Bergeerleben - AVS-Magazin März 2021

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Kultur

Hirten, Säumer, Träger Aus der Serie Südtiroler Bergnamen Die ersten Bergführer waren gehtüchtige Männer, die schon von ­Berufs wegen höchste Jöcher er­ stiegen, als Hirten, um das Vieh in entlegene Weidegebiete zu treiben, als Träger, um Baumaterialien, Werkzeug und Verpflegung auf höchste Schutzhäuser zu tragen, oder als Schmuggler, um begehrte Ware über Staatsgrenzen zu „schwärzen“. Besonders die Gamsjäger drangen in felsige, eisige Kare vor, um das Wild zu stellen – dies befähigte im Jahre 1804 auch das Pseirer-Josele aus Schluderns, die Erstbesteigung des Ortlers vorzunehmen. Vierhirtenknott (2.530 m) Der Kamm zwischen dem Vinschgau und Ulten westlich der Naturnser Hochwart besteht aus mehreren un­ scheinbaren Erhebungen. Eine davon ist der Vierhirtenknott: Laut Überliefe­ rung sollen am Gipfel vier Hirten vom Blitz getötet worden sein. Manche sa­ 74

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gen, es waren nur drei Hirten, denn eine steile Weidefläche auf Ultner Sei­ te – etwas unterhalb des Gipfels – ist die Dreihirtenspitzleit. Uneinigkeit be­ steht aber auch darin, welcher Knott der Vierhirtenknott genau sei: Für die Naturnser ist es der südlichste Punkt der Katastralgemeinde Naturns (Fran­ ziszeischer Kataster 1858: Vier Hirten Spitze) – die Ultner jedoch nennen ge­ nau diesen Knott Dirchl (zu mundart­ lich „dirchl“, das bedeutet „löchrig“). Dem gegenüber nennen sie eine Erhe­ bung nördlich davon (2.546 m) nach den drei oder vier Hirten, die dort einst einen tödlichen Arbeitsunfall er­ litten. Man kann sich also um Gipfel und ihre Lage trefflich streiten … Schaferegge, Schaftod und Curtina dlas biesces Nach Anhöhen, die von Schäfern auf­ gesucht werden, um die Schafherden zu beobachten, sind im Alpenraum un­ zählige Erhebungen benannt – oft weit oberhalb der Baumgrenze; z. B. das

Schaferegge (2.430 m) am Seeber Kar im Hinterpasseier oder der Schafernitl (2.575 m) hoch über dem Weithal-Hof in Katharinaberg/Schnals. Mit Nitl bzw. Itl wird in Schnals und Passeier übri­ gens ein Hangsporn bezeichnet. Die genügsamen Schafe beweiden das felsige Hochgebirge, es lauern vie­ lerorts Gefahren. Absturzstellen hei­ ßen demnach Schaftod (mundartlich „der Schoftoat“), von denen es alleine im Schaf- und Lärchental Schnals de­ ren fünf gibt. In Wolkenstein finden wir hingegen am Fuße der Stevia-Fels­ wände im Langental den überaus be­ redten Flurnamen Curtina dlas biesces, zu deutsch Schaffriedhof. Schneidige Männer als Namens­ patrone der „Wårter“ In der Partschinser und Schnalser Ge­ gend ist der Begriff „Warter“ häufig zu hören. Besondere Plätze wurden von Gamsjägern durch aufgeschichtete Steinmale gekennzeichnet. So kennt man hoch überm Pfossental einen


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