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interviewsusanne wolf

„Es ist ein Un-Beruf“

Viel Gefühl für sprachliche Feinheiten zeichnet ihre Collagen und Textbücher aus. Mit Gabi Horak und Angela Heissenberger sprach Susanne Wolf, Dramaturgin des Wiener Schauspielhauses, über Shakespeare, Richterin Barbara Salesch und ihr Faible für historische Frauenfiguren. Fotos von Magdalena Blaszczuk Die Welt der Bühne zog Susanne Wolf schon zum Studium nach Wien, „wo Theater einfach ein Thema ist“. Und ihre Augen beginnen noch immer zu leuchten, wenn sie von ihrer großen Leidenschaft spricht. Nach Arbeiten u.a. für das Theater Drachengasse und das Volkstheater ist die gebürtige Mainzerin seit dem Vorjahr am Wiener Schauspielhaus tätig. an.schläge: Die Stadtzeitung „Falter“ kritisiert das Programm des Schauspielhauses als „konzeptlos“ und „fragmentarisch“. Nach welchen Kriterien habt ihr den Spielplan zusammengestellt? Susanne Wolf: Nach dem, was uns wichtig erscheint. Ein Programmpunkt unseres gesamten Spielplans ist, dass wir pro Jahr eine/n KünstlerIn einladen, in Wien ein Projekt zu gestalten. Im letz34 an.schlägeoktober 2002

ten Jahr war das Gesine Danckwart, eine der renommiertesten jungen Theaterautorinnen Deutschlands. Hier entsteht eine Vernetzung von internationalen und österreichischen KünstlerInnen, ein Dialog. Dialog ist generell ein wichtiger konzeptioneller Punkt unseres Theaters. Wir haben außerdem jedes Jahr einen klassischen Stoff, den wir selbst bearbeiten. Das war letztes Jahr „Medea“, heuer ist es „Macbeth“. Deine „Macbeth“-Bearbeitung, die am 22. Oktober im Schauspielhaus Premiere hat, ist ausschließlich mit Frauen besetzt. Warum? Zunächst war da eine Idee von Regisseur Barrie Kosky, der für Melita Jurisic, die letztes Jahr mit großem Erfolg in „Medea“ gespielt hat, eine Männerrolle finden wollte. Sie ist eine Schauspielerin, die eine ungeheure

Spannweite hat, von Komödiantik bis zu abgründigen Momenten, eine ganz zarte Person, die eine unendliche Kraft hat. „Macbeth“ kann sehr leicht gelesen werden als „Böse ehrgeizige Ehefrau treibt Macho-Ehemann zu Königsmord, der sich dann auf seinem Killertrip verselbständigt“ – und das ist ein bisschen wenig, weil das Stück mehr ist als nur eine Studie zum Thema Ehrgeiz. Es ist eine Auslotung der furchtbarsten Momente, die wir alle in uns selber haben. Es ist ein Stück über Kinderlosigkeit, über Albträume und über Schlaflosigkeit. Eine Art Psychotrip. Es ist spannend, dass Frauen mit ihrer weiblichen Sicht diese männlichen Qualitäten untersuchen, ohne das Männliche nachzuahmen. Du vergisst, dass es Frauen sind. Es sind Shakespeares Figuren.


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