Bergeerleben - AVS-Magazin März 2020

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Unterwegs

Wenn Wissenschaftler ­ wandern

Auf den Spuren des Klima­wandels zwischen Vent und Matsch Wissenschaftler sind scheue Wesen und nur selten in freier Wildbahn anzutreffen. Meist arbeiten sie zurückgezogen in Labors und wagen sich höchstens zur Probennahme ans Tageslicht. Vergangenen September jedoch haben sich einige auf Wanderschaft begeben. In fünf Tagen haben 15 Forscher die beiden Bergsteigerdörfer Vent und Matsch durchwandert und dabei Höhenmeter, Staatsgrenzen und 62

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manchmal auch sich selbst überwunden. Die wichtigsten Erkenntnisse dabei: 1. Dies- und jenseits der Weißkugel sind die Heraus­ forderungen für Berggebiete dieselben. 2. Klima ist nicht gleich Wetter, aber beides ändert sich ­rascher als erwartet.

D

as erste Tagesziel der Wander­ gruppe ist bescheiden: Es gilt möglichst klimaschonend mit

In fünf Tagen haben 15 Forscher die Bergsteigerdörfer Vent und Matsch durch­ wandert – bei wechselhaftem Wetter Fotos: EURAC

den Öffis nach Obergurgl zu gelan­ gen. Von dort hat sich die Gruppe eine mehrtägige Überschreitung des Alpen­hauptkamms von Vent über Schnals ins Vinschger Matschertal vor­ genommen. Dabei geht es einerseits um den Wissensaustausch mit Fach­ kollegen; zum anderen wollen wir Messstationen besichtigen, die auf dieser Route liegen, und mit der ­Ak­tion die ökologischen Forschungs­ arbeiten besser bekannt machen. Außer­dem soll unser Weg die beiden Bergsteigerdörfer Vent und Matsch miteinander verbinden. Das Netzwerk Im Ötztaler Längenfeld wird ein kurzer Zwischenstopp im Naturparkhaus ein­ gelegt. Anschließend schlängelt sich der Bus die vielen Kurven hoch nach Obergurgl. Die Gruppe drängt ins Freie: Botaniker aus dem Apennin, Boden­kundler aus Bozen, Hydrologen aus Innsbruck, sogar eine Meeresbio­ login aus Ischia und ein Limnologe aus Dänemark. Das vereinende Element dieser so unterschiedlichen Gruppe ist ihre Zuge­hörigkeit zum LTER-Netzwerk (Long Term Ecological Research), ­einem weltweiten Verbund von For­ schungsstandorten, an welchen Lang­ zeitbeobachtungen durchgeführt werden. Auf über 1.900 Metern Mee­ reshöhe befindet sich der österreichi­ sche Standort Ober­gurgl. Von der Univer­sität Innsbruck werden hier seit 1953 eine Reihe von Wetterstationen betrieben sowie die Bereiche Vegeta­ tionsökologie, Klimageschichte oder auch Gletschersukzession und Boden untersucht. Am nächsten Morgen geht es mit dem Bus noch weiter ins Bergsteiger­ dorf Vent, den eigentlichen Start­ punkt. „Wechselhaft“ hatte der Wet­ terbericht die bevorstehenden Tage beschrieben, und er sollte recht be­ halten.


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