5 minute read

Über Monika Taubitz, Treffen mit Jugendlichen (Henryk Grzybowski

Auf ein Wort

Im Schilf die verlassenen Nester. Setz dein Wort aus, gib es frei zur Bewährung. Die Antwort kann unhörbar sein. Nur Schiffe kehren zurück in den Hafen.

Advertisement

Zwischen den beiden Teilen lebt eine Kraft der Poesie und Prosa, die aus dem Erleben der Geschichte erwächst, denn Monika Taubitz schöpft reichlich aus den Erfahrungen und dem Gefühl des Verlusts, und die Aussiedlung aus Schlesien spielt in ihrem literarischen Werk eine zentrale Rolle, sei es nun offen oder verdeckt46 .

Bücher und Poesiebände der Autorin werden in polnischer Übersetzung veröffentlicht, es wurden auch mehrmals zweisprachige Poesiebände mit Gedichten im Original und sowie einer Übertragung ins Polnische auf der gegenüber liegenden Seite herausgegeben. Kenner der Poesie können, auch wenn sie nur über wenig Deutschkenntnisse verfügen, die Worte genießen und ihre eigenen Übertragungen finden. Die Bände werden gerne von polnischen Lesern gekauft, einige Auflagen sind schon vergriffen. Der immer größer werdende Teilnehmerkreis auf den alljährlichen Treffen mit Monika Taubitz deutet darauf hin, dass das „verlassene” Wort zurückkehrt, und die Dichterin hört die Antwort.

46 Winfrid Halder, a. a. O.

Über Monika Taubitz. Treffen mit Jugendlichen in Eisersdorf (Żelazno)

Henryk Grzybowski, Übersetzt aus Ziemia Kłodzka nr 274/maj 2017: von Katarzyna Ćmiel, Korr. Heinz-Peter Keuten

Monika Taubitz war vor vielen Jahren Einwohnerin Eurer Ortschaft – Żelazno (damals Eisersdorf). Sie ist eine von Euch. Sie hat dieselben landschaftlichen Erinnerungen wie Ihr: Hügel, Wege, Häuser, Gebäude. Eine Bahnstation, von der aus sie mit ihrer Mutter nach Glatz oder Bad Landeck reiste, und ihre in geheimnisvolle Ferne führenden Schienen, eine Kirche, ein Friedhof mit den Gräbern der Angehörigen. Hier wohnte und unterrichtete ihr Opa, der auch einen Chor leitete und komponierte.

Wenn es stimmt, dass die Einwohner eines Ortes so etwas wie eine Familie bilden, und das nicht durch Bande des Blutes, sondern durch die Erinnerung an die Landschaft und ihre Geschichte (die Dorfgeschichte), dann gehört diese

Schriftstellerin und Dichterin zu Eurer Familie.

Monika Taubitz schrieb ein Buch über ihre Zeit in Eisersdorf. Durch Lücken im Zaun ist bisher das interessanteste Buch über Euren Ort. Es ist interessant und anders, denn es beschreibt Ereignisse aus der Perspektive eines Kindes. Sowohl angenehme wie Wanderungen mit der Mutter und Besuche der Tante als auch tragische. Auch dank ihrer Literatur ist Euer Dorf in der Welt bekannt geworden. Vielleicht versucht auch einmal jemand von Euch, die eigene Kindheit und die Umgebung zu beschreiben? Ihr musst wissen, dass, egal, was Ihr in der Zukunft machen werdet, Eure Erlebnisse in Eisersdorf in Euch bleiben. Ihr entdeckt das vor allem dann, wenn Ihr erwachsen und später sogar alt werdet. Und ähnlich wie Eisersdorf in Monika Taubitz geblieben und tief in ihrem Gedächtnis verankert ist, obwohl sie jetzt in Meersburg am Bodensee wohnt, auf dessen anderer Seite man die Schweiz und die Alpen sehen kann, so bleibt Eisersdorf in Euch.

Ich möchte Euch davon berichten, wie die Dichtkunst im Leben von Monika Taubitz entstand und welchen Einfluss sie auf die Dichterin hatte. Als die Deutschen aus Eisersdorf nach Westdeutschland vertrieben wurden, trafen sie dort auf eine ganz andere Gegend. Hier Berge, dort Meer, hier warm und angenehm, dort kalte Meereswinde, hier vertraute Sitten, katholische Volksfrömmigkeit, dort mehrheitlich Protestanten, die von den Grafschafter Katholiken als steif, streng und stur empfunden wurden. Ein anderer wichtiger Unterschied – der Dialekt, die Mundart. Im deutschen Sprachraum ist dies ein ganz wichtiger identitätsstiftender Faktor, denn es gibt zahlreiche Unterschiede in Wortschatz, Intonation und Aussprache zwischen den verschiedenen regionalen Dialekten Deutschlands.

Ich erwähnte bereits die Tragödie der Vertreibung. Vom Standpunkt der Polen aus war die Aussiedlung der Deutschen die Durchführung der Beschlüsse der Großmächte von Jalta und Potsdam, eine Entschädigung sowohl für die verlorenen früher polnischen Ostgebiete als auch für die Zerstörungen während des durch die Deutschen vom Zaun gebrochenen Krieges. Aus der Sicht der Deutschen, der seit Generationen (manchmal einige Hundert Jahre auf demselben Bauernhof) in der Grafschaft Glatz wohnhaften Eisersdorfer Landbevölkerung, war dies jedoch ein einschneidendes tragisches Ereignis. Umso mehr für ein Kind, das zusehen musste, wie fremde Menschen, Polen, sich das Haus seiner Großeltern aneigneten und mit dem Gewehr drohten. Es löste bei den Menschen traumatische Gefühle und ein Ungerechtigkeitsgefühl aus. Dazu kam, dass die Vertriebenen dort, wohin sie nach der Ausweisung kamen, oft zwangsweise

bei Leuten wohnen mussten, die den fremden und mittellosen Menschen aus dem Osten nur ungern einen Teil ihrer eigenen Wohnung überließen. Die kleine Monika wohnte mit ihrer Mutter in einem Dachgeschoss. Sie hatte keine Spielsachen, sie konnte nicht laut spielen, weil das die Hausherren gestört hätte. Die Mutter arbeitete, das Kind war allein. Die einheimischen Gleichaltrigen waren anders, manchmal lachten sie das Kind aus Eisersdorf wegen seines komischen Akzentes aus. Einsamkeit führt zu Entfremdung, zu einem emotionaleren Empfinden der Welt. Was machte das Kind? Es erfand Geschichten, verwandelte die Bilder in Sprache, kleidete sie in Worte. In einem kleinen Zimmer im Dachgeschoss schrieb Monika still Worte auf Zeitungsschnipsel auf. Und so entstand Poesie, so wurde die Dichterin geboren.

Die Mutter schickte das Gedicht an die Zeitung, das Mädchen bekam ein paar Mark. Später schickte die Mutter ein paar Gedichte ihrer Tochter an einen bekannten Dichter. Nach zwanzig Jahren übergab derselbe Dichter Monika Taubitz einen Literaturpreis.

Die Familie Taubitz war seit Generationen auf drei Berufe spezialisiert: den Lehrerberuf, den Musikerberuf (manchmal beides in Kombination, wie im Fall von Monikas Opa und Vater) oder geistliche Berufe. Die Schriftstellerin wählte ähnlich wie ihre Vorfahren den Lehrberuf. Sie war Deutschlehrerin in Dörfern in Baden-Württemberg, im Grenzgebiet zu Bayern. Manche nahmen ihr übel, dass sie nicht Schwäbisch, sondern Hochdeutsch sprach. Aber andere Eltern sagten, es sei ein großes Glück, dass die Kinder in der Schule richtig Deutsch lernen konnten.

Eine wichtige Person im Leben von Monika Taubitz war eine Amerikanerin, die Direktorin des Annette von Droste-Hülshoff-Museums, jener romantischen deutschen Dichterin. Die junge Lehrerin konnte durch sie viele bekannte Persönlichkeiten aus der Welt der Kultur kennenlernen, Schriftsteller und Künstler. Sie gewann Selbstsicherheit. Viele Jahre danach schrieb sie ein Buch über ihre Mentorin, Helene von Bothmer-Davis.

Monika Taubitz war viele Jahre lang Vorsitzende des Wangener Kreises, dem viele aus den früheren deutschen Ostgebieten stammende Künstler angehörten. Zurzeit ist sie seine Ehrenvorsitzende. Sie hat ein paar Dutzend Romane und Gedichtsammlungen publiziert und bekam etliche Literaturpreise sowie die päpstliche Auszeichnung Benemerenti. Auch den Preis des Landes BadenWürttemberg, wo sie wohnt, erhielt sie für den Einsatz für ihre beiden „Heimatsorte“ – den in Schlesien und ihr heutiges Zuhause – sowie für die Verständigung zwischen Deutschen und den Einwohnern Osteuropas verliehen. Für literarische Leistungen und „den Brückenbau” zwischen Deutschen und Polen wurde sie mit dem Verdienstkreuz der Republik Polen am Bande sowie dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

This article is from: