Bergeerleben - AVS-Magazin März 2021

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Führen am Berg

Der lange Weg zum Meister der Vertikale Die Geschichte des Bergführerwesens Vom menschlichen Lastenesel und Wegweiser zum König der Alpen, von dort zurück in die Niederungen von Not und Krieg und wieder ­hinauf zum gesuchten Profi am Berg, zum Meister der Vertikale. Wäre es nicht allzu klischeehaft, könnte man sagen: Die Geschichte von Südtirols Bergführern ist eine mit komplizierten Auf- und rapiden Abstiegen.

D

er Ursprung dieser Geschichte liegt im Nichts. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­ derts steigt in Südtirol nur, wer unbe­ dingt muss, auf Berge. Das ändert sich mit der Ankunft der Engländer, die Zeit, Lust, Laune und das nötige Klein­ geld haben, um sich die Alpen von oben anzusehen. Dafür benötigen sie die Hilfe der Einheimischen, die ihre 20

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Berge als Gamsjäger, Kristallsammler oder Hirten kennen und von den ­Engländern als Träger und lebende Wegweiser engagiert werden. Was für die einen Sport ist, wird für die anderen also mehr und mehr zum Broterwerb. Ab den 1860er-Jahren entwickelt sich der Alpintourismus zum bedeutenden Wirtschaftsfaktor, der den bis dahin völlig abgeschiedenen Alpentälern eine einmalige Chance in die Hände spielt. Und man weiß: Der Schlüssel zu dieser Chance liegt in den Händen der Bergführer, die damals nicht nur Touristen auf die Berge füh­ ren, sondern auch den Wege- und Hüttenbau vorantreiben. Deshalb sucht die k. u. k. Verwaltung händerin­ gend nach Kandidaten, „geeignet, Touristen in die bisher wenig began­ genen, an Naturschönheiten und ro­ mantischer Abwechslung reichen

Berg­gegenden zu ziehen, diese all­ mählich mehr bekannt und zugänglich zu machen“. Führer und Gast? Nein: Diener und Herr Die rasante Entwicklung des Bergfüh­ rerwesens Mitte des 19. Jahrhunderts sorgt anfangs für Wildwuchs. Schließ­ lich sind es die politischen Behörden, die zwischen Führer und Nicht-Führer entscheiden, darüber also, welcher der Kandidaten ein Bergführerbuch be­ kommt und welcher nicht, nachdem sie sich „von deren genügender Erfah­ rung, Verläßlichkeit, genauer Orts­ kenntniß und physischer Tauglichkeit in geeigneten Wegen überzeugt ­haben“, wie es in einer ministeriellen Anordnung von 1865 heißt. Eine solche Regelung spiegelt die mittlerweile enorme Bedeutung des


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