Apropos Ausgabe Februar 2018

Page 1

A

s o p p ro

ALTERSZENTRUM LANZELN Bahnhofstrasse 58, 8712 Stäfa www.lanzeln.ch

Telefon 044 928 91 11 Telefax 044 928 91 40 info@lanzeln.ch

FEBRUAR 2018

Neues Demenzkonzept «Demente Menschen besitzen ein untrügliches Gespür» Mit ihrem neuen Konzept trägt die Lanzeln den anspruchsvollen Aufgaben und der ethischen Dimension bei der Betreuung von dementen Bewohnern Rechnung. Jeannette van Dijk, Leiterin vom Gartengeschoss, erläutert, worauf sie und ihr Team besonders Wert legen.

Der Demenzgarten ist ein beliebtes «Nahausflugsziel» für Bewohner des Gartengeschosses. Die Wäscheleine – ein Kunstwerk – regt immer wieder zu Gesprächen und Bonmots an.

Um die Dimension einzuordnen: Wie viele Demente betreut die Lanzeln gegenwärtig? Bei uns im spezialisierten Gartengeschoss haben wir maximal für 18 Bewohner Platz. Wie viele es im ganzen Haus sind, lässt sich nicht ganz genau beziffern. Es werden jedoch viele Betroffene hier betreut, da die verschiedenen Formen von Demenzerkrankungen in höherem Alter keine Seltenheit sind. Bei der Betreuung benötigen nicht alle einen Weglaufschutz, wie wir ihn im Gartengeschoss bieten können. Wie wichtig ist die genaue Kenntnis der Demenzart, ihres Schweregrads sowie des Verlaufs für die Betreuung? An sich sind dies durchaus relevante Informationen. Allerdings liegt uns oft keine abschliessende Diagnose z. B. durch eine Memory-Klinik vor. In diesen Fällen sind wir jedoch in der Lage, auf Grund unserer Expertise eine eigene plausible Eingrenzung vorzunehmen. Die Demenzart ist deshalb von Belang, weil sie uns sagt, ob z. B. eine Gruppenbetreuung in Frage kommt oder Einzelbetreuung angezeigt ist. Morbus Alzheimer ermöglicht erfahrungsgemäss Gruppenbetreuung, wogegen bei Lewybody-Demenz sowie frontotemporaler Demenz Einzelbetreuung mit der Zeit unausweichlich wird. Die an diesen Demenzarten Erkrankten sind meist stark agitiert. Eine zentrale Rolle im Konzept spielt der personenzentrierte Ansatz des eng-

lischen Psychogerontologen Tom Kitwood. Welche der «Kitwood-Gebote» legen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen besonders ans Herz? Autonomie – Punkt acht – steht für mich ganz weit oben. Sie ist wirklich das A und O. Das bedeutet zum einen, dementen Menschen möglichst viele Wahlmöglichkeiten zu lassen. Das beginnt bei der Kleiderwahl. Selbst wer sich nicht mehr gut verbal artikulieren kann, ist oft fähig, uns durch seine Mimik und Gestik farbliche Präferenzen zu signalisieren. Wir registrieren immer wieder, dass es die Zufriedenheit fördert, wenn Bewohner alltägliche Entschiede selbst fällen können. Und dann Punkt zwei: jeder ist individuell. Daraus leitet sich zum einen ab, dass es keine «konfektionierte Betreuung» gibt. Und zum anderen: Was für mich stimmt, muss für mein Gegenüber nicht zwingend das Richtige sein. Diesbezüglich hat sich meine eigene Optik im Verlauf der Jahre deutlich verändert. Ursprünglich leitete mich die Vorstellung, dass ich jemanden pflege, wie ich selbst gepflegt werden möchte. Die Kunst besteht aber darin, herauszufinden, was für diese Person im Vordergrund steht. Nun gibt es aber gewiss Situationen, in denen man aus guten Gründen kaum volle Wahlfreiheit gewähren kann. Nehmen wir das Thema Körperhygiene: Eine demente Person will sich nicht waschen und auch nicht gewaschen werden. Ich stelle fest: Hier macht der Ton die Musik. Genau so wie bei Personen

jeden Alters, die nicht an Demenz leiden. Wer befiehlt oder eben einen zackigen Ton anschlägt, erntet Verweigerung. Gehen wir die Sache dagegen motivierend an und sagen «es liegt alles frisch bereit für Sie, Sie können sich nun gerne waschen» und wir dieser Situation viel Zeit und Zuwendung schenken, klappt das in aller Regel gut. Und wenn jemand halt einmal einen wirklich schlechten Tag hat, bleibt es ausnahmsweise eben bei einer «Katzenwäsche». Das ist weiter nicht schlimm. Worauf setzen Sie an der Lanzeln, um die Integration von dementen Menschen im Alltag zu fördern? Betrachten wir zunächst die Integration der Bewohnenden im Gartengeschoss untereinander. Hierbei ist der Schweregrad der Demenz von Belang. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, zwei Gruppen zu bilden: die eine mit den leichteren Verhaltenssymptomen, die andere für fortgeschrittene Krankheitsstadien. Ohne diese Separierung verlören die von leichterer Demenz Betroffenen sonst mit einer gewissen Regelmässigkeit die Geduld mit den anderen. In beiden Gruppen setzen wir gezielt auf Aktivierung und – wohl dosierte – Abwechslung im Alltag. Musik entfaltet z. B. zuverlässig eine entspannende Wirkung. Ebenso sind Bilder hilfreich, die an frühere Zeiten anknüpfen. Generell orientieren wir uns an der Biografie jeder Person. Daraus ergeben sich stets interessante Ansatzpunkte. Dank der Kenntnis über frühere Lebensabschnitte gelangen wir überdies zu einem besseren Verständnis der «biologischen Uhr» einzelner Bewohner. Ein früherer Pöstler steht meist auch bei uns gerne schon um vier Uhr auf der Matte, während eine Wirtin oder eine Köchin nachtaktiver sind. Faktisch ist es bei uns rund um die Uhr betriebsam. Welche Rolle spielen bewusste Begegnungen, der bewusste Austausch von dementen und nicht dementen Bewohnern? Demente haben ein erstaunlich ausgeprägtes, untrügliches Gespür, das sie zugleich verletzbar macht. Mit ihrem Sensorium erfassen sie nach wenigen Augenblicken die Tagesform von uns Pflegenden. Oft trifft ihre intuitive emotionale Einschätzung ins Schwarze, ist bisweilen besser als un-

sere, die kognitiven Einschätzungen überlagern. Worauf ich hinauswill: Nicht nur Kinder können grausam sein, Erwachsene und Hochbetagte untereinander ebenso. Bei zu intensiven Begegnungen von Bewohnenden des Gartengeschosses mit der «Aussenwelt» besteht einfach ein gewisses Risiko, dass es zu Stigmatisierungen kommt. Diese registrieren die Bewohner aber sehr wohl und leiden entsprechend darunter. Was für Leitplanken setzt das Konzept bei herausforderndem Verhalten? Zentral ist für uns die Vorbeugung. Dass heisst die routinierte, zuverlässige Früherkennung, dass sich «etwas anbahnt». Erfahrungsgemäss beruhigt eine situativ auf die Person ausgerichtete Hinwendung, z. B. Validation, basale Stimulation oder Snoezelen.

«Was für mich stimmt, muss für mein Gegenüber nicht zwingend das Richtige sein.» Diese Erkenntnis spielt für Jeannette van Dijk und ihr Team bei der Betreuung dementer Bewohner eine zentrale Rolle.

Snoezelen? Ja, das ist eine Wortzusammensetzung aus meiner niederländischen Heimat und eine weitere professionelle Möglichkeit bzw. eine anerkannte Disziplin, um das Wohlbefinden zu steigern. Snuffelen heisst so viel wie «kuscheln». Doezelen bedeutet, es in angenehmem Ambiente behaglich zu haben. Dieses Thema ist in unserem Demenzkonzept noch ausstehend, aber Einzelaspekte dieser Methoden wenden wir bereits an, wie z. B. ein Farbkaleidoskop oder angenehme Gerüche.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.