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Der Bergmaler Carl Brizzi

Vor einem Jahr schenkte die Familie Pischl aus Telfs dem Alpenverein ein großes Ötztaler Kreuzspitz-Panorama und weitere Aquarelle von Carl Brizzi. Ein guter Anlass, Leben und Schaffen des Künstlers neu zu bewerten.

von Michael Guggenberger

Im Sommer 1868 erhält der Münchner Landschaftsmaler Carl Brizzi (1822–1878) von Franz Senn, dem Kuraten von Vent, einen monumentalen Auftrag. Er soll ein 360-Grad-Panorama von der Ötztaler Kreuzspitze aus anfertigen: „Wahrlich! Nirgends in der Welt liegt eine solche Gletscherwelt um den Fuß einer Spitze ausgebreitet wie hier“, schwelgt der Priester selbst begeistert vom Ausblick. Ihm schwebt eine naturgetreu gemalte Rundumsicht, farbig gedruckt, vor, die jedem Touristen bei der Orientierung hilft – und mit dem Erlös möchte er die durch seine alpine Erschließungstätigkeit erwachsenen Schulden begleichen. Damit der Künstler schon vor Sonnenaufgang am Gipfel sein und den Tag für seine Studien voll nützen kann, lässt ihm Senn am sogenannten Saum bzw. „Kreuzspitzboden“ eine einfache Steinhütte, Brizzi-Hütte genannt, errichten.

Brizzi schreitet sogleich leidenschaftlich zur Tat, mit der ihm eigenen Darstellungsweise, aber deutlichen Zugeständnissen an den Auftraggeber.

Carl Brizzi, Sohn eines berühmten Opernsängers, schreitet sogleich leidenschaftlich zur Tat, mit der ihm eigenen Darstellungsweise, aber deutlichen Zugeständnissen an den Auftraggeber. Das Ergebnis ist großartig, dennoch stellt es Senn nicht zufrieden, weil ihm die Wiedergabe der Berge und Gletscher nicht naturalistisch genug ist. Senn vergibt den Auftrag daher neu und Brizzi muss um seinen Ruf bangen, um seinen Lohn kämpfen. Schuldlos ohne Publikation dastehend nimmt nun der Maler die Sache selbst in die Hand, indem er einen umfassenden Reiseführer über die Ötztaler Alpen verfasst, der neben der Rundumsicht auch zahlreiche weitere Abbildungen enthalten soll. Sein Manuskript dazu, in der Fassung von 1873 inklusive Kreuzspitz-Panorama A (4,14 m auf 23,2 cm) und 24 weiteren Originalaquarellen mit Ansichten aus der Gegend, befindet sich dank großzügiger Schenkung der Familie Pischl aus Telfs seit April 2023 im ÖAV-Museum/Archiv. Die Übergabe kam auf Initiative von Rupert Pischl kurz vor dessen Tod zustande. Alles zusammen dürfte vor hundert Jahren bei der Erwerbung des „Hotel Vent“, des ehemaligen Widums, durch dessen Großvater Rudolf  Pischl sen. in Familienbesitz übergegangen sein.

Die Rundumsicht von der Kreuzspitze arbeitet Brizzi zudem in zwei alternativen Versionen (B und C) aus und er fertigt weitere Ötztaler Panoramen im Aquarellstil an, diesmal jedoch ganz nach seiner impressionistischen Art und Weise: Kreuzspitz-Panorama B war vor über hundert Jahren im Alpinen Museum in München ausgestellt und befindet sich – wiederentdeckt – ebenfalls im Besitz des Österreichischen Alpenvereins. Kreuzspitz-Panorama C ist derzeit nur in historischen Fotos greifbar, ebenso wie weitere Bergpanoramen des Künstlers. Hier gibt Carl Brizzi, der phasenweise auch mit „Charles“ Brizzi signiert, die alpine Landschaft in all der Intensität wieder, mit der er sie fühlt und begreift. Sein Verzicht auf Naturalismus zugunsten intensiver Stimmungen, mit denen er selbst die unbelebte Natur zum Leben erweckt und geradezu personifiziert, tritt uneingeschränkt hervor. Doch auch über Malerei und Literatur hinaus engagiert sich Brizzi, er hat visionäre Ideen in Bezug auf den Alpenverein …

Autor: Michael Guggenberger ist im Archiv des Österreichischen Alpenvereins tätig.

Literaturtipp

Mehr zu Leben und Schaffen von Carl Brizzi im neuen Alpenvereinsjahrbuch BERG 2025, erhältlich bei Ihrer Alpenvereinssektion.

Alpenvereinsjahrbuch BERG2025
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