Bergeerleben - AVS-Magazin März 2020

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AVS-Aktuell

Bescheidenheit am Berg Die Schutzhütte zwischen Gästeanspruch und Authentizität Die steigenden Gästeansprüche und der hohe Tourismusdruck ­führen dazu, dass viele Hütten­ betreiber ihr Beherbergungs- und Gastronomieangebot ausbauen. Für den Alpenverein ist hier weniger oft mehr. Will man authentisch und glaubwürdig bleiben, müssen Schutzhütten ihren ursprünglichen Charakter als einfacher Stützpunkt am Berg beibehalten.

I

m regionalen Gastgewerbe wurde der Standard in den letzten Jahren immer weiter nach oben geschraubt. Das qualitativ steigende Angebot geht einher mit wachsenden Ansprüchen vonseiten der Gäste. Immer öfter wer­ den dabei die Erwartungen an Beher­ bergungsbetriebe im Tal auf den Berg und seine Hütten projiziert. Ob mehr­ gängige Menüs, Hütten-WLAN, Lade­ strom oder Zweibettzimmer mit Privat­ dusche – die Nachfrage nach mehr

Komfort ist auch jenseits der Baum­ grenze als Trend erkennbar. Hütten­ wirte müssen sich zusehends rechtfer­ tigen, wenn die Wünsche der Gäste nicht erfüllt werden können. Dass die meisten Schutzhütten aber entlegene Inselanlagen sind und völlig andere, ganz individuelle Voraussetzungen ­haben, was die Versorgung mit Trink­ wasser, Lebensmitteln und Energie an­ geht, wird dabei oft vergessen. Beschränktes Angebot auf ­Schutzhütten Hütten ohne Netzanbindung oder sta­ biles Wasserkraftwerk müssen bei der Stromversorgung genau haushalten, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Bereits die Bereitstellung von Warmwasser oder der Betrieb der Spülmaschine kann hier purer Luxus sein. Wer hier ressourceneffizient wirt­ schaften will, muss sich einschränken. Eine begrenzte Infrastruktur bedingt konsequenterweise ein reduziertes An­ gebot. Aktuell überarbeiten die Alpen­ vereine AVS, ÖAV und DAV die Krite­ rien für das Umweltgütesiegel. Diese Auszeichnung kann ressourcen­effizient und ökologisch vorbildlich geführten Alpen­vereins­hütten verliehen werden. Neu vorgeschlagen haben die Alpen­ vereine etwa, dass eine Reduzierung

Materialseilbahnen mit Werksverkehr ­können zu einer nachhaltigen Hütten­ versorgung beitragen Foto: Martin Niedrist

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Die Radlseehütte in den Sarntaler Alpen wird mittels Materialseilbahn versorgt Foto: Martin Niedrist

des kulinarischen Angebots auf eine einfache Verköstigung mit drei ausge­ wogenen Hauptgerichten im Kriterien­ katalog positiv bewertet wird. Durch eine clevere, schlanke Bewirtschaftung verspricht man sich auch den Personal­ bedarf etwas zu senken, was in der Folge weniger Ertragsdruck aufgrund geringerer Personalkosten und gleich­ zeitig weniger Bedarf an Personal­ räumen bedeutet. Ganz im Sinne der in den AVS-Grundsätzen festgeschrie­ benen Vermeidungsstrategie ist die kritische Haltung zur Ausstattung alpi­ ner Unterkünfte mit Zweibettzimmern. Die hüttentypische Übernachtungs­ form mit Mehrbettzimmern und Matratzen­lagern gilt in Alpen­vereins­ kreisen als wesentliches Element der Einfachheit am Berg und soll auch weiter­hin bestehen bleiben. Zufahrtsstraßen bedenklich Um die Versorgung von Hütten zu ­vereinfachen, werden immer wieder Forderungen nach neuen Zufahrts­ wegen laut. Hier warnt der Alpenverein. „Die weitere Erschließung von Schutzhütten durch Zufahrten ist eindeutig der fal­ sche Weg. Denn eine Zufahrtsstraße schraubt die Ansprüche nur noch ­weiter in die Höhe und erhöht somit den Druck auf die alpine Umwelt“, so


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