IBERER

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19.11.23 – 26.05.24

www.antikenmuseumbasel.ch



IBERER Eine Ausstellung des Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig und des Museu d’Arqueologia de Catalunya 19. November 2023 bis 26. Mai 2024

© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, 2023 ISBN: 978-3-905057-43-0


In Kooperation mit:

Wir bedanken uns herzlich bei den nachfolgend aufgeführten Organisationen und Mäzenen sowie jenen, die nicht erwähnt werden möchten, ohne deren grosszügiges Engagement diese Sonderausstellung nicht zustande gekommen wäre:

Mit einem zweckgebundenen Beitrag an die Stiftung des Antikenmuseums Basel.

Diese Publikation wurde gedruckt mit Unterstützung der BERTA HESS-COHN STIFTUNG

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Partner:

Medienpartner:

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INHALTSVERZEICHNIS 6 VORWORTE

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Andrea Bignasca Jusèp Boya i Busquet

DIE IBERER. BESTANDSAUFNAHME EINER ZIVILISATION

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David Asensio Vilaró

DIE IBERISCHEN SAMMLUNGEN DES MUSEU D’ARQUEOLOGIA DE CATALUNYA (MAC). EIN AUSSERGEWÖHNLICHES ERBE Núria Molist Gabriel de Prado M. Carme Rovira

40 PHÖNIZIER AUF DER IBERISCHEN HALBINSEL Laurent Gorgerat

48 SPRACHE UND SCHRIFT DER IBERER Joan Ferrer i Jané


92 60 DIE IBERISCHE STADT ULLASTRET UND IHRE VIRTUELLE REKONSTRUKTION Ferran Codina Gabriel de Prado

68 DIE WELT DER IBERISCHEN GOTTHEITEN

DIE WELT DER TOTEN. NEKROPOLEN UND IBERISCHE BESTATTUNGSRITEN M. Carme Belarte M. Carme Rovira

106 DIE KARTHAGER AUF DER IBERISCHEN HALBINSEL Christoph Schneider

Carmen Rueda Galán

80 DIE IBERISCHEN SKULPTUREN Othmar Jaeggi

114 BIBLIOGRAPHIE

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VORWORT IBERER Andrea Bignasca Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Die Antike um das Mittelmeer bedeutete in der Vorstellung des europäischen Westens lange vor allem die glanzvolle Zivilisation der Griechen und Römer. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts ist in der Forschung das Bewusstsein gewachsen, dass diese für den Westen so wichtigen Grundlagen nur dank den zahlreichen Impulsen aus dem Nahen Osten – insbesondere aus Ägypten und Mesopotamien – möglich gewesen waren. Das Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig hat in den vergangenen Jahrzehnten mit einer eindrücklichen Reihe von Sonderausstellungen diese differenzierte Entwicklung einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Im Schatten der Epizentren in Griechenland und im Orient blieben allerdings auch andere Mittelmeerkulturen lange Zeit weniger erforscht. Ausserhalb ihrer regionalen Fundgebiete sowie ausserhalb der zuständigen Fachkreise sind sie auch heute noch kaum bekannt und gewürdigt. Dabei haben sie – zu Unrecht «Randkulturen» genannt! – eine alles andere als dezentrale Rolle gespielt, standen sie doch im regen Kontakt mit der Welt der bekannteren Zivilisationen der Griechen und des Orients. 6


Die Iberer im Süden und Nordosten Spaniens sind ein solcher Fall. Ihre Kultur und ihre Bräuche sind zwar für uns heute häufig noch geheimnisvoll, aber dennoch zeigen sie auf der materiellen Ebene einen mit den sogenannten «Hochkulturen» teilweise vergleichbaren Entwicklungszustand. Ähnlich wie die in Nord- und Zentraleuropa ansässigen Germanen und Kelten waren auch die Iberer politisch und sozial in Stämmen organisiert, sie lebten in strukturierten und befestigten Siedlungen von beachtlicher Grösse und Wohlstand, sie besassen eine Schrift, sie prägten Münzen, sie kannten und nutzten die wichtigsten Technologien von damals – allen voran die Metallurgie. Ähnlich wie in umgekehrter Richtung haben sie im Austausch auf Handelsplätze die Waren geholt, über die sie (noch) nicht verfügten. Es ist nur schade, dass wir ihre Schrift noch nicht entziffern können. Ähnlich wie im Fall der Germanen und Kelten müssen wir die Informationen über sie bei Griechen und Römern einholen. Dennoch sind diese Schriftquellen zahlreich, sie liefern spannende Hinweise, und ihre Kombination mit der materiellen Hinterlassenschaft der Iberer ermöglicht heute erste fundierte Thesen und verblüffende Rekonstruktionen. 7


Einmal mehr erweist sich die antike Mittelmeerwelt als bereits komplex und vernetzt. Die Sorgen von damals sind überall ähnlich und vergleichbar, wobei die Lösungsansätze anders sind, und womöglich wirken sie hier und dort fremd auf uns – wie im Fall der Schädel von Ullastret, die als Trophäen der besiegten Feinde am Hauseingang ausgestellt wurden. Dank einer internationalen Partnerschaft mit dem Museu d’Arqueologia de Catalunya in Barcelona mit seinen reichen iberischen Sammlungen kann jetzt auch diese Kultur ihren gebührenden Platz auf dem Spielfeld rund um das Mittelmeer wieder einnehmen. Als Leihgeber konnten für das Projekt auch weitere spanische Museen und Privatsammlungen hinzugewonnen werden. Wir sind stolz und dankbar, diese noch unbekannte Kultur in Basel und erstmals in der Schweiz präsentieren zu dürfen. Ich danke meinem sehr geschätzten Kollegen, Jusèp Boya i Busquet, Direktor des Museu d’Arqueologia de Catalunya in Barcelona, für seine Grosszügigkeit und die sehr freundschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen dieses internationalen Projekts. Unsere beiden Teams in Basel und Barcelona unter der Projektleitung von Laurent Gorgerat und Carme Rovira i Hortalà haben gemeinsam ein ausgezeichnetes Konzept ausgearbeitet und erfolgreich umgesetzt, um die neuesten Forschungsresultate einem breiteren Publikum auf zeitgemässe und eindrückliche Weise präsentieren zu können. Ebenso danke ich sehr herzlich allen Mitarbeitenden der beiden Museen in Basel und Katalonien, die stets mit grossem Elan an der Ausstellung mitgewirkt haben.

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Mein besonderer Dank gilt auch den zahlreichen Geldgebern in der Schweiz – Stiftungen, Donator:innen und Mäzen:innen – die einmal mehr die Ausstellung über das Globalbudget des Kantons Basel-Stadt hinaus mutig und sehr grosszügig finanziert haben. Diese mäzenatische Wertschätzung kann heutzutage in Zeiten von Krisen und geopolitischen Herausforderungen aller Art nicht genügend hervorgehoben werden. Wir sind sehr dankbar und sind uns der Verantwortung bewusst. Ohne Kenntnis der eigenen Geschichte gehen unausweichlich Grundwerte verloren, für die unsere Vorfahren hart gekämpft haben, und unsere Gesellschaft zerbricht. Das Basler Antikenmuseum hat mit der vorliegenden Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Museu d’Arqueologia de Catalunya ein historisch bedeutsames und differenzierteres Bild unserer Geschichte geschaffen. Nun freuen wir uns sehr auf Ihren Besuch! Andrea Bignasca Direktor Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

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VORWORT IBERER Jusèp Boya i Busquet Museu d’Arqueologia de Catalunya

Seit seiner Gründung im Jahr 1932 stellt die Erforschung der Geschichte und Kultur der iberischen Völker eines der wichtigsten Tätigkeitsfelder im Bereich Forschung und Sammlung des Museu d’Arqueologia de Catalunya (MAC) dar. Das kommt nicht von ungefähr: Sein Gründer und erster Direktor – der katalanische Archäologe Pere Bosch Gimpera (1891–1974) – war einer der ersten und bedeutendsten Forscher und Gelehrten der iberischen Welt sowohl in Katalonien als auch im übrigen Spanien. Erwähnenswert ist ebenfalls, dass das Museum seit seinem Gründungstag umfangreiche iberische Sammlungen beherbergt, die aus Übernahmen und Ausgrabungen herrühren, die in der Vergangenheit von anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und Institutionen Kataloniens durchgeführt wurden. So blieb das im Laufe der Zeit mal mehr, mal weniger stark ausgeprägte Interesse des MAC für die Untersuchung und Verbreitung der iberischen Welt bis heute erhalten. Zu diesem Umstand haben zweifellos zwei weitere Faktoren entscheidend beigetragen: zum einen die Aufnahme der bedeutenden iberischen archäologischen Stätten von Olèrdola (Barcelona) und Ullastret (Girona) in das Museum infolge der Neuordnung 10


der katalanischen Museumsstruktur, die 1990 durch das Gesetz der katalanischen Museen beschlossen wurde. Zum anderen die im Jahr 1998 geschaffene «Route der Iberer», eine vom Museu d’Arqueologia de Catalunya angelegte und verwaltete kulturelle Route der Iberer, die einen massgeblichen Anteil an dem in Katalonien wachsenden Interesse der Öffentlichkeit an der iberischen Geschichte und Archäologie hatte und bis heute hat. Getreu seiner iberischen Ausrichtung hat das MAC im Jahr 2021 in Barcelona die Ausstellung «El Enigma íbero. Arqueología de una civilización» organisiert, die eine neue Gelegenheit bot, seine interessanten Sammlungen aus der iberischen Epoche bekannt zu machen und vor allem eine neue Lesart der Sammlungen angesichts der neuesten Studien und Forschungen zu diesem Thema nahezulegen. Und genau anhand dieser Erfahrung und Erkenntnisse haben das Museu d’Arqueologia de Catalunya und das Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig gemeinsam die neue Sonderschau «IBERER» konzipiert, deren Katalog ich Ihnen heute voller Freude vorstelle. Um diese Ausstellung zu ermöglichen, wurde eine herausragende Sammlung an Objekten zusammengetragen, die sowohl aus den Sammlungen des MAC als auch aus anderen katalanischen und spanischen Museen stammen. Viele dieser Exponate werden erstmals ausserhalb Spaniens gezeigt. Dies verleiht dem Anliegen der Ausstellung zweifelsohne einen besonderen Charakter und verstärkt ihren musealen und kulturgeschichtlichen Wert sowohl im schweizerischen als auch im europäischen Kontext. Eine solche Ausstellung wäre nicht möglich gewesen ohne die Anstrengung, Professionalität und Begeisterung des gesamten schweizerischen und katalanischen Expertenteams, das an diesem Projekt beteiligt war, und insbesondere nicht ohne die Vision, Grosszügigkeit und Beharrlichkeit von Herrn Dr. Andrea Bignasca, Direktor des Antikenmuseums Basel und Sammlung Ludwig, und von Herrn Laurent Gorgerat, Kurator dieser Ausstellung. Ihnen allen möchte ich als Direktor des Museu d’Arqueologia de Catalunya meine zutiefst empfundene und aufrichtige Dankbarkeit aussprechen. Jusèp Boya i Busquet Direktor des Museu d’Arqueologia de Catalunya 11


DIE IBERISCHEN SAMMLUNGEN DES MUSEU D’ARQUEOLOGIA DE CATALUNYA (MAC). EIN AUSSERGEWÖHNLICHES ERBE Núria Molist Museu d’Arqueologia de Catalunya – Olèrdola Gabriel de Prado Museu d’Arqueologia de Catalunya – Ullastret M. Carme Rovira Museu d’Arqueologia de Catalunya – Barcelona

«Iberien ähnelt denn einer Rinderhaut, die der Länge nach von Westen nach Osten und in der Breite von Norden nach Süden gespannt ist.» Strabon, Erdbeschreibung III, 1, 2 (63 v. Chr. – 23 n. Chr.)

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Das Museu d’Arqueologia de Catalunya (MAC) ist eine Referenzeinrichtung auf dem Gebiet der iberischen Kultur: Es umfasst nicht nur eine der bedeutendsten Sammlungen und einzigartige Exponate, sondern verwaltet auch die wichtigsten Fundstätten im Nordosten der Iberischen Halbinsel. Möglich wurde dies durch die Entwicklung der katalanischen Archäologie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, der Geburtsstunde der Sammlungen, die auf die verschiedenen Standorte des Museums verteilt sind. Die Bestände im Hauptsitz des Museums in Barcelona sind überaus vielfältig, da die Stücke aus Orten und Nekropolen aus ganz Katalonien, Aragón, Valencia, Murcia und Andalusien stammen (Abb. 1). Sie sind das Ergebnis archäologischer Ausgrabungen, von Schenkungen und altem Besitz, beispielsweise der Junta de Museus de Catalunya, die eine grosse Anzahl an sakralen Gegenständen beisteuerte: über 400 Votivgaben aus Los Altos del Sotillo (Castellar, Jaén) und La Luz (Murcia) sowie Büsten vom Cerro de los Santos (Albacete) (Abb. 2). Zu den herausragendsten Exponaten gehören jene aus der ersten, 1881 in Katalonien entdeckten iberischen Fundstätte, der Nekropole von Can Rodon de l’Hort (Cabrera de Mar, Barcelona). Der von einem Nagel durchbohrte Schädel von Puig Castellar (Santa Coloma de Gramenet, Barcelona), eine menschliche Trophäe, ist eines dieser in Barcelona erhaltenen einzigartigen Objekte. Er stammt aus weiteren wegweisenden Grabungen, die 1904 in diesem Oppidum durchgeführt worden sind (Abb. 3). Pere Bosch Gimpera, der erste Direktor des MAC, trug entscheidend zur Geschichtsschreibung über die iberische Welt bei. Er gründete 1914 den Servei d’Investigacions Arqueològiques des Institut d’Estudis Catalans, und gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden leitete er Ausgrabungen in zahlreichen Siedlungen, um die Chronologie und die Hauptmerkmale dieser Kultur zu bestimmen. Ein Teil der ergiebigen Arbeiten konzentrierte sich auf das Gebiet des Landkreises Matarraña (Aragón), den unteren Flusslauf des Ebro (Abb. 4) und Castelló, auf Nekropolen wie San Cristóbal (Mazaleón, Teruel) oder El Castellar (Oliva, Castelló) und auf die Grabstätte von Els Espleters (La Salzadella, Teruel), jedoch vor allem auf Ortschaften wie San Antonio und Tossal Redó (Calaceite, Teruel) oder Piuró del Barranc Fondo (Mazaleón, Teruel). Andere Forschungsstätten 13


1. Empúries (L’Escala) 2. Ullastret (Puig de Sant Andreu, Illa d’en Reixach, Serra) 3. Mas Castellar (Pontós) 4. Castell (Palamós) 5. Sant Julià de Ramis (Sant Julià de Ramis) 6. Saus (Saus - Camallera – Llampaies) 7. Puig Castellet (Lloret de Mar) 8. La Creueta (Quart) 9. Turó del Montgròs (El Brull) 10. Burriac y Can Rodon de l’Hort (Cabrera de Mar) 11. Turó del Vent (Llinars del Vallès) 12. Cadira del Bisbe (Premià de Dalt) 13. Turó de Ca n’Olivé (Cerdanyola del Vallès) 14. Can Fatjó (Rubí) 15. Puig Castellar (Santa Coloma de Gramenet) 16. Turó de la Rovira (Barcelona) 17. Penya del Moro (Sant Just Desvern) 18. Olèrdola (Olèrdola) 19. Fontscaldes (Valls) 20. La Gessera (Caseres) 21. Coll del Moro i Maries (Gandesa) 22. Castellet de Banyoles Tivissa 23. Monteró (Camarasa) 24. Tossal de les Tenalles (Sidamon) 25. El Molí d’Espígol (Tornabous) 26. San Antonio y Tossal Redò (Calaceite) 27. Els Espleters (La Salzadella) 28. Piuró del Barranc Fondo y San Cristóbal (Mazaleón) 29. El Castellar (Oliva) 30. El Cerro de los Santos (Montalegre del Castillo) 31. Santuario de la Luz (Murcia) 32. Los Altos del Sotillo (Castellar)

Abb. 1. Lageplan der im Text genannten archäologischen Stätten. (© Pau Menéndez)



Abb. 2. Satz iberischer Votivgaben aus Bronze der Heiligtümer in Südostspanien, Teil der Sammlungen des MAC. (© ArtWorkPhoto.eu. Archiv Museu d’Arqueologia de Catalunya)

waren Empúries (L’Escala, Girona), Tossal de les Tenalles (Sidamon, Lleida), La Gessera (Caseres, Tarragona), El Turó de la Rovira (Barcelona), Can Fatjó (Rubí, Barcelona) und die Töpferei bei Fontscaldes (Valls, Tarragona). Ab 1935 konnte man viele dieser Sammlungen in dem damals gerade erst gegründeten Museo Arqueológico de Barcelona, dem Vorläufer des heutigen MAC, bewundern. Der spanische Bürgerkrieg (1936–1939) war für die Bewahrung dieses Erbes eine grosse Herausforderung. Eines der wertvollsten Ensembles, der Silberschatz von Tivissa, musste zu seinem Schutz nach Genf gebracht werden und wurde nach Kriegsende zurückgeholt (Abb. 5). In der Nachkriegszeit begannen unter der Schirmherrschaft des Institut de Prehistoria i Arqueología neue Ausgrabungen in der Provinz Barcelona – häufig unter Leitung des Archäologen Josep Barberà –, die die Sammlung des Museums weiter bereicherten: Funde des Oppidum Burriac und der Abb. 3. nahe gelegenen Nekropole (Cabrera de Mar), der Trophäenkopf, entdeckt 1904 im Orte La Penya del Moro (Sant Just Desvern), La CadiOppidum des Puig Castellar (Santa ra del Bisbe (Premià de Dalt), Ca n’Olivé (Cerdanyola Coloma de Gramenet, Barcelona), del Vallès), El Turó del Vent (Llinars del Vallès) oder El eine der ersten iberischen Fundstätten, die im Nordosten der Iberischen Halbinsel Turó del Montgròs (El Brull). ausgegraben wurden. (© ArtWorkPhoto.eu. Archiv Museu d’Arqueologia de Catalunya)

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Abb. 4. Stele mit kriegerischer Darstellung aus Palermo (Teruel): mit Schild und Speer bewaffneter Reiter über einem besiegten Feind; die Figur des Wolfs symbolisiert die Zwischenwelt. Zwei Reihen mit Speeren nehmen die unteren Register ein. 2.–1. Jh. v. Chr. (© Hugo Fernández. Archiv Museu d’Arqueologia de Catalunya)

Gegenwärtig wachsen die iberischen Museumsbestände dank der fortdauernden Ausgrabungen in den Ortschaften Olèrdola (Barcelona) und El Molí d’Espígol (Tornabous, Lleida) wie auch dank punktueller Einbeziehungen wie dem Dorf und der Nekropole von Coll del Moro (Gandesa, Tarragona) oder der (römischen) Festung Monteró (Camarasa, Lleida). Während die Dauerausstellung des MAC Barcelona restauriert wird, werden die Exponate ausserdem erneut untersucht und in temporären Ausstellungen gezeigt. Zum anderen konzentrieren sich die Beispiele der nördlichsten katalanischen Siedlungskerne der Iberer (die dem Volk der Indigetes zuzuordnen sind) auf jene Standorte des MAC, die sich im Gebiet der heutigen Provinz Girona befinden, konkret in den Museen von Girona, Empúries und Ullastret. In den Räumen des Klosters San Pere de Galligants (Girona) befinden sich sowohl Objekte, die Ende des 19. Jahrhunderts durch die Comisión Provincial de Monumentos von Antiquaren erworben wurden, als auch die späteren Funde, die bereits aus wissenschaftlichen Ausgrabungen stammen, die beispielsweise von Archäologen wie Lluís Pericot, Miquel Oliva oder Francesc Riuró angestossen wurden. Sie umfassen Exponate aus herausragenden Orten wie den Siedlungskernen 18


von Puig Castellet (Lloret de Mar), Castell (Palamós), La Creueta (Quart) und Sant Julià de Ramis sowie Silo-Anlagen in Saus (Saus – Camallera – Llampaies). Zu den bemerkenswertesten Beispielen gehören das Küstendorf Castell (Palamós), wo eine Bleitafel mit der längsten in Katalonien entdeckten Inschrift in iberischer Sprache gefunden wurde, und der umfangreiche archäologische Komplex von Mas Castellar (Pontós). Die dort von Aurora Martin und Enriqueta Pons begonnenen Ausgrabungen förderten eine Wohnsiedlung mit einer grossen Siloanlage für Getreide zutage, die dem Handel mit den Griechen diente, der sich zwischen dem 4. Jahrhundert und dem Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. entwickelte. Es handelt sich um eines der einzigartigsten Repertoires an Materialien aus der iberischen Epoche

Abb. 5. Der sog. Schatz von Tivissa, bestehend aus Tafelgeschirr und Schmuck aus Silber und vergoldetem Silber, ist eines der grössten iberischen Ensembles aus Edelmetall, die auf der Iberischen Halbinsel gefunden wurden. Er gehörte vermutlich zum Heiligtum des Dorfs El Castellet de Banyoles (Tivissa, Tarragona) und wurde Ende des 3. Jhs. oder Anfang des 2. Jhs. v. Chr. während des Zweiten Punischen Krieges versteckt. (© Hugo Fernández. Archiv Museu d’Arqueologia de Catalunya)

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Abb. 6. Griechischer Altar aus einem Raum der Anlage von Mas Castellar de Pontós (Girona), der zwischen Ende des 3. Jhs. v. Chr. und Anfang des 2. Jhs. v. Chr. rituellen Handlungen diente. (© Jordi Play. Archiv Museu d’Arqueologia de Catalunya)

der Halbinsel, nicht nur wegen der Strukturen und Gegenstände – darunter ein griechischer Altar (Abb. 6) –, sondern auch wegen der zahlreichen paläobiologischen und produktiven Belege, die das Ergebnis aus über zwanzig Jahren Arbeit eines umfangreichen interdisziplinären Teams sind. Des Weiteren werden am Standort des MAC in Empúries iberische Erzeugnisse aufbewahrt, die Teile von Grabbeigaben aus ihrer nordöstlichen Nekropole und dem Siedlungsumfeld der griechischen Neapolis waren. Diese archäologische Stätte belegt die engen Kontakte zwischen den Ureinwohnern und den griechischen Siedlern; ihre Untersuchung durch Pere Bosch Gimpera war entscheidend für die zeitliche Einordnung der iberischen Kultur. Insgesamt ist der iberische archäologische Komplex von Ullastret der bedeutendste in Katalonien. Es handelt sich um eine grosse Stadt mit zwei von Mauern umgebenen Siedlungskernen, die zusammen eine Fläche von über 15 Hektar belegen (siehe Beitrag F. Codina und G. de Prado). 1931 wurden die ersten Überreste auf der Anhöhe des Puig de Sant Andreu entdeckt, anschliessend fand man den anderen Siedlungsbereich auf dem nahe gelegenen Anwesen Illa d’en Reixac und einige Jahre später die Nekropole auf dem Hügel Puig de Serra (Serra de Daró). Eine Auswahl der dort geborgenen Exponate befindet sich in dem Museum vor Ort und wird in einer immersiven audiovisuellen Darstellung kontextualisiert, anhand der die Stadt und ihre natürliche Umgebung virtuell rekonstruiert werden (Abb. 7). 20


Abb. 7. Allgemeine Ansicht des Hauptsaals des MAC in Ullastret, errichtet auf den Ruinen eines Schlosses und einer Kirche aus dem Mittelalter. (© Josep Casanova, Archiv Museu d’Arqueologia de Catalunya)

Der südlichste Standort des MAC befindet sich in Olèrdola, einer archäologischen Stätte mit einer langen Chronologie, die von einer Siedlung in der Kupfersteinzeit bis in das Hochmittelalter reicht. Die erste gründliche Ausgrabung wurde von Pater Llanas im Jahr 1882 durchgeführt. Die Arbeiten wurden jedoch erst in den 1920er-Jahren wieder aufgenommen, mit den Ausgrabungen des Institut d’Estudis Catalans unter der Leitung von Pere Bosch Gimpera und Josep Colominas. Ab 1921 verbreitete sich die Nachricht von der Existenz des iberischen Dorfs der Cessetani in Artikeln, die von Maties Pallarés, 21


Abb. 8. Luftaufnahme der Fundstätte von Olèrdola (Barcelona). (© Nicoclik, Archiv Museu d’Arqueologia de Catalunya)

Josep Colomines und Adolf Lammerer veröffentlicht wurden; 1971 wurde das monografische Museum gegründet, in dem die bis heute in den Ausgrabungen gefundenen Gegenstände versammelt sind (Abb. 8). Das Oppidum hat eine Fläche von ungefähr 3,5 Hektar, mit einer Raumplanung, die an die Hanglage und Besonderheiten wie eine Färberei oder Gerberei angepasst war. Die laufenden archäologischen Arbeiten bestätigen, dass die Stadtmauer und die Häuser rund um den Haupteingang zur Fundstätte im Zweiten Punischen Krieg zerstört wurden. Nebst den Informationen zu seinen Standorten ist zu erwähnen, dass das MAC auch archäologische Bestände verwaltet, die mit der iberischen Kultur verknüpft sind. Sie befinden sich in den Kulturerbe-Depots in Cervera (Lleida) und Girona. Diese Einrich22


tungen erhalten Materialien aus den seit 1981 von universitären Forschungsteams, Archäolog:innen und archäologischen Unternehmen in ganz Katalonien durchgeführten Ausgrabungen. Im Depot von Girona befinden sich die Stücke aus der Provinz Girona, während in Cervera die Funde aus dem übrigen Katalonien lagern. An dieser Stelle dürfen wir andere bedeutende archäologische Stätten nicht unerwähnt lassen, an denen das MAC im Laufe der Zeit beteiligt war und die von der Agència Catalana del Patrimoni Cultural (ACdPC) seit ihrer Gründung im Jahr 2014 verwaltet werden. Die an diesen Orten und aufgrund ihrer langen Geschichte häufig in Kooperation mit Universitätsteams durchgeführten Forschungen sind von enormer Bedeutung für die Erkenntnisse über das westlichere und südliche Katalonien, das heisst die Gebiete der Stämme der Ilercavonen und Ilergeten: Dazu gehören in erster Linie die Stadt Castellet de Banyoles (Tivissa) oder das Dorf und die Nekropole von Coll de Moro und Maries (Gandesa) sowie die ilergetische Stadt Molí d’Espígol (Tornabous). Dabei ist nicht zu vergessen, dass das MAC parallel zu den Ausgrabungen ebenfalls in präventiver Konservierung, Dokumentation, Untersuchung und Veröffentlichung tätig ist, um das Wissen über seine archäologischen Stätten und iberischen Sammlungen zu verbreiten. Diese Arbeiten unter der Zuständigkeit eigener Teams und in Zusammenarbeit mit externen Fachkräften haben eine umfangreiche Literatur hervorgebracht, darunter beispielsweise die Serien monografischer Veröffentlichungen zu speziellen Themen sowie die Handbücher zu den Fundstätten und Kataloge zu Sonderausstellungen, die sich mehr an die Öffentlichkeit richten. Die Verbreitung des iberischen Erbes ist gleichermassen das Anliegen des unter der Leitung des MAC stehenden kulturtouristischen Programms «Route der Iberer». Diese umfasst 26 archäologische Stätten in der gesamten katalanischen Region und ein jährliches Festival unter dem Motto «Iberisches Wochenende», das seit 22 Jahren Anfang Oktober stattfindet. Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass die Sonderausstellungen des MAC in den letzten Jahren in zahlreichen staatlichen Museen in Spanien und im Ausland zu sehen waren. Die grösste davon, «El Enigma íbero. Arqueología de una civilización», setzte eine breite Palette an Exponaten aus den Sammlungen des MAC mit ausgewählten Werken aus Museen in ganz Spanien und Südfrankreich in Dialog zueinander und diente als Grundlage für die neue Sonderschau «IBERER», die jetzt im Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig präsentiert wird.

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DIE IBERER. BESTANDSAUFNAHME EINER ZIVILISATION David Asensio Vilaró Universitat de Barcelona/ Universitat Autònoma de Barcelona

«Iberien ist grösstenteils dürftig bewohnt: besteht das Land, das sie bewohnen, doch hauptsächlich aus Gebirgen, Wäldern und Ebenen (...).» Strabon, Erdbeschreibung III, 1, 2 (63 v. Chr. – 23 n. Chr.)

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Einleitung Im Band «Asterix in Spanien» stellen sich die gallischen Krieger Asterix und Obelix der Aufgabe, den jungen Pepe/Pericles, der von den Römern als Geisel genommen wurde, in sein Heimatdorf zurückzubringen. Dieses befindet sich in der Nähe von Munda, einem Ort in der römischen Provinz Hispania Ulterior auf dem iberischen Territorium der Turduli (Córdoba). Nach einer langen Reise, die sie durch verschiedene Städte von Hispania Ulterior führt, erreichen sie ihr Ziel: die Enklave, in der der Vater von Pepe, der iberische Häuptling Costa y Bravo (im französischen Original: «Soupalognon y Crouton»), lebt. Die letzten Seiten des Bandes zeigen Ansichten der iberischen Siedlung, die wie ein kleines, befestigtes Oppidum dargestellt ist, in dessen Innern sich einfache, mit Naturmaterialien errichtete Hütten befinden, ganz ähnlich dem gallischen Dorf von Asterix und Obelix. Dadurch entsteht ein starker Kontrast – hier die römische, fortschrittliche Gesellschaft, die in städtischen Siedlungskernen lebt, und dort die iberischen Gemeinschaften in einfachen Weilern ohne Siedlungsstruktur. Es steht ausser Frage, dass die ausserordentliche Beliebtheit der Comicgeschichten von «Asterix dem Gallier» viel Positives mit sich gebracht hat, insbesondere das daraus resultierende Interesse für die vorrömischen Völker in Europa. Aber man muss auch auf den eher nachteiligen Effekt hinweisen, durch den sich über Generationen bis heute diese Vorstellung einer iberischen Zivilisation verfestigt hat, die wenig entwickelt, ja fast schon primitiv war. In diesem Punkt sind ihre Schöpfer Albert Uderzo und René Goscinny jedoch von jeder Verantwortung freizusprechen. Denn zweifelsohne gaben sie den Kenntnisstand ihrer Zeit und die Art und Weise wieder, in der die meisten Forscher diese prähistorischen Siedlungen interpretiert hatten. Einer der ersten Gelehrten der iberischen Kultur, der deutsche Archäologe Adolf Schulten, rekonstruierte in seinem 1912 in Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft veröffentlichten Artikel «Hispania» ein Panorama, das von autarken Siedlungen mit einer sehr einfachen sozioökonomischen Struktur dominiert war, wobei ihm die Berberstämme des Maghreb als zeitgenössisches Äquivalent dienten. Tatsächlich war eine in Nordafrika begonnene Migrationsbewegung der Ausgangspunkt der iberischen Kultur, wie der katalanische Archäologe Pere Bosch Gimpera in seinem wegweisenden Werk «Etnologia de la Península Ibèrica» (Ethnologie der Iberischen Halbinsel) von 1932 ausführte. Diese Wanderung von Süden nach Norden erreichte um das 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. herum die Region des Empordà (Girona), wo sich bereits griechische Siedlerkontingente in der Enklave Emporion niedergelassen hatten, und ergänzte so die zeitliche und territoriale Konfiguration, die der iberischen Kultur traditionell zugeschrieben wurde: Eine Zivilisation, die sich entlang der gesamten Mittelmeerküste und über einen breiten Binnenstreifen des südlichen und östlichen Drittels der Iberischen Halbinsel erstreckt, deren Entwicklungsgeschichte zwischen dem 6. und 1. Jahrhundert v. Chr. liegt. 25


Abb. 1. Karte des Gebiets der iberischen Dörfer mit Angabe der im Text erwähnten Siedlungskerne. (© David Asensio / Pau Menéndez)



Es handelt sich um ein Volk, das aus zahlreichen ethnischen Gruppen besteht, deren Namen und geografische Verbreitung über historische Quellen an uns weitergegeben wurden (Abb. 1). Die anhaltende Verwendung des Begriffs «Stamm» zur Bezeichnung dieses Mosaiks aus inneren Gemeinschaften verstärkte den Eindruck von einer simplen und wenig entwickelten iberischen Gesellschaft. Diese Vorstellung hielt sich im Wesentlichen bis zu den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, also bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Uderzo und Goscinny ihre erfolgreiche Comicreihe starteten (die 1961 erstmals als Geschichte erschien). Von da an begann eine neue Gruppe von Forschern, die Generation der Nachkriegszeit (J. Caro Baroja, M. Tarradell, J. Maluquer de Motes, D. Fletcher u. a.), die tradierten Überzeugungen infrage zu stellen, was uns zu dem aktuellen Kenntnisstand geführt hat, der uns heute ein völlig anderes und überarbeitetes Bild bietet. Hauptmerkmale der iberischen Zivilisation Zunächst einmal können wir ausdrücklich bestätigen, dass es in Hispania Ulterior kein solches Hüttendorf gab wie jenes, das im Band «Asterix in Spanien» dargestellt ist. Ganz im Gegenteil: Heute wissen wir, dass seit Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Tal des Flusses Guadalquivir praktisch die gesamte Bevölkerung in Siedlungen von eindeutig städtischer Struktur lebte. Bei den meisten handelte es sich um Siedlungskerne mit einer Fläche zwischen 4 und 15 Hektar, von denen über 80 in dem Gebiet entdeckt wurden. Das beste Beispiel ist Puente Tablas (Jaén), eine auf einem Hochplateau gelegene Stadt von 5,5 Hektar Ausdehnung, die ein starkes Verteidigungssystem mit grossen soliden Türmen und ein gleichmässiges Stadtbild aufwies, bestehend aus fünf parallelen Gebäudereihen, die durch lange parallele Strassen getrennt waren (Abb. 2A). Am entgegengesetzten Ende des iberischen Territoriums findet sich ein weiteres grossartiges Zeugnis für das städtische Leben dieser Zivilisation: der Siedlungskern von Ullastret (Baix Empordà, Girona), eine Doppelstadt der Indigeten mit insgesamt mehr als 15 Hektar Fläche, der in diesem Katalog ein besonderer Abschnitt gewidmet ist (siehe Beitrag F. Codina und G. de Prado).

Abb. 2. Luftaufnahme des Oppidums von Puente Tablas (Jaén) (A) und Luftaufnahme des Palastkomplexes der Stadt Bastet (B). (© Instituto de Arqueología Ibérica de la Universitad de Jaén)

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Abb. 3. Stadtplan der Küstenstadt Masies de Sant Miquel, der sich aus der geophysikalischen Untersuchung ergibt (A), und Luftaufnahme des derzeit freigelegten Mauerabschnitts und der Häuserviertel (B). (© Universidad de Barcelona)

Zwar kennen wir Dutzende iberischer Städte ersten Ranges, aber aufgrund der technischen und finanziellen Anforderungen einer solchen Ausgrabung war es nur in sehr wenigen Fällen möglich, einen bedeutenden Teil ihrer Gesamtausdehnung freizulegen. Alle iberischen Städte sind ausnahmslos von soliden Festungen umgeben, fast immer mit ausgeklügelten Vorrichtungen. Sie sind ein guter Beleg für die leistungsstarken Verteidigungsanlagen der beiden eingangs genannten Städte, Puente Tablas im Süden und Ullastret im Norden. Mithilfe moderner Systeme zur Erkennung unterirdischer Strukturen war es möglich, die Anordnung und Planung des Stadtgefüges innerhalb der Mauern zu ermitteln. Die Ergebnisse sind spektakulär, wie die kürzlich in den archäologischen Stätten von L’Illa d’en Reixac (Ullastret, Girona) und Les Masies de Sant Miquel (Banyeres del Penedès, Tarragona) erzielten Resultate zeigen (Abb. 3). Die Rolle der Städte als Wirtschaftszentren wird anhand sehr unterschiedlicher Belege deutlich. Da wäre etwa die Sammlung und Verwaltung von grossen Mengen landwirtschaftlicher Erträge, hauptsächlich Getreide, das in Hunderten in den Fels gehauenen siloartigen Behältnissen lagerte, wie sie zum Beispiel in unmittelbarer Umgebung der laietanischen Stadt Ilduro/Burriac (Cabrera de Mar, Barcelona) zahlreich vorkommen. An diesen Orten war auch das spezialisierte Handwerk wichtig; Hinweise dafür sind die vielen Metallwerkstätten, die in der ilercavonischen Stadt Kum / Castellet de Banyoles (Tivissa, Tarragona) zu finden sind, oder die für die Herstellung von grossen Mengen Mehl vorgesehenen Mahlzonen in der edetanischen Stadt Edeta / Tossal de Sant Miquel (Llíria, València). Eine andere, typisch städtische Eigenschaft ist die Existenz von heiligen Bereichen, wodurch die Städte mit Sicherheit über ihre eigentlichen Grenzen hinaus zu religiösen Bezugszentren wurden. Das hierfür vielleicht repräsentativste Beispiel ist der Tempel von Ilici / L'Alcúdia (Elx, Alacant), die contestanische Stadt, in der die als «Dama de Elche» bekannte Büste gefunden wurde, die zweifelsohne das berühmteste künstlerische Zeugnis der iberischen Welt ist. Die urbanen Heiligtümer befanden sich üblicherweise an einem privilegierten Ort der Stadt, oft an der höchsten Stelle nach Art einer Akropolis, 31


Abb. 4. Heiligtum der iberischen Stadt Castellet de Banyoles. Lage im Stadtgefüge, Plan und hypothetische Wiederherstellung der durchgeführten Zeremonien. (© Universidad de Barcelona)

wie im Fall der Tempel der indigetischen Stadt Ullastret oder dem sakralen Ort der contestanischen Stadt La Serreta (Alcoi, Alacant). Aus beiden Heiligtümern stammen diverse Votivgaben aus Terrakotta, von denen besonders die weiblichen Büsten und Figurinen der contestanischen Fundstätte zu erwähnen sind. Ganz anders und enigmatisch ist das kürzlich ausgegrabene Edificio 10 der ilercavonischen Stadt Kum / Castellet de Banyoles, dessen Struktur und Elemente in ihrer Einzigartigkeit an das Telesterion von Eleusis (Griechenland), Zelebrationsort der berühmten Mysterienkulte, erinnern (Abb. 4). Es ist sehr wahrscheinlich, dass das aussergewöhnliche Ensemble aus silbernem Tafelgeschirr – der «Schatz von Tivissa» – im Zusammenhang mit den Zeremonien stand, die in diesem besonderen Heiligtum abgehalten wurden. Die überwiegende Mehrheit der iberischen Städte besitzt ein weiteres gemeinsames Merkmal, und zwar die dazugehörigen Nekropolen. Diese werden in einem anderen Kapitel dieses Katalogs ausführlich beschrieben (siehe Beitrag M. C. Belarte und M. C. Rovira), weshalb an dieser Stelle nur darauf verwiesen werden soll, wie die Welt der Toten dazu diente, die Welt der Lebenden nachzubilden. Hauptsächlich als Abbild der Wirklichkeit einer Gesellschaft mit ausgeprägten Hierarchien, mit einer führenden Minderheit, die sich spektakuläre Grabmale errichten lassen konnte, die mit aussergewöhnlichen Monumentalskulpturen verziert waren. Hier ist das emblematische turmartige Mausoleum von Pozo Moro (Albacete) hervorzuheben. Der hohe Grad an sozialer und ökonomischer Ungleichheit spiegelte sich auch im urbanen Raum wider. So fanden wir in den Wohngebieten dieser Städte neben einer überwiegenden Anzahl einfacher Häusermodelle (Gebäude mit nur einem Raum auf einer Grundfläche von 25 bis 40 m²) wesentlich grössere und komplexere Gebäude (Häuser mit Innenhof und mehr als fünf Räumlichkeiten auf Grundflächen von über 100 m²), wahre herrschaftliche Residenzen der iberischen Eliten. Für gewöhnlich waren diese aristokratischen Villen in Gruppen angeordnet und von bescheidenen Häuservierteln umgeben. Dies offenbart eine klientelistische Struktur mit einer aristokratischen Spitze aus kleinen Gruppen adliger Familien, die ein Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis zu ausgedehnten Familiengruppen niederen Ranges aufrechterhielten. Diese ausgeprägten Unterschiede in der Grösse und Beschaffenheit der Häuser ist zweifelsohne eines der am häufigsten wiederkehrenden Merkmale des iberischen Städtebaus. 32



Abb. 5. Luftaufnahme und Rekonstruktion der Festung von Puntal dels Llops. (© Servicio de Investigación Prehistórica de la Diputación de Valencia)

An der Spitze der sozialen Pyramide standen die iberischen Fürsten, die die herrschende Klasse der iberischen Gesellschaft bildeten. Wie bereits erwähnt, wurden diese Adligen in exklusiven Gräbern bestattet, die in den städtischen Nekropolen lagen, auf die sich die charakteristische Skulpturenproduktion Iberiens konzentriert. Ebenfalls herausragend ist die Grabkammer 155 der Nekropole der bastetanischen Stadt Basti/ Baza, in der sich die «Dama de Baza» befand, ein Einzelstück, das als Behältnis für die Asche eines weiblichen Mitglieds des örtlichen Adels genutzt wurde. Die in letzter Zeit zunehmenden Ausgrabungen von städtischen Kontexten helfen uns, ein besseres Verständnis ihrer Wohnsituation zu bekommen. Die besten Beispiele iberischer Paläste sind wiederum aus Ullastret und Puente Tablas (Abb. 2B) bekannt, beides Gebäude von beachtlichem Ausmass (zwischen 400 und 800 m²), deren Komplexität den erwähnten Herrenhäusern weit überlegen ist. An dieser Stelle ist zu betonen, dass nicht die gesamte iberische Bevölkerung in städtischen Zentren wie den bisher beschriebenen lebte. Ausschlaggebend ist die Verteilung der für die Herstellung der Grundgüter zuständigen Gruppen, der Bauern und Handwerker, die den mit Abstand grössten Teil der iberischen Gesellschaft bildeten. Alles weist darauf hin, dass in den südlichen Gebieten offensichtlich alle – von Fürsten und hochrangigen Aristokraten bis hin zu den bescheidensten Bauern – zusammen in einem ausgedehnten Netz aus grossen (4 bis 15 Hektar Fläche) oder mittleren Städten (2 bis 4 Hektar Fläche) wohnten. Im Gegensatz dazu sah das Bild in den mittleren und nördlichen Gebieten der iberischen Welt ganz anders aus. So ist für die Territorien der katalanischen Küste die Existenz eines dichten Netzes aus Weilern und Bauernhöfen bekannt, die über die fruchtbarsten Regionen verteilt waren. In den Ebenen des Penedès (Cosetani), von Barcelona (Laietani) und Empordà (Indigeten) konnte eine beträchtliche Anzahl dieser kleinen und fragilen Enklaven ausgegraben werden, die aus einigen wenigen, sehr einfachen Gebäuden bestanden, die als Heim- und Produktionsstätte dienten, daneben ein paar Lagersilos, ohne jegliche Verriegelungs- oder Verteidigungsstruktur. Im contestanischen Gebiet (Alacant) wurden Siedlungen aus der iberischen Blütezeit dokumentiert, die aus Anordnungen von Hütten ähnlich denen der prähistorischen Dörfer bestanden. Sie wurden als temporäre Wohnstätten von Bauern interpretiert, die nach dem landwirtschaftlichen Zyklus einen Teil des Jahres auf den Feldern und den restlichen Teil in den Oppida lebten. Im edetanischen Gebiet (València) formierten sich 34



die Bauern in kleinen Weilern oder befestigten Bauernhöfen von 1000 bis 2000 m² Fläche, von denen der Hof von Castellet de Bernabé (Llíria) der bekannteste ist. Zwischen dieser verstreuten Landbevölkerung und den wenigen städtischen Zentren von über 2 Hektar Fläche wurde eine erhebliche Menge an mittelgrossen Siedlungskernen mit dichter Bevölkerung festgestellt. Es handelt sich um Orte, die anscheinend von der Mittelklasse der iberischen Gesellschaft bewohnt wurden, möglicherweise bestehend aus einer Elite von Bauernkriegern, die produktive Aufgaben und gleichzeitig die Kontrolle über das Territorium ausüben sowie in Konfliktsituationen als Militäreinheiten dienen konnten. Repräsentativ für diese Siedlungskategorie sind die sehr zahlreichen katalanischen Oppida von geringer Grösse (rund 5000 m²), für die das Oppidum des Puig Castellar (Santa Coloma de Gramenet) ein angemessener Vertreter ist, von dessen bevorzugter Lage aus man die heutige Stadt Barcelona überblickt. Oder die noch kleineren edetanischen Festungen von 500 bis 2500 m², für die Puntal dels Llops (Olocau) beispielhaft ist (Abb. 5). Diese drei Basiskategorien von Siedlungen (Städte, Oppida und Bauerndörfer) bilden den zentralen Kern der Struktur der iberischen Besiedlung, decken aber längst nicht alles ab. Das Repertoire an dokumentierten Siedlungsarten beinhaltet Orte mit sehr spezifischen oder speziellen Funktionen. Im iberischen Norden stiessen wir auf archäologische Stätten, in denen sich Hunderte Getreidespeicher befinden, von denen man annimmt, dass sie für die strategische Sammlung von grossen Mengen an überschüssigem Getreide genutzt wurden. In Mas Castellar de Pontós (Girona) scheinen diese Siloanordnungen zu zwei herrschaftlichen Residenzen zu gehören; ein Beleg dafür, dass die örtlichen Eliten für die Aneignung und Verwaltung eines beträchtlichen Teils der landwirtschaftlichen Produktion der ländlichen Bevölkerung in der Region verantwortlich waren. Dies geschah vermutlich auf der Grundlage eines Abgaben- und Tributsystems, das dem zwischen Grundbesitzern und Bauern im mittelalterlichen Europa praktizierten System ähnlich gewesen sein könnte. Es existierten auch kleine Siedlungskerne, in denen ausschliesslich Familien höheren Ranges wohnten, aristokratische Burgen, deren bestes Beispiel der cosetanische Siedlungskern Alorda Park (Calafell, Tarragona) ist. Seine Küstenlage und die dortigen Funde einer sehr grossen Menge an importierten Keramiken lassen vermuten, dass es sich um einen Hafenumschlagplatz handelte, den die örtliche Aristokratie als bevorzugten Treffpunkt mit Händlern des Mittelmeers nutzte. Ähnliche Deutungen gab es bei den einzigartigen contestanischen Orten von L’Illeta dels Banyets (El Campello, Alacant) oder La Picola (Santa Pola, Alacant), bei denen sogar von der tatsächlichen Anwesenheit 36


von punisch-ebusitanischen Händlern im ersten Ort bzw. von phokäischen Griechen im zweiten Ort ausgegangen wird. Die Handelsbeziehungen waren für die örtlichen Eliten von grosser Bedeutung, da sie ihnen ermöglichten, sich mit verschiedenen Prestigegütern auszustatten, darunter in erster Linie feines Tafelgeschirr (wie die begehrten attischen Keramiken mit schwarzfiguriger oder ornamentaler Bemalung). Durch den ihnen vorbehaltenen Gebrauch dieser Waren konnten sie ihre soziale und ökonomische Überlegenheit zur Schau stellen. Das Monopol der Umverteilung des anderen, weniger wertvollen Teils ermöglichte es ihnen, ihre Autorität gegenüber der abhängigen Bevölkerung zu verstärken. Durch den Einsatz von anthropologischen Modellen richtete sich der Fokus in letzter Zeit auf die unterschiedlichen Arten von Gemeinschaftsfeierlichkeiten, die dazu dienten, diese Mechanismen sozialer Kontrolle durchzusetzen. Zu den materiellen Relikten dieser gemeinsamen Bankette (Versammlungsräume und Materialablagerungen mit den Resten des Mahls) liegen uns jetzt erste Erkenntnisse vor.

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Hauptherausforderungen der Forschung Die Tatsache, dass auf ein- und demselben Territorium verschiedene Siedlungsformen mit ihren unterschiedlichen Merkmalen und Funktionen nebeneinander existierten, ist Beleg dafür, dass eine gewisse verwaltungspolitische Struktur vorhanden war. Von einem urbanen Siedlungskern ausgehende aufgegliederte Territorien und diverse abhängige kleinere Ansiedlungen lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um politische Einheiten mit einer Art staatlichen Organisation handelte. Heutzutage können wir bestätigen, dass die verwaltungspolitische Struktur der iberischen Welt dem Stadtstaat-Modell entspricht, vergleichbar mit dem der zeitgenössischen griechischen oder etruskischen Poleis. Es gilt ebenfalls als erwiesen, dass es bei den iberischen Staatsformierungen sehr unterschiedliche Varianten gab. In den Gemeinden der katalanischen Küste konstatierten wir eine Übereinstimmung zwischen dem jeweiligen ethnischen Territorium der Cosetaner, Laietaner und Indigeten und dem dazugehörigen verwaltungspolitischen Gebiet, das Hunderte verschiedene Siedlungen umfasst, die auf ausgedehnten geografischen Gebieten von 2000 bis 3000 verteilt sind. Im Bereich des heutigen valencianischen Landes waren die ethnischen Territorien von Edetanern und Contestanern in verschiedene politische Einheiten untergliedert, die um die wichtigsten städtischen Zentren (Edeta/Llíria, Saigante/Sagunt, Kelin/Caudete, Saitabi/Xàtiva, Serreta d'Alcoi, Alon/Vila-Joiosa oder Ilici / Alcúdia d’Elx) angeordnet waren. Im iberischen Süden konnte jede der grossen Städte für sich genommen eine politische Einheit bilden, wobei in den bastetanischen und oretanischen Gebieten eine Formel zur Grenzziehung anhand sakraler Orte entstand. Dies waren entweder Felsheiligtümer wie Collado de los Jardines und Castellar (Jaén), aus denen die Hunderten kleiner, für diese Kultur repräsentativer Votivgaben aus Bronze stammen, oder spektakuläre Skulpturenmonumente wie El Pajarillo (Huelma, Jaén). Aus den antiken Quellen geht hervor, dass es in diesem Gebiet zum Zusammenschluss von Städten kam, wie die unter der Herrschaft des Fürsten Culchas stehenden 28 Städte oder die von Orisón kontrollierten 12 Städte. Letztlich offenbart das hier dargestellte Panorama die beiden Haupteigenschaften der iberischen Zivilisation: Komplexität und Diversität. Letztere findet sich nicht nur in der Struktur der Besiedlung und in der daraus abgeleiteten verwaltungspolitischen Organisation, sondern in allen Bereichen. So kommt die iberische Monumentalskulptur, die als das beste Beispiel der besonderen Wesensart dieses Volkes gilt, nördlich des contestanischen Territoriums nicht mehr vor. Auch die kurzen Schwerter vom Typ «Falcata», die ebenfalls als repräsentative Gegenstände der iberischen Kultur angesehen wurden, bilden in der Mitte oder im nördlichen Drittel des iberischen Territoriums die Ausnahme, wo wiederum Waffen keltischer Art (die langen Schwerter vom Typ «La Tène») 38


reichlich vertreten sind. Zum anderen wurden Belege ganz unterschiedlicher Art wie die Ansammlungen von Getreidespeichern, die abgetrennten und mit Nägeln durchbohrten, als Trophäen ausgestellten Köpfe oder die Kinderbestattungen unter dem Fussboden der Häuser ausschliesslich in der nördlichen Mitte des iberischen Territoriums dokumentiert. Daraus wird ersichtlich, dass die Rekonstruktion und das Begreifen eines so vielschichtigen Szenarios sowie die Erläuterung seiner Ursachen die grösste Herausforderung sind, vor der die gegenwärtige Forschung steht. Ein andauerndes Ziel bleibt weiterhin die Entzifferung der iberischen Schrift, das letzte Wahrzeichen dieser Zivilisation. Dies ist ein eindeutiger Nachweis von Komplexität, da die Entwicklung von Schrift nur in fortgeschrittenen, urbanen und staatlich geprägten Gesellschaften ihren Sinn hat. Und auch ein Zeichen für Diversität, wie es die Existenz von drei verschiedenen Schriftsystemen (nordostiberisch, südostiberisch und graecoiberisch) beweist. Wenn wir eines Tages in der Lage sein sollten, die über 2200 vorhandenen iberischen Inschriften zu lesen, wird dies für unser Wissen zweifellos ein qualitativer Sprung nach vorne sein. Währenddessen setzen wir unsere Anstrengungen fort, die aus ihren Siedlungen, Nekropolen, Silos, Skulpturen, Keramiken usw. stammenden Daten zusammenzustellen und zu interpretieren, damit die von uns nun konzipierte Ausstellung künftig immer vollständiger und konsistenter wird.

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PHÖNIZIER AUF DER IBERISCHEN HALBINSEL Laurent Gorgerat Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

«Die Phönizier, die im Laufe der Jahre dank des Handels zu grossem Wohlstand gelangten, sandten viele Kolonien aus, einige nach Sizilien und den Nachbarinseln, andere nach Libyen, Sardinien und Iberien.» Diodor, Bibliothek V, 35, 4

«Denn weder Gold noch Silber noch auch Kupfer oder Eisen hat sich bis heute irgendwo in der Welt in solcher Menge und solcher Qualität gefunden.» Strabon, Erdbeschreibung III, 2, 8

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Kontakte am äussersten Rand der bewohnten Welt Es gibt wohl kaum eine Gegend des antiken Mittelmeerraums, in der kulturelle Interaktionen und transmediterraner Austausch einschlägiger verfolgt werden können als auf der Iberischen Halbinsel. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich diese Region in der Auffassung damaliger Betrachter «am äussersten Rande unserer Welt» befand – um es in den Worten des römischen Historikers Velleius Paterculus (I, 2, 3) auszudrücken. Trotz dieser peripheren Lage lassen sich spätestens ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr. importiere Rohstoffe (Elfenbein aus Afrika und dem Vorderen Orient) oder Artefakte wie Speerspitzen oder menschenförmige Statuetten nachweisen, die von direkten oder indirekten Kontakten mit dem östlichen Ende des Mittelmeers zeugen. Somit bildeten die Iberische Halbinsel im Westen und die levantinische Küste im Osten des Mittelmeerraums bereits in der Bronzezeit eine geografische Klammer, in der die Grundlagen für den intensiven Austausch späterer Epochen gelegt werden sollten. Die Hauptfundorte früher exotica scheinen sich vor allem auf den südwestlichen und südöstlichen Küstengegenden konzentriert zu haben, also gerade dort, wo rund 1500 Jahre später die phönizische Expansion ihre westlichen Ausläufer erreichen sollte. Die phönizische Expansion auf der Iberischen Halbinsel Zu den spannendsten Forschungsgebieten der Altertumswissenschaften gehört zweifelsohne die Ausdehnung der Phönizier in den gesamten Mittelmeerraum zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. Entgegen der geläufigen Meinung war diese «Kolonisationsbewegung», die sich vom phönizischen Kernland über Zypern, Kreta, Sizilien, Sardinien, Nordafrika bis zur Iberischen Halbinsel erstreckte, jedoch nicht an territoriale Ansprüche geknüpft, sondern verfolgte in erster Linie wirtschaftliche Interessen. Über die genauen Gründe, die phönizische Stadtstaaten wie Sidon und vor allem Tyros zu diesem Schritt bewegten, wurde bereits viel geschrieben. Nebst dem vordergründigen Erkundungsdrang und der Suche nach neuen Absatzmärkten dürfte in erster Linie das Erschliessen neuer Ressourcen, insbesondere von Metallvorkommen, im Vordergrund gestanden haben. Dies mag damit zusammenhängen, dass das phönizische Kernland arm an derartigen Rohstoffen war und mit der assyrischen Annexion Syriens und der Levante in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. der Druck auf die phönizischen Städte, die zu Tributzahlungen verpflichtet wurden, zunahm, was zwangsläufig auch zu einer vermehrten Auswanderung aus Phönizien und zu einer «Kolonisation» im Westen führte. Die Suche nach neuen Metallquellen scheint tatsächlich eine immense Bedeutung gehabt zu haben, wenn man sich die Lage der phönizischen Niederlassungen auf der Iberischen Halbinsel vergegenwärtigt (Abb. 1). Alle liegen in unmittelbarer Nähe des von Ost nach West verlaufenden sogenannten Pyritgürtels, einer der ergiebigsten metallurgischen Abbaugebiete der antiken Welt. Besonders das Gebiet jenseits der Strasse 41


Abb. 1. Karte der Iberischen Halbinsel mit iberischen Siedlungen sowie phönizischen und griechischen Niederlassungen. (Karte: Laurent Gorgerat)

von Gibraltar scheint das Ziel der phönizischen Expansionsbemühungen gewesen zu sein, wo – wie wir noch sehen werden – die früheste Präsenz von Phöniziern nachgewiesen werden konnte. Lange richtete sich der Fokus der Phönizierforschungen im Westen des Mittelmeers auf die Gründung von genuin phönizischen Siedlungen, allen voran der ältesten unter diesen: Cádiz (phöniz. ʾgadir / griech. Gadeira). Unsere Kenntnisse zur phönizischen Expansion auf der Iberischen Halbinsel haben jedoch dank zahlreichen Ausgrabungen anderer, kleinerer Ortschaften und Materialanalysen in den letzten 50 Jahren sprunghaft zugenommen und dadurch ein differenzierteres Bild dieses Phänomens und seiner 42


zeitlichen Einordnung ermöglicht. Die Präsenz phönizischer Auswanderer lässt sich in drei sich überschneidende Phasen unterteilen. Spätes 10. bis spätes 9. Jahrhundert v. Chr. In den späten 1990er-Jahren lieferten Notgrabungen in der Hafenstadt Huelva an der Atlantikküste die bisher frühesten archäologischen Zeugnisse – Transportamphoren aus Tyros sowie Werkstattabfälle, die auf Elfenbein- und Metallbearbeitung deuten – für eine dauerhafte phönizische Anwesenheit auf der Iberischen Halbinsel. Trotz des hohen Anteils phönizischer Importkeramik bildeten indigene, handgemachte Gefässe den Grossteil der Keramikfunde. Diese Beobachtung erlaubt den Schluss, dass Huelva mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht eine genuin phönizische Neugründung, sondern vielmehr eine Art fremde Enklave oder Quartier innerhalb einer bereits bestehenden einheimischen Siedlung darstellte. Dieses quartier phénicien in der Hafenstadt bildete nicht nur einen wirtschaftlichen Brückenkopf für den Import phönizischer Produkte und eine Ausgangsbasis für den Export von Rohstoffen in Richtung Mutterland, sondern beheimatete auch die für die Phönizier typischen Handwerksbetriebe wie Elfenbein- und Metallwerkstätten sowie Purpurfärbereien. Die phönizische Präsenz in Huelva entsprach also gänzlich der nahöstlichen Tradition der «Faktoreien» und «Handelskontore» in fremden Städten, den sogenannten Kārum. Eine ganz ähnliche Entwicklung lässt sich auf der mediterranen Seite diesseits der Strasse von Gibraltar beobachten, wo in der kleinen einheimischen Siedlung von La Rebanadilla (bei Málaga) ebenfalls eine phönizische Enklave anzunehmen ist. Beiden Siedlungen gemeinsam ist die flussnahe Lage. Während sich Huelva am Zusammenfluss des Odiels und des Río Tinto befindet, lag La Rebanadilla ursprünglich auf einer Flussinsel des Guadalhorce. Damit war eine direkte Verbindung zum ressourcenreichen Hinterland gewährleistet. Spätes 9. bis 7. Jahrhundert v. Chr. Auf den Erfolg dieser ersten «Faktoreien» aufbauend setzte um die Wende vom 9. zum 8. Jahrhundert v. Chr. ein regelrechter Kolonisationsprozess ein, der innerhalb von knapp 100 Jahren sowohl an der atlantischen wie auch an der mediterranen Küste eine Vielzahl phönizischer Niederlassungen entstehen liess. Die Phönizier suchten sich für die Anlage ihrer Neugründungen Orte mit besonderen geografischen Merkmalen aus. Vorgelagerte Inseln, Halbinseln oder geschützte Buchten boten ideale Hafenplätze, durch nahe gelegene Flüsse konnten nicht nur die Erzlagerstätten des Hinterlands, sondern auch landwirtschaftlich nutzbare Gebiete erschlossen werden. Die wohl bekannteste und zugleich grösste phönizische Gründung bildete Cádiz. Die Stadt wurde um die Wende vom 9. zum 8. Jahrhundert v. Chr. auf einer lang gestreckten Halbinsel im Ästuar des Río Guadalete von Auswanderern aus Tyros errichtet und bildete das Zentrum des phönizischen Einflussgebiets auf der Iberischen Halbinsel. Die meisten 43


Abb. 2. Rekonstruktionszeichnung der phönizischen Handelsniederlassung von Toscanos an der Mündung des Vélez nahe Torre del Mar (Málaga). (© José Emilio Toro, MVVEL Museo de Vélez-Málaga)

phönizischen Neugründungen waren jedoch kleinere Siedlungen, wie Cerro del Villars, Morro de Mezquitilla oder Toscanos (Abb. 2), die sich einer Perlenkette ähnelnd an den südwestlichen und südöstlichen Küsten der Iberischen Halbinsel aneinanderreihten. Sie bildeten, wie die früheren Enklaven, einerseits Zwischenstationen auf dem Seehandel zwischen Ost und West, produzierten aber andererseits dank einer entsprechenden Infrastruktur, wie beispielsweise Töpfereien, Metallwerkstätten oder Fischereien, auch eigene Produkte in erheblichem Masse (Abb. 3). Die explosionsartige Entwicklung dieser Niederlassung zeugt vom Erfolg dieses Vorhabens. Ihr Gedeihen wäre indes ohne den Austausch mit der einheimischen Bevölkerung unmöglich gewesen. Die weiter im Landesinnern gelegenen indigenen Siedlungen dienten einerseits als Zulieferer wichtiger Rohstoffe wie Metallerze, Holz und landwirtschaftliche Produkte, bildeten andererseits einen ebenso wichtigen Absatzmarkt für phönizische Erzeugnisse wie Tafelgeschirr 44


und Grobkeramik oder prunkvolle Goldschmiede- und Elfenbeinarbeiten. Durch diesen regen Austausch gelangten aber nicht nur materielle, aus dem Osten stammende Produkte auf die Iberische Halbinsel, sondern auch technologische Errungenschaften wie die schnell rotierende Töpferscheibe, das Verfahren der Kupellation – einer metallurgischen Technik, bei der mittels Blei Edelmetalle von Verunreinigungen befreit werden können – oder die Technologie der Glasproduktion (Abb. 4), die hier bis anhin unbekannt waren. Auch das phönizische Alphabet, das die Grundlage der iberischen Schrift(en) bildete, erreichte auf diesem Weg die Iberische Halbinsel (siehe Beitrag J. Ferrer i Jané). Dieser fruchtbare Austausch zwischen indigenen Bevölkerungsschichten mit ihren eigenen Traditionen und den fremden Einwanderern mit ihren technologischen Innovationen führte im Verlauf des 8. und vor allem im 7. Jahrhundert zur Entstehung einer hybriden materiellen Kultur, die wir – in Anlehnung an das in den späteren griechischen Schriftquellen erwähnte «Königreich Tartessos» – als tartessisch bezeichnen.

Abb. 3. Urne des sogenannten Cruz-del-NegroTyps (7. Jahrhundert v. Chr.). Solche Gefässe wurden in den Töpferwerkstätten der phönizischen Niederlassungen auf der Iberischen Halbinsel hergestellt und fanden in den Nekropolen als Urnen Verwendung. (© Museu d’Història de Sabadell)

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Zahlreiche Niederlassungen an der andalusischen Küste bezeugen im 7. Jahrhundert v. Chr. die wirtschaftliche Blüte der phönizischen Expansion im westlichen Mittlermeerraum. Dies äusserst sich sowohl im Ausbau einzelner Siedlungen zu grösseren urbanen Strukturen als auch in der Aufgabe kleiner Niederlassungen zugunsten dieser florierenden Zentren. Motor dieser Blütezeit war der Fernhandel, in den sich die phönizischen Niederlassungen bestens zu integrieren wussten. Die Stadt Tyros, die zu Beginn der phönizischen Expansion im Mittelmeerraum als treibende Kraft bezeichnet werden kann, spielte auch noch im 7. Jahrhundert eine entscheidende Rolle im internationalen Handel und hatte mir ihrer Tochterstadt Cádiz einen wichtigen Ableger auf der Iberischen Halbinsel. Der wirtschaftliche Erfolg des phönizischen Modells, das sowohl auf den internationalen Handel als auch auf den Ausbau einer lokalen Produktionswirtschaft setzte, zog vermehrt indigene Bevölkerungskreise an und trug so zum demografischen Aufschwung bei. 6. Jahrhundert v. Chr. War das 7. Jahrhundert v. Chr. noch Synonym für Blüte, so scheint sich die Situation zu Beginn des 6. Jahrhunderts alsbald grundlegend verändert zu haben. Zahlreiche Gründungen des 8. Jahrhunderts v. Chr. wurden nun erstmals mit Verteidigungsmauern versehen, was auf eine veränderte sicherheitspolitische Lage hindeutet. Einzelne Niederlassungen wurden sogar aufgegeben. Generell lässt sich auch ein Rückgang des Handels feststellen, der vermutlich zum allmählichen Verschwinden der tartessischen Kultur beitrug. In der Levante sorgten die Belagerung der Stadt Tyros durch den neubabylonischen König Nebukadnezar und deren Eroberung 573 v. Chr. dafür, dass Tyros’ Einfluss auf den Fernhandel und somit auch auf die phönizischen Niederlassungen im Westen zurückging. Die Zeit des 6. Jahrhunderts v. Chr. markiert so auch den Übergang der phönizischen zur punischen Domination im Süden der Halbinsel unter der Ägide der bereits um 814/813 v. Chr. in Nordafrika gegründeten Stadt Karthago (siehe Beitrag Chr. Schneider). Auch wenn Karthagos politische Macht die Iberische Halbinsel erst mit dem Zweiten Punischen Krieg gegen Rom (218–202 v. Chr.) erreichen sollte, so spielte die punische Stadt dort bereits ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Abb. 4. Anhänger aus Glaspaste in Form eines bärtigen Kopfes (4. Jahrhundert v. Chr.). Mit der phönizischen Expansion gelangten bisher unbekannte Technologien auf die Iberische Halbinsel. (© Museu d’Arqueologia de Catalunya)

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SPRACHE UND SCHRIFT DER IBERER Joan Ferrer i Jané Universitat de Barcelona

«Die Iberer bedienen sich der Schreibkunst, jedoch nicht in einer Form. Sie sprechen ja auch nicht nur eine Sprache.» Strabon, Erdbeschreibung III, 1, 6 (63 v. Chr. – 23 n. Chr.)

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Die iberische Sprache wurde neben anderen Sprachen in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. auf der Iberischen Halbinsel gesprochen (Abb. 1), wobei ihre frühesten Schriftzeugnisse aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. stammen. In der Römerzeit verschwand sie als Schriftsprache bereits Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr., in den folgenden Jahrhunderten auch als gesprochene Sprache. Die Abgrenzung der iberischen Sprache zu den benachbarten Sprachen Gallisch, Baskisch-Aquitanisch, Keltiberisch und Turdetanisch ist nicht eindeutig – es gibt vielmehr Überlappungen von Sprachräumen und Gebiete ohne hinreichende Daten. Obwohl man anstrebte, dass sie in einigen iberischen Regionen ihre Rolle als Volkssprache ablegen und dort nur als Verkehrssprache für den Handel dienen sollte, belegen jüngste Forschungen, dass die iberische Sprache in allen Regionen, in denen sie dokumentiert ist, eine der Volkssprache vergleichbare Stellung innehatte. So wurde sie für private Inschriften beispielsweise bei religiösen Anlässen und Begräbnissen verwendet, und es ist erwiesen, dass ihr Einfluss auf die alten Ortsnamen im gesamten Territorium gleichermassen ausgeprägt war. Als hauptsächliche Informationsquelle zur Erforschung dieser Sprache dienen die über 2500 Inschriften, die auf verschiedenen Objekten entdeckt wurden: Tafelgeschirr aus Keramik, Amphoren, Dolia, steinerne Stelen, Höhleninschriften, Bleitäfelchen, Spinnwirtel, Bronze- und Silbermünzen etc. Längere Inschriften wurden normalerweise auf Bleitäfelchen angefertigt, von denen bereits mehr als einhundert bekannt sind; eines davon befindet sich im Besitz der Fundaciò CIRNE des Museu de Xàbia (Alicante) (Abb. 5). Bei den meisten Inschriften handelt es sich jedoch um sehr kurze Texte auf Keramik, wobei der Krug aus La Joncosa (Barcelona) (Abb. 4) eine Ausnahme bildet. Bei der überwiegenden Mehrheit der Inschriften, ungefähr 2200, wurde die nordostiberische Schrift verwendet, die drei Hauptvarianten hat (Abb. 2): Die duale Standardvariante (35 %), die für die ältesten Inschriften aus dem 5. bis 3. Jahrhundert v. Chr. charakteristisch ist, die erweiterte duale Variante (5 %), die für die Gegend um Llíria (Valencia) in der antiken Chronologie kennzeichnend ist, und die nicht duale Variante (60 %) der jüngsten Zeit aus dem 2. bis 1. Jahrhundert v. Chr. Die ersten beiden Varianten werden als dual bezeichnet, weil einige Zeichen um einen Strich ergänzt wurden, um zwei ähnliche phonetische Werte darzustellen.

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Abb. 1. Die iberische Sprache und die benachbarten Sprachen. (© Joan Ferrer i Jané)

Darüber hinaus sind ungefähr einhundert Inschriften in südostiberischer und graecoiberischer Schrift bekannt (Abb. 2). Erstere unterscheidet sich von der nordostiberischen Schrift und hat vielleicht einen sechsten Vokal, teilt sich mit ihr aber einen gemeinsamen Ursprung und einige Werte. Wohingegen die zweite eine sehr vereinfachte Adaption der griechisch-ionischen Schrift ist, jedoch unter Hinzunahme eines zweiten Vibranten, indem der Buchstabe ro mit einem Diakritikum markiert wurde. Hinsichtlich des Ursprungs der iberischen Schrift ist man der einhelligen Meinung, dass die paläohispanischen Schriften einen gemeinsamen Vorgänger haben, was der Grund 50


dafür ist, dass bei allen sowohl das Zeichensystem sehr ähnlich ist als auch alphabetische und syllabische Zeichen nebeneinander existieren. Ein anderer unstrittiger Punkt ist, dass diese paläohispanische Urschrift letztlich aus der phönizischen Schrift hervorgegangen ist. Obwohl die traditionellen Modelle die nordostiberische Schrift aus der südostiberischen Schrift ableiten, ordnen die neuesten Forschungen diese Schriften genealogischen Zweigen mit unterschiedlichen Vorfahren zu, die letztlich aus der paläohispanischen Urschrift hervorgegangen sind. Dieser gemeinsame Vorfahre wäre vermutlich auch die Erklärung für die Existenz von dualen Schriften in beiden Familien (Abb. 3). Die iberischen Inschriften können transkribiert werden, da der Wert der Zeichen bekannt ist, aber sie lassen sich nicht übersetzen, da wir über keine Sprache verfügen, die ihnen so nahe kommt, dass wir die Bedeutung ihrer Wörter ergründen können. Eine Ausnahme bildet in gewisser Weise vielleicht die baskische Sprache, wie im Folgenden noch erklärt wird. Trotzdem ist es möglich, durch interne Analyse der Inschriften, Aufzeigen von wiederkehrenden Mustern und mithilfe der zeitgenössischen epigrafischen Parallelen die Bedeutung der kürzesten Inschriften zu verstehen. So lassen sich anhand der Parallelen zum Lateinischen viele Personennamen entziffern, die üblicherweise aus zwei Elementen gebildet werden: tigir-sakaŕ, sakaŕ-iskeŕ, iskeŕ-adin usw. Durch die Münzen und antiken Quellen sind viele Ortsnamen bekannt: ildiŕda, baitolo, baŕkeno, taŕako, ilduro usw. Auch werden einige Substantive erkannt, die sich fast immer auf demselben Gegenstand wiederholen und ihn darstellen könnten: baikar auf kleinen Gefässen, kaśtaum auf Spinnwirteln, seltar auf Gräbern und śalir auf Silbermünzen. Man ist sich einig, dass ildiŕ und ildur, die Teile von Orts- und Personennamen sind, mit dem Begriff «Stadt» zu tun haben. Es wurden sogar einige iberische Alphabete und ihre charakteristische Sequenz identifiziert: kutukiŕbitatiko. Des Weiteren sind einige Verbformen (eŕoke) bekannt, die häufig auf den Bleitäfelchen vorkommen. Und vermutlich kennen wir das Äquivalent des lateinischen fecit (egiar), das für die Herstellungsmarken typisch ist. Aufgrund einer zweisprachigen Inschrift aus Tarragona wird es für plausibel erachtet, dass aŕe take dem lateinischen hic situs est (hier befindet sich) entspricht. Möglicherweise wurde auch das Äquivalent des lateinischen filius (eban) identifiziert, obwohl es auch die Entsprechung des lateinischen coeravit sein könnte. Einige der längeren Texte auf Bleitäfelchen, vermutlich Briefe, beginnen häufig mit der Grussformel neitin iunstir, bei der die Zusammensetzung aus einer Gottheit, neitin, und einem Verbelement, iunstir, nachvollziehbar ist. 51


Abb. 2. Zur Darstellung der iberischen Schrift verwendete Schriftsysteme: nordostiberische duale Standardvariante, nordostiberische erweiterte duale Variante, nordostiberische nicht duale Variante, südostiberische Schrift und graeco-iberische Schrift. (© Joan Ferrer i Jané)

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Abb. 3. Verbreitungsmodell der paläohispanischen Schriften und genealogisches Modell. (© Joan Ferrer i Jané)

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Abb. 4. Krug aus La Joncosa (Barcelona) mit nordostiberischer nicht dualer Schrift. Einer der längsten Texte mit über 350 Zeichen. (© Joan Ferrer i Jané)

Das iberische Pantheon war bis vor Kurzem fast leer, da die antiken Quellen nur Neton, vermutlich neitin, erwähnen, und von den lateinischen Votivinschriften waren uns nur vier Namen überliefert: Sertundo, Betatun, Salagin und Salaeco. Kürzlich hat sich die Situation jedoch geändert, da anhand der auf Felsen gefundenen Votivinschriften, insbesondere im Pyrenäengebiet von Cerdanya, von zahlreichen möglichen neuen Gottheiten ausgegangen werden kann, deren Bezeichnungen bestimmte formelle Ähnlichkeiten aufweisen wie beispielsweise die Endung auf -al: urdal, baśkal, tikanal und okal. Andere Götter haben diese Endung jedoch nicht, wie balkar, garde, artiunan, teleuś, śauś und egeŕśor. Einer der grössten Fortschritte in der Erforschung der iberischen Sprache der letzten Jahre ist die Identifizierung des Zahlensystems (Abb. 6), das eindeutige Übereinstimmungen mit den baskischen Zahlwörtern aufweist. Sie sind ebenfalls adäquat kombiniert und stehen in sinnvollen Kontexten. Darüber hinaus kann anhand der Wertangaben auf den Münzen die Hypothese für die Werte Hälfte (erder), Einheit (ban) und Sechs (śei) als erwiesen gelten, da sie auf den Münzen von gleichem Wert aufgeführt sind: et(a)-erder auf den Halben, eta-ban auf den Einheiten und śe(i)ŕkir auf den Sechsern. Auch der Gebrauch von ogei (20) als Mengenangabe für ein Dolium mit ähnlichen Massen wie die lateinischen Dolia mit 20-Amphoren-Angabe sowie der Gebrauch von abaŕ für ein Gewicht von 420 g, bei dem es sich um das Zehnfache des iberischen Referenzgewichts von 42 g handeln könnte, scheinen die Werte dieser Elemente zu bestätigen. Diese Hypothese legt die Identifizierung der folgenden Elemente als Zahlwörter nahe: erder (1/2 – erdi), ban (1 – bat), bi oder bin (2 – bi), irur (3 – hirur), laur (4 – lau oder laur), bors oder borste (5 – bortz oder bost), śei (6 – sei), sisbi (7 – zazpi), sorse (8 – zortzi), tor (9?), abaŕ (10 – hamar) und oŕkei oder ogei (20 – hogei). Das einzige baskische Zahlwort ohne eindeutiges iberisches Äquivalent wäre die 9, bederatzi. Bezüglich der Kombinationsregeln verweist das Modell auf ein System mit zwei Basiswerten: abaŕ mit einem angenommenen Wert 10 und oŕkei mit einem angenommenen Wert 20, die zusammen das Element mit einem Wert 30, oŕkeiabaŕ, bilden würden. Für die Zahlwörter von 11 bis 39 würden die Basiswerte mit den Fraktionen kombiniert, die die Werte 1 bis 9 darstellen, mit der Besonderheit eines optionalen 55


Abb. 5. Bleitafel der Stiftung CIRNE (Museu de Xàbia, Alacant) mit nordostiberischer dualer Standardschrift. (© Fundació CIRNE)

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Verbindungspartikels ge: oŕkeibaŕbán (31), abaŕkebi (12), oŕkeirur (23), oŕkeikelaur (24), abaŕgeborste (15) und abaŕśei (16). Die vorstehende Überlegung zu den Zahlwörtern wird indirekt auch dadurch bestätigt, dass erst im Zusammenhang mit diesem Vorschlag überprüft wurde, dass die iberischen symbolischen Zahlwörter ebenfalls einem Vigesimalsystem folgen: S (20), L (10), Π (5), I (1). Die repräsentativste Gruppe iberischer symbolischer Zahlwörter ist die der Tituli picti auf italischen Amphoren aus Vieille-Toulouse (Haute Garonne, Frankreich), die jedoch vermutlich in Emporion (Girona) hergestellt wurden. Auf diesen Amphoren sind messtechnische Angaben aufgemalt, z. B. ko SSSLΠ ti IIII, womit zweierlei beziffert wird: die Anzahl der Amphoren der Charge (75 ko) und das Alter des Weins (4 ti). Das Zeichen ti ist vermutlich der Anfang von tieike, das dem lateinischen annorum entsprechen könnte, da es auf mindestens zwei iberischen Grabstelen auch vor dem Alter des Verstorbenen steht. Die Tatsache, dass diese Amphoren gealterten Wein enthalten, stützt die Deutung des auf einigen von ihnen vermerkten iberischen Elements sakaŕ als Entsprechung für das lateinische vetus, womit die traditionelle Hypothese bestätigt wird, die sakaŕ mit dem vaskonischen sahar und dem baskischen zahar (= «alt») in Zusammenhang setzt. Die Ähnlichkeit zwischen den iberischen und den baskischen Zahlwörtern kann dadurch bedingt sein, dass eine Entlehnung untereinander stattgefunden hat, was ein sehr seltener Umstand in Bezug auf das gesamte System ist, oder auch dadurch, dass beide Sprachen einen gemeinsamen Vorfahren haben, was am wahrscheinlichsten ist. In jedem Fall könnte die genetische Verbindung, sollte sie nachgewiesen werden, so weit auseinanderliegen, dass sie für die Übersetzung der Texte nicht nützlich ist, zumal die ältesten bekannten baskischen Texte aus dem 16. Jahrhundert stammen. Diese Situation könnte sich mittelfristig ändern, und zwar durch den Fund einer Inschrift in vaskonischer Sprache, die ein erwiesenes Mitglied der heutigen baskischen Sprachfamilie ist. Daraus resultiert die Hoffnung, dass wir in wenigen Jahren über eine signifikante Reihe von Texten verfügen könnten, durch die der Vergleich zeitgenössischer Texte in vaskonischer und iberischer Sprache möglich ist und überprüft werden kann, welche Beziehungen zwischen ihnen und zum heutigen Baskisch bestanden. Es handelt sich um eine Bronzetafel in Form einer rechten Hand, die eine Inschrift in einer lokalen Adaption der iberischen Schrift trägt, aufgefunden in einem Kontext des 1. Jahrhunderts v. Chr. in Irulegi (Aranguren, Navarra).

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Als abschliessende Überlegung soll hier angemerkt werden, dass es sich trotz der scheinbaren Einheit der iberischen Sprache wahrscheinlich um ein Dialektkontinuum mit kleinen Variationen in angrenzenden Territorien, die in den weiter entfernten Dialekten bedeutsam sein könnten, handelt, das im Nordwesten eine Verbindung mit dem Dialektkontinuum des baskisch-aquitanischen Gebiets eingegangen sein könnte.

Abb. 6. Iberisches Zahlensystem. Basistabelle und grafische Kombinatorik. (© Joan Ferrer i Jané)

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DIE IBERISCHE STADT ULLASTRET UND IHRE VIRTUELLE REKONSTRUKTION Ferran Codina Serveis Territorials del Departament de Cultura – Girona Gabriel de Prado Museu d’Arqueologia de Catalunya – Ullastret

«Von den Pyrenäen selber ist die iberische Seite reich bewaldet mit Bäumen aller möglichen Arten, auch immergrünen, die keltische dagegen immer kahl. Dazwischen liegen Täler, die sich gut bewohnen lassen.» Strabon, Erdbeschreibung III, 4, 11 (63 v. Chr. – 23 n. Chr.)

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Die iberische Stadt Ullastret, die vom 6. bis 2. Jahrhundert v. Chr. bewohnt war, befindet sich im hohen Nordosten der Iberischen Halbinsel in einem Gebiet, in dem es ausgedehnte Beziehungen in Handel und/oder Kultur zu punischen Phöniziern, Etruskern und vor allem Griechen gab. Sie ist eine der bedeutendsten archäologischen Anlagen der Eisenzeit des westlichen Mittelmeerraums. Ihre wissenschaftliche Entdeckung datiert aus dem Jahr 1931, und seit 1947 wurden ununterbrochen archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Aufgrund dieser Arbeiten und der durchgeführten multidisziplinären Forschung verfügen wir heutzutage über umfassende Kenntnisse ihrer urbanen und defensiven Strukturen sowie der stadtnahen und ländlichen Besiedelung in ihrer Umgebung. Dieser Ballungsraum kann in seinem Kontext als Doppelstadt betrachtet werden, die aus zwei grossen Besiedlungskernen bestand: dem Puig de Sant Andreu auf einem Hügel von etwas über 50 m Höhe und der Illa d’en Reixac auf einer Insel in Form einer kleinen Landzunge inmitten eines Sees, der beide Siedlungen voneinander trennte (Abb. 1). Dieser im 19. Jahrhundert ausgetrocknete See war sehr wahrscheinlich durch eine Lagunengruppe mit dem Meer verbunden, wodurch man in der Lage war, in Schiffen mit geringem Tiefgang und flachem Boden von der Küste bis zur Stadt zu navigieren. Beide Siedlungskerne nahmen ab der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. innerhalb der Mauern eine Fläche von 15 Hektar ein, mit einer hohen Besiedlungsdichte von möglicherweise über 6000 Einwohnern. Insgesamt bildete sie aller Wahrscheinlichkeit nach die Hauptstadt des iberischen Volkes der Indigeten, eines der von griechisch-römischen Autoren wie Strabon, Plinius oder Avienus zitierten Völker mit Verweis auf dieses Territorium im Nordosten der Halbinsel, das heute zur Verwaltungseinheit von Girona (Katalonien) gehört. Eines der herausragendsten Elemente dieser Stadt ist das komplexe Verteidigungssystem, das beide Siedlungskerne schützte. Im Falle des Puig de Sant Andreu wurde eine Mauer dokumentiert, die von zwei kegelstumpfförmigen, in gleichmässigen Abständen angeordneten Türmen flankiert wurde und ein erstes Gelände umgrenzte, das aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. datiert. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurde die Siedlung erheblich vergrössert, mit umfassenden Umbau- und Erweiterungsarbeiten der umlaufenden Maueranlage (Abb. 2). Zudem ermöglichten kürzliche Untersuchungen basierend auf systemübergreifenden geophysikalischen Prospektionen sowie archäologischen Ausgrabungen die teilweise Dokumentation eines gewaltigen Verteidigungsgrabens, der an der Westseite des Hügels, der schwächsten Stelle, in den Felsen gehauen war. Bei der Illa d’en Reixac, die eine viel kleinere Ausgrabungsfläche hat, fanden sich Belege für die Existenz einer starken Mauer an verschiedenen 61


Abb. 1. a) Lageplan von Ullastret im Kontext des westlichen Mittelmeerraums und im Nordosten der Iberischen Halbinsel. (© H. Bohbot ASM-CNRS) b) Luftaufnahme der beiden Siedlungen, die die iberische Stadt Ullastret bildeten: Puig de Sant Andreu und Illa d’en Reixac. (© Museu d’Arqueologia de Catalunya)

Punkten des bewohnten Umkreises. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass höchstwahrscheinlich die gesamte Siedlung von einer Mauer umgeben war. Die urbane Struktur des Puig de Sant Andreu sollte sich an die Topografie des Hügels anpassen, wofür auf verschiedenen Ebenen aufeinanderfolgende Terrassen angelegt wurden, um die Siedlung mehr oder weniger rational aufzuteilen und Bewegungsfreiheit in ihrem Innern zu schaffen. Auf der Illa d’en Reixac wiederum ist das Gefälle sehr gering, wodurch ein Stadtbild angelegt werden konnte, das wir als pseudo-regelmässig definieren könnten und das durch eine in ihrer Mitte in nordsüdlicher Richtung verlaufende Strasse strukturiert ist. Von dieser Hauptstrasse gingen Querstrassen ab, die gleichmässig angeordnet waren und einer genormten Staffelung folgten, um die verschiedenen Häuserblocks und -inseln einzugrenzen, die das Habitat bildeten. In Bezug 62


auf die Gebäudearten wurden in beiden Siedlungen hauptsächlich aus einem Raum bestehende Wohnhäuser von bescheidenem Ausmass festgestellt, die in einigen Fällen ein Obergeschoss hatten. Es wurden aber auch opulente Häuser dokumentiert, die um zentrale oder asymmetrische grosse Innenhöfe angeordnet waren. Aufgrund ihrer Abmessungen und baulichen Eigenschaften ist davon auszugehen, dass sie der herrschenden aristokratischen Klasse gehörten (Abb. 3). Im oberen Teil des Puig de Sant Andreu wurde ein heiliges Areal entdeckt, in dem Überreste von zwei Tempeln zum Vorschein kamen, die einen rechteckigen Grundriss mit einem Vorraum mit Arkaden und einer Cella aufweisen, ein Baustil, der deutlich vom Hellenismus inspiriert war. Es wurden zahlreiche zum Dach gehörende, mit Gesims und Reliefmotiven verzierte, teilweise mit polychromen Resten versehene Steinfragmente gefunden, die Gegenstand kürzlicher Untersuchungen waren. Obwohl ihr Widmungszweck noch nicht eindeutig bestimmt werden konnte, scheint es unstrittig, dass es sich um Bauten handelt, die Teil eines kommunalen oder öffentlichen Heiligtums waren.

Abb. 2. Ausschnitt eines Abschnitts der Mauer aus dem 4. Jh. v. Chr. des Puig de Sant Andreu. (© J. Casanova. Museu d’Arqueologia de Catalunya)

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Abb. 3. Ansicht eines der im Puig de Sant Andreu dokumentierten Gebäude aristokratischer Bauart. (© Aerimatge. Museu d’Arqueologia de Catalunya)

Neben den Siedlungen ist die Existenz einer Nekropole in der näheren Umgebung zu erwähnen, die sich auf der Landzunge des Puig de Serra (Serra de Daró) befand und der Brandbestattung diente, eine unter den Iberern weitverbreitete Bestattungsform. Die Nekropole wurde Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. errichtet und die letzten Bestattungen datieren aus dem letzten Viertel des 4. Jahrhunderts v. Chr. Aufgrund der geringen Anzahl dokumentierter Gräber, die einen minimalen Anteil der während der Nutzungsperiode existierenden Gesamtbevölkerung ausmachen, ist anzunehmen, dass in der Nekropole nur die Überreste der zu den Eliten gehörenden Personen bestattet wurden, um das Gedenken an diese bewahren zu können. 64


Abb. 4. Teil der virtuellen Rekonstruktion der Illa d’en Reixac und ihrer Lagunenumgebung, mit dem Puig de Sant Andreu im Hintergrund. (© Museu d’Arqueologia de Catalunya – Programa Patrimoni en Acció)

Im Jahr 2015 ergab sich die Möglichkeit, ein Projekt zur virtuellen Rekonstruktion der gesamten archäologischen Stätte durchzuführen, anhand der soliden Basis von insbesondere in den letzten Jahrzehnten gesammelten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ausserdem konnte man sich für dieses Vorhaben die erheblichen Fortschritte zunutze machen, die bei der Untersuchung und Erforschung der iberischen Zivilisation erzielt worden waren und die in sehr zusammengefasster Form in der Ausstellung «El Enigma íbero» und nun in ihrer Fortsetzung «IBERER» wiedergegeben sind. Für die Durchführung des Projekts wurde ein multidisziplinäres Team zusammengestellt unter der Leitung des Museu d’Arqueologia de Catalunya und mit der technischen Unterstützung der Agència Catalana del Patrimoni Cultural. Eine grosse Anzahl an Spezialist:innen verschiedener Bereiche und Themen haben mitgewirkt, um mit höchster 65


Genauigkeit und Detailtreue die zahlreichen Aspekte zu bestimmen, die bei der äusserst sorgfältigen Anfertigung dieser Rekonstruktion zu berücksichtigen waren. Die Rekonstruktion basiert auf einem konkreten Zeitpunkt in der Geschichte der Stadt um 250 v. Chr. herum, den wissenschaftlich am besten erforschten Zeitraum, wodurch eine grösstmögliche Annäherung an die Wirklichkeit gegeben ist. Zwar wäre es interessant gewesen, die zeitliche Abfolge so zu gestalten, dass vorherige Phasen mit einbezogen worden wären, jedoch sind diese nur bruchstückhaft bekannt. Eine Bestimmung von für die virtuelle Wiederherstellung grundlegenden Aspekten, wie der urbanen Struktur der Siedlungen, wäre sehr kompliziert gewesen. Nach Abschluss der Vorbereitungsphase mit Zusammenstellung der historisch-archäologischen Informationen begann der grafische Arbeitsprozess mit Festlegung der geomorphologischen Struktur der Siedlungen, der Nekropole und der umgebenden Landschaften. Auf dieser Grundlage wurde der Umriss des früheren, heute ausgetrockneten Sees angelegt und die in der damaligen Zeit vorhandene Vegetation, das Wegenetz und die Ackerflächen hinzugefügt. Anschliessend wurde das Stadtgefüge ausgearbeitet, wobei die Bauteile nachgebildet wurden, aus denen sich die in der Stadt dokumentierten verschiedenen Gebäudearten zusammensetzten (Abb. 4). Zum Schluss wurden Einrichtungsgegenstände der Gebäude sowie andere Artefakte mit aufgenommen, wobei man sich an den bei den Ausgrabungen gefundenen und in den Depots des Museums konservierten Materialien orientierte. Anhand vergleichender Untersuchungen wurden ebenfalls Elemente rekonstruiert, von denen es aufgrund ihrer organischen Beschaffenheit zwar keine archäologischen Funde, jedoch indirekte Hinweise gibt, die Rückschlüsse auf ihre Existenz zulassen. In technischer Hinsicht wurden für die abschliessende Visualisierung der Rekonstruktion nicht die in der Architektur oder Archäologie üblichen Programme verwendet. Die Wahl fiel in diesem Fall auf die virtuelle 3-D-Rekonstruktion mithilfe von Unreal Engine 4, einem leistungsstarken Tool zur Entwicklung von Videospielen und virtuellen Anwendungen, das sich durch sein grosses Potenzial zur Schaffung von Landschaftsumgebungen und seine fotorealistische grafische Qualität auszeichnet. Ausserdem lassen sich damit einfach Projekte exportieren und an immersive Umgebungen anpassen, beispielsweise zur Erstellung von 360º-Videos oder Multiscreen-Projektionen, wobei auch die Umwandlung zwecks Visualisierung mittels Virtual-Reality-Brillen machbar ist. Ausgehend von der Modellierung und virtuellen Rekonstruktion wurde eine audiovisuelle Produktion angefertigt, die direkt am Standort Ullastret des Museu d’Arqueologia 66


Abb. 5. Immersiver Raum im Standort Ullastret des Museu d’Arqueologia de Catalunya. (© Museu d’Arqueologia de Catalunya)

de Catalunya in einem immersiven Multiscreen-Raum für kleine Gruppen gezeigt wird (Abb. 5). Dieser vom Konzept CAVE (Cave Automatic Virtual Environnement) inspirierte Raum wurde auch für diese Ausstellung nachgebaut. Anhand dieser audiovisuellen Produktion können die Zuschauer eine traumgleiche Reise durch die Strassen und Häuser der iberischen Stadt erleben, in Form einer Geschichte, die von einem Mitglied einer aristokratischen Familie erzählt wird, das sich an dramatische Momente seines Lebens in der Stadt erinnert. Letztendlich bestand das Hauptziel des Projekts darin, mit der virtuellen Rekonstruktion ein Modell zu schaffen, auf dessen Grundlage sich Werkzeuge erstellen lassen, die zum Verständnis, zur Verbreitung und zur pädagogischen Nutzung der archäologischen Fundstätte Ullastret direkt vor Ort, aber auch an anderer Stelle beitragen. Darüber hinaus gibt es weitere Ziele und neue Ergebnisse, die gleichermassen wichtig sind, so zum Beispiel der Beitrag zur Forschung, da es durch diese Methodik möglich ist, nunmehr dreidimensional visualisierte Arbeitshypothesen zu vergleichen, zu bestätigen oder zu verwerfen.

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DIE WELT DER IBERISCHEN GOTTHEITEN Carmen Rueda Galán Instituto Universitario de Investigación en Arqueología Ibérica – Universidad de Jaén

«Hinzu kommt, dass die Accitani, ein Volk in Spanien, eine mit Strahlen geschmückte Mars-Statue verehren und sie Neton nennen.» Macrobius, Saturnalia I, 29 (4. Jh. n. Chr.)

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Einleitung In den letzten Jahren wurden Fortschritte in der Erforschung der Religiosität und der Gottheiten der iberischen Gesellschaften gemacht, wobei man sich mit ihren räumlichen und materiellen Spuren auseinandersetzte. Dazu haben die neuen Funde der letzten Jahrzehnte erheblich beigetragen, aber auch die erneute Begutachtung einiger klassischer Heiligtümer der iberischen Kultur (Cerro de los Santos, Collado de los Jardines, Cueva de la Lobera, La Luz, La Encarnación, La Serreta usw.) sowie die Untersuchung von alten archäologischen Materialien aus bekannten Kultstätten, die vor über einem Jahrhundert entdeckt wurden. Trotz allem hat der iberische religiöse Kontext seine eigenen Besonderheiten. So ist es unmöglich, die schriftlichen Texte vollständig in die Analyse der Religiosität einzubeziehen, weshalb andere Quellen und Register eine tragende Rolle spielen, zum Beispiel ihre Darstellungen. Ihr ikonografischer Reichtum erlaubt uns, einen Einblick in die Glaubensrichtungen und Erzählungen, die sie in Städten, Heiligtümern und Nekropolen zur Schau stellten. Die Bezeichnung «iberisch» umfasst eine enorme Vielfalt, auch in Bezug auf ihre Glaubensrichtungen und Rituale. Deshalb ist die iberische Religiosität als eine breite Palette symbolischer Ausdrucksformen und Abläufe zu definieren, die mitunter gemeinsame Merkmale in ganz unterschiedlichen Regionen aufweisen, dann aber wieder eigenen Regeln und Mustern folgen, die auf politische Territorien oder sogar auf spezifische Heiligtümer beschränkt waren. Die iberischen Gottheiten Ein von der Forschung noch genauer zu ergründendes Thema ist die Beschreibung des iberischen Pantheons, sofern es ihn wirklich gegeben hat, oder vielleicht eher die Bestimmung, Aufstellung und Ausarbeitung der Gottheiten, die in jeder Region existierten. Uns sind längst nicht alle Namen der iberischen Gottheiten bekannt, mit einigen wenigen Ausnahmen, wie im Fall des iberischen Theonyms Betatun, der in einem kleinen Votivaltar im Heiligtum von Atalayuelas (Jaén, 1. Jahrhundert v. Chr.) konserviert ist, oder möglicher Eigennamen von Gottheiten wie Urdal und Balkar, die in den Felsinschriften von La Cerdanya (Lleida) gefunden wurden. Aber wie können wir uns dann dem Verständnis der iberischen Gottheiten annähern? Wie wurden sie symbolisch dargestellt? Die iberischen Gottheiten sind weder auf systematische Weise noch in fester oder statischer Form abgebildet, da ihre Muster und Vorlagen in der langen Entwicklungsgeschichte dieser Gesellschaften der Eisenzeit einigen Variationen, Änderungen, Umwandlungen und Rückbesinnungen unterworfen waren. Sie wurden anhand subtiler Symbole, aber auch durch komplexe, ikonografisch reichhaltige Formen verkörpert, die uns heutzutage ermöglichen, die Wechselbeziehungen zwischen materieller Kultur, 69



visuellen Phänomenen, Wahrnehmung und rituellen Verhaltensweisen zu analysieren. Besonderes Interesse verdienen daher die visuellen Erfahrungen des Sakralen, für die es Beispiele in verschiedenen Kultstätten gibt, wie im Heiligtum der Puerta del Sol von Puente Tablas (Jaén, Mitte des 5. bis Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr.), des Turó del Calvari (Girona, Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr.) oder der Höhle Cueva de la Lobera (Jaén, 4. bis 3. Jahrhundert v. Chr.), um nur einige zu nennen (Abb. 1). An diesen Stätten zeigt sich das Zusammenwirken von aussergewöhnlichen Repräsentations- und Ritualisierungsmechanismen, in denen die Gottheit an bestimmten Tagen des rituellen Kalenders wie den Tag-und-Nacht-Gleichen oder den Sonnenwenden durch von Sonnenlicht erzeugte visuelle Phänomene neu erschaffen wird, was als Epiphanien oder Hierophanien interpretiert wurde. Abb. 1. a) Stele der weiblichen Göttin des Heiligtums Puerta del Sol (Jaén). Sonnenlichteffekte der Skulptur bei Sonnenaufgang der Tag-und-Nacht-Gleiche. b) Hierophanie durch Sonnenlicht des Heiligtums Cueva de la Lobera (Castellar, Jaén) bei Sonnenuntergang der Tag-und-Nacht-Gleiche. (© Archiv des Instituto de Arqueología Ibérica, Universidad de Jaén

Man verwendete auch fremde Bilder, darunter griechische wie Aphrodite, Demeter oder Herakles, phönizisch-punische wie Astarte oder Tanit oder ausnahmsweise auch ägyptische und unter den Phöniziern sehr verbreitete Gottheiten wie Bes, der beispielsweise in Ullastret (Girona) dokumentiert ist. Die Anwesenheit dieser «fremdstämmigen Gottheiten» ist als Assimilation zu verstehen, wobei ihnen ursprüngliche Bedeutungen zugewiesen wurden. So steigt ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. die Zahl von Göttinnen im Zusammenhang mit der Natur und Fruchtbarkeit des Bodens, symbolisiert in Form von Duftlampen oder Räuchergefässen, die mit Demeter, Kore oder der punischen Tanit gleichgesetzt wurden. Dies wurde in verschiedenen Teilen des Südostens, der Ostküste oder in der Region Empordà dokumentiert. Jedoch zeichnet sich in den meisten iberischen Regionen recht eindeutig eine weibliche Gottheit ab, die eine der Hauptgöttinnen – wenn nicht sogar die wichtigste Göttin – gewesen sein muss und die eine grundlegende Rolle für den sozialen Zusammenhalt spielte, insbesondere in der Zeit des 4. bis 3. Jahrhunderts v. Chr. Die Forschung tendierte dazu, diese Abbilder in der verallgemeinernden Bedeutung als grosse weibliche Gottheit der Fruchtbarkeit zusammenzufassen und in Bezug zu den zeitgenössischen mediterranen Göttinnen zu setzen, obwohl die Wirklichkeit komplexer gewesen und die Gottheit nicht unbedingt in allen iberischen Territorien gleichermassen anerkannt gewesen sein muss. Die ausserordentliche Verbreitung der Varianten dieser weiblichen Figur deutet darauf hin, dass es sich um eine Göttin der Landwirtschaft, der Fruchtbarkeit und des Schutzes sowie der Beherrschung verschiedener Ebenen der echten und mythischen Natur handelte. 71


Eines der am häufigsten wiederkehrenden Motive ist die Gottheit der Fruchtbarkeit und Natur, für die es Belege aus frühester Epoche gibt, wie den Fund im Monument Pozo Moro (Albacete, 6. Jahrhundert v. Chr.) oder auch das Kieselsteinmosaik von Cerro Gil (Cuenca, 4. Jahrhundert v. Chr.), das den fruchtbaren Charakter der Göttin darstellt, die mit ihren nackten Füssen auf der Erde die ergiebige Natur heraufbeschwört. An anderer Stelle sind es Gottheiten, die mit kräftigen Wurzeln aus dem Erdinneren emporwachsen und Protagonisten in wilden und fruchtbaren Naturszenen sind, wie es die aussergewöhnlichen Keramikgruppen aus Elche (Alicante, 3. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) zeigen (Abb. 2). Die Kontrolle und der Einklang mit der Natur finden ihren Ausdruck auch in dem im Mittelmeerraum verbreiteten Motiv von Despotes und/oder Potnia Theron (Herrscherin der wild lebenden Tiere), das auf zahlreichen Exemplaren diverser Materialien vertreten ist (Vasenbilder, Steinstelen oder Fibeln), darunter einige von monumentaler Art, wie etwa das aussergewöhnliche Exemplar der Skulpturengruppe von Cerrillo Blanco von Porcuna (Jaén, 5. Jahrhundert v. Chr.) (Abb. 3). Ein Archetyp, von dem es im Südosten der Halbinsel eine geografisch sehr verbreitete männliche Variante gibt, bei der es sich wahrscheinlich um ein spätes Motiv des Heldengottes mit territorialen Bezügen handelt. Des Weiteren ist als Schutzherrin die Göttin Kurotrophos (nährende und säugende Amme) vertreten. Einige Beispiele wie das Pinakion (Terrakottatafel) der Serreta de Alcoi (Alicante, 3. Jahrhundert v. Chr.) verweisen auf den Akt des Stillens im Zusammenhang mit territorialen Gottheiten, die als Sinnbild der transformatorischen Kraft der Natur dargestellt werden. Ein Ideal, das auf gleiche Weise in der kleinen Alabasterskulptur verkörpert ist, die aus dem Grab 20 der Nekropole von Tútugi (Granada) stammt. Ein ungefähr aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. datierendes Stück, das einem Bestattungskontext des dritten Viertels des 5. Jahrhunderts v. Chr. zugeschrieben wird und als Trankopfergefäss diente. Die Gottheit ist mit perforierten Brüsten dargestellt, durch die die rituelle Flüssigkeit floss, womit dem göttlichen Körper ein transformatorischer Auftrag als Bestandteil des Rituals verliehen wurde. Dieser mit aristokratischen Initiationsriten in Verbindung gebrachte transformatorische Auftrag ist auch auf dem aussergewöhnlichen Gefäss aus Libisosa (Albacete, 2. Jahrhundert v. Chr.) zu sehen.

Abb. 2. Gefäss aus L’Alcúdia (Alicante). (© Fundación L’Alcúdia. Archiv des Léxico de Iconografía Ibérica, CSIC)

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Zum anderen zeigen uns die auf die jenseitige Welt verweisenden Glaubenssätze eine Vielzahl von überirdischen Landschaften anhand von mythischen Erzählungen und religiösen Lehren, in denen die Gottheit mit der Zwischenwelt verbundene Funktionen innehat. Die Existenz einer einzigen Bestattungsgottheit lässt sich kaum bestätigen, aber wir finden Beispiele für als Mittlerin dienende Göttinnen in Darstellungen wie der im Parque Infantil de Elche (Alicante, 5. Jahrhundert v. Chr.), in einer Interpretation der Göttin Tanit, Führerin verlorener Seelen, als Begleiterin der Verstorbenen im Jenseits. Des Weiteren gibt es die Gottheit als Empfängerin, in deren Symbolen die Prinzipien des Schutzes und des Wohlstands mit einer prächtigen Tier- und Pflanzenwelt verkörpert sind. Die sogenannten Fischteller, die in verschiedenen Kontexten und Orten – wie Castellet de Banyoles (Tarragona), Sant Miquel de Lliria (Valencia), Corral de Saus (Valencia) oder La Hoya de Santa Ana (Albacete) – dokumentiert wurden, präsentieren uns ein üppiges Meeresuniversum, was in der Lesart einer Bestattung als Metapher für den Übergang in das Totenreich und den Wohlstand des Jenseits verstanden werden kann. Konkret bezogen auf die Funde von Tivissa (Tarragona) ist eine Gruppe von Schalen (3. bis 2. Jahrhundert v. Chr.) hervorzuheben, mit verschiedenen Sujets, die uns in den Bereich der Bestattung mitnehmen: der fruchtbare Meeresraum, die Heldenverehrung und Symbole wie der Wolf, Vermittler-Tier in den iberischen Gesellschaften, der die zentrale Aufwölbung von zwei dieser Schalen ziert (Abb.4). Eine von ihnen ist besonders erwähnenswert, weil sie ein Narrativ darstellt, das auf das Thema der Bestattungsgottheit verweist. In der Geschichte sitzt die Hauptperson auf einem Thron. Handelt es sich um einen Begräbnis- und Bestattungsgott? Vor ihm befindet sich eine Figur, die ihm mit einer unterwürfigen und achtungsvollen Geste eine Opfergabe überbringt. Möglicherweise verweisen die anwesenden Tiere wie das Wildschwein und mythische Wesen wie der Zentaur hinter dem Thron auf die jenseitige Welt. Wie sich im Fall von Tivissa herausstellt, bietet uns die iberische Bildersprache neben der weiblichen Gottheit auch Fragmente von männlichen Göttern und Personen, die zu verschiedenen Zeitpunkten mit der Figur von Melkart/Herakles/Herkules assoziiert wurden. Ebenso wie die Göttin ist diese männliche Gottheit auf vielfältigen Abbildungen im Laufe der Zeit und im iberischen Raum zu finden, mit vermutlich unterschiedlichen Beinamen. Die ältesten Darstellungen phönizischen Ursprungs beinhalten als Kriegsgöt-

Abb. 3. Herrschende Göttin der Ziegen der Skulpturengruppe von Cerrillo Blanco von Porcuna (Jaén). (© Archiv des Instituto de Arqueología Ibérica, Universidad de Jaén. Foto: J. M. Pedrosa)

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ter bekannte Motive, die im unteren Andalusien sehr präsent sind. Eines der am weitesten verbreiteten Motive ist zweifellos das des jungen Iberers im Zweikampf mit einem monströsen Wesen. Es diente der Darstellung mythischer Vorfahren, die als Helden mit bestimmten göttlichen Eigenschaften verehrt wurden. Die Bravourtaten dieser Ahnenhelden wurden auf grossen Monumenten wie Pozo Moro (Albacete, 6. Jahrhundert v. Chr.), Cerrillo Blanco (Jaén, 5. Jahrhundert v. Chr.) oder El Pajarillo (Jaén, 4. Jahrhundert v. Chr.) geschildert. Ab Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. verfestigte sich dieses Muster und wurde mit dem Bild von Herakles gleichgesetzt, das sich leicht in die aristokratische Heldenmythologie übernehmen liess und später (3. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) auf Gefässen im Gebiet Alcoi und Elche (Alicante) oder Lliria (Valencia) reproduziert wurde. Ein besonderes Opfer für die Gottheit: die Votivgaben aus Bronze Die religiösen Bekundungen besitzen eine Materialität, die teilweise beabsichtigt ist und dem Ritus innewohnt, aus dem sie entstanden sind. So lassen sich aus dem archäologischen Register Rückschlüsse auf mit religiösen Zeremonien verknüpfte Verhaltensweisen ziehen, anhand deren die an die Gottheit gerichteten Wünsche ergründet werden können. Die iberischen Heiligtümer waren wichtige soziale Orte. Dort wurden Festlichkeiten abgehalten, die sich hauptsächlich nach dem landwirtschaftlichen Kalender richteten. Insbesondere ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. wurden die Heiligtümer zu riesigen Votivstätten, in denen Opfergaben verschiedenster Art überbracht und gesammelt wurden (Statuetten, Keramik, persönliche Gegenstände, Pflanzenreste, Reste von Schlachtungen usw.). Das Miniaturbild aus Bronze ist eine der religiösen Ausdrucksformen, die für einige Kultstätten im südöstlichen Iberien charakteristisch sind. Es handelt sich um ein ausdrücklich zur rituellen Verwendung hergestelltes Objekt, das im 4. bis 3. Jahrhundert v. Chr. seine höchste Verbreitung erreichte, obwohl sein Fortbestand auch danach noch zu beobachten ist. Ein sehr hoher Anteil dieser Bildwerke beschränkt sich auf den südlichen Bereich der Iberischen Halbinsel und konzentriert sich hauptsächlich auf drei grosse Heiligtümer: La Luz (Caravaca) in Murcia sowie Collado de los Jardines (Santa Elena) und La Cueva de la Lobera (Castellar), jeweils in der Provinz Jaén, wo sie zu Tausenden gezählt wurden. Umfangreiche, aus diesen Heiligtümern stammende Sammlungen befinden sich im Museo Arqueológico Nacional (Madrid) oder im Museu de Arqueología de Catalunya (Barcelona). Letzteres beherbergt die beste Sammlung des Heiligtums von Castellar, die in dieser Ausstellung zu sehen ist (Abb. 5). Diese Votivgaben sollten in erster Linie als Erinnerung und Andenken an diejenigen dienen, die dieses Heiligtum besucht hatten. Tatsächlich lag der Auswahl von Bronze als ewigem Material dieser Gedanke des Fortbestehens zugrunde. Sie wurden als 76


Abb. 4. Silberschale mit Wolfskopf, Schatz von Tivissa (El Castellet de Banyoles, Tarragona). Bestattungsnarrativ für das Jenseits. (© Museu d’Arqueologia de Catalunya)


Projektionsbild (Eikon) interpretiert, eine Idealisierung, die die Darstellung des Status, der Eigenschaften und Verhaltensweisen der Personen umfasst, die ihre Rituale an diesen Kultorten abhielten. Das Miniaturbild spiegelte zu diesem Zeitpunkt eine Klassenstruktur wider, die grosse Ungleichheiten aufwies und um die Aristokratie herum angeordnet war. Des Weiteren geben uns die Votivgaben aus Bronze die Möglichkeit zur Analyse der in diesen Kultstätten abgehaltenen Riten. So erreichten jene Praktiken die höchste Repräsentanz, die sich auf den Lebenszyklus bezogen, entsprechend den unterschiedlichen sozialen Lebensabschnitten der Person: Alterungs- und Reiferituale, Hochzeitsbräuche, Fruchtbarkeitsrituale oder auch die Riten zur Bewahrung der Schwangerschaft. Es handelte sich insgesamt um perfekt kodierte Rituale, zu denen bestimmte Merkmale, Eigenschaften, Körpersprache und Kleidung (oder Nacktheit) gehörten. An diesen Praktiken wirkten beide Geschlechter mit, Frauen und Männer, die sich in vielen Fällen den gleichen symbolischen Raum teilten. Andere rituelle Bräuche waren mit dem Bild des Mannes und Kriegers verbunden. Diese Arten von Opfergaben konnten Bestandteil von Gedenkritualen, Initiationsriten oder öffentlicher Zurschaustellung sein. Auch wird ein breites Spektrum an Praktiken im Zusammenhang mit der Heilung deutlich. Zu dieser Art von Feierlichkeiten gehörte eine bestimmte Gruppe von Votivgaben, die einen Teil des Körpers darstellt und Verletzungen oder Schmerzen symbolisiert, die überwunden werden sollten. Es gibt Darstellungen von Augen, Händen, Armen, Beinen, Brust, Phallus und Uterus. Letztlich dient die Votivgabe aus Bronze als Kommunikationsmittel mit der Gottheit durch ihre Hinterlegung an Stätten, an denen sich diese mittels verschiedener Mechanismen zeigte. Die kleinen Statuetten spiegeln genau dies wider, da jene Merkmale hervorstechen, die sich auf die Sinne beziehen, wodurch die Verbindung zur Stätte verstärkt werden sollte. Da sind die grossen, weit geöffneten Augen, die nach oben zur Höhle blicken, in der Hoffnung, zu sehen; die nackten Füsse, die die Vorstellung verstärken, durch das Heiligtum zu gehen; die riesigen Ohren, die das Gesagte hören wollen, oder der geöffnete Mund, der in genau diesem Augenblick mit der Gottheit kommuniziert. Auf diese Weise wurden verschiedene Kategorien der Wahrnehmung zum Ausdruck gebracht, mitunter auch die Emotionen – immaterielle Aspekte, die durch die Darstellungsformen der Personen und ihrer Erlebnisse im Heiligtum erfahrbar wurden. So Abb. 5. Dama de Castellar. Votivgabe aus Bronze ergeben sich zusätzlich andere, indirekte Wege zur der Sammlung des Heiligtums von Erforschung der iberischen Gottheiten. Castellar (Jaén) des Museu d’Arqueologia de Catalunya in Barcelona. (© Museu d’Arqueologia de Catalunya)

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DIE IBERISCHEN SKULPTUREN Othmar Jaeggi Université de Lausanne

«Zusätzlich zu solcher Befremdlichkeit ist noch allgemein über sämtliche iberische Völker Vieles beobachtet und erdichtet worden, nicht nur von ihrer Tapferkeit sondern auch von ihrer Grausamkeit und tierischen Besinnungslosigkeit.» Strabon, Erdbeschreibung III, 4, 17 (63 v. Chr. – 23 n. Chr.)

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Der Beginn im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. Die iberischen Skulpturen geben der Forschung Rätsel auf: Seit Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. entstanden an vielen Orten im Südwesten der Iberischen Halbinsel grossformatige Statuen aus lokalem Kalkstein, ohne dass direkte Vorläufer bekannt wären. In Griechenland brauchte es eine lange Entwicklung bis zu den grossen Korai und Kouroi archaischer Zeit, wobei sich Stil und Ikonografie erst allmählich definierten und auch die Grösse der Statuen nur schrittweise zunahm. Auf der Iberischen Halbinsel können wir eine ähnliche Entwicklung nicht beobachten. Importierte oder vor Ort produzierte Statuetten aus Bronze und Terrakotta aus der Zeit vom 8. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. sind meist weniger als 20 Zentimeter hoch, nur einzelne Exemplare erreichen grössere Dimensionen. Wo sich die Bildhauer der grossformatigen Werke des 5. Jahrhunderts v. Chr. ausbilden und sich das nötige technische Wissen aneignen konnten, bleibt für uns unklar. Pozo Moro und Los Villares – zwei der wenigen chronologischen Fixpunkte Eines der berühmtesten Beispiele für die frühe Phase ist das monumentale, turmförmig rekonstruierte Grabmal von Pozo Moro (Chinchilla, Prov. Albacete) (Abb. 1). Das mit präzis behauenen Blöcken errichtete Monument wurde offenbar unmittelbar nach dem Leichenbrand über einem Scheiterhaufen errichtet, ohne Fundamente. Die importierte Keramik und andere Gegenstände aus dem Innern datieren den Bau um 500 v. Chr. Löwenskulpturen, die in die Architektur eingebunden waren, schützten die vier Ecken des Gebäudes. Ihre Ikonografie und der Stil mit stilisierten Mähnen und charakteristischen Falten im Gesicht erinnern an orientalische Skulpturen des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr., was Fragen nach der Übertragung der Vorbilder aus dem Nahen Osten aufwirft. Für die Vermittlung dieser Einflüsse spielten wahrscheinlich Statuetten eine wichtige Rolle: Sie konnten durch den phönizischen Handel (siehe Beitrag L. Gorgerat) von einem Ende des Mittelmeers zum anderen gelangen und lange Zeit in einheimischen Kontexten aufbewahrt werden. Ein Beispiel dafür gibt eine 17,4 cm hohe, aus Alabaster gefertigte Statuette der Astarte aus der Nekropole von Tútugi (Galera, Prov. Sevilla). Die importierte oder von Phöniziern auf der Iberischen Halbinsel erschaffene Darstellung der Göttin auf einem von Sphingen flankierten Thron muss aufgrund stilistischer Vergleiche in das 7. Jahrhundert v. Chr. datiert werden, stammt aber aus einem iberischen Grab des 5. Jahrhunderts v. Chr. Die Seiten des Grabmals von Pozo Moro dekorieren Reliefs mit Dämonen und mythischen Szenen, darunter ein «kannibalisches» Bankett, das formal an orientalische Darstellungen erinnert. Leider gibt es keine schriftlichen Quellen der Iberer, die über religiöse Vorstellungen und Mythen berichten und helfen würden, diese uns rätselhaft erscheinenden Darstellungen zu interpretieren. 81



Griechische Importkeramik datiert auch eine um 500 v. Chr. entstandene, freistehende Reiterstatue in der Nekropole von Los Villares (Hoya Gonzalo, Prov. Albacete), die über den Resten eines Scheiterhaufens errichtet wurde. Der Krieger auf seinem Pferd und die archaisch wirkende Form der Augen und der Frisur scheinen auf griechische Einflüsse zu verweisen, die vielleicht ebenfalls durch importierte Kleinkunst auf die Halbinsel gelangten. Der Cerrillo Blanco von Porcuna und das 5. Jahrhundert v. Chr. Auch wenn es nur wenige chronologische Fixpunkte gibt, die eine genaue Rekonstruktion der stilistischen Entwicklung der iberischen Plastik erlauben würden, scheint ein grosser Teil dieser Skulpturen im 5. Jahrhundert v. Chr. entstanden zu sein, wie auch die spektakulären Funde vom Cerrillo Blanco (Porcuna, Prov. Jaén). Offenbar wurden diese Ensembles im Laufe des 4. Jahrhunderts v. Chr. mutwillig in kleine Stücke zerhackt und in einem von Steinplatten gedeckten Graben entsorgt. Im 4. Jahrhundert v. Chr. wurden auch an anderen Orten im Südosten Spaniens viele Skulpturen zerschlagen, wobei wir über die Gründe dieser Zerstörungswut nur mutmassen können. Vor ihrer Zerstörung standen diese Skulpturen, zu denen Zweikämpfe, Tierkampfgruppen und Fabelwesen gehören, offenbar unter freiem Himmel, wobei heute verlorene Farbschichten ihre Oberflächen vor der Witterung schützten. Standen sie einst auf den Gräbern einer reichen Nekropole oder in einem Heiligtum als Votive für eine uns nicht bekannte Gottheit? Für letztere Möglichkeit spricht die Figur eines Mannes, der zwei Kälber an den Vorderbeinen hält und als Gabe präsentiert, wie der berühmte Moschophoros oder Kalbträger von der Athener Akropolis.

Abb. 1. Das Grabmal von Pozo Moro (Chinchilla, Prov. Albacete), um 500 v. Chr., Museo Arqueológico Nacional, Madrid, 1999/76/2.3.6. (© Museo Arqueológico Nacional. Foto: José Barea)

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Abb.3. Skulptur einer Wölfin mit Jungtieren, Cerro de los Molinillos (Baena, Prov. Córdoba), 5. Jahrhundert v. Chr., H 98 cm, Museo Íbero de Jaén. (© Museo Íbero de Jaén)

Abb. 2. Kampf zwischen Mann und Greif, Cerillo Blanco, (Porcuna, Prov. Jaén), 5. Jahrhundert v. Chr., 70 Zentimeter hoch, Museo Provincial de Jaén. (© Peter Witte, DAI Madrid)

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Eine besonders faszinierende Gruppe vom Cerrillo Blanco (Abb. 2) zeigt einen Mann, der mit blossen Händen mit einem Greifen ringt. Dieser schlägt ihm zwar seine Krallen in den rechten Oberschenkel, scheint aber dennoch unterlegen zu sein. Mit einer Hand packt der Mann ein Horn des Greifen, mit der anderen reisst er sein Maul mit weit heraushängender Zunge auf und verhindert so, gebissen zu werden. Vielleicht stellt die erstaunlich komplexe Gruppe einen lokalen Mythos dar, dessen Inhalt uns aufgrund fehlender schriftlicher Quellen unbekannt bleibt. Zweikämpfe mit Monstern begegnen auch in den oben erwähnten Reliefs von Pozo Moro und sind in späterer Zeit in der iberischen Vasenmalerei des 2. bis 1. Jahrhunderts v. Chr. präsent. Manche Forschende möchten darin Initiationsriten erkennen, andere vermuten, dass diese Handgemenge Mut und Kraft uns nicht weiter bekannter Helden ausdrücken. Vielleicht erinnert das oben aufgeführte Zitat von Strabon an die kämpferischen Traditionen der Iberer. Die Ikonografie des Greifen verweist auf griechischen Einfluss. Einige der Skulpturen vom Cerrillo Blanco erinnern zudem an griechischen Stil, so eine Kampfgruppe zwischen einem Krieger, der soeben von seinem Pferd gesprungen ist und einen am Boden liegenden Verletzten mit seiner Lanze ins Gesicht sticht. Griechische Siedlungen wurden aber im Süden der Halbinsel nicht nachgewiesen, auch von wandelnden Handwerkern aus Griechenland ist uns nichts bekannt. Vielleicht dienten wiederum importierte kleinformatige Figuren als Anregung. Oder könnte man sich vorstellen, dass iberische Bildhauer auf Reisen im Osten des Mittelmeeres bildhauerische Fähigkeiten erlernen konnten, künstlerische Anregungen aufnahmen und in ihren Herkunftsgebieten umsetzten? Wölfe Die Wölfin vom Cerro de los Molinillos (Baena, Prov. Córdoba) (Abb. 3), die aufgerichtet sitzt und ihre Jungen säugt, bekrönte vermutlich ein Grab, dessen Bedeutung sie betonte und das sie gleichzeitig beschützte. Leider ist uns der ursprüngliche Kontext nicht bekannt, stilistische Vergleiche des Kopfes deuten aber auf eine Entstehung im 5. Jahrhundert v. Chr. hin. Wahrscheinlich stand sie auf einer etwas erhöhten Basis, vielleicht sogar auf einer Art Pfeiler, wie es für andere iberische Grabskulpturen bezeugt ist. Das Säugen der Jungtiere wurde als Symbol für den Zyklus des Lebens gedeutet, was in einem funerären Kontext nicht abwegig erscheint. Wölfe, im Gegensatz zu den Löwen einheimische Tiere, die einst in grosser Zahl die ausgedehnten Wälder der Halbinsel bewohnten, hatten für die iberische Bevölkerung offenbar eine zwiespältige Bedeutung: Schutz und Auszeichnung, aber auch Bedrohung. So ziert ein grosser Wolfskopf mit aufgerissenem Maul und heraushängender Zunge den Brustpanzer einer fragmentierten Kriegerstatue aus der Alcudia de Elche


(Elche, Prov. Alicante), wobei sein Anblick Feinde abschrecken und den Träger schützen sollte. Wölfe sind auch in der iberischen Kunst der späteren Zeit, sowohl in der Vasenmalerei als auch in der Toreutik, stark präsent: So ziert ein plastisch gestaltetes Medaillon von einem Wolfskopf das Innere einer Silberschale aus dem Schatz von Tivissa des 2. Jahrhunderts v. Chr. (siehe Beitrag M. C. Rueda). Diente der Wolf in diesem Zusammenhang als Machtsymbol oder hatte er eine religiöse Bedeutung?

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Abb. 4. (vorherige Seite, links) Büste einer Frau, Dama de Elche, La Alcudia de Elche (Elche, Prov. Alicante), 4. Jahrhundert v. Chr., H 56 cm, Museo Arqueológico Nacional, Madrid, 1971-10-1. (© Museo Arqueológico Nacional. Foto: Fundación ITMA, Santiago Relanzón)

Abb. 5. (vorherige Seite, rechts) Stehende Gabenbringerin, Dama del Cerro de los Santos (Montealegre del Castillo, Prov. Albacete), 2. Jahrhundert v. Chr., H 103 cm, Museo Arqueológico Nacional, Madrid, 3500. (© Museo Arqueológico Nacional. Foto: Raúl Fernández Ruiz)

Die «Dama de Elche» und die «Dama de Baza» Die berühmteste aller iberischen Skulpturen, die «Dama de Elche» (Prov. Alicante) (Abb. 4), stammt wahrscheinlich aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Zumindest deuten darauf stilistische Vergleiche mit einer anderen bekannten Statue hin, die ins mittlere 4. Jahrhundert v. Chr. datiert ist: Die «Dama de Baza» aus der Nekropole Cerro Redondo nahe der Ortschaft Baza (Prov. Granada), deren polychrome Bemalung sehr gut erhalten ist, zeigt eine reich geschmückte, thronende Frau, wobei der ausgehöhlte Thron die verkohlten Reste einer noch jugendlichen Frau barg. Zum Inventar des Grabes gehörten neben Waffen auch polychrome lokale Amphoren, die in benachbarten Gräbern, die auch griechische Importkeramik enthielten, um 375 bis 350 v. Chr. datiert werden können. Über der Frage, ob die sitzende Frau eine Göttin oder eine noble Sterbliche darstellt, gehen die Meinungen in der Forschung auseinander. Im Unterschied zur «Dama de Baza» stellt die «Dama de Elche» lediglich die Büste einer Frau bis zur Mitte der Brust dar, wobei der nur summarisch ausgearbeitete Rücken eine Höhlung präsentiert. Möglicherweise diente sie ebenfalls als Urne, auch wenn dies nicht mehr genau feststellbar ist, da ihr archäologischer Kontext viele Fragen aufwirft. Ebenso wie die Funktion ist ihre Bedeutung umstritten: Handelt es sich um eine Sterbliche, um eine mythologische Figur, gar um eine Göttin? Welche Bedeutung hat ihr auffälliger Kopfschmuck mit den zwei grossen Voluten, die aus sorgfältig aufgerollten und mit reich dekorierten Stecknadeln fixierten Bändern besteht?

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Die späte Zeit Der bedeutendste Fundort iberischer Plastik der späten Periode ist der Cerro de los Santos (Montealegre del Castillo, Prov. Albacete): ein flacher Bergrücken, auf dem vermutlich seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. ein wichtiges Heiligtum funktionierte, wovon die Fundamente eines kleinen Tempels nach italischen Vorbildern des 2. bis 1. Jahrhunderts v. Chr. zeugen. Wie im Falle vom Cerrillo Blanco bei Porcuna ist uns leider nichts über die dort verehrten Gottheiten und ihre Kulte bekannt. Zufallsfunde und Ausgrabungen des 19. Jahrhunderts brachten über 400 Statuen hervor, die stehende oder sitzende Adoranten und Adorantinnen sowie gabenbringende Figuren (Abb. 5) in allen möglichen Grössen darstellen und dem Ort auch den Namen als «Berg der Heiligen» verliehen. Da keine stratigrafischen Beobachtungen dokumentiert sind, gestaltet sich ihre Datierung schwer, wobei der stark stilisierende Stil und offenkundig italische Einflüsse in Kleidung und Frisuren auf das 3. bis 1. Jahrhundert v. Chr. hinweisen. Die im Laufe der römischen Eroberung der Halbinsel zunehmende Übernahme italischer kultureller Einflüsse führen im Laufe des 1. Jahrhunderts v. Chr. zu einer allmählichen Auflösung der iberischen Kultur, bis lokale Kunstformen und sogar die eigene Sprache vergessen sind.

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DIE WELT DER TOTEN. NEKROPOLEN UND IBERISCHE BESTATTUNGSRITEN M. Carme Belarte Institut Català d'Arqueologia Clàssica und Institució Catalana de Recerca i Estudis Avançats M. Carme Rovira Museu d’Arqueologia de Catalunya – Barcelona

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Einleitung Die Bestattungsriten und -praktiken in der iberischen Welt (Ende 6. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) sind sehr komplex. Nicht alle Mitglieder der Gesellschaft hatten Zugang zur gleichen rituellen Behandlung und auch keinen Anspruch darauf, in der Nekropole beerdigt zu werden. Zudem weist das ausgedehnte Territorium, das sich zwischen Andalusien und dem Languedoc erstreckt, grosse Unterschiede zwischen den Gräbern der verschiedenen Gebiete auf. Dies betrifft sowohl ihre architektonische Umsetzung als auch die Grabausstattung und Opfergaben, die die Verstorbenen auf ihrer Reise ins Jenseits begleiteten. Das Ritual der Brandbestattung Das in den iberischen Nekropolen überwiegend dokumentierte Ritual ist die Brandbestattung, die jedoch nicht allein dieser Kultur vorbehalten war. Vielmehr wurde eine Tradition fortgesetzt, die in der ausgehenden Bronzezeit, um 1000 v. Chr., im nordwestlichen Mittelmeerraum begann und sich von dort ausbreitete. Das Ritual bestand aus mehreren Abschnitten: Nach dem Ableben wurde die verstorbene Person gewaschen, gekämmt, angekleidet und geschmückt sowie in die Nekropole gebracht. Dort wurde sie auf einen Scheiterhaufen an einem für Verbrennungen vorgesehenen Ort gelegt (Ustrinum). Nach der Verbrennung und dem Erlöschen des Feuers wurde eine Auswahl an Knochen und Gegenständen im Grab beerdigt, gelegentlich zusammen mit Beigaben (Abb. 1). Es kam seltener vor, dass die Beerdigung an demselben Ort vorgenommen wurde, an dem sich der Scheiterhaufen befand. Die Verbrennung erfolgte bei hohen Temperaturen, die häufig mehr als 650° C betrugen. Der Leichnam wurde dabei jedoch nicht vollständig eingeäschert. Es kam vor, dass die Knochen absichtlich gebrochen wurden, bevor man sie ins Grab legte. Die Verbrennung war vermutlich ein öffentlicher Akt, der eventuell auf Familien und Angehörige beschränkt war. Während des Akts konnten Beigaben auf den Scheiterhaufen gelegt werden; möglicherweise wurden Trankopfer zelebriert (Vergiessen von Flüssigkeiten in magisch-religiöser Absicht) oder Festmahle zu Ehren des Verstorbenen abgehalten, wie Reliefs des Grabmals Pozo Moro (Albacete) vermuten lassen. Die Überreste von Keramik und tierischen Knochen in einigen Gräbern scheinen dies ebenfalls zu belegen.

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Abb. 1. Keramik und Eisenwaffen aus den Gräbern der Nekropole von Can Rodon de l'Hort, (Cabrera de Mar, Barcelona). (© ArtWorkPhoto.eu. Museu d'Arqueologia de Catalunya)

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Abb. 2. Ausgrabungsprozess der Grabstätte 21 der Nekropole von Les Esquarterades (Ulldecona, Tarragona): im Feld (a) und im Labor (b, c und d). Bilder der Keramikurne (e), der Metalle (f, g) und der menschlichen Knochenfragmente (h), die mithilfe der Computertomografie aufgenommen wurden. (© GRACPE-PROMAC Institut d'Arqueologia – Universitat de Barcelona)

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Abb. 3. Figürliches Element des Grabmonuments aus Grab 70 der Nekropole Coimbra del Barranco Ancho (Jumilla, Murcia). (© Myriam Ruiz. Museo Municipal Jerónimo Molina de Jumilla)

Der nächste Schritt des Rituals war die Bestattung als solche. Üblicherweise wurden die verbrannten Knochenreste in einer Keramikurne (aus örtlicher Produktion oder Importware) beigesetzt und zusammen mit einigen persönlichen Dingen des Verstorbenen – überwiegend Gegenstände aus Bronze (Armreifen, Spangen, Gürtelschnallen usw.) und Eisen (Messer und Waffen), die mitunter verbrannt und teilweise geschmolzen zu sein scheinen – in einem in den Boden gegrabenen Loch beerdigt (Abb. 2). Gelegentlich wurden auch Opferbeigaben (Geschirr, Waffen u. a.) zusammen mit der Urne hineingelegt. Es gibt einfachere Bestattungsformen, bei denen die verbrannten Knochenreste direkt in einer Grube beigesetzt wurden, ohne Urne und vermutlich eingewickelt in ein Tuch, von dem keine Reste mehr vorhanden sind. In einigen Gräbern der südlichen Halbinsel sind Überreste der Verbrennung in Steinkisten enthalten, die mit Symbolen reich verziert sind. Die iberische Gesellschaft im Querschnitt der Gräber Die anthropologischen Untersuchungen der Knochenreste vermitteln Informationen über die bestatteten Personen. Trotzdem sind diese Informationen im Falle der iberischen Kultur aufgrund des grossen Fragmentierungszustands der verbrannten Knochen und ihrer geringen Anzahl begrenzt, da in den Gräbern (gemeinhin Einzelgräber) nie das vollständige Skelett enthalten ist. Die Untersuchungen zeigen, dass in diesen Nekropolen überwiegend Erwachsene bestattet wurden. In Ausnahmefällen wie in Turó dels Dos Pins (Barcelona), La Serreta de d'Alcoi (Alicant), El Cigarralejo (Murcia) oder Los Castellones de Ceal (Jaén) wurde ein Baby zusammen mit den verbrannten Überresten einer jungen Person, vielleicht der Mutter, exhumiert. Die Identifizierung des Geschlechts ist nicht immer mit absoluter Sicherheit möglich, aber im Allgemeinen überwiegen die männlichen Personen. In der Nekropole von Turó dels Dos Pins wurden in einigen Gräbern die Überreste mehrerer Personen (vier in einem, sieben in einem anderen Grab, Erwachsene und Kinder) beigesetzt, die vielleicht einer Familie angehörten.

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Abb. 4. Darstellung eines Reiters, der einen gefallenen feindlichen Krieger aufspiesst. Skulpturensemble aus der Nekropole Cerrillo Blanco in Porcuna (Jaén). (© Museo Provincial de Jaén. Junta de Andalucía)

Die Bestandteile der Grabausstattung wurden traditionell ebenfalls dazu verwendet, das Geschlecht der verstorbenen Personen zu deuten. Insbesondere wurde das Vorhandensein von Waffen, ein Merkmal der Grabbeigaben der iberischen Nekropolen, mit männlichen Gräbern assoziiert, während Schmuckgegenstände (Armreifen aus Bronze, Ketten aus Glaspaste, Kämme aus Knochen) oder mit Hausarbeiten verbundene Objekte (Spinnwirtel aus Keramik, Geschirr) Frauen zugeordnet wurden. Die jüngsten anthropologischen Analysen haben gezeigt, dass dies nicht immer zutreffend ist und dass einige Frauen mit Waffen beerdigt wurden, wie im bekanntesten Fall der «Dama de Baza» (Granada). Wahrscheinlich waren Waffen eher ein Beleg für den sozialen Status als für das Geschlecht. Die Gräber konnten insbesondere je nach ihrer geografischen Zone unterschiedliche Merkmale aufweisen. Im nördlichen Gebiet der iberischen Kultur beschränkte man sich im Allgemeinen auf das Loch, in dem die Reste der Brandbestattung beigesetzt wurden, das vermutlich mit Erde und Steinen abgedeckt wurde und von diesen Materialien auch umgrenzt sein konnte. Diese Grabstellen weisen keine äusseren monumentalen Elemente auf, wobei die Verwendung von Holz zur Abdeckung und Kennzeichnung nicht ausgeschlossen werden kann. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den Gräbern bestehen in der Zusammensetzung der Grabausstattung. Am Ende der iberischen Kultur (2. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) verfügten einige Gräber in diesem Areal (hauptsächlich im Gebiet Barcelona) über Grabstelen mit Inschriften im iberischen Alphabet, von denen wenige Exemplare bekannt sind, die ausserhalb ihres Kontexts aufgefunden oder weiterverwendet wurden. Im übrigen Territorium findet man auch komplexere Erscheinungsformen, insbesondere im Süden der Halbinsel, wo es zahlreiche äussere architektonische Elemente gibt. Die besonders im Südosten am häufigsten vorkommende Art sind die Hügelgräber, Konstruktionen mit viereckigem Grundriss, die aus Stein oder Lehmziegeln direkt auf dem Scheiterhaufenplatz (Ustrinum) errichtet wurden, wo vorher eine Urne mit den Überresten der Brandbestattung beigesetzt worden war. Die Grabhügel sind in durch Strassen getrennte Gruppierungen angeordnet und von unterschiedlicher Grösse, vermutlich in 98



Abb. 5. Kindergrab aus der Siedlung Puig Castellar in Santa Coloma de Gramenet (Barcelona). (© Conxita Ferrer)

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Abhängigkeit von der sozialen Klasse der verstorbenen Person. Bei der Grabausstattung kann es erhebliche Unterschiede geben: Von einer einfachen Urne oder sogar Beisetzung der Knochen in einem Behältnis aus organischem Material bis hin zu Grabbeigaben in Form von Waffen und importierter Keramik. Bedeutende Beispiele hierfür sind die Nekropolen von Cabezo Lucero (Alicante) oder El Cigarralejo (Murcia), wo man ebenfalls die Bestattung eines Handwerkers anhand der Reihe beigelegter Werkzeuge identifizieren konnte. Einige Gräber konnten mit Stelenpfeilern versehen sein, insbesondere im Gebiet zwischen Sagunto (Valencia) und dem unteren Andalusien. Es handelt sich um rechteckige Steinkonstruktionen, verziert mit Stuck oder anthropomorphen Heldendarstellungen, die auf einem Sockel stehen und mit einem Kapitell und einer Figur versehen sind. Bei Letzterer kann es sich um eine zoomorphe Gestalt handeln, ein mythisches Tier, das mit der Gottheit und dem Jenseits in Verbindung steht, oder um eine menschliche Figur, die normalerweise auf einem Pferd sitzt. In einigen Fällen (im Südosten und im unteren Andalusien) gibt es monumentalere Ausführungen, mit einer Konstruktion in Form eines Turms anstelle des Pfeilers wie bei den vorherigen Beispielen. Als ein aufgrund seiner Reiterdarstellungen bedeutsames Exemplar wäre der Coimbra del Barranco Ancho (Murcia) (Abb. 3) zu nennen, wobei auch Pozo Moro (Albacete) sehr bekannt ist (siehe Beitrag O. Jaeggi): Dort wurde ein Monument aus Sandsteinquadern von über 10 m Höhe errichtet, verziert mit mythologischen Flachreliefen und erbaut am Ort der Verbrennung des Toten, der mit einer reichen Beigabe beerdigt wurde; vermutlich handelte es sich um eine hochrangige, vielleicht königliche Persönlichkeit. Dieses Grabmal diente später als Ort für eine Nekropole. Bei den komplexeren Grabstätten sind die sogenannten Kammergräber zu erwähnen, die im oberen Andalusien und in einigen Gegenden der südöstlichen Halbinsel vorkommen. Ebenso wie die turmförmigen Monumente sind sie der sozialen Elite zuzuordnen. Sie sind in den Felsen gehauen, haben einen viereckigen Grundriss und können im Innenraum unterteilt sein; aussen sind sie mit einem Grabhügel bedeckt. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Grabmal der «Dama de Baza», in dem eine Frau beigesetzt wurde, die wahrscheinlich dem Königshaus angehörte. Es enthält eine skulpturale Urne und eine reichhaltige Grabausstattung mit vier Waffenensembles, die als vier Angehörigengruppen oder mögliche Ahnenreihen der Verstorbenen gedeutet wurden. Die Schmuck tragende Figur sitzt auf einem geflügelten Thron und hält einen Vogel; anhand dieser Details könnte sie als Gottheit aufgefasst werden. Ebenfalls hervorzuheben ist die üppige Mehrfarbigkeit dieser Statue, die ausserordentlich gut erhalten ist 101


im Unterschied zu einer anderen möglichen anthropomorphen Urne, die der «Dama de Elche». Bei dieser handelt es sich um das berühmteste iberische Werk, jedoch tauchte sie ausserhalb ihres ursprünglichen Kontexts auf dem Gelände von Alcudia (Alicante) auf. Es ist denkbar, dass dieses Grabmal eines der ältesten der Nekropole ist. Zu guter Letzt sind einige Grabstätten mit monumentalen Skulpturen verziert, die nach ihrem Tod als Helden verehrte Persönlichkeiten darstellen. Es handelt sich um die sogenannten Heroa wie das von Porcuna (Jaén), mit mehreren Skulpturenreihen, auf denen ein heldenhafter Krieger vom Typ Reiter zu sehen ist, der jedoch zu Fuss kämpft und es dabei mit Löwen und mythischen Tieren wie dem Greif aufnimmt. Diese Ensembles haben einen eindeutig propagandistischen Wert und zeigen den gesellschaftlichen Status der darin beigesetzten Eliten (und wurden in Zeiten sozialer Instabilität oder politischer Führungswechsel in einigen Fällen zerstört) (Abb. 4). Die Gräbervielfalt auf dem Gebiet der iberischen Kultur ist ein Beleg für die Komplexität der Gesellschaft und veranschaulicht gleichzeitig die Qualität ihrer künstlerischen Ausdrucksformen. Kinderbegräbnisse Im Gegensatz zu den sehr wenigen Kindern in den iberischen Nekropolen fand die Beerdigung von perinatalen (kurz vor der Geburt oder in den ersten Lebensmonaten verstorbenen) Personen innerhalb der Habitate statt. Diese Tradition, die wie die Brandbestattung bereits vor der iberischen Kultur existierte, kam in jener Zeit häufig vor, besonders in Valencia und Katalonien, also in der nördlichen Hälfte des Territoriums, und überdauerte nachfolgende Epochen. Im Allgemeinen wurden die Kinder unter den Zimmerfussböden begraben, in der Nähe der Wände und oft in den Ecken, mitunter in Verbindung mit einem Bauelement oder im zeitlichen Zusammenhang mit einem Umbau. Die Körper wurden in einfache Hohlräume gelegt, normalerweise ohne besondere Vorbereitung (Abb. 5). Beigaben waren nicht üblich, mit einigen Ausnahmen, in denen ein Amulett beigelegt wurde. Es konnten vollständige Personen geborgen werden, was möglicherweise auf Konservierungsprobleme oder rituelle Aspekte zurückzuführen ist. Die Körperhaltungen variieren, oft waren die Beine gebeugt und die Körper vermutlich von einem Material umhüllt (einem Korb oder Stück Stoff), das nicht erhalten geblieben ist. Gelegentlich, insbesondere in Fundstätten des Gebiets Valencia, wurden die Kinder in Urnen beigesetzt.

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Diese Beisetzungen unterscheiden sich in einigen Punkten von den für Erwachsene beschriebenen Bestattungspraktiken, hauptsächlich in Bezug auf den Umgang mit den Körpern (Begräbnis gegenüber Brandbestattung) und den Beisetzungsort der Überreste (Habitat gegenüber Nekropole). Auch scheint es einen Unterschied zwischen den Begleitritualen der Beerdigung zu geben (Loch ohne Beigabe gegenüber einer Urne mit Grabausstattung), obwohl dieser letzte Punkt nicht ganz eindeutig ist, da einige der in Habitaten begrabenen Kinder in Urnen lagen und Beigaben hatten. Diese Praxis wurde weder in allen Dörfern noch in allen Häusern ein- und derselben Siedlung festgestellt: Die Begräbnisse konnten sich auf bestimmte Gebäude oder Zimmer, hauptsächlich das Zuhause, konzentrieren, aber auch zu Wirtschafts- oder Kultzwecken genutzte Räume betreffen. Es gibt unterschiedliche Deutungsansätze, um diese Vorgehensweise zu erklären. Einer von ihnen besagt, dass die vor Erreichen eines bestimmten Alters verstorbenen Kinder keinen Anspruch auf Beerdigung in der Nekropole hatten und deshalb unter den Fussböden der Häuser verblieben. Aber wie gesagt, Kinderbestattungen sind nicht in allen Siedlungen zu finden, was verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass die Kindersterblichkeitsrate sehr hoch gewesen sein muss. Eine andere Auslegung geht dahin, dass es sich um Kinderopfer handelte, eine Praxis, die sich in unserem konkreten Fall nicht bestätigen lässt. Letztlich ist auch denkbar, dass womöglich nur die Kinder aus Familien mit einem gewissen Status in ihrem Zuhause begraben wurden. Dies lässt sich beispielsweise im Fall von Alorda Park (Tarragona) vermuten, wo man die einzigen Kinderbestattungen in einem grossräumigen Haus fand, das der örtlichen Elite zugeordnet wird. Bei einigen Funden wie in Olèrdola (Barcelona) nimmt man angesichts von zwei zusammen beerdigten Babys an, dass es sich um Zwillinge handelte. Anhand von Untersuchungen wie zum Beispiel DNA-Analysen liesse sich feststellen, ob die unter den Häusern einund derselben Siedlung beerdigten Babys miteinander verwandt waren, jedoch finden solche Untersuchungen derzeit kaum statt.

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Schlussfolgerungen Dank der archäologischen Forschung sind uns eine grosse Anzahl iberischer archäologischer Stätten bekannt. Es handelt sich jedoch mehrheitlich um Habitate unterschiedlicher Kategorien, während die Nekropolen vergleichsweise selten sind. Katalonien stellt einen besonders drastischen Fall dar, da für den von uns als hochiberische Phase (4. bis 3. Jahrhundert v. Chr.) bezeichneten Zeitraum nur die Nekropolen in Verbindung mit zwei bedeutenden Siedlungskernen, die mehrere Hektar Fläche umfassten und vermutlich als Gebietshauptstädte fungierten, bekannt sind: die Stadt Ullastret (Girona) mit der Nekropole Serra de Daró – und die Stadt Burriac (Barcelona) mit den Nekropolen Can Rodon de l’Hort und Turó dels Dos Pins. In anderen Territorien der iberischen Kultur ist die Anzahl an Nekropolen höher, aber nirgendwo stimmt die Anzahl der Gräber mit der Anzahl der für die Habitate hochgerechneten Gesamtbevölkerung überein. Wer waren die Personen, die an diesen heiligen Stätten beigesetzt werden konnten? Rufen wir uns in Erinnerung, dass die Erwachsenen dort nahezu absolut in der Überzahl waren, hauptsächlich männlichen Geschlechts. Sie lagen zusammen mit verschiedenen Grabausstattungen innerhalb derselben Nekropole. Dies lässt auf soziale Unterschiede zwischen den Verstorbenen schliessen, bedeutet aber nicht, dass alle Gruppen der Gesellschaft vertreten sind, da sich in allen Gräbern Beigaben mit mehr oder weniger Gegenständen befinden. Was fehlt, sind «Armengräber» ohne Beigaben, die mit Bediensteten, die es in der iberischen Gesellschaft zweifellos gab, assoziiert werden könnten. Aus all dem lässt sich schlussfolgern, dass das Recht auf Beisetzung in der Nekropole und vielleicht auch das Recht auf das Brandbestattungsritual als solches (das den Weg in ein Leben im Jenseits bereitete und aufgrund der benötigten Unmenge an Holz sehr teuer gewesen sein muss) einem kleinen Teil der Bevölkerung vorbehalten blieb, nämlich erwachsenen Männern und in geringerem Ausmass Frauen, die einer bestimmten sozialen Klasse angehörten. Wir haben keine Kenntnis von einem Ritual, das bei den übrigen Bewohnern Anwendung fand.

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Laut den archäologischen Funden muss es auch Personen gegeben haben, die eines Bestattungsrituals nicht würdig waren. Dies war vermutlich bei zerstückelten Körpern der Fall, Opfern von Gewalt, von denen im Wesentlichen nur die Köpfe übrig blieben, die in Dörfern der nordöstlichen Halbinsel wie Ullastret (Girona) und Puig Castellar (Barcelona) als Kriegstrophäen ausgestellt wurden, sowie die in Silos oder Gruben geworfenen Körper wie der in Montjuïc (Barcelona) aufgefundene Leichnam einer Frau. Es könnte sich um eine nicht zur Gemeinschaft gehörende Person gehandelt haben, die aufgrund ihrer Position auf der untersten Stufe der sozialen Leiter oder auch wegen ihres Todes infolge einer besonderen Krankheit oder einer von der Gruppe missbilligten Lebensführung ausgegrenzt wurde. Kurzum, die Welt des Todes in der iberischen Kultur ist das Spiegelbild einer vielschichtigen und hierarchisierten Gesellschaft. Die Morphologie der Grabstätten ist wie auch andere Aspekte je nach geografischen Gebieten unterschiedlich. Auch wenn das Bestattungsritual in groben Zügen bekannt ist, sind noch viele Rätsel offen, die von der archäologischen Forschung zu entschlüsseln sind.

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DIE KARTHAGER AUF DER IBERISCHEN HALBINSEL Christoph Schneider Basel

«Dann aber, Tyrier, quält diese Brut und in Zukunft den ganzen Stamm mit Hass und schickt meiner Asche dieses als Gabe: nie soll Liebe die Völker vereinen und nimmer ein Bündnis! Wachse doch, wer du auch seist, aus unsern Gebeinen, du Rächer, der du mit Feuer und Schwert heimsuchst dardanische Siedler jetzt oder einst, wann immer zur Zeit die Kräfte bereit sind. Strand sei Gegner dem Strand, und Woge der Woge, so bitt’ ich, Waffen den Waffen, und Kampf entzweie sie selbst und die Enkel!» Vergil, Aeneis IV, 622–629

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Karthager und Römer Die letzten Worte der karthagischen Königin Dido vor ihrem Selbstmord sind Worte des Hasses und der Rache. Sie gelten den Flüchtlingen aus Troja und ihrem Anführer Aeneas, der Didos Liebe unerwidert lässt, um nach Italien weiterzusegeln. Denn dort wird aus seinem Geschlecht einst Romulus stammen, der am Ufer des Tibers Rom gründen wird. Als der Dichter Vergil (70–19 v. Chr.) sein römisches Nationalepos, die Aeneis, um 20 v. Chr. mit dem dramatischen Höhepunkt der Aeneas-Dido-Begegnung schrieb, war es ihm wichtig, seinen Lesern eine mythische Vorgeschichte für die schicksalhaftesten Jahre der römischen Geschichte während der sogenannten Punischen Kriege (264–147 v. Chr.) zu präsentieren. Auch mehr als hundert Jahre nach dem Untergang Karthagos waren die damaligen Ereignisse im kollektiven Gedächtnis der Römer allgegenwärtig: die Niederlage der Römer bei Cannae 218 v. Chr., der Karthager Hannibal kurz darauf mit seinem Heer vor den Toren Roms! Die Auseinandersetzung zwischen Karthagern und Römern wurde in drei Kriegen ausgefochten. Von 264 bis 241 v. Chr. in einem regionalen Krieg auf Sizilien, von 218 bis 201 v. Chr. in einem internationalen Krieg in Iberien, Italien und Nordafrika, an dem auch Griechen aus dem östlichen Mittelmeer beteiligt waren, und schliesslich in einem Vernichtungskrieg von 149 bis 146 v. Chr., der mit der Zerstörung Karthagos und der punischen Kultur endete. Viele Schriftquellen handeln von den Punischen Kriegen, sie sind jedoch von den Siegern geschrieben und verraten oftmals eine gewisse antikarthagische Tendenz. Die Griechen bezeichneten die Angehörigen der Stadtstaaten von Sidon, Berytos und Tyros kollektiv als Phönizier (Phoinikes), da diese für das Färben von Textilien mit dem Purpur (griech. phoinix) der Purpurschnecken bekannt waren. Die Römer latinisierten den Namen zu Poeni/Puni und meinten damit die Phönizier im westlichen Mittelmeer unter der Ägide Karthagos. In der heutigen Sprachregelung bezeichnet man oft die Karthager der Frühzeit als Phönizier, aber ab dem 7. Jahrhundert, als Karthago eine eigenständige Politik und Kultur zu entwickeln begann, als Punier. Die punische Präsenz auf der Iberischen Halbinsel vor den Punischen Kriegen Unter den phönizischen Siedlungen im Mittelmeer (siehe Beitrag L. Gorgerat) nimmt die 814 v. Chr. gegründete «Neustadt» Qart Ḥadašt (griech. Karchedon, lat. Carthago) eine Sonderstellung ein. Die Topografie begünstigte den Bau von Hafen- und Festungsanlagen, das Umland, vor allem die Halbinsel Cap Bon, war fruchtbar und der Standort verkehrstechnisch klug gewählt am Schnittpunkt transsaharischer und transmediterraner Verbindungen. An der Strasse von Sizilien gelegen kontrollierte Karthago die Ost-West-Schifffahrtsroute und die Routen in das Tyrrhenische und Balearen-Meer, die hier abzweigten. 107


Abb. 1. Gebiete der punischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel. (Karte: Laurent Gorgerat)

Mit dem Wachstum des Stadtstaates wuchs auch das Bedürfnis nach Rohstoffen. War Karthago zuerst am phönizischen Seenetzwerk unter der Führung der Mutterstadt Tyros beteiligt, wurde die Stadt im 6. und 5. Jahrhundert tonangebend, während Tyros 573 v. Chr. vom babylonischen König Nebukadnezar II. erobert wurde und seine Dominanz verlor. Auf Sizilien wurden ganze Landstriche von den Karthagern eingenommen und als Provinz verwaltet, und auch Korsika und Sardinien gerieten in den karthagischen Machtbereich. Auf der Iberischen Halbinsel verstärkten die Karthager in den phönizischen Kolonien in Andalusien ihre Präsenz, namentlich in Gades. Im 5. und 4. Jahrhundert schlossen die Karthager mehrere Verträge mit der aufstrebenden Macht Rom ab, in denen die 108


jeweiligen Interessensphären benannt wurden. Während es den Römern vor allem um ihre unangefochtene Stellung in Italien ging, definierten die Karthager das Gebiet ihrer Handelsinteressen im westlichen Mittelmeer. Im zweiten Vertrag von 348 v. Chr. wurde, wie der Historiker Polybios (III, 24, 4) berichtet, festgehalten, «die Römer sollen jenseits des Schönen Vorgebirges und von Mastia Tarseion weder Kaperei noch Handel treiben noch eine Stadt gründen.» Damit ist das Seegebiet vom heutigen Kap Farina nördlich von Tunis bis zum Gebiet von Carthago Nova als karthagisches Einflussgebiet bezeichnet, also auch die Südost- und Südküste der Iberischen Halbinsel sowie die Strasse von Gibraltar, in der Antike die «Säulen des Herakles» genannt. Strabon geht sogar so weit zu behaupten, «die Karthager … pflegten alle Fremden, die an ihrem Land vorbei nach Sardos [Sardinien] oder zu den Säulen segelten, im Meer zu ertränken» (17, 1, 19 C 802). Die punische Expansion auf der Iberischen Halbinsel unter den Barkiden (237–219 v. Chr.) Zwischen 264 und 241 v. Chr. kämpften Karthager und Römer im Ersten Punischen Krieg um die Vorherrschaft auf Sizilien. Nach dem Sieg der Römer sah der Friedensvertrag vor, dass die Karthager Sizilien zu räumen und jahrelang Reparationszahlungen zu entrichten hatten. Als Karthago die umfangreichen Söldnertruppen demobilisierte, kam es auf afrikanischem Boden zum Aufstand der Söldner, die sich um ihren Sold betrogen sahen. Die Revolte dauerte drei Jahre und konnte nur unter grösster Anstrengung niedergeschlagen werden. Diese Situation nutzten die Römer, um Sardinien und in der Folge auch Korsika zu annektieren. Die Karthager sahen sich der grossen Mittelmeerinseln beraubt, das Tyrrhenische Meer gehörte nun zum römischen Machtbereich. Um diese Verluste zu kompensieren, entschieden sie, die Politik gegenüber den Iberern zu ändern: Anstatt wie bis anhin Waren aus dem Mittelmeerraum gegen die Rohstoffe, vor allem Edelmetalle (und iberische Söldner), zu verhandeln, wollte man sich der rohstoffreichen Gebiete bemächtigen. Ein Heer wurde auf die Iberische Halbinsel entsendet unter dem Oberbefehl des erfolgreichen Heerführers und Oberhaupts des wichtigsten karthagischen Familienclans, Hamilkar, genannt Barkas «der Blitz». An der Spitze seiner Truppen erreichte der Barkide zusammen mit seinem knapp dreissigjährigen Schwiegersohn Hasdrubal und seinen drei Söhnen, unter ihnen der neunjährige Hannibal, 237 v. Chr. Gades. Diese Stadt, berühmt durch das Melqart/Herakles-Heiligtum, mit ihrer idealen Lage vor dem Festland sollte sie als Stützpunkt für seine Unternehmungen dienen. Hamilkar wandte sich zuerst siegreich im Gebiet des Guadalquivir gegen die Turdetaner und andere Stämme. Danach verlegte er sein Hauptquartier in die von ihm gegründete, von den Griechen Leuke Akra genannte Stadt, die bis heute nicht identifiziert ist. Als Hamilkar 229 v. Chr. die Stadt Helike (Elche) belagerte, kam er in einer Schlacht gegen die Orisser um. 109



Abb. 2. Weibliche punische Büste mit eingesetzten Armen. Ton, 5./4. Jahrhundert v. Chr. Aus der Nekropole von Puig d’es Molins, Ibiza. (© Museu d’Arqueologia de Catalunya) Während phönizisches Handelsgut in vielen iberischen Ausgrabungen gefunden wird, hinterlässt die dreissigjährige Herrschaft der Punier nicht viele archäologische Zeugnisse. Am eindrücklichsten ist die zuerst phönizische, dann punische Präsenz auf Ibiza belegt, zum Beispiel in der Nekropole von Puig d’es Molins oder dem Heiligtum Es Culleram.

Nun übernahm Hasdrubal den Oberbefehl und führte erfolgreich einen Rachefeldzug gegen die Orisser. Danach heiratete er die Tochter eines iberischen Chefs, um das Verhältnis zu den Stämmen zu verbessern. Er verlegte das Hauptquartier der karthagischen Armee in seine Neugründung an der Ostküste, die den gleichen Namen wie die Mutterstadt führte, Qart Ḥadašt, von den Römern Carthago Nova (heute Cartagena) genannt. Die Stadt wurde bald zur Metropole Iberiens, verfügte sie doch über den besten Naturhafen, was den Nachschub aus Karthago erleichterte, und lag in der Nähe wichtiger Silberbergwerke. Den Römern waren die karthagischen Eroberungen in Südspanien nicht entgangen. Sie handelten 226/225 v. Chr. mit Hasdrubal einen Vertrag aus, welcher die jeweiligen Einflusszonen festlegte und «in dem vom übrigen Iberien kein Wort stand, dagegen bestimmt war, die Karthager sollten den Ebro nicht in kriegerischer Absicht überschreiten» (Polybios II, 13, 7). Als Hasdrubal 221 v. Chr. einem Anschlag zum Opfer fiel, ernannte das Heer den knapp dreissigjährigen Hannibal zum Befehlshaber. Dieser ergriff sofort die Initiative gegen den Stamm der Olkaden und im Jahr darauf gegen die Vakkäer, dann gegen die Karpessier. Nun erstreckte sich das punische Territorium nicht mehr nur der Süd- und Südostküste entlang, sondern umfasste auch Zentralspanien. Gleichzeitig bahnte sich an der spanischen Ostküste eine neue Krise an. Denn Hannibal fühlte sich durch die Aktivitäten der iberischen Stadt Saguntum provoziert. Er belagerte die mit Rom befreundete Stadt acht Monate lang und eroberte sie schliesslich. Darauf erklärten die Römer Karthago den Krieg.

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Iberien als Kriegsschauplatz im Zweiten Punischen Krieg (218–206 v. Chr.) Hannibal zögerte keinen Moment, die Initiative zu ergreifen. Er setze seinen kühnen Plan um, über die Alpen nach Italien zu marschieren und dort die römischen Heere zu stellen, bevor diese ihn in Iberien oder Karthago direkt angreifen konnten. Er überquerte den Ebro und unterwarf die nordiberischen Stämme der Ilergeten, Bargusier, Airenusier und Andosiner. Um Nordiberien zu sichern, liess er ein Kontingent zurück und zog weiter durch Südgallien durch das Rhônetal über die Alpen, um den Krieg nach Italien zu bringen. Inzwischen war eine römische Flotte unterwegs nach Iberien. Als man realisierte, dass Hannibal nicht mehr aufzuhalten war, fasste man den Entschluss, trotzdem in Iberien zu intervenieren, um möglichst viele karthagische Kräfte dort zu binden und den Nachschub für Hannibal zu stören. Die Brüder Publius und Gnaeus Cornelius Scipio erzielten zuerst einige Erfolge gegen Hannibals Bruder Hasdrubal in den Schlachten bei Kissa (218 v. Chr.), bei der Ebromündung (216 v. Chr.), bei Ibera (Tortosa) (215 v. Chr.), bei Munda (214 v. Chr.), bis sie schliesslich am Oberlauf der Baetis umkamen (211 v. Chr.). In der Folge mussten sich die römischen Legionen an den Ebro zurückziehen. Im Jahr darauf schickte man Publius Cornelius Scipio, Sohn des gleichnamigen und zwei Jahre vorher Gefallenen, nach Iberien. Er überfiel unerwartet für die Karthager Neukarthago und konnte es besetzen. Damit endete das Kriegsglück der Karthager in Iberien. Mit Neukarthago besassen nun die Römer die Basis für massive Truppen–Materialnachschübe und die in der Nähe gelegenen Silberbergwerke. Scipio schlug die karthagische Heere 208 v. Chr. bei Baecula und 206 v. Chr. bei Ilipa. Die Karthager flohen nach Gades und mussten schliesslich auch diese Stadt räumen. Scipio aber überlegte sich die nächsten Schritte. «Denn bisher hätten die Karthager mit den Römern Krieg geführt, nun habe [die Schicksalsgöttin] Tyche den Römern die Möglichkeit gegeben, den Krieg gegen die Karthager zu eröffnen» (Polybios XI, 24a). Vier Jahre später siegte er in Nordafrika in der Schlacht bei Zama über Hannibal. Der Zweite Punische Krieg war beendet. Für die Iberer bedeuteten die Punischen Kriege das Ende ihrer Freiheit: Der erste Waffengang hatte zur Folge, dass die Karthager von ihren Stützpunkten am Meer in die iberische Halbinsel eindrangen, nach dem zweiten punischen Krieg begannen die Römer Iberien zu kolonialisieren.

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Abb. 3. Viertel-Schekel, geprägt im barkidischen Spanien (237–209 v. Chr.). Avers: Kopf des bekränzten Melqart/Herakles, im Hintergrund die Keule nach links; Revers: Elefant nach rechts. Die punischen Eroberungen auf der Iberischen Halbinsel führten auch zum Besitz verschiedener Silberminen. Das Silber wurde nach Karthago geschickt, ein Teil davon aber auch vor Ort ausgemünzt. (© Wikipedia)

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Impressum

IBERER Eine Ausstellung unter dem Patronat von

Die Ausstellung ist eine Partnerschaft zwischen

Organisiert mit der Mitwirkung von

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Direktion Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig Dr. Andrea Bignasca, Direktor Michel Pompanin, Geschäftsführender Direktor Direktion Museu d’Arqueologia de Catalunya Jusèp Maria Boya i Busquet, Direktor International Cultural Projects & Exhibition Management Petra Rotthoff Vorkonzept in Barcelona und wissenschaftlicher Beirat in Basel M. Carme Rovira i Hortalà Núria Molist i Capella Gabriel de Prado i Cordero Dr. David Asensio i Vilaró Kuratierung & Projektleitung in Basel Laurent Gorgerat Projekt-Management und wissenschaftliche Koordination in Barcelona M. Carme Rovira i Hortalà Projektteam Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig Javier Alberich, Grafik Kurt Bosshard, Restaurierung & Konservierung Tine Dittmar, Social Media, Mediamatik Alexandra Maurer, Marketing & Kommunikation Trinidad Moreno, Szenografie Benjamin Negri, Sicherheit & Technik Brigitte Nicosia, Finanzen & Services Nicole Salvi, Food & Beverage, Events Annegret Schneider, Bildung & Vermittlung

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Leihgeber Museu d’Arqueologia de Catalunya Direcció General del Patrimoni Cultural Departament de Cultura - Generalitat de Catalunya Museu d'Història de Sabadell Museu Arqueològic del Vendrell Museu del Castell de Peralada Museu d'Història de Catalunya Museo Íbero de Jaén Museo Provincial de Jaén Sammlung Duran Vall-llosera Museu de les Terres de l’Ebre Museu d’Art de Girona Restaurierung Leihgaben Laura Lara Rodríguez Isabel Moreno Martínez Verwaltung Leihgaben Núria Molist i Capella Sara Ladera i Bautista Übersetzungen Aurélie Gorgerat (franz.) Isabel Aitken, Sandy Haemmerle (engl.) Probicon GmbH (span., deutsch) Begleitpublikation Herausgeber Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig Konzept Laurent Gorgerat, M. Carme Rovira i Hortalà Kooordination Alexandra Maurer

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Layout Tine Dittmar Autor:innen David Asensio i Vilaró M. Carme Belarte Andrea Bignasca Jusèp Maria Boya i Busquet Ferran Codina i Falgas Gabriel de Prado i Cordero Joan Ferrer i Jané Laurent Gorgerat Othmar Jaeggi Núria Molist i Capella M. Carme Rovira i Hortalà Carmen Rueda Galán Christoph Schneider Lektorat Korrekturbüro Kommazwerg Multimedia Konzept: Museu d’Arqueologia de Catalunya Filme: Alcafilms, Dani Sierra Audiovisuals, Jordi Orobitg Produccions, Josep M. Rovira 3D-Rekonstruktion Ullastret: Burzon Comenge MAC-ACdPC / Obra Social La Caixa «Patrimoni en Acció» 3D-Rekonstruktion Cal Posastre: 3D Stoa Patrimonio y Tecnología S.L. Mappings: Blit Anpassung und Installation der audiovisuellen Medien in Basel: Tweaklab AG, Basel

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Transport Möbeltransport AG SIT Spain Versicherung Helvetia Versicherung Team Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig Siehe

Dank Dra. Maria Carme Belarte Dr. Joan Ferrer i Jané Dra. Carmen Rueda Galán Sr. Josep M. Rovira Sr. Pere Durán Vall-llosera Sra. Montserrat Vall-llosera Vilaplana

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