Bergeerleben - AVS-Magazin September 2019

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Gipfelgespräche

Seit 35 Jahren im Dienste der mittlerweile 70.000 Mitglieder Foto: Miriam Federspiel

In der AVS-Landesgeschäftsstelle im ­Gespräch mit Vizepräsidentin und Berge­ erleben-Chefredakteurin Ingrid Beikircher Foto: Theo Daum

bei den Ehrenamtlichen, während heute die Vielfalt und die Intensität der Aufgaben eine große Herausforderung im Führungsverständnis zwischen Ehren- und Hauptamt bildet. Was bedeuten deine 35 Jahre im selben Betrieb: Treue zum Verein oder Traumjob? Ich meine, dass die Grundlage jeder Zusammenarbeit, egal ob kurz oder lang, die gegenseitige Wertschätzung und das vereinbaren gemeinsamer ­Ziele ist. Klarerweise gibt es auch unterschiedliche Meinungen und manchmal Unstimmigkeiten, dann geht es aber um sachliche Argumente und um den Blick auf das große Ganze. Meine Tätigkeit war immer geprägt von interessanten Herausforderungen, aber auch das Tagesgeschäft ist nicht mono­ton, was sicher durch die Vielfalt und Bandbreite im Verein und meinen Arbeitsbereich bedingt ist. Wie siehst du die Zukunft für den AVS? Ich bin fest davon überzeugt, dass die Motivation von Menschen, sich für den AVS ehrenamtlich einzubringen, heute 46

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fast größer ist als früher. Dies allein schon aufgrund der gesellschaftlichen Rolle des Vereins. Nach wie vor sind der Gemeinschaftsfaktor, das Thema Berg und der Ausgleich zur beruflichen Tätigkeit wesentliche Motivations­ gründe. Verändert hat sich die Form: Wo früher das „Stammtischdenken“ im Vordergrund stand, wird man Mitsprache und Partizipation intensiver einfordern müssen. Rechte und Pflichten bedarf es klar zu definieren, damit der Einsatz entsprechend richtig erkannt und wahrgenommen wird. Ich denke mir oft, dass ein Wertekatalog für einen Verein genauso wichtig ist wie eine Satzung. Und wie diese Wertediskussion geführt und Meinungs­ bildungs­prozesse gestaltet werden, davon hängt meiner Meinung nach die Entwicklung des Vereins ab. Wie war dein persönlicher Zugang zu den Bergen? Als Bub war ich viel mit meinem Onkel in den Bergen unterwegs. Er nahm mich mit zu Wanderungen und Bergtouren. Bereits früh interessierte es mich, meine Heimat zu erleben, ­genauso wie der Schutz von Natur und Umwelt. Das sind seit meiner Kindheit und von elterlicher Seite geprägte Werte. Mit 16 – 17 Jahren kam dann der Alpenverein und mit dem Heranwachsen steigerten sich sukzessive die alpinistischen Interessen zu Touren in Fels und Eis. Ich war nie ein Spitzenalpinist, habe jedoch den Bezug zu allen alpi-

nen Spielformen gesucht, wobei mir Ski- und Eistouren mehr zusagten als das Klettern im Fels. Ein einschneidendes Erlebnis war 1986 ein Sturz im unteren Bereich der Ortler-Nordwand. Es brauchte einige Zeit, diesen Unfall mental zu verarbeiten und körperlich zu heilen: ein verletztes Knie, ein Wirbelbruch und mehrere äußere Verletzungen. Eine Zeit lang war der Berg für mich zum Alptraum geworden. Wobei kannst du ausspannen? Nach wie vor bin ich gern am Berg unter­wegs, egal ob mit dem Verein, mit Familie, mit Freunden oder, nicht ungern, allein. Wobei ich sagen muss: Wenn ich die ganze Woche mit dem Thema Berg konfrontiert bin, benötige ich zwischendurch auch Abstand dazu. Das kann auch bei der Arbeit im ­Garten sein, wo man die Kraft der ­Natur tagtäglich spürt, im Frühling am Wachsen, im Herbst am Vergehen, beim Beobachten von Blumen und ­Insekten. Gibt es für dich einen Sinnspruch? „Wir haben die Erde nicht von unseren Vorfahren geerbt, wir haben sie von unseren Kindern geliehen“, sagte Sitting Bull, ein Lakota-Indianer. Diese Botschaft ist alles andere als abgedroschen und 130 Jahre nach seiner Zeit aktueller denn je. Im Grunde wäre es einfach: weniger Konsum und mehr Zeit – für alle Dinge des Lebens. Ingrid Beikircher


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