Gladiator. Die wahre Geschichte

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härtere Schulung gegen den Tod und den Schmerz geben als diese.“ (Übersetzung: O. Gigon). Die Gladiatoren waren also keineswegs „Kanonenfutter“, das sich für die Belustigung eines blutgierigen Publikums gegenseitig abschlachtete. Sie haben im Rahmen eines komplexen und klar geregelten Rituals gekämpft, dem eine wichtige Vorbildfunktion für die römischen Zuschauer beigemessen wurde, da sie die Tugenden der Römer – Mut, Tapferkeit und Todesverachtung – veranschaulichen sollten. Sie wurden für ihren würdigen Auftritt in der Arena bewundert und vom Publikum verehrt, obwohl sie ausserhalb der Arena lediglich eine gesellschaftlich stark benachteiligte, verachtete Randgruppe waren. Sie selbst scheinen ziemlich stolz auf ihre Unerschrockenheit gewesen zu sein und wagten es zuweilen, sich mit den Helden des Mythos zu vergleichen. Während die Sklaven ja keine Wahl hatten, mussten die freien Männer, die sich freiwillig als Gladiatoren meldeten, eine schwere Entscheidung treffen, die nicht viel anders als jene des Achilleus vor Troja war: man bevorzugte schliesslich ein kurzes, ruhmreiches Leben als eine (häufig wohl nicht viel) längere Existenz in der Anonymität. Obwohl solche Kämpfe weit entfernt von unseren heutigen Vorstellungen sind und sicherlich nicht schön geredet werden sollen, waren sie dennoch keine blosse Unterhaltung. Sie dienten primär nicht der Befriedigung jener abgestumpften Bevölkerung, worauf Juvenal mit seinem berühmten Vers „Brot und Spiele“ Bezug nimmt: mit circenses meint der Dichter ja die Zirkusspiele, also die Wagenrennen, und bestimmt nicht die Gladiatorenkämpfe. Vielmehr sollten diese mit Plinius Worten die Zuschauer „dazu anspornen, ehrenvolle Wunden zu empfangen und den Tod zu verachten, weil man sogar an kämpfenden Sklaven und Verbrechern den Drang zum Ruhm und das Verlangen nach Sieg beobachten konnte.“ (Übersetzung W. Kühn). Esaù Dozio

Bibliographie: E. Flaig, Ritualisierte Politik (Göttingen 2003); Chr. Mann, „Um keinen Kranz, um das Leben kämpfen wir!“. Gladiatoren im Osten des Römischen Reiches und die Frage der Romanisierung (Berlin 2011).

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Grabrelief eines Retiarius von der Via Appia, Rom, Musei Capitolini, 3. Jh. n. Chr.


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