Aurea Bulla band 1

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AUREA BULLA

Aurea Bulla

Augusta Raurica im Frühjahr 212 nach Christus. Der Kaiser Septimius Severus hat für ruhige Zeiten im römischen Reich gesorgt. Seit seinem Tod vor einem Jahr teilen sich seine beiden Söhne Geta und Caracalla die Herrschaft. In der blühenden Provinzstadt Augusta Raurica führen die Menschen einstweilen ein zufriedenes Leben. Julia zog sich fröstelnd ihr blaues Wolltuch um die Schultern. «Ferox!», rief sie, «Ferox, wo bist du?» Valens stolperte etwas lustlos neben ihr her. Sie waren nun schon eine halbe Stunde auf der Suche nach Julias zahmem Spatz: erst im Peristyl, dann auf der Strasse vor dem Haus, nun wieder im Peristyl. «Ich hab dir immer gesagt, dass Ferox ein blöder Name ist», grummelte er. «Ferox nennt man einen wilden Jagdhund, keinen mickrigen Vogel. Wahrscheinlich findet er den Namen selber so blöd, dass er nicht mehr zurückkommt. Ich hätte sowieso viel lieber einen Hund als einen Spatz.» Julia runzelte die Stirn. «Spatzen sind toll. Weisst du, dass selbst der grosse Dichter Catull ein Gedicht über einen Spatz geschrieben hat? Hör mal zu.» Sie begann zu singen. Passer, deliciae meae puellae, quicum ludere, quem in sinu tenere, cui primum digitum dare appetenti et acris solet incitare morsus … Valens lachte. «Ja, ja, kenn ich. Du weisst aber, dass Catulls Spatz gleich im nächsten Gedicht stirbt, oder?» Julia verdrehte die Augen und musste doch grinsen. Valens heiterte sie immer auf, auch wenn er sich über sie lustig machte. Eigentlich gerade dadurch. Merkwürdig. Lautes Lachen unterbrach Julia in ihrem Gedankengang. «Lass uns das gleich in Ruhe besprechen, Marcus», hörte sie 12


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