
5 minute read
Auf Schusters Rappen in die Berge
from Bergauf #4.2024
Vom blauen Wanderweg in Talnähe über Mehrtagestouren auf roten Höhenwegen bis hin zu alpinen Routen bietet Bergwandern ein immenses Spektrum. Aber egal welche Steige wir gehen: Der Schuh muss passen, damit wir Freude beim Wandern haben.
von Gerhard Mössmer
Kniebundhose, kariertes Hemd und klobige Bergschuhe waren gestern: Bergwandern heute ist modisch, pfiffig, bunt und leicht. Das spiegelt sich auch in der riesigen Auswahl des Schuhwerks wider. Haben wir uns im letzten Bergauf mit den passenden Schuhen für die unterschiedlichsten Hochtouren beschäftigt, wollen wir dieses Mal einen Blick auf die richtige Auswahl beim Bergwandern werfen: Welcher Schuh ist warum für welche Wanderung der geeignetste?
Ganz allgemein nehmen wir uns für den Kauf eines Wanderschuhs Zeit und setzen auf fachkundige Beratung im Sportbzw. Schuhgeschäft. Drei verschiedene Größen von zwei unterschiedlichen Modellen im Internet zu bestellen, ist erstens wenig nachhaltig und zweitens ist man oft enttäuscht, wenn dann das Produkt nicht die Ansprüche erfüllt, die man sich auf Grund der tollen Bilder erwartet hat. Also: Hinein ins Geschäft, anschauen, angreifen, anprobieren, damit herumgehen, beraten lassen und dann guten Gewissens kaufen. Der Mehraufwand an Zeit im Fachgeschäft lohnt sich allemal, wird er doch durch fundierte Beratung belohnt und immerhin muss der Schuh gut passen, damit er uns über mehrere Jahre gute Dienste beim Bergwandern leistet.
Die meisten Wanderschuhe sind mit einem Gore-Tex-Futter (GTX) ausgeführt. Die Gore-Tex-Membran verhindert, dass Wasser von außen ins Innere des Schuhs eindringt. Trotzdem bleibt der Schuh atmungsaktiv, da die Gore-Tex-Membran Körperfeuchtigkeit als Wasserdampf nach außen entweichen lässt. Zwischen Futterstoff und Membran befindet sich ein Funktionsvlies, das den Feuchtigkeitstransport unterstützt. Somit bleibt der Fuß trocken und das Fußklima angenehm. Zudem ist ein Schuh mit Gore-Tex-Futter wärmer als einer mit ledernem Innenfutter. Insgesamt bietet die Gore-Tex-Membran eine gute Balance zwischen Wasserdichtigkeit und Atmungsaktivität, wodurch sie ein sehr breites Einsatzspektrum für viele Outdoor-Aktivitäten bietet.
Kategorien
Im Bergauf #3.2024 haben wir die Wander- und Bergschuhkategorisierung des Schuhherstellers Meindl vorgestellt und uns speziell mit den Kategorien B/C und D beschäftigt, die fürs Hochtourengehen geeignet sind. Dieses Mal wollen wir einen Blick auf die Kategorien A und B werfen, welche sich – neben der Kategorie B/C – fürs Bergwandern eignen.
Kategorie A: Schuhe aus dieser Kategorie sind niedrige Wanderschuhe – also Halbschuhe, deren Schaft nur bis unter den Knöchel reicht. Sie sind bequem zu tragen und eignen sich vorzugsweise für gute Wege und Parkanlagen sowie für Reisen, Freizeit und Walking bzw. (Speed-)Hiking.
Meine Generation (50 plus) nannte Kategorie-A-Schuhe salopp „Turnpatschen“. Heute heißen sie zu Recht „Light- oder Powerwalker“ und haben mit den Turnpatschen von damals herzlich wenig zu tun, hat sich doch in den letzten 30 Jahren in Bezug auf Konstruktion und Material viel getan. Die „leichten Geher“ geben zwar weniger Halt im Sprunggelenk als halbhohe Wanderschuhe, deren Schaft bis etwa zur Mitte des Knöchels reicht, sind dafür aber leichter und auch für den Outdoor-Alltag geeignet. Die weiche, dämpfende Sohle besitzt – im Vergleich zu den Turnpatschen –ein geländetaugliches Profil und bietet ein sehr gutes Abrollverhalten, das der natürlichen Gehbewegung im leichten Terrain entgegenkommt.
In ihrer Ausführung sind die Lightwalker aber robuster und schwerer als reine Trailrunningschuhe, die in erster Linie auf ein extrem geringes Gewicht hin getrimmt sind. Achtung: Reine Trailrunningschuhe sind für durchschnittliche Wanderer nicht geeignet, da sie durch ihre gewichtsoptimierte Konstruktion viel weniger Halt bieten als Hikingschuhe. Ebenfalls in die Kategorie der Halbschuhe fallen die sogenannten Speed-Hiker. Sie sind ein Mittelding zwischen den leichten Laufschuhen und den etwas schwereren, dafür aber langlebigeren Hikingschuhen.
Last, but not least sind die sogenannten Zustiegsschuhe eine Sonderform der Kategorie A, die auch für anspruchsvolleres Geh- und sogar Klettergelände konstruiert sind. Ihr Schaft reicht zwar ebenfalls nur bis zum Knöchel, ihre Sohle ähnelt in ihrer Robustheit und ihrer Verwindungssteifigkeit aber jener eines Hochtourenschuhs (Kategorie B/C). Man könnte also sagen, dass Zustiegsschuhe Bergschuhe mit niedrigem Schaft sind. Ihre Sohle verfügt über eine Reibungszone an der Schuhspitze, im Bereich dahinter hat sie ein gutes Profil und schafft so den Spagat zwischen Stabilität und Flexibilität. Diese Schuhe eignen sich ob ihrer steiferen Sohlenkonstruktion in erster Linie sehr gut für Klettersteige. Aber auch zum Wandern auf anspruchsvolleren Bergwegen sowie für den weglosen Zustieg zu Kletterrouten (daher der Name) sind sie sehr gut geeignet.
Kategorie B: Sie sind die Klassiker und gleichzeitig die Allrounder unter den Wanderschuhen. Schuhe der Kategorie B reichen in der Regel über den Knöchel, verfügen über eine etwas härtere Profilsohle und ein aufwändigeres Schnürsystem für anspruchsvolles Wandergelände.
Am unteren Ende des Spektrums – in der Kategorie A/B – sind sie oft halbhoch, der Schaft reicht also nur bis zur Mitte des Knöchels. Diese Schuhe eignen sich für leichte Wanderungen auf guten Wegen im Mittelgebirge.
Am oberen Ende – in der Kategorie B/C –sind wir mit diesen Schuhen für schwere Wanderungen im Hochgebirge auf schwarzen Wegen und alpinen Routen gut gerüstet. Insgesamt sind sie aber immer noch leichter als Hochtourenschuhe und bieten durch ihre weichere Sohlenkonstruktion mehr Gehkomfort.
Der hohe Schaft stützt den Knöchel und verringert die Wahrscheinlichkeit, im anspruchsvollen Gelände umzuknicken. Zudem bietet er den Knöcheln Schutz vor Schürfwunden und blauen Flecken in felsigem Gelände und schottrigem Untergrund und natürlich hält er Nässe und Feuchtigkeit besser ab als ein Halbschuh. Durch die aufwendigere Schnürung sitzt er gut und bietet – je nach Fußform – mehr Möglichkeiten für eine individuelle Anpassung.
Fazit
Vorbei sind die Zeiten, als wir zum Bergwandern nur ein paar Schuhe im Schrank hatten. Aber vorbei sind zum Glück auch die Zeiten, als wir uns mit diesem einen Paar Blasen und müde Beine holten, weil die Sohle viel zu steif und der Schuh viel zu schwer für den Schotterweg zur Hütte war. Inzwischen ist die Auswahl an geeignetem Schuhwerk für die jeweiligen Vorlieben riesig, aber wenn wir uns im Klaren darüber sind, wo und wie wir uns am liebsten am Berg bewegen, schaffen wir es nachhaltig und jedem Konsumgedanken zum Trotz vielleicht doch mit einem (oder zwei) Lieblingspaaren.
Autor: Gerhard Mössmer ist Mitarbeiter der Bergsport-Abteilung im Österreichischen Alpenverein.