchesterträgerin. Das ehemalige BOG-Vorstandsmitglied Hansueli W. Moser-Ehinger trat mit einer eigenen 16-seitigen Schrift unter dem 56


sprechenden Titel «Diktatur statt Demokratie?» an die Öffentlichkeit. Er versuchte darin, alle Argumente gegen die BOG und für die neue Stiftung zu entkräften. «Es besteht keine organisatorische Notwendigkeit, die BOG als Orchesterträgerschaft abzulösen», heisst es darin, und: «Radio DRS soll für sein Ausscheren aus dem bisherigen Vertrag mit Millionengeschenken an Geld und Rechten zu Lasten von Musikern und kleinen Veranstaltern belohnt werden.» Die Stiftung sei «dirigistisch» und werde den Steuerzahler teuer zu stehen kommen, so lautete der Tenor zahlreicher Meinungsäusserungen der BOG-Freunde.70 Die politischen Parteien hatten keine einheitliche und zum Teil auch gar keine Meinung. Die Fronten verliefen quer durch die politischen Lager. Ein überparteiliches Pro-Komitee, das sich «Komitee für die Basler Orchester» nannte, wurde vom SP-Ständerat Carl Miville und vom Architekten und LDP-Nationalrat Martin H. Burckhardt gemeinsam präsidiert. Dem FDP-Mitglied und Erziehungsdirektor Prof. Hans Rudolf Striebel war es gelungen, seine Partei weitgehend auf seine Seite zu bringen. Auch die Sozialdemokraten waren mehrheitlich für die staatsnahe Stiftungslösung. Negativ für die Stiftung ging eine Parteiversammlung der CVP aus, ebenso bei der VEW, in deren Vorstand mit Hans Rudolf Merkel einer der Protagonisten des Widerstands gegen die Orchesterstiftung sass. Bei den Liberalen herrschte in der Parteiversammlung vor der Volksabstimmung die Meinung vor, viele Mitglieder verstünden nicht, worum es eigentlich ging. Letzten Endes votierte die Partei aber doch für ein Ja zugunsten der Orchestersubventionen und damit zugunsten der Stiftungslösung.Die Grünen waren tendenziell gegen die Stiftung. Keine Parole gab die DSP heraus. Allgemein fiel in den Parteiversammlungen die hohe Zahl der Enthaltungen auf, die wohl auf die verbreitete Unkenntnis in Fragen der Orchesterverwaltung zurückzuführen ist. Jedenfalls verliefen die Frontlinien im Abstimmungskampf quer durch die ideologischen Lager hindurch – Liberale und Freisinnige gab es auf beiden Seiten, ebenso Christlich-Soziale und Grüne. Auch der Basler «Daig» war gespalten: Einen Staehelin (Andreas und Thomas) gab es in führender Position in beiden Lagern.

SPALTUNG: MUSIKER SIND UNEINS

Die Stiftungsgegner hatten mit der Komplexität der Materie ein Problem: Sie mussten darauf achten, dass ihre Argumente nicht missgedeutet wurden als Argumente gegen die Orchestersubventionen beziehungsweise gegen deren

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nicht unbeträchtliche Höhe. Allzu leicht konnte ein Ja an der Urne als «Ja zu den Subventionen» und ein Nein als ein «Nein zu den Subventionen» oder gar als «Nein zur subventionierten Kultur insgesamt» gedeutet werden. Diese Befürchtung hatten auch viele der teilweise verunsicherten und verängstigten Orchestermusiker. Nachdem die beiden Musikerverbände geäussert hatten, ein Nein in der Volksabstimmung könne als Nein zu den Orchestersubventionen als solchen ausgelegt werden und letztlich den Musikern materiellen Schaden zufügen, liess das Referendumskomitee diesen Sachverhalt juristisch klären und kam zum Schluss, bei einem Volks-Nein sei nur die «vom Erziehungsdepartement mit allen Mitteln der Panikmache» forcierte Stiftung, nicht aber die Orchestersubvention selbst betroffen. «Den Musikern wird auf keinen Fall ein Schaden erwachsen», heisst es in einer Art informellem Gutachten des BOG-Präsidenten Andreas Staehelin.71 Anders sah es der Physikprofessor und spätere Ständerat Prof. GianReto Plattner, der unter dem Briefkopf «Stiftung Basler Orchester – Prof. Dr. Gian-Reto Plattner – Mitglied des Ausschusses» einen Brief an alle Orchestermitglieder richtete. Er äusserte darin die Befürchtung, das Referendum berge die Gefahr, dass manche Stimmbürger es als Abstimmung pro oder contra Orchestersubventionen an sich verstünden und dann mit dem Stimmzettel gegen eine ihrer Meinung nach «elitäre» Kulturförderung anträten. Die Orchestersubventionen als solche stünden auf dem Spiel. Auf dieses Schreiben reagierte BOG-Präsident Andreas Staehelin seinerseits mit einem Appell an die Musiker, «sich nicht in den Wahlkampf einspannen zu lassen, sondern eine für die Orchester zu empfehlende Neutralität einzuhalten».72 Jetzt gingen viele Briefe von Orchesternmusikern an die BOG und zurück. Der Präsident des Orchestervorstands des Basler Sinfonie-Orchesters, der Cellist Ernest Strauss, erklärte, der gesamte Vorstand und viele Musiker dazu träten für ein Ja zur Stiftung ein – worauf dann aber mindestens 23 Orchestermitglieder erklärten, sie seien strikt neutral.73 Keine einfache Situation für die direkt Betroffenen, die Musikerinnen und Musiker der beiden Klangkörper – sollten sie doch zugleich staatsbürgerlich klug und neutral entscheiden, ohne ihre eigenen Interessen zu verletzen. Schon vor der Grossratsdebatte hatten Vertreter beider Musikerverbände (SMV und VPOD) mehrheitlich die Regierungspläne begrüsst. Das Referendum sei nicht im Sinn der Musiker, sagte etwa der Fagottist David Schneebeli vom 58


SMV. Die Musiker wurden von beiden Lagern umworben und zeigten Anzeichen von Verunsicherung. Unter ihnen gab es einige (wie Martin Lehmann oder Markus Ernst), die von BOG-Anhängern zu Stiftungsbefürwortern wurden, als sie den wachsenden Druck auf die BOG spürten und glaubten, diese könne ihm nicht standhalten. Das Radio-Sinfonieorchester verhielt sich anfänglich BOG-treu und war stiftungskritisch eingestellt, wie eine Erklärung des Vorstandes und der Fachkommission dieses Klangkörpers vom 29. Januar 1986 dokumentiert.74 Dort werden die Radiopläne als «beschämend» bezeichnet und wird zum Widerstand gegen die Grundelemente des Vorschlags einer neuen Trägerschaft aufgerufen. «Wir glauben, dass die BOG unseren Fortbestand am besten gewährleisten kann. Sie ist im Basler Musikleben fest verwurzelt und kann am ehesten künftigen Krisen widerstehen. (…) Wir wollen unter allen Umständen bei der BOG bleiben», heisst es in dem von Erwin Banz unterzeichneten Schreiben an den Vorstand der BOG. Doch wenig später wechselte das RSOB das Lager und zählte vor der Abstimmung im Grossen Rat und der Referendumsabstimmung zum «harten Kern» der Befürworter der neuen Trägerschaft. Vielen Orchestermusikern war das Tempo der Strukturreform zu hoch, und sie erbaten Bedenkzeit – die der politische Fahrplan allerdings nicht bot. Schon unmittelbar vor der Grossrats-Abstimmung hatten 78 Mitglieder des Basler Sinfonie-Orchesters mit einer Resolution an den Regierungsrat und den Grossen Rat eine «Denkpause in der in jeder Hinsicht verworrenen Situation der Orchesterträgerschaft» verlangt. Diese wurde ihnen nicht gewährt.75 Als das Referendum ergriffen wurde, mussten die Musiker Farbe bekennen. Das Radio-Sinfonieorchester sprach sich jetzt mehrheitlich (allerdings bei vielen Enthaltungen) für die Orchestervorlage und damit gegen die BOG aus. Weniger einheitlich war die Haltung des Basler Sinfonie-Orchesters. Insgesamt standen die Namen von 106 von 164 Mitgliedern beider Klangkörper unter einem Aufruf mit dem Titel «Basler Orchester – JA!» für das Stiftungsmodell. Aber angeblich hatten nur 14 Mitglieder des Basler Sinfonie-Orchesters (neben 54 des Radio-Sinfonieorchesters) für das Stiftungsmodell votiert. Es klaffte eine rechnerische Lücke, die unerklärt blieb. Die Folge dieses Zahlenwirrwarrs war ein Rücktritt des Vorstands des Basler Sinfonie-Orchesters. Dramatisiert wurde auf beiden Seiten. «Nur mit einem Ja zur Orchestervorlage ist sichergestellt, dass Entlassungen vermieden werden 59


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können, dass auch weiterhin ein breites Angebot an Opern-, Operetten-, Ballett und Konzertaufführungen aufrechterhalten werden kann, und dass nicht die besten Musiker aus Basel abwandern und dadurch die hohe Qualität der Orchester gefährdet wird», hiess es in einem Papier des Musikerkomitees «Orchestervorlage – JA», das ein wahres Horrorszenario für den Fall eines Volks-Neins gegen die Stiftungslösung entwarf. Der Trompeter Mario Populin, der Präsident des Radio-Orchesters, benutzte eine Theaterprobe mit dem Basler Sinfonie-Orchester für eine politische Rede zugunsten der Stiftung, was ihm einen Tadel des Musikalischen Oberleiters am Theater, Armin Jordan, und des Ballettdirigenten Andres Joho eintrug. Der selbe Mario Populin schrieb in einem Leserbrief: «Eine Abwanderung von namhaften Orchestermusikern wäre nicht aufzuhalten, Basel würde den Ruf als Musikstadt verlieren», wenn die Stiftung nicht in Kraft gesetzt würde.76 Claus-Dieter Zimmer vom Radio-Sinfonieorchester sprach wohl für viele Kolleginnen und Kollegen, als er in einem Interview sagte, die 60


BOG sei zwar «in persönlichen Belangen ein guter Arbeitgeber» gewesen, aber es habe Kompetenzschwierigkeiten gegeben, die man bei der Stiftung mit ihren «klareren Verhältnissen» nicht erwarte. «Für unser Orchester kann es nur besser werden», so Zimmer.77 Der Cellist Ernest Strauss vom Orchestervorstand des BSO sass selber im BOG-Vorstand, gehörte aber zu den Befürwortern der Stiftung. Er protestierte (auf BOG-Briefpapier) gemeinsam mit dem Schlagzeuger Claus Dieter Zimmer im Namen beider Orchestervorstände dagegen, dass sich die BOG mit dem «Konzert für alle» zur Saisoneröffnung im August 1988 «für die Unterstützung im Referendumsund Abstimmungskampf gegen den unverständlichen Grossratsbeschluss vom 16. Juni bei ihren Mitgliedern bedanken» wollte. Strauss und Zimmer sahen darin eine Verletzung des Neutralitätsgebots, das die BOG selbst über die Musiker verhängt hatte.78 Martin Lehmann, Geiger und Präsident der Sektion Basel des Schweizerischen Musikerverbands, bekannte sich offen zu einem gewissen Opportunismus – Hauptsache für ihn sei, «dass die Bedingungen für die Musiker stimmen».79 Sukkurs erhielten die Musiker von ihren Berufsverbänden, vom Schweizerischen Musikerverband und vom VPOD, die sich beide für die Stiftung aussprachen. Den Befürwortern auf Musikerseite standen Kritiker der Stiftungslösung gegenüber wie Curt Paul Janz, als langjähriger Orchester-Bratschist und Präsident des Schweizerischen Musikerverbands eine Figur von hoher Autorität, der die Subvention bei der BOG belassen wollte.

Das Ergebnis der ReferendumsabDIE ORCHESTERSTIFTUNG stimmung vom 25. September 1988 ÜBERNIMMT war bei weitem nicht so deutlich wie die Abstimmung über den Ratschlag im Grossen Rat. Es wird von Hans Ziegler in seinen Aufzeichnungen denn auch als «Zufallsresultat» bezeichnet – aber es galt eben doch: Mit 19 545 gegen 18 570 Stimmen bei 1762 leeren Stimmzetteln gaben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Basel-Stadt ihren Segen über die vom Grossen Rat beschlossenen Orchestersubventionen in der Höhe von 11,6 Millionen Franken an die Stiftung Basler Orchester und erteilten damit der BOG eine Abfuhr. Bevor die Zahlen aus Riehen vorlagen, erinnert sich Susanne Imbach an den Abstimmungssonntag, sah es noch nach einem Nein zum Ratschlag aus, erst das grosse Basel brachte den Ausschlag für ein Ja.80 ABLÖSUNG:

Die Stimmbeteiligung betrug nur rund 29 Prozent, was wohl auf die für viele Stimmbürger verwirrende Thematik der Orchesterträger61


schaft zurückzuführen ist. «Man darf getrost auch hoffen, dass der grösste Teil der Nein-Stimmer dennoch ein Ja zum Basler Musikleben mit in die Urne legten», schrieb Christof Wamister in seinem Abstimmungskommentar in der «Basler Zeitung» – und legte damit den Finger auf einen wunden Punkt, den auch Regierungsrat Striebel unmittelbar nach der für ihn positiv verlaufenen Volksabstimmung erkannte: «Ich fürchte, das Geld hat hier eine grosse Rolle gespielt», sagte er laut der «Basler Zeitung» vom selben Tag.81 In einer ersten knappen Erklärung des Stiftungs-Ausschusses heisst es, es sei gelungen, «Radio DRS förmlich in die neue Trägerschaft einzubinden und einen Vertragsentwurf zwischen Stiftung und Radio auszuhandeln, der eine zwar reduzierte, aber gleichwohl wesentliche und überlebenswichtige Mitfinanzierung der beiden Basler Sinfonieorchester zu fairen Bedingungen vorsieht.» Die Stiftung verfüge damit über genügend Geld, «um Stellenkündigungen trotz gleichbleibender Subventionierung durch den Kanton BaselStadt, trotz der Ablehnung einer substanziellen Mitträgerschaft durch den Kanton Basel-Landschaft und trotz des reduzierten Engagements von Radio DRS vermeiden zu können». Der Vertrag mit der SRG konnte jetzt «im gegenseitigen Einvernehmen» aufgelöst werden. In einer weiteren Erklärung bat das Ausschussmitglied Gian-Reto Plattner die Orchestermitglieder «um Verständnis, wenn es in nächster Zeit da und dort einmal holpern sollte», weil die Stiftung Basler Orchester «nun sofort in die Fussstapfen der BOG treten» müsse.82 Auf Wunsch der Orchesterstiftung zahlte die BOG als Arbeitgeberin der Orchestermitglieder noch bis Ende Jahr die Musikergehälter und 13. Monatslöhne aus. Um die Lohnauszahlungen war noch eine Kontroverse entstanden, nachdem die Basler Kantonalbank die Oktoberlöhne der Musiker zuerst der Stiftung Basler Orchester anstatt der BOG belastete und sich weigerte, die Bankauszüge der Kontoinhaberin BOG zu übermitteln, worauf Grossrat Thomas Wilhelmi eine Interpellation einreichte.83 Der Präsident Andreas Staehelin erhielt den formellen Dank des Erziehungsdepartements. Im selben Schreiben von Regierungsrat Striebel wurde zur Kenntnis genommen, dass der Verwalter Hans Ziegler seit Erreichen des Pensionsalters, also seit sechs Jahren, keinen eigentlichen Lohn bezog, sondern nur seine Rente. Er hatte seit 1982 ehrenamtlich gearbeitet. Bedankt hat sich das Erziehungsdepartement dafür nicht.84 Bereits am 27. September 1988 hatte BOG-Präsident Andreas Staehelin gegenüber dem Regierungsrat seinen Rücktritt als Staats62


delegierter im BOG-Vorstand erklärt. Er vergass nicht zu betonen, dass seine Präsidialzeit «äusserst unangenehm war», weil die Behörden von Anfang an keine Bereitschaft gezeigt hätten, «eine Lösung der anstehenden Probleme im Rahmen der BOG treffen zu wollen.»85 Wenig später demissionierte er auch als Präsident der BOG. Als relevante BOG-Adresse für Mitteilungen des Subventionsgebers stellte sich die bisherige Vizepräsidentin Irene Stroux zur Verfügung. Das juristische Tauziehen war damit noch nicht zu Ende, denn jetzt musste an der BOG-Vorstandssitzung vom 24. Oktober darüber gestritten werden, ob Staehelin im Vorstand bis zur nächsten Generalversammlung noch stimmberechtigt sei oder ob sein Stimmrecht mit der Rücktrittserklärung erlösche. Die Lösung bestand in dem Kompromiss, dass Staehelin weiter an den Sitzungen teilnehmen könne, diese aber von der Vizepräsidentin Irene Stroux geleitet würden. Erstmals zur Sprache kam in derselben Sitzung die Frage nach dem Eigentum an den Instrumenten der BOG. Das Protokoll vermerkt als letzten Punkt: «Frau Dr. Stroux stellt nach dieser in widerwärtiger Atmosphäre verlaufenen Sitzung die Zumutbarkeit eines nochmaligen Zusammentreffens in Frage.»86

EIGENTUMSFRAGE: Im praktischen Bereich funktionierWEM GEHÖREN te die Zusammenarbeit zwischen DIE INSTRUMENTE? dem alten und dem neuen Subventionsempfänger während der Übergangszeit leidlich. So konnte ein Jahr nach der Volksabstimmung sogar ein Konzert mit dem Basler Schlagzeugensemble unter Paul Sacher stattfinden, das als «eine Veranstaltung der BOG und der SBO» deklariert wurde. Paul Sacher erwies sich so wieder einmal als Integrationsfigur des Basler Musiklebens. Aber hinter den Kulissen und von den Konzertbesuchern weitgehend unbemerkt tobte eine Auseinandersetzung, die als «Instrumentenkrieg» Eingang in die Gazetten fand.

«Raubzug auf die BOG-Instrumente» titelte die Basler «Blick»-Ausgabe am 21. Oktober 1988, vier Wochen nach der Referendumsabstimmung, und ein halbes Jahr später lautete die Schlagzeile: «Facklam bläst zum Sturm auf BOG-Instrumente».87 Dahinter verbirgt sich ein lang anhaltendes juristisches Tauziehen um die Instrumente der BOG. Diese war im Lauf ihrer Geschichte zu zahlreichen Instrumenten gekommen, vor allem grössere oder seltene Schlaginstrumente, Kontrabässe und Tuben, die in Konzerten eingesetzt wurden. Nachdem die Funktion der Trägerschaft von der BOG an die Orchester63


stiftung übergegangen war, wurde die Frage nach dem Eigentümer virulent. Nach Meinung des Erziehungsdepartements sollten die Instrumente von der BOG an die Stiftung übergehen, da sie aus Subventionsgeldern gekauft worden seien. Dem widersprachen schon im Juni 1988 die stiftungskritischen Vorstandsmitglieder der BOG. Sie argumentierten, die BOG könne ja auch weiterhin als Trägerin eines Orchesters tätig sein und brauche dafür die Instrumente. Jetzt stritt man darüber, auf welcher Seite die Beweispflicht liege. Grossrat Philippe Zogg von den Progressiven Organisationen Basel reichte unmittelbar nach der Volksabstimmung eine Interpellation ein, in welcher er nachfragte, weshalb bei der Vorbereitung des Ratschlags 8053 keine Beträge für die Instrumente eingesetzt worden seien. Auch die Grossrätin und neue BOG-Präsidentin Irene Stroux erinnerte in einer eigenen Interpellation an die rechtlich ungelöste Instrumentenfrage.88 Die Stiftung verlangte von der BOG schon am 20. Oktober 1988, sie müsse die Instrumente «uneingeschränkt zur Verfügung stellen». Im Ratschlag 8053, der die Grundlage für den Übergang der Orchestersubventionen an die Stiftung bildete, stand tatsächlich nichts von den Instrumenten – man hatte diesen Gesichtspunkt, wie Susanne Imbach heute einräumt, schlicht vergessen.89 Darüber geriet die BOG-Vorstandssitzung vom 24. Oktober in heftiges Diskutieren. Wieder standen sich stiftungsfreundliche Vorstandsmitglieder wie Peter Mosimann und Klaus Linder und treue BOG-Anhänger gegenüber. Bezeichnend sind die beiden folgenden Voten: Klaus Linder meinte: «Die Instrumente gehören zum Basler Musikleben, für welches die BOG da sein soll. Sie gehören zum Orchester und sollen mit diesem automatisch übergehen», während Irene Stroux sagte: «Das Eigentum der BOG ist unbestritten. Das Subventionsgesetz bietet keine Grundlage für eine Rückforderung.»90 Finanzdirektor Kurt Jenny war klar der Auffassung, die Instrumente gehörten zwar als «dingliches Eigentum» weiterhin der BOG, mit der Beendigung des Subventionsverhältnisses habe der Staat aber Anspruch auf die Herausgabe aller von der BOG nicht mehr benötigten Sachen. Schliesslich seien sie ja mit Subventionsgeldern erworben worden, und es mache keinen Sinn, wenn sie «zweimal gekauft» würden. Auch Justizdirektor Peter Facklam, der inzwischen die Zuständigkeit in dieser Frage übernommen hatte, war dieser Meinung und forderte, die Instrumente müssten bis Ende April 1989 herausgerückt werden. Als dies nicht erfolgte und die BOG auf einem Mietverhältnis zwischen ihr und der Orchesterstiftung beharrte, schrieb Facklam dem im Auftrag der BOG tätigen Rechtsan64


walt Willi Kuhn, der Kanton Basel-Stadt könne den Abschluss eines Mietvertrages über die Musikinstrumente nicht akzeptieren. «Der Kanton Basel-Stadt ist auf Grund der Ihnen bekannten Rechtslage verpflichtet, die Übertragung der Instrumente zu Eigentum an die neue Orchesterträgerin Stiftung Basler Orchester hoheitlich durchzusetzen.» Im persönlichen Gespräch äusserte sich Facklam gegenüber Irene Stroux, dem BOG-Finanzverwalter Max Hauck und dem Verwalter Hans Ziegler gleichlautend. Er stützte sich auf einen Regierungsratsbeschluss vom 22. August 1989, der gegen Androhung von «Haft und Busse gemäss Art. 292 StGB» verlangte, der Verein Basler Orchester-Gesellschaft müsse «die Musikinstrumente gemäss beiliegendem Inventar der neuen Orchester-Trägerin ‘Stiftung Basler Orchester’ innert Monatsfrist (…) als Eigentum übertragen». Begründet wird die Forderung unter anderem damit, die Subventionen des Kantons Basel-Stadt an die BOG seien «sehr bedeutsam» gewesen und hätten «seit der Gründung der BOG die Existenz des von ihr verwalteten ständigen Orchesters überhaupt erst ermöglicht».91 Die BOG bestritt diesen Zusammenhang und hielt dagegen, die Instrumente seien ihr teils geschenkt worden (unter anderem von Paul Sacher) und teils aus dem von den BOG-Orchestern erwirtschafteten Überschuss, also nicht mit Subventionsgeldern, gekauft worden. Sacher selbst war wieder einmal um markige Worte nicht verlegen. Anlässlich einer BOG-Serenade im Sommer 1989 wandte er sich ans Publikum mit den Worten: «Der Staat hat die BOG in die Wüste geschickt, und nun nimmt er ihr auch noch die Instrumente weg.» Die BOG indes beharrte weiter auf einem Mietverhältnis und ging fast ein Jahr nach der schicksalshaften Volksabstimmung an die Öffentlichkeit: Die Regierung, heisst es in einer Pressemitteilung der BOG, habe die Verfügung zur Herausgabe der Instrumente «ohne gesetzliche Grundlage» erlassen und sei auf das Angebot eines Mietvertrags seitens der BOG nicht eingetreten. «Die BOG erhebt gegen diesen Versuch ungesetzlicher Enteignung Beschwerde ans Verwaltungsgericht.»92 Hinter den Kulissen wurden wieder juristische Argumente ausgetauscht, und man muss feststellen, dass selbst die Meinungen der Juristen auf beiden Seiten in dieser Frage unversöhnlich aufeinanderprallten. Die Stiftung – inzwischen war mit dem Juristen Thomas U. Müller schon der zweite Geschäftsführer eingesetzt worden – stellte sich auf den Standpunkt, die Instrumente seien zwar im Besitz, aber nicht im Eigentum der BOG. Diese weigerte sich nicht, die Klangerzeuger an die unter dem Dach der Stiftung 65


agierenden Orchester auszuleihen, war aber nicht bereit, dies ohne Mietgebühren zu tun. Da die rechtliche Lage unklar war, wurde der Wert der Instrumente geschätzt und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dieses fiel zu Gunsten der BOG aus. Schliesslich landete der Streit vor Gericht. Die BOG rekurrierte gegen den Regierungsratsbeschluss vom 22. August 1989 betreffend Herausgabe der Musikinstrumente und Übertragung an die Stiftung Basler Orchester, und das BOG-Vorstandsmitglied Klaus Linder – in den Augen treuer BOG-Vorstandsmitglieder ein «Strohmann der Regierung» – focht die Statutenänderung und Generalversammlungs-Beschlüsse betreffend die Instrumente an. Beide Verfahren gingen positiv für die BOG aus. Sowohl das Zivil- als auch das Verwaltungsgericht (Appellationsgericht) gaben im Jahr 1990 der BOG Recht. Diese sei zivilrechtlich nicht als aufgelöst zu betrachten und könne daher nicht gewungen werden, ihr Eigentum abzutreten. Sie sei als Eigentümerin der Instrumente befugt, mit der Stiftung Mietverträge gegen Gebühr abzuschliessen. Es sei unerheblich, ob die BOG tatsächlich zu 95 Prozent oder, wie sie angab, nur zu zwei Dritteln subventioniert worden sei. Eine weitere Tätigkeit der BOG als Orchesterträgerin werde durch den Wegfall der Subventionen zwar erschwert, aber nicht prinzipiell verunmöglicht, hiess es in der Begründung des Zivilgerichts-Urteils vom 14. Dezember 1990. Die Prozesskosten gingen zu Lasten des Kantons Basel-Stadt. So konnte die BOG von der Orchesterstiftung rechtmässig Mietgebühren für die Instrumente einfordern. Ohne Reibung ging der Leihverkehr nicht ab. Von Seiten der BOG warf man der Stiftungspräsidentin Rosemarie Leuenberger einen «trölerischen Zahlungsverkehr» vor. Erst 1991 konnte die BOG eine Eilrechnung über 100 000 Franken für die vergangenen drei Jahre an die Adresse der Stiftung senden und erhielt das Geld auch. Per 31. März 1992 kündigte die BOG den informellen Mietvertrag mit der Sitftung, nachdem man sich weder über den Wert der Klangerzeuger noch über eine jährliche Mietgebühr hatte einigen können. Um sich aus der Abhängigkeit von der BOG zu befreien, beantragte die Stiftung für 1992 187000 Franken für «Unterhalt und Ersatz Instrumente». Ende Mai 1992 konnte dann endlich eine Einigung in der Instrumentenfrage erzielt werden: erst Vermietung für 80 000 Franken jährlich, dann – Mitte 1993 – Verkauf der BOG-Instrumente für 588 551 Franken an die Stiftung Basler Orchester. Dieser Kaufpreis entsprach 57,1 Prozent des Versicherungswerts in der Höhe von 1 030 765 Franken.93 66


NEUORIENTIERUNG: Nach dem Verlust ihrer bisherigen NEUE AUFGABEN Funktion als Orchesterträgerin im FÜR DIE BOG Herbst 1988 wurde die BOG vom Erziehungsdepartement aufgefordert, ihre dem Kanton gehörenden «Büroräumlichkeiten» – zwei kleine Dachstuben – am Münsterplatz 18 – in unmittelbarer Nähe zum Erziehungsdepartement, das Jahrzehnte lang am Münsterplatz 2 residierte – zu räumen. Sie sollten dem Sozialpädagogischen Dienst zur Verfügung stehen können.94 Die BOG empfand dies als Demütigung, und die Suche nach Ersatzräumlichkeiten erwies sich als schwierig. Unter dem Druck der Kündigung durch das Erziehungsdepartement zog die BOG-Verwaltung vorübergehend in ein Hinterhaus an der Leimenstrasse 49. Hans Ziegler sprach despektierlich vom «Leimenloch».

Nun suchte die BOG eine neue Aufgabe, eine neue Rolle im Musikleben der Stadt. Aus Musikerkreisen kam die Anregung, sie könne sich doch zu einem «Förderverein zugunsten der Basler Sinfonieorchester» umstrukturieren. Davon wollte der BOG-Vorstand nun verständlicherweise nichts wissen. «Die Nabelschnur zu den Sinfonieorchestern ist gerissen», sagte BOG-Präsidentin Irene Stroux im Interview mit Urs Albisser von der «Nordschweiz».95 Es gebe im Raum Basel genügend kleinere Formationen, die das Wissen, die Infrastruktur und die Instrumente der BOG brauchen könnten – eine Aussage, die sich zumindest als optimistisch erwies. Nach wie vor war die BOG bestrebt, dem Staat kein Kulturmonopol zuzugestehen und mit eigenen Aktivitäten an die Öffentlichkeit zu treten. Als neuer Vereinszweck war in der BOG-Generalversammlung vom November 1988 festgelegt worden: «die Förderung des Musiklebens in Basel und der Region auf jede geeignete Art wie Trägerschaft eines Sinfonie-, Kammer- oder Jugendorchesters, Übernahme und Durchführung musikalischer Veranstaltungen für die Bevölkerung, Pflege besonderer Musiksparten und dergleichen.» Die beliebten sommerlichen Altstadt-Serenaden – eine «Erfindung» Hans Zieglers – sollten fortgeführt werden. Diskutiert wurde darüber hinaus, ob die BOG ein neu zu gründendes Orchester betreuen oder eine bestehende Formation engagieren solle, was die Statuten ja durchaus erlaubt hätten. Der Möglichkeiten gab es zumindest theoretisch mehrere. Da Paul Sachers Basler Kammerorchester seine Tätigkeit 1986 eingestellt hatte, überlegte man im BOG-Vorstand, ob die BOG diesen Klangkörper neu aktivieren und weiterführen könnte. Da das in der ideellen 67


Nachfolge des BKO gegründete «Basler Musik Forum» über kein eigenes Orchester verfügte, wäre das durchaus eine Möglichkeit gewesen. Überdies gab es von Seiten des Basler Sinfonie-Orchesters zahlreiche Interessenten für die Mitwirkung in einem neuen Kammerorchester. Armin Jordan, welcher der BOG immer mit Sympathie verbunden war, stand an der Spitze eines Kammerorchesters, das man regelmässig engagieren könnte: das Ensemble orchestral de Paris. Auch Paul Sachers Zürcher Collegium Musicum war bei der BOG im Gespräch, und es wurden im Vorstand weitere Namen hochkarätiger Kammerensembles genannt. Im Dezember 1989 überlegte der Vorstand, ob er bereits in der nächsten Konzertsaison einen vierteiligen Kammerorchester-Zyklus auf die Beine stellen könnte.96 Nachdem der BOG 1990 mit der Stiftung «Chamber Symphony Basel» vorübergehend eine gewisse Konkurrenz erwachsen war, stand sie unter Handlungszwang. Doch die Finanzierungsfrage war weiterhin ungelöst, und es gab Schwierigkeiten mit der starken Belegung des Musiksaals im Stadtcasino. So musste das Protokoll der Vorstandssitzung vom 11. Juli 1990 vermelden: «Für die Kammerorchester-Konzerte fehlen einstweilen die Mittel.»97 Die BOG verspürte kaum Rückenwind in ihren Bestrebungen, eine Kammerorchester-Reihe aufzubauen. Der Versuch, den Schweizerischen Bankverein als Sponsor zu gewinnen, scheiterte im folgenden Jahr. Dasselbe Schicksal hatte eine Anfrage an die Schweizerische Bankgesellschaft. Die wenigen Sponsoren-Zusagen und Spenden reichten nicht weit. Aber ganz aufgeben mochte die BOG ihre Konzertpläne nicht. Im Mai 1990 wandte sich der BOG-Verwalter mit einem interessanten Angebot an den Verein für Basler Kunst- und Musikveranstaltungen – also jenen Verein, der in den Siebziger- und Achtzigerjahren grosse und bedeutende Musikfeste in Basel organisiert hatte (etwa zu Joseph Haydn, Franz Schubert, zu Igor Strawinsky, zur Zweiten Wiener Schule sowie zu Bach und Händel). In einem Konzeptpapier legte er gegenüber dem Verein für Basler Kunst- und Musikveranstaltungen dar, dass sich die BOG die Durchführung trinationaler Musikfestivals alle drei oder vier Jahre vorstellen könne.98 Auch dieser Vorstoss blieb ohne Resonanz. Unter dem neuen Präsidenten, dem Psychiater Prof. Dieter Ladewig – er trat an die Stelle des zum neuen Präsidenten gewählten alt Regierungsrats Arnold Schneider, der noch vor dem für 1993 geplanten Amtsantritt verstarb –, wurden solche ambitionierten Pläne nicht weiter verfolgt. 68


Dafür konnte die BOG 1992 endlich ein aus Musikern des Basler Sinfonie-Orchesters zusammengestelltes Kammerorchester präsentieren, das Armin Jordan unentgeltlich zu dirigieren bereit war. Mit dem endlich erfolgten Verkauf ihrer Musikinstrumente an die Stiftung Basler Orchester hatte sich die finanzielle Lage der BOG schlagartig verbessert, und in unregelmässigen Abständen wurden ihr gelegentlich Schenkungen in namhafter Höhe zuteil. Es gab pro Saison drei Kammerorchester-Abende unter der Flagge der BOG – zusätzlich zu den sommerlichen Altstadt-Serenaden. Zwei dieser Kammerorchesterkonzerte fanden mit dem «Schweizer Kammerorchester» unter der Leitung von Konzertmeister Antonio Nuñez statt, das dritte mit dem «Kammerorchester der BOG» unter Armin Jordan. Von da an waren diese Konzerte für einige Jahre ein fester Bestandteil des basel-städtischen Konzertlebens. In einer «Vereinbarung» zwischen der BOG und dem Kammerorchester der BOG waren 1992 die Besetzung, die künstlerische Leitung (Dirigent: Armin Jordan, Konzertmeister: Antonio Nuñez), die Modalitäten der ProgrammFindung und nicht zuletzt die Honorierung festgelegt worden. Diese lag mit 120 beziehungsweise 150 Franken pro Probe beziehungsweise Konzert deutlich unter den tariflichen Ansätzen der Musikerverbände. Das Kammerorchester der BOG hatte nicht nur Freunde. Im Februar 1993 wandte sich der Gründer und langjährige Leiter des Orchesters des Collegium Musicum, Albert E. Kaiser, mit einem Protestschreiben an die Generalversammlung der BOG. Er bezeichnete die Konzertpolitik der BOG als «völlig verfehlt»: Den im Kammerensemble der BOG spielenden Mitgliedern des Basler Sinfonie-Orchesters werde so nur Gelegenheit geboten, «sich happige Zuzügerhonorare dazu zu verdienen». Sinnvoller, so Kaiser, wäre ein Orchester aus jungen Musikerinnen und Musikern mit erfahrenen Kräften an den ersten Pulten. Einmal mehr taucht hier der Generalverdacht auf, die BOG sei nichts anderes als eine Institution zur Maximierung der Musikerlöhne. Die BOG folgte Kaisers Vorschlag nicht.99 Die Kammerorchesterprogramme der BOG konnten attraktive Programme und Solisten präsentieren – unter ihnen die Sängerinnen Felicity Lott und Anne Sofie von Otter sowie der Pianist Christian Zacharias. Dennoch waren sie nicht selbsttragend. Die BOG richtete daher Gesuche an die Lotteriefonds der beiden Basler Kantone, die aber abgelehnt wurden, und Sponsoren fanden sich nach wie vor keine ausser der National-Versicherung. «Der Mehrbesuch der Konzerte ist erfreulich, dennoch nimmt unser Vermögen stets ab», kon69


statierte der Präsident an der Generalversammlung im Dezember 1995. So suchte der Vorstand nach Produktionspartnern und fand sie gelegentlich auch, etwa in der Mozart-Gemeinde oder in ideeller Form in der Paul Sacher Stiftung.100 Die Zahl der zu den Generalversammlungen erscheinenden Mitglieder spiegelt die Konjunktur der BOG. Waren in den dramatischen Zeiten rund um das Referendum 1988 jeweils bis zu 200 Personen erschienen, so musste der Präsident Prof. Dieter Ladewig 1998 mit lakonischem Humor feststellen: «Tres faciunt collegium» – denn es waren nur zehn Mitglieder anwesend. Es war das Jahr, in dem der Verwalter Hans Ziegler sein Fünfzig-Jahr-Jubiläum in seinem Amt feiern konnte.101 Mit dem Inkrafttreten des Kulturvertrags, der gewisse Abgeltungen von kulturellen Zentrumsleistungen des Kantons Basel-Stadt durch den Kanton Basel-Landschaft regelt, eröffnete sich auch für die BOG eine potenzielle neue Finanzquelle. Im September 1997 stellte sie einen entsprechenden Antrag an die Kulturdirektoren beider Kantone. Dieser wurde allerdings laut den Unterlagen der BOG weder positiv noch negativ, sondern gar nicht beantwortet. Man wird den Verdacht nicht los, dass die BOG nach dem für sie negativen Plebiszit im Jahr 1988 noch einmal staatlicherseits durch Nichtbeachtung bestraft werden sollte. Im Jahr der Zusammenlegung der beiden Basler Sinfonieorchester bei einer Lohnkürzung der Musiker um 7 Prozent mag es den für die kantonale Kulturpolitik Zuständigen peinlich gewesen sein, überhaupt noch mit der BOG zu tun zu haben – war jetzt doch genau das eingetreten, wovor das Basler Erziehungsdepartement im Falle eines Verbleibens bei der BOG gewarnt hatte und wovor angeblich die neu errichtete Stiftung Basler Orchester schützen würde: Orchesterfusion, Stellenstreichung und Subventionskürzung. In der chronologischen Darstellung der Ereignisse gibt es nun nicht mehr viel Wichtiges, was zur Geschichte der BOG nachzutragen wäre. Im Jahr 2000 wurde Martin Eckerlin in den Vorstand gewählt. Dies ist insofern bemerkenswert, als damit eine Brücke zur Stiftung Basler Orchester geschlagen wurde, denn Eckerlin arbeitete dort als Disponent. Offensichtlich hatte sich das Verhältnis zwischen den beiden ehemals feindlichen Gruppierungen BOG und Orchesterstiftung entspannt, und Eckerlin half gelegentlich dem Verwalter in dessen letzten Amts- und Lebensjahren beim Organisieren der BOGKammerkonzerte. Im Jahr 2002 trat André Baltensperger, der neue Rektor der Musik-Akademie der Stadt Basel, in den Vorstand der 70


BOG ein. Damit war eine Gewähr für eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen der BOG und der Musik-Akademie geboten. Am 1. Juli 2003 starb der langjährige Verwalter Hans ZieglerTammann. Zu seiner Abdankung spielten drei Musiker des Sinfonieorchesters Basel, und Armin Jordan gedachte zu Beginn seines Kammerorchester-Konzerts des Verstorbenen, der so lange und so intensiv mit «seiner» BOG verbunden gewesen war. Die «Basler Zeitung» nannte ihn in ihrem Nachruf einen «kämpferischen Anwalt für die Belange des Orchesters» und «eine Institution, an der nicht vorbeikam, wer in Basel mit Orchestermusik zu tun hatte».102 Den BOG-Kammerkonzerten war weiterhin nicht der erhoffte Publikumserfolg beschieden. In der Öffentlichkeit wirkten zwar die sommerlichen Serenaden als beliebte Aushängeschilder der BOG. Doch sie trugen kein Geld und nicht viel Resonanz ein, sicherten allenfalls ein Fortbestehen der «Marke» BOG. Auch das Presseecho auf die BOG-Aktivitäten war bescheiden, was zum Teil am Desinteresse der Medien, zu einem gewissen Grad aber auch an der wenig professionellen Pressearbeit der BOG lag. Die Einnahmen gingen zurück und bestanden fast nur noch aus den Mitgliederbeiträgen, und die Generalversammlungen waren zunehmend schlecht besucht. Schon 2001 beklagte man im Vorstand die hohen Kosten für die Konzerte, die eine spürbare Abnahme des Vereinsvermögens verursachten. Für die Saison 2002/3 musste die BOG in der Betriebsrechnung einen Ausgaben-Überschuss von fast 128 000 Franken verbuchen – hauptsächlich aufgrund der gestiegenen Kosten für die Kammerkonzerte bei gleichzeitiger Abnahme der Publikumseinnahmen. So verwundert es nicht, dass im März 2002 erstmals im Rahmen einer Generalversammlung der BOG über eine mögliche Liquidation diskutiert wurde.103 Bevor es so weit war, beschloss die Generalversammlung im Jahr 2004, die Reihe der Kammerorchesterkonzerte würdig zu beschliessen. Am 29. April 2005 fand das letzte Konzert in dieser Reihe statt. Unter der Leitung von Armin Jordan spielte das Kammerorchester der BOG Johann Sebastian Bachs Konzert für Oboe d’amore, Giovanni Battista Pergolesis «Salve Regina», eine Kantate von Joseph Haydn sowie dessen 8. Sinfonie «Le Soir». Solisten waren der Oboist Tilmann Zahn und die Sopranistin Maria Cristina Kiehr. Nun stellte sich die Frage, wie das nicht unbeträchtliche Vermögen der BOG sinnvoll eingesetzt werden könne. Präsident Prof. 71


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Ladewig hatte Interessierte eingeladen, Projektvorschläge einzureichen. Diese Frage bildete das einzige Traktandum der ausserordentlichen Generalversammlung vom 26. Oktober 2005.104 Der Präsident konnte von 23 Projektvorschlägen berichten, von denen allerdings nicht alle den Vorgaben entsprachen. Der Vorstand hatte vier Projekte ausgewählt, die er jetzt der Generalversammlung unterbreitete: eine beträchtliche finanzielle Unterstützung des Stadtcasino-Projekts von Zaha Hadid; das Projekt «Hafenbecken 1 & 2» des Orchesters «basel sinfonietta», die Konzertreihe des Barockorchesters «La Cetra» und das neu gegründete «Liedforum Basel». Alle vier Projekte wurden von der Generalversammlung gutgeheissen. Zum Neubau des Stadtcasinos kam es nach dem wuchtigen VolksNein in der Referendumsabstimmung vom Juni 2007 nicht, die anderen Vorhaben wurden realisiert. Da die BOG nun keine der in den Statuten verankerten Zielsetzungen mehr wahrnahm, konnte sie aufgelöst und der Eintrag im Handels72


register gelöscht werden. Das Büro an der Leimenstrasse war schon Anfang 2004 aufgegeben worden, die Dokumente verblieben bei der Sekretärin Cilgia Küry, die seither auch die Postadresse der BOG zur Verfügung stellt. Die zahlreichen Originaldokumente der langen BOG-Geschichte sollen in Zukunft ins Staatsarchiv des Kantons Basel-Stadt integriert werden. Das Restvermögen wurde an die Stiftung Basler Orchester-Gesellschaft überwiesen. Die entsprechenden Beschlüsse wurden von der ordentlichen Generalversammlung der BOG am 30. Mai 2007 gefasst. Es war die letzte in der langen, 86-jährigen Geschichte dieser Institution.

FÖRDERUNG DER MUSIK: Schon 1983 hatte die BOG – daDIE STIFTUNG DER BOG mals mit Prof. Hans Oesch an der Spitze – beschlossen, flankierend zum Verein eine «Stiftung der Basler Orchester-Gesellschaft» ins Leben zu rufen. «Das in Jahrzehnten durch Zuwendungen zusammengekommene Fondsvermögen» sollte «vor bestimmungswidrigem Aufgebrauchtwerden für laufende Ausgaben bewahrt» werden. Das Vermögen belief sich damals auf immerhin 750 000 Franken.105 Diese Stiftung verfolgt laut der Stiftungsurkunde den Zweck, «die Finanzierung spezieller künstlerischer Vorhaben der Basler Orchester-Gesellschaft wie Tourneen, Beiträge an die Anschaffung spezieller Instrumente, Finanzierung von Kompositionsaufträgen» zu ermöglichen, Beiträge an die Kosten der Weiterbildung von Musikern zu entrichten. In der Stiftungsurkunde ist ausdrücklich vermerkt: «Das Erlöschen der Basler Orchester-Gesellschaft oder ihr Übergang an einen Rechtsnachfolger berühren den Bestand der Stiftung nicht. Sie erfüllt ihre Stiftungszwecke weiterhin im Rahmen des vorliegenden Statuts und sinngemässer Anwendung der Zweckbestimmungen auf das Basler Sinfonie-Orchester.»

Diese Situation trat nach der Auflösung der BOG als Orchesterträgerin ein. Die Stiftung entfaltete nach dem Wegfall der ursprünglichen Funktion der BOG eine ruhige und stetige Aktivität. So richtete sie 1995 einen Förderpreis für Absolventinnen und Absolventen der Musik-Akademie der Stadt Basel ein, bei welchem alljährlich junge Talente ausgezeichnet und mit Geldpreisen belohnt werden. Die Auswahl der Teilnehmer wird jeweils von der Musikhochschule der Musik-Akademie durch eine interne Vorausscheidung besorgt, eine fünfköpfige Jury ermittelt danach den oder die Preisträger, die sich in einem öffentlichen Konzert der BOG präsentieren. Der Stiftungsrat wird gegenwärtig präsidiert von Maria Iselin-Löffler, mit im Stiftungsrat sind Andreas Staehelin und Dieter Ladewig; die 73


Geschäftsführung obliegt Max E. Hauck. Aus dem Vermögen der Stiftung wird weiterhin eine kleine Schriftenreihe alimentiert, in welcher bisher Publikationen von Prof. Karl Pestalozzi über das Libretto der «Zauberflöte», Prof. Renate Würsch über die Musik in der Kultur des Islams, Prof. Norbert Miller über Goethe und Beethoven und Curt Paul Janz über «Zugänge zu Nietzsche» erschienen sind. Hin und wieder werden auch Kompositionsaufträge erteilt, so etwa anlässlich des 80. Geburtstages von Ernst Beyeler an die Komponistin Bettina Skrzypczak. Auch die Finanzierung der vorliegenden Schrift verdankt sich der BOG-Stiftung. Nach wie vor ein beträchtlicher Publikumserfolg ist den traditionsreichen sommerlichen BOG-Serenaden beschieden. Sie fanden von 1984 an eine schöne Ergänzung durch populär gehaltene «midimusique»-Konzerte im Stadttheater. Mit diesen Aktivitäten leistete und leistet die BOG einen wertvollen, «niederschwelligen» Beitrag zur musikalischen Volksbildung. Die Serenaden finden auch heute noch ein treues, stets grösser werdendes Publikum. Es ist erfreulich, dass sich zunehmend auch jüngere Mitglieder des Sinfonieorchesters an den Kammermusikformationen der BOG-Serenaden beteiligen. Darüber hinaus sind jedes Jahr auch Preisträger des erwähnten BOG-Preises beteiligt. So lebt die BOG auch im Konzertleben fort.

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TEIL II: EXKURS: DIE STIFTUNG BASLER ORCHESTER NEUANFANG: Wenden wir uns noch der neugeALTE UND NEUE schaffenen Stiftung zu. Bereits PROBLEME am 1. Oktober 1988 gingen die beiden Orchester formell an die Stiftung Basler Orchester über, die laut Stiftungsurkunde «die Organisation, Finanzierung und Verwaltung von ständigen Orchestern» bezweckt. Der Ausschuss des Stiftungsrates bestand aus Rosemarie Leuenberger (Staatsdelegierte von Basel-Landschaft, zusätzlich Präsidentin), Thomas Staehelin von der AMG, Frank Baumbauer, Direktor des Theaters Basel, Andreas Wernli, Abteilungsleiter Musik bei Radio DRS, Prof.  Gian-Reto Plattner als Staatsdelegierter von Basel-Stadt, sowie Rudolf Kelterborn (freier Sitz).

In der Anfangszeit der neuen Orchester-Trägerschaft gab es zahlreiche Probleme in der Disposition und Orchesterverwaltung insgsamt, die wohl auch durch häufigen Personalwechsel und mangelnde Er75


fahrung bedingt waren. Erste Geschäftsführerin der Stiftung war Frau Regula Rentrop, die schon im November 1988 die Kündigung einreichte. Auch der Orchesterdisponent Hartmut Harnisch aus Dresden blieb nicht lang in seinem Amt. In Notfällen half immer wieder Kathrin Klingler, die Eigentümerin der «Konzertgesellschaft» und Geschäftsführerin der Allgemeinen Musikgesellschaft. Die Stiftung arbeitete defizitär und benötigte schon im Sommer 1990 einen Nachtragskredit von über einer­halben Million Franken. Die Verwaltung an der Freien Strasse war personalintensiver und teurer als das Büro der BOG auf dem Münsterplatz, das nur aus zwei im Sommer stickig heissen und im Winter kalten Mansardenzimmern bestand. Während die BOG keine Miete zahlen musste, fiel für die junge Stiftung ein Jahresmietzins von über 49 000 Franken an der Freien Strasse an.106 (Danach­begann eine wahre Odyssee der Orchesterstiftung durch die Stadt: von der Freien Strasse ins Stadtcasino, von da an die Birsigstrasse und 2008 zurück ins Stadtcasino.) Die BOGnahe «Arbeitsgruppe für die Basler Orchester» registrierte die Startschwierigkeiten der Orchesterstiftung, nicht ohne zu betonen, man habe dies schon vor der politischen Entscheidung gegen die BOG vorhergesehen, nun seien aber «unsere Befürchtungen bei weitem übertroffen» worden.107

Mit Prof. Gian-Reto Plattner verliess einer der Baumeister der Stiftung den Stiftungsrat bereits im Herbst 1989. Er war als Sozialdemokrat bitter enttäuscht und fühlte sich nach eigener Aussage «betrogen», weil die Orchestermusiker durch den Wechsel der Trägerschaft in die schlechtere Pensionskasse II eingegliedert wurden. Die BOG-nahe «Arbeitsgruppe für die Basler Orchester» nahm «das perfekt dargebotene Rücktrittdrama von Gian-Reto Plattner aus der Stiftung Basler Orchester» als «späte Einsicht in das unglückliche Unterfangen», wollte Plattner aber nicht aus der Mitverantwortung für die Entwicklung freisprechen. Pressekommentatoren wie Peter Knechtli bezeichneten diesen Rücktritt als «pikant»: «Ohne den SP-Politiker wäre das Stiftungsmodell vom Basler Stimmvolk abgelehnt worden.»108 REDUKTION:

MODELLSPIELE UM DIE ORCHESTERGRÖSSE

Nicht alle Versprechungen, die die Stiftungsbefürworter im Abstimmungskampf gemacht hatten, konnten eingehalten werden. So war mit der SRG eine Bestandsgarantie für das Radio-Sinfonieorchester Basel bis 2000 erzielt worden, die dann aber doch nicht eingehalten werden konnte. Anfang 1993 empfahl der Regie­rungsrat des Kantons Basel-Stadt eine Fusion der beiden Klangkörper auf der Basis 76


von 136 Positionen. Die Stiftung mit dem Präsidenten Peter Feuerstein und dem Geschäftsführer Thomas U. Müller hatte diese Lösung ebenfalls favorisiert, doch wollte sich die Regierung offenbar nicht die Blösse geben, nur vier, fünf Jahre nach der Etablierung der neuen Trägerschaft bereits eines von ihren erklärten Zielen, die Beibehaltung des Radio-Sinfonieorchesters, preiszugeben. Zwar konnte die Zusammenlegung damals noch abgewendet werden, doch lange reichten die Subventionen nicht aus für die Beibehaltung zweier selbstständiger Sinfonieorchester. Ein Vorbote für die Fusion war die Tatsache, dass es nicht gelang, einen Nachfolger Nello Santis als Chefdirigent des Radio-Sinfonieorchesters zu finden. Wunschkandidat des Orchestermanagements war Marcello Viotti, doch sagte dieser unmittelbar vor Vertragsunterzeichnung ab. Er ahnte wohl, dass dieses Orchester keine Zukunft hatte. Im gleichen Jahr 1993 forderte die Regierung eine Subventionskür­ zung um 30 Prozent als Beitrag zur Sanierung des Staatshaushalts. Dies hätte eine Stellenreduktion auf 105 bis 110 Orchestermusiker und damit das Ende der Zwei-Orchester-Situation bedeutet. Die Fusion der beiden Basler Orchester rückte damit in greifbare Nähe, und die Lokalpresse meldete denn auch schon die bevorstehende «Fusion der zwei Basler Orchester», die «frühestens 1995» erfolgen würde (so die «Basler Zeitung» vom 25. Juni 1993). Das war zumindest voreilig. Nach massiven Protesten seitens der Orchesterstiftung und der Musikerverbände und erbittert geführter Diskussion in der Öffentlichkeit einigten sich Regierung und Parlament auf einen Kompromiss, auf eine Kürzung der Subventionen um rund 22 Prozent (von 15,9 auf 12,8 Millionen Franken jährlich). Damit war die Orchesterfusion vorerst vom Tisch. Aber auch so gab es längerfristig keine Alternative mehr zu Stellenreduktion und Orchesterzusammenlegung. Mit über 800 Diensten für beide Orchester befanden sich die Dienstzahlen damals zwar auf einem Höchststand, und die alte, auch von der BOG geteilte Befürchtung, es gebe durch die Hinzunahme des RSOB ein Überangebot an Orchesterdiensten, bewahrheitete sich nicht – noch nicht. Doch die Finanzlage des Kantons erlaubte längerfristig nicht ein Beibehalten von über 150 Musikerstellen. Jetzt wurden wieder neue Szenarien entworfen. Vorübergehend war die Rede davon, dass das Basler Sinfonie-Orchester der AMG und das Radio-Sinfonieorchester dem Theater zugeschlagen werden könnte. In den Kreisen der AMG unter dem Präsidenten Thomas Staehelin hätte man eine solche Lösung gern gesehen, wäre der grösste Konzertveranstalter der Stadt damit doch endlich zu einem eigenen Orchester gekommen und hätte die Funktion des künstle77


rischen Leiters elegant mit der des Chefdirigenten des Basler Sinfonie-Orchesters verbinden können. Veranstalter und Orchesterträger wären endlich, wie es in andern Städten der Fall ist, identisch gewesen. Es gelang dem AMG-Präsidenten Thomas Staehelin, die basel-städtische Regierung und den Grossen Rat zumindest vorübergehend vom Fusionsvorhaben abzubringen und von seinem ZweiOrchester-Modell mit getrennten Trägerschaften zu überzeugen. In seiner Bündelitagssitzung im Sommer 1994 nahm der Grosse Rat den entsprechenden Ratschlag zur Orchestersubventionierung an. Jetzt lag eine Dezentralisierung, das heisst eine Zuordnung des Basler Sinfonie-Orchesters zur AMG und des Radio-Sinfonieorchesters zum Theater auf der Basis von 146,5 Musikerstellen in greifbarer Nähe. «Im künstle­rischen und administrativen Bereich übernimmt die AMG fürs BSO und fürs RSO das Theater vermehrt Verantwortung», hiess es in den «AMG-Nachrichten» Ende 1994.109 Hätte es in diesem Fall die Stiftung in der damals bestehenden Form überhaupt noch gebraucht, wäre sie nicht nur noch eine Adresse für die Subventionszahlungen gewesen? Das befürch­teten offenbar die Repräsentanten der Orchesterstiftung. Kein Wunder, kam erbitterter Widerstand gegen das Zwei-Orchester-Modell mit getrennten Trägerschaften gerade von Seiten der Orchesterstiftung, während AMG-Präsident Thomas Staehelin heute noch betont, sein Zwei-Orchester-Modell sei keine Kampfansage gegen die Stiftung gewesen. «Die Stiftung wäre ja Arbeitgeberin und damit Trägerin der beiden Orchester geblieben. Diese wären näher an die AMG und das Theater herangerückt, es hätte aber keinen Wechsel der Trägerschaft gegeben.»110 Doch erwies sich dieses Modell nicht nur aus Sicht der Orchesterstiftung als kaum praktikabel. Im Theater, das mit dem kleineren und weniger renommierten Radio-Sinfonieorchester hätte Vorlieb nehmen müssen, regte sich Opposition, denn die Musikerlöhne wären erheblich höher gewesen als die Löhne anderer Kollektive wie des Balletts oder des Schauspielensembles. Mancher Orchestermusiker hätte gar mehr verdient als Führungskräfte im Theater, was dort zu Unmut geführt hätte. Überdies hätte das Theater gross besetzte Stücke wie die Opern von Verdi, Wagner oder Richard Strauss nicht mit dem zu kleinen RSOB spielen können und hätte dafür ohnehin das BSO engagieren müssen. Schon in der nächsten Ausgabe der AMG-Hauszeitschrift musste Präsident Thomas Staehelin von einer «Verzögerung der Dezentralisierung» berichten. Es seien «Zweifel an der Mach- und Finanzierbarkeit des vom Grossen Rat beschlossenen Zwei-Orchester-Modells aufgekommen und ver78


schiedentlich in der Öffen­tlichkeit diskutiert worden».111 Und in der Herbstausgabe 1995 der «AMG-Nachrichten» wurde das vorläufige Aus für den Wunschtraum der AMG, ein eigenes Orchester zu besitzen, vermeldet. Als Ursachen nannte der damalige AMG-Manager Francis Hunter den Direktionswechsel am Theater Basel – von Wolfgang Zörner und Hans-Peter Doll zu Michael Schindhelm – sowie den «unmissverständlich angemeldeten Wunsch des Radios, sich so früh wie möglich aus der finanziellen Verantwortung zu verabschieden». Diese Faktoren hätten eine rasche Realisierung der Dezentralisierung, des Zwei-Orchester-Modells, bisher verhindert.112 Inzwischen hatte Stiftungspräsident Felix A. Oeri, von Beruf DeepDiscount-Broker mit häufigen USA-Aufenthalten, schon Gespräche im Hinblick auf eine Zusammenlegung der Orchester aufgenommen. Ein weiteres halbes Jahr nach den letzten «AMG-Nachrichten» vom Herbst 1995 machten die Subventionskürzung um 22 Prozent und in ihrer Folge die für 1997 beschlossene Fusion der beiden Klangkörper die Sandkastenspiele um das Zwei-Orchester-Modell überflüssig. Fortan sollte es nur noch ein grosses kantonales Basler Orchester geben, das weiterhin von der Stiftung Basler Orchester verwaltet wurde. Ein Orchestermusiker bezeichnete Felix A. Oer gegenüber der «Basler Zeitung» kühl als «Konkursverwalter».113 Der Konflikt um das Zwei-Orchester-Modell zeigt, dass das Reibungsverhältnis zwischen Orchester-Trägerschaft und Konzertveranstaltern auch durch die erweiterte Trägerschaft nicht beseitigt wurde: Obwohl jetzt Vertreter der grossen Konzertveranstalter – unter anderem der AMG – im Stiftungsrat der SBO sassen, gab es keine einheitliche Stossrichtung in der Orchesterfrage, sondern immer noch Konkurrenzdenken und Rivalität. Auch schwierige Erfahrungen mit schwierigen Programmen blieben bestehen. Zur 700-Jahrfeier der Schweizerischen Eidgenossenschaft plante das RSOB 1991 ein vielgestaltiges Konzertprogramm mit Stücken von Schweizer Komponisten – nicht nur, aber auch solchen der Gegenwart. «Schweizer Musikgeschichte(n)» war der Titel dieses Konzerts, das zugleich die neue Konzert­saison einläutete und damit von repräsentativem Charakter war. Dirigieren sollte es Michael Boder, der junge Musikalische Oberleiter am Theater Basel. Das Programm war von Orchestermusikern selbst zusammengestellt worden – und zumindest in einem­Fall, einem Stück von Willibald Kresin und Claus-Dieter Zimmer, auch von ihnen komponiert. Boder zog sich wenige Tage vor der Aufführung von dem Dirigat zurück und überliess dem Dirigente­n Klaus Arp den Taktstock. Das Stück von Kresin und Zimmer, sagte er, vertrete «eine Richtung, 79


gegen die ich sonst mit meinem ganzen musikalischen Tun angehe»114. Nicht die Komposition, sondern der Dirigent war das Problem bei einem Vorfall zwei Jahre­zuvor, als die Musiker des Radio-Sinfonieorchesters Basel sich weigerten, auf einer Tournee in Morges, Thun und La-Chaux-de-Fonds zu spielen. Der Dirigent Georges Vlaiculescu beherrsche sein Handwerk nicht, dies jedenfalls die Meinung des Kontrabass-­Solisten Gery Karr, zahlreicher Orchestermusiker und auch des Managements des RSOB. Wenngleich solche Vor­fälle nicht überzubewerten sind, so ist doch nicht zu bestreiten, dass sie dem Image des Klangkörpers und indirekt auch ihres Arbeitgebers schadeten.

ENTTÄUSCHUNG: Die basel-städtischen SubventioDIE ORCHESTER nen beliefen sich 1990/91 auf 11,5 FUSIONIEREN Millionen Franken jährlich, die Beiträge der SRG auf 4,3 Millionen. Damals befanden sich die Musikerlöhne mit durchschnittlich rund 123 000 Franken jährlich wohl auf dem Höchststand und galten schweizweit als Spitze. Damals steuerte der Kanton Basel-Landschaft 850 000 Franken jährlich an die Subventionssumme bei. Dies war schon eine beträchtliche Steigerung gegenüber den 60 000 beziehungsweise 75 000 Franken in den Vorjahren. Im nächsten Jahr 1992/93 erreichte die Stiftung nochmals eine markante Erhöhung der Staatsbeiträge von Baselland auf 1,4 Millionen Franken. Damit hatte sie eine ihrer zentralen Aufgaben erfüllt: die substanzielle Einbindung des Landkantons.

Für die nächste Subventionsperiode (1992 bis 1995) musste die Stiftung­trotz der Einführung mehrerer halber Musikerstellen bereits höhere Subventionen von Basel-Stadt beantragen. Dies vor allem wegen der grösser gewordenen Orchesterverwaltung – statt zwei Angestellten bei der BOG wirkten bei der Sitftung jetzt deren vier. Damit fiel auch das Argument, die Stiftung könne kosten­günstiger wirtschaften als die alte BOG, in sich zusammen. Die Freude über die gelungene Einbindung des Kantons Basel-Landschaft währte nur so lange, bis bekannt wurde, dass dieser Betrag nicht der basel-städtischen Subvention zugeschlagen, sondern mit ihr verrechnet wurde, denn der Kanton Basel-Stadt wollte sparen – auch an der Kultur und dabei nicht zuletzt an den grossen Subventions­empfängern, am Theater und am Orchesterbetrieb. Es hängt wohl mit diesen Enttäuschungen über die Subventionslage zusammen, dass 1992 sowohl die Präsidentin Rosemarie Leuenberger als auch der Komponist Rudolf Kelterborn aus dem Stiftungsrat austraten. 80


Nachdem der Stiftungspräsident Peter Feuerstein, ein musik­liebender Basler Ingenieur, schon im Sommer 1994 wegen der angedrohten Subventionskürzungen den Hut genommen hatte, verliess auch der Geschäftsführer Thomas U. Müller zum Jahresende die Stiftung. Feuersteins Nachfolger Felix A. Oeri blieb bis Sommer 1997 im Amt. Für seine Demission machte er berufliche Gründe geltend, verhehlte aber nicht, dass die Zeit seiner Präsidentschaft «teilweise turbulent» war.115 Präsidenten der Stiftung wurden jetzt im Tandem Theaterdirektor Michael Schindhelm und AMG-Präsident Thomas Staehelin – eine Konstellation, die immerhin einige Jahre hielt und die verhinderte, dass alte Gräben zwischen Konzert- und Theaterbereich neu aufgerissen wurden. Die ersten Jahre der Existenz der Stiftung Basler Orchester waren also mit häufigen personellen Wechseln verbunden. Die Präsidenten und Geschäftsführer blieben alle nicht sehr lange im Amt und zeigten sich häufig von der komplizierten Materie über­fordert. Am längsten noch blieb der Geschäftsführer Thomas U. Müller, der zuvor an einem Gericht gearbeitet hatte und sich die OrchesterMaterie erst hatte aneignen müssen. Als er die Stiftung Ende 1994 verliess, warf er Regierungsrat Striebel vor, das Parlament getäuscht zu haben, als er sagte, eine grosse Mehrheit der Stiftungsräte unterstütze die Sparpolitik der Regierung. Müller bezeichnete die Stiftung, die er ja mit aufgebaut hatte, hinsichtlich ihrer Konstruktion «zum Teil als Fehlkonstruktion».116 Heute sieht Müller eine wesentliche Mitverantwortung für das Scheitern der Stiftungslösung bei der Allgemeinen Musikgesellschaft. Die AMG habe kein echtes Interesse an einer starken Orchesterstiftung gehabt. Sie habe mit dem Zwei-Orchester-Modell versucht, das Basler Sinfonie-Orchester auf ihre Seite zu ziehen, weil sie selbst in eine kritische Finanzlage geraten sei, und habe damit die Musikerschaft gespalten. Damit habe sie auch die Fusion der beiden Orchester, die Müller schon 1994 als sinnvoll angesehen habe, verhindert. Trotz ihrer Einbindung in die Stiftung habe die AMG ihre Chefdirigenten immer unabhängig von der Stiftung berufen und damit ein gemeinsames Vorgehen torpediert.117 Neuer Direktor der Stiftung wurde 1996 Jürgen Fabritius, der zuvor als Chefdisponent und persönlicher Referent des Theaterdirektors gearbeitet hatte. Er blieb bis Ende 2000 im Amt. Seine undankbare Aufgabe bestand darin, die aus finanziellen Gründen notwendig gewordene Orchesterfusion über die Bühne zu bringen – ein Prozess, bei dem aus Gründen der Stellenreduktion und der Geldeinsparung etliche höchst qualifizierte und erfahrene Orchestermusiker früh81


pensioniert wurden. Fabritius genoss allerdings nicht lange das Vertrauen des neuen künstlerischen Leiters der AMG (und faktisch, wenn auch nicht de iure, Chefdirigenten des fusionierten Sinfonieorchesters Basel), Mario Venzago. Im Jahr 2000 musste auch Fabritius gehen. Mario Venzago hatte schon Anfang 1998 vorgeschlagen, dass der künstlerische Leiter der AMG automatisch Chefdirigent des fusionierten Orchesters werde und dieses ganz in die Verwaltung durch die Konzertgesellschaft von Kathrin Klingler übergehe. Er warf dem Orchestermanagement Unfähigkeit vor.118 Seine Vorstellungen eines Zusammenschlusses unter dem Dach der AMG beziehungsweise der Konzertgesellschaft waren damals, nur zehn Jahre nach der Etablierung der Orchesterstiftung, nicht realisierbar. Doch sie erwiesen sich gleichwohl als visionär: 2007 wurden sie mit einigen Modifikationen Wirklichkeit. Damit wurde die Stiftung Basler Orchester endgültig zum Papiertiger degradiert. Sie hat heute zwar mit Karl Bossert, einem pensionierten Orchestermanager aus Winterthur, noch einen Direktor und ist weiterhin Subventionsempfängerin, ist aber organisatorisch in die AMG-Verwaltung durch die Konzertgesellschaft integriert. Die Stiftung hat kaum eigene künstlerische Kompetenzen und veranstaltet keine eigenen Konzerte unabhängig von der Konzertgesellschaft. Dass auch mit der Orchesterstiftung noch nicht alle Forderungen an ein modernes Orchestermanagement erfüllt wurden, dokumentiert die Studie, die vom Basler Erziehungsdepartement bei der Londoner Beratungsfirma IMG Arts Projects in Auftrag gegeben wurde und die seit März 2005 vorliegt.119 Sie sieht einen Missstand im Basler Orchesterleben darin, dass das Orchester keine Möglichkeit habe, ein eigenes Image aufzubauen, da es fast immer im Dienst anderer Institutionen auftrete. Der Klangkörper habe mit damals 102,5 Stellen eine «unglückliche Grösse» und solle verkleinert werden – was dem Subventionsgeber entgegen kam, hatte er doch ohnehin vor, die Subventionen von rund 15 Millionen Franken (plus 1,7 Millionen von Baselland) um 1,8 Millionen Franken zu kürzen. Dem damaligen Chefdirigenten Marko Letonja wird in der Studie nahegelegt, er müsse «sein internationales Profil als Gastdirigent weiterentwickeln». Überdies fehle es dem Orchester an materiellen Anreizen für Höchstleistungen, da die Musiker anders als in England so gut abgesichert seien, dass der Markt praktisch nicht spiele. «Praktisch ist das Orchester ein Theaterorchester geworden, das auch Konzerte gibt, statt ein Sinfonieorchester zu sein, das für die Oper Dienste leistet», heisst es in dem 41-seitigen Text aus London weiter. Zumindest dies hat sich geändert, seitdem das Theater auch andere Klangkörper als das Sinfonieorchester Basel engagiert. 82


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TEIL III: BILANZ ZWANZIG JAHRE DANACH Die Dokumente zur neueren Ge schichte der BOG füllen mehrere Aktenordner. Wer in diesen nach Spuren einer Analyse der für die BOG fatalen Abstimmungsergebnisse vom 16. Juni und vom 25. September 1988 sucht, wird wenig Anhaltspunkte finden. In einem trotzigen Brief an die Mitglieder der BOG hiess es wenige Tage nach der Volksabstimmung aus der Feder der neuen Präsidentin Irene Stroux: «Die BOG wird weiterhin ihren Platz im Basler Musikgeschehen einnehmen», und der bisherige Präsident und die künftige Präsidentin gaben ebenfalls im Oktober ein Pressecommuniqué heraus, in welchem sie entschieden dem «Vorwurf mangelnden Willens zur Zusammenarbeit mit der Stiftung» entgegentraten.120 Eine Analyse der Gründe für die beiden Niederlagen vom Juni und September 1988 ist aus den Protokollen nicht ersichtlich. Die BOG-Spitze bezeichnete einfach die sparwillige SRG und die der SRG «hörige» basel-städtische Re83


gierung als Schuldige für eine für die BOG ungünstige Entwicklung, ohne in Erwägung zu ziehen, ob die SRG nicht auch gute und ehrenwerte Gründe hatte, ihre Kosten für Orchesterleistungen senken zu wollen. Und in den Kreisen der BOG gab man sich zumindest offiziell mit der Auffassung zufrieden, Parlament und Stimmvolk seien von der Regierung getäuscht und über die wahren Absichten der Stiftungsgründung fehlinformiert und von den Medien – allen voran von der «Basler Zeitung» – manipuliert worden. Dass die Stiftungsseite viel Propaganda für ihre Sache gemacht habe, dürfte als Erklärung für den Abstimmungausgang nicht genügen – waren doch auch die BOG und ihre Freundeskreise nicht untätig in Sachen Abstimmungspropaganda. Dass es der BOG an populären, zugkräftigen Repräsentanten fehl­te, hat diese selbst möglicherweise gewusst, aber nicht ausgesprochen. Immerhin standen die meisten bekannten und im politischen Leben aktiven Basler Politiker auf der Seite der Stiftung und nicht auf der der BOG. Bekannte Basler Politiker wie Regierungsrat Hansruedi Striebel, der Advokat Thomas Staehelin und der Physikprofessor Gian-Reto Plattner, 1991 bis 2003 als Ständerat Vertreter des Stadtkantons im Bund, standen auf der Seite der Stiftung. Auch in der Person des langjährigen, weit über sein Pensionsalter hinaus aktiven Verwalters Hans Ziegler mag ein mitbestimmender­ Faktor gelegen haben. So sehr die Musikerschaft ihn als Vaterfigur achtete und sich von ihm kollegial vertreten fühlen durfte, so wenig wollte er die Rolle eines Orchestermanagers spielen. Ihm, der das Rampenlicht der Öffentlichkeit scheute, genügte die Rolle des bescheidenen Verwalters voll und ganz. Der passionierte Pferdesportler Hans Ziegler verwaltete «seine» beiden Orchester mit Hartnäckigkeit. Allzu spät machte er sich daran, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger aufzubauen – zu einem Zeitpunkt, da die Zukunft der BOG schon ungewiss und eine Stelle bei dieser Institution nicht mehr wirklich attraktiv war. «Er stand immer auf der Seite von uns Musikern», erinnert sich der Schlagzeuger Markus Ernst. Aber auch daran, dass es zu Zieglers Taktiken gehörte, von aussen an ihn gestellte Forde­rungen «versanden» zu lassen, wenn er überzeugt war, dass eine Änderung des Bestehenden nichts bringe.121 So wirkte er letzten Endes als erratischer Fels in einer sich rasch wandelnden Zeit, an dem die moderneren Institutionen wie die SRG und das Erziehungsdepartement nicht vorbeikamen. «Hans Ziegler war in der Kommunikation schwach», sagt Thomas U. Müller im Rückblick heute. Er geht so weit zu sagen, dass es ohne Hans Ziegler und den damaligen BOG-Vorstand den Wechsel 84


der Trägerschaft gar nicht gebraucht hätte. «Die BOG erkannte die Forderungen der Zeit nicht wirklich: den Kanton Basel-Landschaft an Bord zu holen und das Theater bei der Zu­teilung der Orchesterdienste angemessen zu berücksichtigen.»122 Der Gerechtigkeit halber ist zu betonen, dass diese Kritik letztlich nicht Ziegler allein, sondern vor allem den damaligen Vorstand der BOG trifft – und dass es der BOG ja explizit vom Erziehungsdepartement untersagt worden war, mit dem Landkanton in Subventionsverhandlungen zu treten. Susanne Imbach, gewissermassen die «Architektin» der Orchesterstiftung, sieht in der Person Hans Zieglers ebenfalls einen hemmenden Faktor in der Reform der BOG. Allerdings hält sie es für eine unangemessene Verkürzung, dem Verwalter allein die Verantwortung für die Reformverweigerung der BOG zuzuschieben. «Er war ein guter Vater für die Musiker, für die vom Basler Sinfonie-Orchester mehr als für die vom Radio-Sinfonieorchester. Aber er dachte nicht konzeptionell, ebenso wenig wie der rest­ liche BOG-Vorstand.» Dort habe es generell an Professionalität und an Konstruktivität in der Verwaltung des Orchesterbetriebs gemangelt.123 Markus Ernst bestätigt: «Susanne Imbach und Hans Ziegler kamen persönlich bestens miteinander aus.» Doch als das Erziehungsdepartement feststellte, dass die BOG und mit ihr auch der Verwalter «strikt am Bewährten festhielten», habe sie keine Basis für eine Zusammenarbeit mehr gesehen. Dass der Umbau der Orchester-Trägerschaft «gescheitert» sei, wie Imbach heute einräumt, habe unter anderem daran gelegen, dass es der Stiftung verunmöglicht worden sei, gut zu funktionieren: einmal durch die (allerdings auch von Imbach mitgetragenen!) harten Sparmassnahmen der basel-städtischen Regierung – der Musikerbestand sank in zwanzig Jahren von 165 auf rund 90. Zum andern sei das Projekt der künstlerischen Betreuung der Orche­s­ter durch einen Chefdirigenten vom Stiftungsrat nie ernsthaft verfolgt worden, auch nicht in der Zeit, als Thomas Staehelin und Michael Schindhelm sich das Präsidium der Stiftung teilten.124 Dies mögen Faktoren sein, die dem durchschnittlichen Parlamen­ tarier, Musikfreund und Stimmbürger gar nicht ins Bewusstsein drangen. Für den Misserfolg der BOG an der Stimmurne dürfte indes ein politischer Faktor mit ausschlaggebend gewesen sein. In einer Zeit, da sich das Blockdenken zwischen westlich-liberalen Staaten und dem Kommunismus osteuropäischer Prägung allmählich aufweichte, setzten Hans Ziegler und die anderen Vor85


standsmitglieder der BOG unverdrossen auf das Schreckgespenst «Staatskultur» – und dies ungeachtet der Tatsache, dass der Basler Orchesterbetrieb durch die hohen kantonalen Subventionen und die geringe Eigenwirtschaftlichkeit der Klangkörper faktisch längst «staatlich» war. Zumindest der eher staatsfreundlich bis «etatistisch» eingestellte Teil des Bürgertums liess sich durch das Schlagwort «Verstaatlichung» nicht schrecken. Es scheint, die Bevölkerung und das Parlament hätten den Konflikt um die Orchesterstrukturen als Streit zwischen konservativen Kräften, die im wohlhabenden Basler Bürgertum verankert waren, und jüngeren, modern eingestellten, zukunftsorientierten und offenen Persönlichkeiten wahrgenommen – und dabei der Zukunft eine Chance geben wollen. Wie aber sieht nun die Bilanz der neu gegründeten Stiftung Basler Orchester aus? Für ihre Etablierung als Ersatz für die BOG wurden von Regierungsseite im Wesentlichen fünf Gründe ins Feld geführt. Zum einen sollten die Konzertveranstalter näher an den Orchesterträger herangeführt werden, um eine bessere Koordination und eine stärkere Präsenz der Basler Orchesterkultur im internationalen Musikleben zu ermöglichen – mit dem Ziel, einmal einen Chefdirigenten für Basel ernennen und damit der Musikstadt Basel mehr Glanz verleihen zu können. Zum Zweiten sollte die SRG dauerhaft als einer der traditionell wesentlichen Abnehmer von Orchesterleistungen durch die Einbindung in eine neue Trägerschaft als Partner (und Mitfinanzierer) des Basler Orchestermusiklebens eingebunden werden, wodurch auch die Existenz des Radio-Sinfonieorchesters Basel garantiert werden sollte. Drittens sollte der Nachbarkanton Basel-Landschaft stärker an der Finanzierung der kulturellen Zentrumsleistung «Orchester» beteiligt werden. Viertens sollten die Interpretenrechte von den Musikern beziehungsweise von der Schweizerischen Interpreten-Gesellschaft (SIG) auf die Trägerschaft des Orchesters übertragen werden. Und fünftens sollten den «kleineren» Orchesterbenützern, den regionalen Laienchören, weiterhin bezahlbare Berufsorchester zur Begleitung ihrer Konzerte zur Verfügung stehen, was angeblich nur durch die Orchesterstiftung mit ihrem breit abgestützten Stiftungsrat gewährleistet wäre. Das dritte und das vierte Ziel sind sicherlich am ehesten erreicht worden. Der Kanton Basel-Landschaft erhöhte seinen Subventionsanteil an den Orchestern von 60 000 Franken zu BOG-Zeiten auf 1,4 Millionen Franken Anfang der Neunzigerjahre. Dazu beigetragen hat sicherlich die Tatsache, dass der Baselbieter Kultur-Abteilungsleiter Niggi Ullrich in der Anfangsphase der Stiftung in deren 86


Stiftungsrat sass. Die Interpretenrechte wurden in der neuen Trägerschaft an die Stiftung Basler Orchester abgetreten. Die so eingespielten Gelder wurden zum Beispiel zur Finanzierung von CDProjekten unter dem Dirigenten Walter Weller ein­gesetzt. «Der BOG-Verwalter Hans Ziegler hatte davon einfach nichts wissen wollen», sagt der frühere Orchestermusiker Markus Ernst dazu. Die Materie der Interpretenrechte sei ihm einfach zu kompliziert gewesen. Allerdings ist zu betonen, dass auch zu den aktiven Zeiten der BOG Schallplatten mit den Basler Orchestern herauskamen. Zwanzig Jahre nach dem mit vielen Kämpfen und Kosten verbundenen Übergang von der BOG zur Stiftung Basler Orchester muss man feststellen: Drei der fünf Ziele sind nicht erreicht worden. Ein Beibehalten von zwei selbstständigen Orchestern war, auch bei gesenktem Personalbestand, wegen der angespannten Finanzlage des Kantons und der Sparpolitik der SRG nicht möglich. Die Sparmassnahmen der SRG waren zwar im Stiftungsrat der SBO umstritten, doch überwog dort letztlich das Argument, dass radio­eigene Orchesteraufnahmen wenig Sinn hätten, wenn praktisch das ganze Musikrepertoire bereits auf Tonträgern vorliege. Das nunmehr vereinigte Orchester hat heute nur noch rund 90 Stellen und ist organisatorisch der AMG beziehungsweise der ihre Geschäfte führenden «Konzertgesellschaft» von Kathrin Klingler (Eigentümer ab Mitte 2009: Thomas Jung) unterstellt. Damit haben sich auch die Dienstkapazitäten verringert, und die Basler Laienchöre können nur noch selten auf die Mitwirkung des Sinfonieorchesters Basel zählen. Sie engagieren – und finanzieren! – meist alternative Klangkörper wie die «basel sinfonietta», das Kammerorchester Basel, die Barockorchester «La Cetra» und «Capriccio». Es sind qualifizierte und spezialisierte Klangkörper, die auch regelmässig im Orchestergraben des Theaters Dienst tun. Aber auch Klangkörper, die mit dem Image von «Preisbrechern» leben müssen, bezahlen sie ihren Mitgliedern doch bei weitem nicht die gewerkschaftlichen Tariflöhne. Die Stiftung Basler Orchester ist weiterhin Subventionsempfängerin, aber weit davon entfernt, in Personal- und Programmpolitik eine Steuerungsfunktion auszuüben. Sie ist heute so machtlos wie einst die BOG. Zu ihrer Schwächung beigetragen hat die Tatsache, dass sie in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts unter dem Präsidenten Karl Bossert mit ihren Personalvorschlägen wenig Fortune hatte. So dirigierte der Wiener Walter Weller als künstlerischer Leiter der AMG vor der Jahrtausendwende eine Zeit lang sowohl 87


im Theater als auch bei der AMG, doch hatte er nicht mit der Orchesterstiftung, sondern eben mit der AMG einen Vertrag. Sein Nachfolger, der Schweizer Mario Venzago, sollte endlich Basler Chefdirigent im umfassenden Sinn dieses Wortes werden, und er wirkte tatsächlich neben der AMG wenigstens für eine Produktion («Turandot») im Theater, zog sich aber 2002 noch vor der Besiegelung seiner Position vom Theater zurück, in dem er sich als «Persona non grata» behandelt fühlte. Ein Jahr später demissionierte er auch von der AMG. Erst Venzagos Nachfolger, der Slowene Marko Letonja, wurde 2003 – fast 15 Jahre nach der Etablierung der Orchesterstiftung! – von dieser angestellt und trug rechtmässig den Titel Chefdirigent. Er betreute mehrere Produktionen im Theater Basel, vor allem denkwürdige Wagner-Aufführungen. Doch konnte Letonja nur schwache Spuren hinterlassen. Seine CD-Interpretationen der Sinfonien von Felix Weingartner mit dem Sinfonieorchester Basel wurden zwar von der internationalen Schallplattenkritik als Repertoiregewinn begrüsst, fanden aber nie Eingang in die Konzertprogramme der AMG. Nachdem die AMG sich nach drei Jahren von Letonja getrennt hatte, engagierte sie als «Artistic Advisor» den St. Peterburger Stardirigenten Valery Gergiev, der das Sinfonieorchester aber nur selten selbst dirigierte und seinen Einfluss auf das Engagement von Gastdirigenten und Solisten konzentrierte. Die zeitweiligen «Wunschkandidaten» der Orchesterstiftung für das Amt eines Chefdirigenten, Mikhail Pletnev und Marc Minkowski, erwiesen sich aus unterschiedlichen Gründen als nicht durchsetzbar. Vor allem die AMG, der grösste Konzertveran­stalter auf dem Platz Basel, war ein Bollwerk gegen personelle Experimente der Stiftung Basler Orchester. Ab Herbst 2009 soll Dennis Russell Davies Chefdirigent des Orchesters und künstlerischer Leiter der AMG werden. Ob er schaffen wird, was seinen Vor­gängern nie recht gelungen ist, das Vertrauen aller am Basler Orchesterleben teilhabenden Institutionen längerfristig zu be­halten? Und die künstlerische Intendanz? Intendantin des Orchesters ist faktisch Kathrin Klingler, seitdem der «Schulterschluss» zwischen der AMG und der Orchesterstiftung 2007 geschlossen wurde. Kathrin Klingler war ursprünglich im Autohandel tätig und wurde dann Sekretärin von Paul Sacher, der ihr die «Konzertgesellschaft Zürich» von Walter Schulthess zum Geschenk machte. Diese Agentur, die nach Sachers Tod ihren Sitz nach Basel verlegte, betreibt die administrativen Geschäfte der AMG und seit 2007 auch die Ver88


waltung des Sinfonieorchesters Basel. Eine eigentliche künstlersche Intendanz gibt es nach wie vor nicht, einen Chefdirigenten nur von Zeit zu Zeit. «Heute sind wir wieder gleich weit wie vor der Gründung der BOG», sagt Markus Ernst, der einen grossen Zeitraum des Basler Orchesterbetriebs überblickt. Er gehörte zu den Befürwortern der Stiftungslösung und zu jenen Musikern, die bei der Fusion der beiden Klangkörper 1997 «sozialverträglich» nach 35 Dienstjahren­ frühpensioniert wurden. Ernst kann die Geschichte des Basler Orchesterwesens aus einer gewissen Distanz beurteilen und stellt fest, dass die SBO heute praktisch dasselbe tue wie einst die BOG und dass sie ihre Aufgaben abgesehen von der krisenhaften Anfangsphase mit ihren häufigen Personalwechseln auch einigermas­sen bewältige. Aber einen Fortschritt kann er darin nicht erkennen.­Die Frage, ob denn eine Reform der BOG ohne einschneidende Strukturveränderung nicht auch möglich ge­wesen wäre, mag er nicht eindeutig entscheiden: «Das ist eine der schwierigsten Fra­ gen­ überhaupt». «Optimal wäre eine Fusion von BOG, AMG und Casino-Gesellschaft gewesen», sagt Ernst – also eine Art Zürcher Tonhalle-Modell. Doch drei private Vereine unter der Regie des Erziehungsdepartements zu verschmelzen, erwies sich bisher als Ding der Unmöglichkeit.125 Positiver beurteilt Thomas Staehelin, seit 1978 Präsident der AMG und einer der ersten Protagonisten der Orchesterstiftung, die heutige Situation. Zu den Positiva der Orchesterstiftung zählt er die Tatsache, dass das Chefdirigenten-Modell realisierbar wurde, für welches bei der BOG die Voraussetzungen gefehlt hätten. «Heute läuft der Orchesterbetrieb gut. Seit Karl Bossert Präsident der Stiftung Basler Orchester ist, gibt es die alten Antinomien nicht mehr, und die Verantwortung für das Orchester wird besser wahrgenommen als vorher.» Und Staehelin als Liberaler konstatiert, dass das Schreckgespenst von der «Staatskultur» sich nicht bewahrheitet habe. «Der Staat hat auch in der Orchesterstiftung nichts einfach durchgedrückt. Er hat nicht einmal die Rahmenbedingungen bei den GAV-Verhandlungen vorgegeben.»126

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TEIL IV: ANMERKUNGEN ANMERKUNGEN 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

aufgelistet in der «Gedenkschrift» von Hans Ziegler, S. 75 ff. Interview des Autors mit Michael Boder in der «Basler Zeitung» vom 27. Mai 1992 Eugen Dietschi: «Bericht des Präsidenten der BOG über eine Vergrösserung des Orchesters» vom 2. Juli 1958, S. 3 Protokoll der Besprechung des Vorstandes der BOG mit dem Orchester-Ausschuss von Radio Basel vom 1. März 1961, S. 4 a.a.O., S. 3 siehe Anmerkung 4 Protokoll der Vorstandssitzung der BOG vom 29. Juni 1964, S. 4 Protokoll der Vorstandssitzung der BOG vom 29. März 1965, S. 2 Protokoll der Vorstandssitzungen der BOG vom 5. November 1969, S. 5, vom 2. Juni 1970, S. 2 f. und vom 24. Juni 1970, S. 1 ff. Protokoll der Vorstandssitzung der BOG vom 25. Februar 1970, S. 2 ff. Der vollständige Brief in: Annette Landau, «Heinz Holliger. Komponist, Oboist, Dirigent». Bern 1996, S. 59 ff. Protokoll der Besprechung BOG/RDRS vom 30. August 1974, S. 2 ff. «National-Zeitung» und «Basler Nachrichten» vom 9. Juni 1975 Protokoll der Besprechung betr. Fragen der Struktur des Basler Musiklebens vom 22. Februar 1979, S. 1 91


15 a.a.O., S. 3 16 Vorläufiger Bericht der Kommission für Zusammenarbeit im Basler Musikleben vom 4. Dezember 1979, S. 1 17 ebda. 18 Basler Musikstruktur, 25. August 1981, S. 1 ff. 19 Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt: Bericht zur staatlichen Kultur förderung im Kanton Basel-Stadt («Kulturkonzept»), Entwurf, April 1985 20 Vorläufige Bemerkungen z.H. des Bearbeitungs-Ausschusses der BOG zum Ent wurf des ED eines sog. Kulturkonzepts vom 27. Juni 1985 (gezeichnet «Z.») 21 Stellungnahme der BOG zum Entwurf eines Kulturkonzepts des Erziehungs­ departements Basel-Stadt vom 14. September 1985 22 Jürg Wyttenbach: «(Entschuldigende) Vorbemerkung über die Länge meines Konzepts ‘Musik, Basel’» 23 Brief Paul Sachers an Regierungsrat H. R. Striebel vom 17. September 1985 («Be trifft: Kulturkonzept») und Vernehmlassung der Theatergenossenschaft Basel zum Bericht zur staatlichen Kulturförderung im Kanton Basel-Stadt («Kultur konzept») vom 12. September 1985 24 Vernehmlassung der AMG vom 12. September 1985, gezeichnet «für die Kommis sion: Der Präsident: Dr. Thomas Staehelin» 25 ebda. 26 Schweizerischer Musikerverband, Sektion Basel: Stellungnahme zum Entwurf des Erziehungsdepartements Basel-Stadt für ein «Kulturkonzept», datiert «im September 1985», gestempelt: «Martin Lehmann» 27 Brief Paul Sachers an Regierungsrat H.R. Striebel, a.a.O. 28 Jürg Wyttenbach: «(Entschuldigende) Vorbemerkung …», vgl. Anm. 22 29 «Die SRG und die Orchester», Bern, August 1983, S. 22 ff. und Interview von Jürg Erni mit DRS-Programmdirektor Andreas Blum in der «Basler Zeitung» vom 10. Januar 1987 («Ein Felsbrocken im Eierkörbchen») 30 Brief von Programmdirektor Andreas Blum und Musik-Abteilungsleiter Andreas Wernli vom 4. Juni 1985 an Regierungsrat H.R. Striebel 31 Bericht zur staatlichen Kulturförderung …, S. 27 ff. 32 «Betrifft: Kultur-Konzept», Stellungsnahme des Musikkonvents vom 12. August 1985, gezeichnet M. Sieber 33 Bericht des Regierungsrates über die staatliche Kulturförderung im Kanton Basel Stadt. Den Mitgliedern des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt zugestellt am 25. Juli 1986, S. 52 f. 34 «Basler Zeitung» vom 7. August 1986 35 Die SRG und die Orchester, Bern, August 1983, S. 52 36 Ideenskizze vom 4. Juni 1985 37 «Neukonzeption des Radio-Sinfonieorchesters Basel» vom 14. April 1986 38 Brief von Regierungsrat H.R. Striebel an den Präsidenten der BOG Hans Oesch vom 17. Oktober 1985 39 Brief Hans Zieglers an den Gemeinderat Binningen vom 18. August 1986 40 Brief von Regierungsrat H.R. Striebel an den Präsidenten der BOG vom 14. Nov­ em­ber 1985 41 «Ereigniskalender 1985/86», undatiert, vermutlich von Hans Ziegler, S. 1 42 Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der BOG vom 27. Januar 1987, S. 3 43 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 15. Mai 1987, S. 3 44 «Basler Zeitung» vom 10. Januar 1987 45 «Modelle für die Zukunft der BOG-Orchester», ausgearbeitet von der Vereins­ kammer der Sektion Basel des SMV, im Februar 1987, S. 6 46 Ratschlag betreffend die Bewilligung von Staatsbeiträgen an die Stiftung Basler Orchester für die Jahre 1988 bis 1991 (8053), den Mitgliedern des Grossen Rates zugestellt am 19. Mai 1988 47 Ratschlag 8053, S. 13 48 «Reorganisation der Orchesterstruktur» vom 26. August 1987, entsprechende Textstelle im Ratschlag auf S. 10 49 Brief von Regierungsrat Prof. H.R. Striebel vom 28. September 1987 an den BOG Präsidenten 92


50 Brief von Regierungsrat H.R. Striebel an der Präsidenten der BOG vom 28. Sep tember 1987 und Antwortbrief von Andreas Staehelin an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt vom 15. Dezember 1987 51 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 16. Juni 1987 52 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 16. November 1987, S. 4 53 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 9. März 1988, S. 4 54 Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der BOG vom 5. Februar 1988 im Anschluss an die ausserordentliche Generalversammlung, S. 2 55 Protokoll der ausserordentlichen Generalversammlung der BOG vom 8. Juni 1988 56 ebda. 57 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 25. November 1987 und Einladung dazu vom 20. November 1987 mit Änderungsentwurf der BOG-Statuten 58 Rechtsgutachten von Christian Brückner vom 29. Juni 1988 59 «Öffentliche Urkunde über die Errichtung einer Stiftung» mit dem Namen «Stiftung Basler Orchester» vom 30. Dezember 1988 60 Antrag an die ordentliche Generalversammlung der BOG am 5. Februar 1988 61 Brief von Jürg Geiser vom 10. Juni 1988, Brief von Curt Paul Janz vom 7. Juni 1988 62 Petitionskommission des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt: Bericht zur Petition über die Zukunft der Basler Orchester vom 4. Mai 1988 63 Ratschlag 8053, S. 31 ff. 64 Hans Ziegler: «Zur Lage», 1. Juni 1988 65 Ratschlag 8053, S. 21 66 «Basler Zeitung» vom 17. Juni 1988 67 Schreiben von Hans Rudolf Müller «An einige mir persönlich bekannte Basler Ärzte» vom 1. Juli 1988 68 Gespräch des Autors mit Michael Pfeifer am 9. September 2008 69 Interpellation von Grossrat Thomas Wilhelmi vom 9. September 1988 70 Hansueli W. Moser-Ehinger: «Diktatur statt Demokratie? Wem nützt die Ablösung der demokratisch verwalteten Orchester-Trägerschaft BOG durch die Diktatur der interessenabhängigen Stiftung Basler Orchester? Informationen zu einem grossen politischen Schwindelversuch», Basel 1988 71 Andreas Staehelin: «Welche Folgen hat ein Referendum gegen den Grossratsbe schluss betreffend Bewilligung von Staatsbeiträgen für die Stiftung Basler Orchester für die Jahre 1988–1991?» vom 28. Juni 1988 72 Schreiben von Prof. Gian-Reto Plattner vom 5. August 1988 und Antwort schreiben des Präsidenten der BOG an die Orchestermitglieder der BOG vom 12. August 1988 73 Neutralitätserklärung mit 23 Unterschriften von BOG-Musikern vom 29. August 1988 74 Erklärung des Vorstandes und der Fachkommission des Radio-Sinfonieorchesters Basel vom 29. Januar 1986, gezeichnet Erwin Banz 75 Resolution an den Regierungsrat und den Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt mit 78 Unterschriften von BOG-Musikern vom 14. Juni 1988 76 Leserbrief in der «Basler Zeitung» vom 16. September 1988 77 «Basler Zeitung» vom 16. Juni 1988 78 Schreiben von Ernest Strauss und Claus-Dieter Zimmer an den Vorstand der BOG vom 24. August 1988 79 «Die Weltwoche» vom 9. Juni 1988 80 Gespräch des Autors mit Susanne Imbach vom 12. August 2008 81 «Basler Zeitung» vom 26. September 1988 82 Schreiben von Gian-Reto Plattner an alle Mitglieder der beiden Basler Orchester vom 26. September 1988 83 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 12. Dezember 1988, Seite 3, und Inter pellation von Grossrat Thomas Wilhelmi vom 25. Oktober 1988 84 Brief von Regierungsrat H.R. Striebel an Andreas Staehelin vom 5. Oktober 1988 85 Briefe von Andreas Staehelin an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt vom 27. September 1988 und an die BOG vom 19. Oktober 1988 86 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 24. Oktober 1988, S. 7 87 «Blick Basel» vom 21. Oktober 1988 und vom 19. April 1989 93


88 Interpellation Thomas Wilhelmi vom 24. Oktober 1988 und Irene Stroux vom 25. Oktober 1988 89 Gespräch des Autors mit Susanne Imbach vom 12. August 2008 90 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 24. Oktober 1988, S. 5 91 Brief von Regierungsrat Peter Facklam an Willi Kuhn, Advokat und Notar, vom 11. August 1989 92 «Pressemitteilung» der BOG vom 8. September 1989 93 Kaufvertrag zwischen der Basler Orchester-Gesellschaft (Verkäuferin) und der Stiftung Basler Orchester (Käuferin) vom 30. Juni 1993 94 Brief des Beauftragten für Baufragen und Abwartswesen des Erziehungsdepar tements Basel-Stadt an die BOG vom 24. April 1989 95 «Nordschweiz» vom 17. November 1988 96 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 15. Dezember 1989, S. 2 97 Protokoll der BOG-Vorstandssitzung vom 11. Juli 1990, S. 1 ff. 98 Kurzbericht betr. Übernahme der Aufgabe des Vereins für Basler Kunst- und Musikveranstaltungen durch die BOG vom 31. Mai 1990, gezeichnet H. Ziegler 99 Protokoll der ordentlichen Generalversammung der BOG 1991/92 vom 19. Feb ruar 1993, S. 4 100 Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der BOG 1994/95 vom 7. De zember 1995, S. 3 101 Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der BOG 1996/97 vom 31. März 1998, S. 1 102 «Basler Zeitung» vom 21. Juli 2003 103 Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der BOG 2002/03 vom 20. April 2004, S. 2 104 Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der BOG vom 26. Oktober 2005, S. 1 ff. 105 Protokoll der ausserordentlichen Generalversammlung der BOG vom 22. Sep tember 1983, S. 1 f. 106 Jahresbericht der Stiftung Basler Orchester 1988/89, S. 15 107 Protokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe für die Basler Orchester vom 22. Feb ruar 1990, S. 2 108 «Presseerklärung zum Rücktritt von Prof. G.R. Plattner aus der Stiftung Basler Orchester» vom 21. September 1989; «Luzerner Neueste Nachrichten» vom 23. September 1989 109 AMG-Nachrichten Nr. 1, November 1994 – März 1995, S. 4 110 Gespräch des Autors mit Thomas Staehelin vom 3. September 2008 111 AMG-Nachrichten Nr. 2 – März bis Mai 1995, S. 1 112 AMG-Nachrichten Nr. 3 – September 1995 bis Januar 1996, Seite 1 113 «Basler Zeitung» vom 13. August 1997 114 «Basler Zeitung» vom 16. August 1991 115 Brief von Felix A. Oeri an die Stifter und Mitglieder des Stiftungsrates der Stiftung Basler Orchester vom 11. August 1997, S. 1 116 «Basler Zeitung» vom 12. November 1994 117 Gespräch des Autors mit Thomas U. Müller vom 11. August 2008 118 Mitteilung von Mario Venzago an den Autor vom 9. Februar 1998 119 IMG Artists: «Stiftung Basler Orchester – Führend an der Spitze. Das SOB und die subventionierte E-Musik in Basel-Stadt», 2. Februar 2005 120 Presse-Communiqué vom 19. Oktober 1988, unterzeichnet von Andreas Staeh-­ elin und Irene Stroux 121 Gespräch des Autors mit Markus Ernst vom 1. August 2008 122 Gespräch des Autors mit Thomas U. Müller vom 11. August 2008 123 Gespräch des Autors mit Susanne Imbach vom 12. August 2008 124 ebda. 125 Gespräch des Autors mit Markus Ernst vom 1. August 2008 126 Gespräch des Autors mit Thomas Staehelin vom 3. September 2008

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TEIL V: ANHANG ANHANG 1 Die Präsidenten der BOG 1953 bis 1974

alt Ständerat Eugen Dietschi

1975 bis 1987

Prof. Hans Oesch

1987 bis 1988

Andreas Staehelin

1988 bis 1992

Irene Stroux

1992

alt Regierungsrat Arnold Schneider (Tätigkeit infolge Ablebens nicht aufgenommen)

1992 bis 2007

Prof. Dieter Ladewig

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ANHANG 2 Subventionen der Kantone Basel-Stadt und Baselland an die BOG bzw. an die SBO in Franken

BS*

BL

3’677’828

60’000

1980

10’168’573

60’000

1981

10’963’957

60’000

1982

11’487’000

60’000

1983

12’064’500

60’000

1984

12’608’538

60’000

1985

13’015’316

60’000

1986

12’360’979

60’000

1987

11’806’890

60’000

1988

12’835’766

60’000

1989

12’366’197

60’000

1990

12’580’820

856’000

1991

14’179’818

1’400’000

1992

15’406’832

1’700’000

1993

16’235’752

1’700’000

1970

1994

16’469’496

1’700’000

1995

16’453’762

1’700’000

1996

16’641’690

1’700’000

1997

13’515’465

1’700’000

1998

13’543’314

1’700’000

1999

13’543’314

1’700’000

2000

13’640’715

1’700’000

2001

13’640’715

1’700’000

2002

13’650’250

1’700’000

2003

13’745’573

1’700’000

2004

13’793’125

1’700’000

2005

13’954’615

1’700’000

2006

14’347’904

1’700’000

2007

13’814’660

1’700’000

2008

13’607’000

1’700’000

*Pensionskassenbeträge nicht eingerechnet

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ANHANG 3 Im Zusammenhang mit dem neuen Lohngesetz des Kantons Basel-Stadt für die kulturellen Institutionen und der neuen Einstufung der BOG-Musiker in eine der basel-städtischen Lohnklassen erstellte die BOG unter Federführung ihres Präsidenten Eugen Dietschi und des Verwalters Hans Ziegler am 24. April 1974 ein ausführliches «Berufsbild des Orchestermusikers von heute». Dieses enthält ein sorgfältig formuliertes Argumentarium, aus dem folgende Abschnitte zitiert seien: Das Berufsbild des Orchestermusikers 1. Voraussetzungen, Ausbildung und Anstellungschancen Die Hinwendung zum Musikerberuf setzt hohe künstlerische Begabung, Sensibilität, ein feines Gehör, manuelle Geschicklichkeit sowie Ausdauer und Durchhaltevermögen voraus. Der Orchestermusiker von heute hat bei einem, spätestens um das achte Altersjahr einsetzenden Musik- und Instrumentalunterricht nach dem Abschluss der höheren Schulen (in der Regel mit der Maturität) ein um vier Jahre, oft auch länger dauerndes Studium an einem Konservatorium oder einer Musik-Hochschule zu bestehen. Dabei wird er ausser am Hauptinstrument und Klavier in einer Reihe theoretischer wie Harmonielehre, Komposition, Akustik, Musikgeschichte etc. und praktischer Fächer wie Primavista-Spiel, Improvisation etc. ausgebildet. Abgeschlossen wird dieses Studium mit einem Diplom (Lehr-, Solisten- oder Orchesterdiplom). Meist folgt darauf eine individuelle Weiterbildung bei führenden Meistern des Instruments. Der Dauer nach ist das Studium des Orchestermusikers jenem in Jurisprudenz oder Philosophie I gleichzusetzen. Kostenmässig liegt es darüber, weil zu den Aufwendungen für den Lebensunterhalt, Studiengelder, Literatur- und Notenmaterial speziell die Anschaffung eines guten Instruments kommt. (…) Anders als der Musik- oder Instrumentallehrer ist der Orchestermusiker mit der Erlangung des Diploms noch kein vollwertiger und für anspruchsvolle Stellen konkurrenzfähiger Berufsmusiker. Dem jungen Mediziner mit seiner Assistentenzeit ähnlich, muss er in kleinen, bescheiden honorierten Provinz-Orchestern die ersten Berufserfahrungen sammeln, seine Kenntnisse in der Orchesterliteratur erweitern, ein rasches und zuverlässiges Arbeiten mit beschränkter Probenzahl lernen und sich als Künstler entwickeln. Nun erst kann er sich für die künstlerisch und finanziell interessanten Orchesterstellen melden, wobei er sich in einem Probespiel mit den anderen Konkurrenten messen muss. Die Chance, eine solche Position zu erhalten, ist begrenzt, abhängig von der eigenen und von der Qualität der Mitbewerber, sodass manch einer dieser strengen Selektion ausweicht und eine Musiklehrerstelle annimmt. Bei der BOG werden die Probespiele von der paritätisch aus Musikern und Dirigenten zusammengesetzten Fachkommission abgenommen, die dabei sehr rigorose Massstäbe anlegt, um die Qualität und Leistungsfähigkeit des Orchesters schon an der Wurzel zu beeinflussen. Es kamen deshalb in den vom April 1949 bis April 1974 mit 825 Kandidaten durchgeführten 191 Probespielen bloss 168 Engagements zustande. 2. Die künstlerische Arbeit im Orchester a) Eigenpersönlichkeit und Einordnung ins Orchester Der Orchestermusiker muss in seiner Arbeit fortlaufend zwei gegensätzliche Pole zum Ausgleich bringen: Zu seinem Engagement wird verlangt, dass er sich im Probespiel als kreative künstlerische Persönlichkeit ausweise und durch das Mittel seines instrumentalen Könnens einen hohen Grad eigenen Gestaltungs- und Empfindungsvermögens zum Ausdruck bringe. Im Orchester dagegen soll er als Teil des Ganzen seine persönliche Kunstauffassung über die Interpretation des Werkes den

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Intentionen des Dirigenten unterordnen und sich tonlich und dynamisch anpassen, damit ein möglichst homogener Orchesterklang erreicht werde. Bei einem Orchester von Rang wiederum erwartet man, dass es einen gemeinschaftlichen Qualitätssinn und -willen entwickle und ihn nötigenfalls auch mit oder gegen einen schlechten Dirigenten durchsetze. Nach dem Urteil der Sachverständigen verfügt das Basler Sinfonie- Orchester über diese gesuchte Eigenschaft. b) Physische und psychische Anforderungen Das berufsmässige «Spielen» von Instrumenten – im Italienischen heisst es zutreffender «suonare» und «toccare» – ist alles andere als ein leichtes Spiel, auch wenn es beim zuhörenden Betrachter den Eindruck des Spielerischen erwecken mag. Es ist vielmehr eine auch körperlich anstrengende Leistung. Diese Erfahrungstatsache ist verschiedentlich medizinisch und arbeitsphysiologisch nachgeprüft und wissen­ schaftlich bestätigt worden. (…). Zur motorisch-mechanischen Arbeit, die von Armen, Händen, Fingern (Streicher), resp. dazu von Beinen und Füssen (Pauke, Schlagzeug, Harfe) oder Lippen, Gesichts­ muskulatur und Atmungsapparat (Bläser) zu leisten ist, tritt eine extreme Belastung weiterer Sinnesorgane. Es sind dies die Augen, die sehr oft durch unzulängliches Notenmaterial und schlechte Beleuchtung strapaziert werden, sowie das Gehör, A und O aller Musikausübung, welches je nach dem Platz des Musikers im Orchester Eigenlärm-Immissionen von 110 bis 128 Dezibelstärke ausgesetzt ist. Diese körperliche Arbeit ist mit grösster Präzision unter intensiver geistiger Sammlung zu erbringen. Das einwandfreie Zusammenspiel von achtzig bis hundert künstlerischen Individuen bei der Einstudierung und Aufführung eines Werkes verlangt von jedem Einzelnen ununterbrochene Konzentration. Oft handelt es sich um Tonfolgen, die in Bruchteilen von Sekunden exakt synchron erklingen sollen, um feinste Nuancen und Veränderungen von Stärke und Charakter des Tones, um genau gleichzeitiges Einsetzen Aller nach einer Generalpause und dergleichen mehr. Nachlassen in der Konzentration, Ungenauigkeiten oder falsches Einsetzen eines Einzigen kann die Gesamtleistung empfindlich stören und herabsetzen, unter Umständen selbst zum Scheitern bringen. Jeder Musiker trägt so an seiner Stelle die volle Mitverantwortung für die Leistung des ganzen Orchesters. Die beschriebene künstlerische Arbeit ist sehr oft, was nicht unterschätzt werden soll, nur mit Überwindung ungünstiger Umgebungseinflüsse des Arbeitsplatzes auszuführen wie ungenügende Beheizung, Zugluft und Staub (vor allem im Theater im Orchestergraben), Sitze und verbrauchte Luft (Bläser!) in Konzertsälen ohne hinreichende Ventilation. Verschiedene psychische Faktoren sind für die Arbeit im Orchester, das auf sie mit fast seismographischer Sensibilität reagiert, von weit grösserer Bedeutung als anderswo. Ihre Beherrschung erheischt immer wieder einen besonderen Effort. Dazu gehören die Angst vor solistischen Einsätzen, schwierigen Passagen oder dem Dirigenten, Spannungen zwischen Musikergruppen oder persönliche Aversionen und Zwistigkeiten. Unzufriedenheit mit Platz oder Funktion, das Gefühl zu geringer Wertschätzung der eigenen Person oder des Orchesterberufs im Gemeinwesen. Das letztgenannte Beispiel weist auf ein entscheidendes Charakteristikum für den Beruf des Orchestermusikers hin, seine Leistungen sind direkt für die Öffentlichkeit bestimmt, vor dem Publikum und der Kritik hervorzubringen. Dies unterscheidet ihn grundlegend vom Lehrberuf an der Musik-Akademie, dessen Tätigkeit sich in der geschützten Atmosphäre des Lehrerzimmers vollzieht. Eine erstaunlich weitgehende, selbst im physischen Bereich messbare Wirkung übt der emotionelle Gehalt der aufzuführenden Komposition aus. Mit medizinischen Messmethoden ist festgestellt worden, dass die Kreislaufbelastung des Musikers mit dem Wechsel an innerer Spannung eines Werkes und seiner Teile Schritt hält. 98


Aus dem Gesagten geht hervor, dass die physische und psychische Beanspruchung und Leistung im Orchesterberuf überdurchschnittlich hoch ist. Es braucht eine robuste Gesundheit, um ihm bis zur Erreichung des Pensionsalters Stand halten zu können. c) Der Aufgabenkreis des BOG-Musikers Der BOG-Musiker ist verpflichtet, nach besten Kräften beim gesamten Orchesterdienst mitzuarbeiten. Das heisst, dass er als Mitglied des Sinfonie-Orchesters vorwiegend im Konzert und Theater, ausserdem bei einer Anzahl von Radio-Aufnahmen mitzuwirken hat. Als Mitglied des Radio-Orchesters zur Hauptsache bei Radio-Aufnahmen, daneben ferner in den Konzerten und Theateraufführungen, die seiner Formation zugewiesen werden. Das Sinfonie-Orchester steht in ständiger Konfrontation mit einem sehr anspruchsvoll gewordenen Publikum und der Presse, was die entsprechende nervliche Anspannung und je nach «Ankommen» der Darbietung eine stimulierende oder deprimierende Wirkung mit sich bringt. Beim Radio-Orchester ist die Symbiose mit dem Publikum weniger innig und direkt. Die puzzleartige Herstellung eines Tonbandes Abschnitt für Abschnitt vor dem Mikrophon im Studio ohne das unmittelbare menschliche Echo des Zuhörers legt sich lähmend auf die spontane Schaffensfreude. Diese Art der künstlerischen Arbeit verlangt deshalb vom Musiker sehr viel Geduld, Selbstdisziplin und Verantwortungsgefühl gegenüber dem unsichtbaren späteren Hörer, zu dem seine Musik ab Tonband gesendet werden soll. Von den Musikern beider Orchester wird in ihrem mehrteiligen Aufgabenkreis eine weitgespannte Stilkenntnis und -sicherheit erwartet, vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik. Letztere wird in Basel recht ausgiebig gepflegt. Sie bedingt laufend neue Spielweisen, die sich der Musiker aneignen muss. Der BOG-Musiker von heute kann sich somit nicht mit dem einmal Gelernten und Studierten zufrieden geben. Er muss mit der aktuellen Entwicklung, selbst wenn er sie ästhetisch ablehnen würde, vertraut werden, ohne dass dabei das epochenmässig früher Liegende vernachlässigt werden dürfte. Um ihre Musiker à jour zu halten, führt die BOG unter anderem obligatorische Fortbildungskurse durch – erstmals im Juni 1974 –, in welchen unter der Leitung von Spezialisten repräsentative Werke der neuesten Musik vom Orchester erarbeitet werden müssen, deren Notation, gelegentlich gar in Form graphischer Zeichnungen, und Spielweisen vom Herkömmlichen bisweilen meilenweit abrücken. d) Die Arbeitsbedingungen bei der BOG Die Hälfte des Orchesterdienstes bei der BOG fällt auf den Abend, weil Konzerte­und Theatervorstellungen, oft auch Proben und Radio-Aufnahmen, in der Zeit zwi­schen 20 und 23 Uhr, bei längeren Werken darüber hinaus, stattfinden. Dadurch wird eine tiefgreifende Umstellung im Lebensrhythmus hervorgerufen, indem vor dem­Dienst keine Mahlzeit eingenommen werden kann und nach der Aufführung mit ihrer ganzen physischen, geistigen und emotionalen Anspannung erst nach Stunden die normale Nachtruhe gefunden wird. Ausserdem erfährt der BOG-Musiker eine erhebliche Einengung in der persönlichen Lebensgestaltung, da seine Abende blockiert sind, also die Zeit, wo geselliges Leben, Verkehr im Freundeskreis, bildende oder unterhaltende Veranstaltungen für den zu normalen Zeiten Beschäftigten ihren Raum haben. Hierin liegt ein weiterer entscheidender Unterschied des Orchester- zum Musiklehrberufs, welchem in der Gehaltsklassierung Rechnung getragen werden muss. Der BOG-Musiker hat auch samstags und sonntags anzutreten. Von einer 5-Tage-Woche ist bei ihm keine Rede. Anders verhält es sich z.B. bei den Deutschen Rundfunkanstalten, die ihren Orchestern neben guten Gagen höchst komfortable Dienstbedingungen gewähren und deren nachteilige Konkurrenz auf dem Stellenmarkt nur mit einem einigermassen vergleichbaren Gehaltsangebot begegnet werden kann. 99


M Zum Orchesterdienst nachts, an Samstagen und Sonntagen kommen in Basel ferner Aufführungen an Neujahr, Fasnacht, Ostermontag, 1. Mai, Auffahrt, Pfingstmontag, Stephanstag und Silvester hinzu. Der wöchentliche freie Tag ist nicht fix, sondern individuell und liegt den Orchesterbelastungen folgend stets anders. Dem Musiker sind demnach keine Dispositionen auf lange Sicht möglich. Bei Notwendigkeit kann er ausfallen, um erst später nachgeholt zu werden. Das Eidg. Arbeitsgesetz vom 13. März 1964 ist auf die Orchestermusiker nicht anwendbar! (…) Sowohl von der dienstlichen und arbeitsmässigen Beanspruchung, ganz besonders aber von den künstlerischen Anforderungen und der erzielten Qualität ausgehend, hält der Vorstand der BOG die Anlehnung an die 13. Lohnklasse für unbedingt gegeben. (…)

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ANHANG 4 Im «Schicksalsjahr» 1988 veröffentlichte der Verwalter der BOG noch vor der Abstimmung im Grossen Rat über den Orchester-Ratschlag 8053 folgenden Text: Zur Lage: Dem Vernehmen nach sind die Orchestermitglieder aufgefordert worden, morgen Samstag, 4. Juni, darüber abzustimmen, ob sie die BOG oder die Stiftung als Arbeitgeber vorziehen oder vorerst die Bekanntgabe der Bedingungen hier wie dort abwarten wollen. Von Seiten der BOG wird ihnen nicht zugemutet, jetzt schon fest Stellung zu nehmen und als Vorspann für die Debatte im Grossen Rat zu dienen. Dieser befindet sich in ähnlicher Lage wie die Musiker. Ohne über die wichtigsten Unterlagen zu verfügen, sollte er entscheiden, also ohne den Vertragsentwurf Stiftung/Radio DRS, ohne genaue Zahlen dazu, ohne den nicht fertigen von den Musikern selbst noch nicht beratenen GAV, ohne verbindliche Bestimmung der Grösse der beiden Orchester usw. Nachdem über das Stiftungsunternehmen bereits eine Unmenge geschrieben worden ist, soll die Folge-Konzeption der BOG hier in Stichworten aufgezeigt werden. 1. Die Aufgabe der BOG, dem Theater, den Konzertinstitutionen und dem Radio (je nach Abmachungen auch nach 1995) ihre beiden Orchester, also nicht beliebig Orchesterdienste, besetzungsgerecht zur Verfügung zu stellen, ist nach wie vor ihr Zweck und von ihr zu erfüllen unter Beibehaltung der Orchester und ohne Entlassungen. 2. Falls Radio DRS ab 1995 die Hälfte des bisherigen Leistungsbezugs aufrecht erhält, werden insgesamt 148 Musiker benötigt, zur Hauptsache in Vollstellen, in beschränkter Zahl allenfalls in Halbstellen. 3. In Berücksichtigung der bis 1995 sicher erfolgenden Pensionierungen und bei Be­ endigung in der Zwischenzeit eingegangener Zeitverträge verbleibt 1995 ein Bestand von 130 Musikern. Bei vollständigem Rückzug von Radio DRS von eigenen Orchesterproduktionen könnte mit diesen 130 Musikern den Bedürfnissen des Mu­sik­lebens genügt, dem Theater dazu noch eine Leistungserhöhung geboten werden. 4. Die Besetzungen der beiden Orchester – diese Frage ist bis jetzt unberührt geblieben – wird ihren Aufgaben entsprechend in Übereinkunft der Beteiligten (BOG, Orchester, Benützer) festgelegt. 5. Der zwar gekündigte, aber weiter dauernde GAV ist mit dem SMV und VPOD (schon eingeleitet) zu überarbeiten, von der BOG aus auf einen konzilianten, die Orchesterqualität fördernden Inhalt hin. Fixpunkt darin muss die 14. Lohnklasse bleiben. 6. Durch eine Revision der Statuten der BOG wird den Wünschen von AMG und Theater nach statutarischer Vertretung Rechnung getragen, die Besetzung des Vorstandes unter Vermeidung von Interessenkonflikten neu geregelt und durch die Einführung eines Arbeitsausschusses die Speditivität von Entscheidungen gefördert. Durch Änderung der Orchesterbenützungsbedingungen soll eine verbesserte Koordination auf gemeinschaftlicher Basis erreicht werden. 7. Die BOG glaubt, auch in den 90er Jahren mit einer wirtschaftlichen und kulturellen Prosperität rechnen zu dürfen, welche die Ausrichtung einer uneingeschränkten, bei Bedarf auch erhöhten Staatssubvention gestattet. Darüber hinaus will sie die Nachbarkantone und Gemeinden zu angemessenen Beiträgen bewegen und versuchen, eine weitere Finanzgrundlage in festen und leistungskräftigen Sponsorengemeinschaften zu finden. BASLER ORCHESTER-GESELLSCHAFT Verwaltung, 1. Juni 1988

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ANHANG 5 Die Orchester der BOG auf Reisen 17. Oktober 1976, Graz Dirigent: Hans Ulrich Lehmann Heinz Marti Michael Tabachnik

Michel Tabachnik Sinfonieorchester Basel «Zu blasen» «Mook» für 3 Orchestergruppen «Sillages» für Orchester

3. September 1980, Kunsthaus Luzern Dirigent: Salieri Mozart Mozart

Mathias Bamert Radio Sinfonieorchester Basel Axur, Re d’Ormus Klavierkonzert C-Dur KV 467 Kyrie d-Moll KV 341

8. Januar 1982, Kathedrale Chur Dirigent: Ernst Schweri Radio Sinfonieorchester Basel Bündner Singkreis Verdi Requiem 7. Januar 1983, Albert Konzerte Freiburg i.Br. Dirigent: Solist: Mozart Bruckner

Moshe Atzmon Radu Lupu, Sinfonieorchester Basel Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467 Sinfonie Nr. 9 d-moll

7. September 1983, Festival de Sion Tibor Varga Dirigent: Solist: Haydn Mozart Schubert

Armin Jordan Kiyoshi Kasai, Flöte Sinfonieorchester Basel «L’incontro improviso»: Ouvertüre Hob. Ia, Nr. 6 Flötenkonzert Nr. 1, G-Dur, KV 303 Sinfonie 118 Nr. 9, C-Dur «Grosse»

16. September 1984, Frankfurt Feste Dirigent: Messiaen

Heinz Holliger Sinfonieorchester Basel Des Canyons aux Etoiles

4. September 1985, IMFL Luzern Dirigent: Strawinsky Pierre Boulez Ravel 102

Pierre Boulez Sinfonieorchester Basel Chants du Rossignol Notations 1–4 Daphnis et Cloé, Sinfonie der Ballettmusik


N 4. Mai 1986, Wiener Konzerthausgesellschaft, Woche für Neue Musik Dirigent: Messiaen

Heinz Holliger Sinfonieorchester Basel Des Canyons aux Etoiles

12. September 1986, Helsinki Dirigent: Brahms Frank Martin Roussel

Armin Jordan Sinfonieorchester Basel Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73 Konzert für 7 Bläser, Pauken, Schlagzeug und Steichorchester Bacchus et Ariane

3. Oktober 1986, Festival International des Musiques d’aujourd’hui, Strasbourg Dirigent: Boulez

Pierre Boulez Sinfonieorchester Basel Notations 1–4

5. Oktober 1986, Freiburg i. Br. Dirigent:

Pierre Boulez Sinfonieorchester Basel Pierre Boulez Rituel 103


ANHANG 6 Aufnahmen mit den Orchestern der BOG 1973 Ende August/ Anfang September 22. bis 24. November

Plattenaufnahmen Plattenaufnahmen Sämtliche Ouvertüren von Mozart Ltg. Moshe Atzmon

1974 31. Januar bis 3. Februar 9. bis 12. Mai 30. Mai bis 1. Juni

Plattenaufnahmen Plattenaufnahmen Plattenaufnahmen Wagner Siegfried-Idyll; Bruckner Sinfonie Nr. 7, Ltg. Moshe Atzmon

1981 7. bis 10. April 24. bis 29. April 104

Plattenaufnahmen Wiener Walzer und Polkas Ltg. Armin Jordan Plattenaufnahmen Debussy La boîte à joujoux, six Epigraphes antiques, Sarabande instrumentiert von Ansermet, Caplet, Ravel, Ltg. Armin Jordan


O

24. bis 30. August

Fernsehaufnahmen Rachmaninoff, 2. Klavierkonzert; Skrijabin Poème de l’Extase, Ltg. Matthias Bamert

1982 24. bis 26. Juni

Plattenaufnahmen Wagner Ltg. Moshe Atzmon

1985 20. bis 27. April

Franck Le Chasseur maudit; les Eolides; Psyché; Chausson Symphonie op. 20; Viviane, Poème Symphonique op. 5

1986 18. bis 22. August

Fernsehaufnahmen

1987 12. bis 14. März 20. bis 22. August

Fernsehaufnahmen Fernsehaufnahmen 105


ANHANG 7 Langspielplatten mit den Orchestern der BOG 1967 W. A. Mozart

Serenade D-Dur KV 100 Serenade D-Dur KV 335 Bernhard Paumgartner

1970 Franco Evangelisti Heinz Holliger

Die Schachtel Der magische Tänzer Hans Zender, DGG

1974 W. A. Mozart

Sämtliche Ouvertüren Moshe Atzmon

1981 Valses et Polkas Viennoises Armin Jordan Erato Debussy, instrumentiert von Ansermet, Caplet, Ravel La boîte à joujoux, six Epigraphes antiques, Sarabande Armin Jordan Erato 1982 Ludwig v. Beethoven

Die Geschöpfe des Prometheus Musik zu einem Ritterballet Helmut Müller-Brühl, Ex Libris

Giuseppe Verdi

Requiem mit Basler Bach-Chor und Basler Gesangverein Etienne Krähenbühl (Konzertmitschnitt 13. Juni 1982 aus dem Basler Münster)

Franz Schubert Sinfonie Nr. 7 h-moll «Unvollendete» Sinfonie Nr. 4 c-moll «Tragische» Armin Jordan Erato

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Richard Wagner Meistersinger: Vorspiel Parsifal: Karfreitagszauber Götterdämmerung: Siegfrieds Rheinfahrt Rienzi: Ouvertüre Armin Jordan Erato

1984 Alfred Schnittke Violinkonzert Nr. 2 mit Gidon Kremer Heinz Holliger Philips

1985 César Franck Le Chasseur maudit Les Eolides Psyché Armin Jordan Erato Ernest Chausson Symphonie op. 20 Viviane, poème symphonique op. 5 Armin Jordan Erato

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PERSONENREGISTER

A H Albisser, Urs 67 Alioth, A. 39 Arp, Klaus 79 Atzmon, Moshe 31 Auberson, Jean-Marie 21

Hadid, Zaha 72 Häring, Cyrill 29 Harnisch, Helmut 76 Hauck, Max E. 39, 65, 74 Hauri, Andreas P. 27 Häusel, Urs 55 B Häusler, Josef 22 Baltensperger, André 70 Holliger, Heinz 21 ff. Bamert, Matthias 21, 34 Hubacher, Helmut 25 Banz, Erwin 59 Huber, Klaus 23 Baumbauer, Frank, 56, 75 Hunter, Francis 79 Beck, Andreas Th. 27 f., 35 I Bernoulli, Christoph 17 Imbach, Susanne 29, 41, 45 ff., 56, Beyeler, Ernst 74 61, 64, 85 Binetti, Carlo 55 Iselin-Löffler, Maria 73 Blum, Andreas 34 f., 41 Boder, Michael 12, 20, 79 J Bopp, Charles 55 Janz, Curt Paul 26 f., 33, 42, 48, 50 f., Bossert, Karl 82, 87, 89 61, 74 Boulez, Pierre 15, 21, 30 Jeker, Hans 25 f. Brenner, A. 39, 41 Jenny, Kurt 64 Briellmann, Alfred 48, 50, 53 Joho, Andres 60 Brückner, Christian 47, 49 Jordan, Armin 12, 22, 30, 55, 60, 68 f., 71 Burckhardt, Martin H. 57 Jung, Thomas 87 C K Conti, Carlo 51 Kaiser, Albert E. 69 Karr, Gery 80 D Keller, Jürg 53 Keller, Peter 39, 41 Dietschi, Eugen 13 Kelterborn, Rudolf 18, 25, 27, 35, Doll, Hans-Peter 79 41, 75, 80 Dumont, Cédric 16 Kiehr, Maria Cristina 71 E Klingler, Kathrin 76, 82, 87 f. Eckerlin, Martin 70 Kresin, Willibald 79 Erni, Jürg 42, 56 Krieger, Jan 26 Ernst, Fritz 16 Kuhn, Willi 65 Ernst, Markus 22, 51, 55, 59, 84 f., 87, 89 Küry, Cilgia 73 Cornaz, Stefan 31

L F

Ladewig, Dieter 68, 70, 72 f. Lehmann, Martin 32, 58, 61 Letonja, Marko 82, 88 Leuenberger, Rosemarie 41, 48 f., 66, 75, 80 Linder, Klaus 42, 47, 64, 66 G Lott, Felicity 69 Geiser, Jürg 51, 55 M Gergiev, Valery 88 Marthaler, Adrian 21 Gielen, Michael 30 Golan, Ron 52 f. Mattmüller, Felix 55 Fabritius, Jürgen 81 Facklam, Peter 63 ff. Feuerstein, Peter 81 Fleissig, Marie-Louise 55 Fredenhagen, Hermann 50, 55

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Staehelin, Andreas 41, 46 f., 49, 58 f., 63 f., 73 Staehelin, Thomas 31, 32, 56 f., 75, 78 f., 81, 84 f., 89 Stein, Horst 22, 30, 32 f. Strauss, Ernest 58, 61 f. Stricker, Ernst 55 Striebel, Hans Rudolf 30, 33 f., 41, 45, 46, 51, 57, 62, 81, 84 Stroux, Irene 48, 63 ff., 67, 83 Stumm, Reinhardt 37 Suter, Alois 55 N Suter, Hermann 10 Suter, Vera 55 Nuñez, Antonio 70 Merkel, Hans Rudolf 55, 57 Messiaen, Olivier 21 Miller, Norbert 74 Minkowski, Marc 88 Miville, Carl 57 Moser-Ehinger, Hansueli W. 56 Mosimann, Peter 41, 46 ff., 50, 64 Müller, Hans Rudolf 51, 55 Müller, Thomas U. 65, 77, 81 f., 84 Müller von Kulm, Walter 15 Münch, Hans 15

T O Tomeï, Jürgen von 55 Oberholzer, Martin 55 Oeri, Felix A. 79 f. Oesch, Hans 20, 27, 29 f., 36, 37 f., 39 ff., 73 Otter, Anne Sofie von 69

U Ullrich, Niggi 50, 87 Ullrich, P. 39

V P Varga, Tibor 21 Pestalozzi, Karl 74 Venzago, Mario 21, 82, 88 Pfeifer, Michael 51, 55 Viotti, Marcello 77 Plattner, Gian-Reto 41, 47 ff., 58, Vlaiculescu, Georges 80 62, 76 f., 84 Vogt, Emil 15 f., 19, 27, 35 Pletnev, Mikhail 88 Vogt, Hans 18 Podic, Baldo 40 Volkland, Alfred 10 Populin, Mario 60 W R Wamister, Christof 62 Rapp, Hans 50 Weingartner, Felix 88 Refardt, Edgar 12 Weller, Walter 87 f. Rentrop, Regula 76 Wenzinger, August 55 Renz, Anton 50, 55 Wernli, Andreas 18, 33 f., 41, 42, 75 Ritter, Markus 55 Wilhelmi, Thomas 55, 62 Russell Davies, Dennis 88 Wittpennig, F.P. 39, 41 Wullschleger, Max 18 S Würsch, Renate 74 Sacher, Paul 14 f., 21 ff., 25 f., 30, Wydler, Christoph 55 32, 35, 40, 55, 63, 65, 67 f., 88 Wyttenbach, Jürg 22, 31, 33 Santi, Nello 21, 22, 30, 77 Z Schäublin, Arnold, 50 Schiess, Peter 55 Schindhelm, Michael 79, 81, 85 Schneebeli, David 58 Schneider, Arnold 68 Schulthess, Walter 88 Schürmann, Leo 41 Sieber, Marc 36, 50 Skrzypczak, Bettina 74 Spinnler, Hans 26

Zacharias, Christian 69 Zahn, Tilmann 71 Ziegler, Hans 6 ff., 12 f., 27, 35, 38 f., 40, 45, 47 f., 49, 54, 61 f., 65, 67, 71 f., 85 f., 88 Zimmer, Claus Dieter 60 f., 79, 80 Zimmermann, Bernd Alois 23 Zogg, Philippe 64 Zörner, Wolfgang 79 Zschokke, Peter 14 109


BILDLEGENDEN A (Seite 5)

Dirigent Walter Weller mit dem Basler Sinfonieorchester © Niggi Bräuning, 1994

B (Seite 7)

Musiker des Radio-Sinfonieorchesters Basel in einer Produktion des Schweizer Faernsehens mit Adrian Marthaler Photo: B.R. Eberhard, © SF

C (Seite 9)

Musiker des Radio-Sinfonieorchesters Basel in einer Produktion des Schweizer Fernsehens Photo: Esther Chei-Schneider, © SF

D (Seite 24)

Referendumskampagne 1988 Entwurf

E (Seite 31)

Hornist des Radio-Sinfonieorchesters Basel in einer Produktion des Schweizer Fernsehens mit Adrian Marthaler Photo: B.R. Eberhard, © SF

F (Seite 44)

Heinz Holliger Oboist, Komponist und Dirigent unbekannter Photograph

G (Seite 60)

Paul Sacher mit dem Basler Sinfonieorchester © Dominik Labhardt, 1992

H (Seite 72)

Armin Jordan Dirigent © Philippe Christin

I (Seite 75)

Dirigent Hans Münch mit dem Basler Sinfonieorchester, links der Solocellist Ernest Strauss © Hans Bertolf, 1974

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J (Seite 83)

Dirigent Matthias Bamert mit dem Radio-Sinfonieorchester Basel unbekannter Photograph, © SF

K (Seite 90)

Pierre Boulez Komponist und Dirigent unbekannter Photograph

L (Seite 94)

Moshe Atzmon Dirigent © Helga Kirchberger, 1972

M (Seite 100)

Trompeter des Radio-Sinfonieorchesters Basel in einer Produktion des Schweizer Fernsehens mit Adrian Marthaler Photo: Esther Chei-Schneider, © SF

N (Seite 103)

Mario Venzago Dirigent © Mathias Leemann

O (Seite 105)

Dirigent Nello Santi mit dem Radio-Sinfonieorchester Basel © André Muelhaupt

P (Seite 112)

Dr. Hans Ziegler (1917– 2003) Verwalter der BOG 1948 bis 2003

U3

Basler Fasnacht 1069 Rumpel Clique, Sujet: Basel spilt die erschti Gyge Laterne der Rumpel Clique 1969 Laterne: Einzug des Radio-Orchesters in Basel Laternenmaler Ernst Rudin, Photo © Felix Hoffmann Photography SWB Basel

Wir haben versucht, die Inhaber der Rechte in allen Fällen zu ermitteln, nicht immer mit Erfolg. Wir bitten deshalb gegebenenfalls um Mitteilung. Die Stiftung BOG ist bereit, berechtigte Ansprüche abzugelten. 111


P Dr. Hans Ziegler (1917– 2003) Verwalter der Basler Orchester-Gesellschaft 1948 bis 2003


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