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100 Jahre „Grünes Kreuz“
from Bergauf #5.2023
Die höchste Auszeichnung für Rettung aus Bergnot hat eine bewegte Geschichte.
von Walter Spitzenstätter
Seit nunmehr 100 Jahren gibt es die Verleihung des „Grünen Kreuzes“, einer Auszeichnung, die nicht nur 100 Jahre überdauert, sondern aufgrund von verschiedenen Umständen stets an Bedeutung gewonnen hat. Seit 1923 werden vom Österreichischen Alpenverein besonders verdienstvoll mitwirkende Personen im Ringen um Menschenleben im Gebirge mit dieser Ehrung gewürdigt.
Erst durch die endgültige Übernahme der Verantwortung über das Rettungswesen im Gebirge durch den Alpenverein konnte ab 1902 ernsthaft mit dem Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Meldestellen und Stützpunkten für Bergungseinheiten im Alpenraum begonnen werden. Die Verdienste aller Beteiligten aus diesen Anfängen des Bergrettungswesens können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Unvorstellbar ist der Gesamtaufwand, der bis zu einer effizient wirksamen Versorgung aller Gebiete notwendig war. Unvergessen ist deshalb auch bis heute die Bedeutung des Alpenvereins als Gründer und Betreiber der Rettung aus Bergnot bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges.
Von 1903 bis 1938, somit 35 Jahre lang, war das alpine Rettungswesen Teil des damals als DuÖAV (Deutscher und Österreichischer Alpenverein) gemeinsam wirkenden Alpenvereins. Einzig diese große Vereinigung hatte jene Finanzkraft, die erforderlich war, all die Anschaffungen und Einrichtungen für eine funktionierende Bergrettung bereitzustellen. Jene Männer, die sich für den Bergrettungsdienst zur Verfügung stellten, bemühten sich stets darum, Geräte zu verbessern, die zur Bergung der Verletzten verwendet wurden. Es erforderte große Zeiträume für die Erarbeitung der verschiedenen Rettungstechniken, von den Anfängen der rein behelfsmäßigen Bergungen bis zur heutigen Perfektion des Bergrettungswesens, das sich zu einer Kombination aus ehrenamtlich tätigen Berg- und Flugrettern im österreichischen Bergrettungsdienst in Verbindung mit kommerziell geführten Flugrettungsunternehmen entwickelt hat.
Das Ende des Alpenvereins-Bergrettungsdienstes
Durch die dramatischen Entwicklungen der politischen Lage zur Zeit des Zweiten Weltkrieges kam es sowohl für den Alpenverein als auch für den Bergrettungsdienst zu einer grundlegenden Umstrukturierung. 1938 wurden alle Vereine in Österreich aufgelöst und teils an die Gegebenheiten in Deutschland angeschlossen. Für den Bergrettungsdienst bedeutete dies die Angliederung an das System der deutschen Bergwacht, in der sowohl die Aufgaben des Naturschutzes als auch jene des Bergrettungsdienstes organisiert waren.
Nach dem Ende des Krieges 1945 gab es in Österreich wieder die Möglichkeit, Vereine zu gründen, was auch vom Österreichischen Alpenverein in Form seiner Neugründung vorgenommen wurde. Im Bergrettungswesen hatten sich schon vor dem Krieg innerhalb des Alpenvereins in den Bundesländern eigene Landesleitungen zur räumlich spezialisierten Organisation der Bergrettungsaufgaben gebildet. Diese Landesorganisationen gründeten nach intensiven Verhandlungen mit dem Alpenverein eigene, selbständig agierende Rechtspersönlichkeiten in Form unabhängiger Vereine. Als Dachverband hat man den Bundesverband des Österreichischen Bergrettungsdienstes gegründet. Die Verhandlungen über die Strukturierung und vor allem die zukünftige Finanzierung des Bergrettungswesens dauerten vier Jahre lang. Bereits 1946 wurde die Eigenständigkeit der Bergrettung in Österreich beschlossen, jedoch erst 1950 kam es zu den Bestätigungen der Vereinsgründungen durch die Vereinsbehörde. Man hatte große Probleme zu lösen – die gesamte Infrastruktur des Bergrettungsdienstes in ganz Österreich musste in irgendeiner Form abgelöst werden. Ohne das großzügige Entgegenkommen des Alpenvereins, welcher der bisherige Eigentümer war, hätte es wohl kaum eine realistische Aussicht auf einen korrekten Ausgleich aller Verbindlichkeiten gegeben.

Höchste Ehrung beibehalten
Als besonderes Beispiel der Verbundenheit des Alpenvereins mit dem Bergrettungswesen gibt es nach wie vor die Verleihung des „Grünen Kreuzes“. Dadurch bringt der Alpenverein zum Ausdruck, wie wichtig ihm nach wie vor die Tätigkeit der Rettung aus Bergnot ist. Obwohl die Organisation der Bergrettung seit 1950 eigenständig erfolgt, hat man im Alpenverein bei seiner Neugründung beschlossen, die Ehrungen für außergewöhnliche Leistungen im Zusammenhang mit Bergrettungseinsätzen weiter zu vergeben. Seit 1923 die ersten Bergretter mit dem „Grünen Kreuz“ ausgezeichnet wurden, gilt die Verleihung dieser Ehrung als die höchste Auszeichnung, die man für besonderen Einsatz erhalten kann. Seit der Selbständigkeit der Bergrettung hat die Vergabe dieser Auszeichnung durch den Alpenverein eine gesteigerte Reputation erhalten. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Verein Ehrungen innerhalb seiner Mitglieder vergibt oder, wie in diesem Fall, Menschen ausgezeichnet werden, die in einer anderen Organisation tätig sind.
Innerhalb der Bergrettung werden ebenfalls Ehrungen an eigene Mitglieder verliehen. Diese betreffen allerdings speziell die Verdienste um den Verein Bergrettung. Das „Grüne Kreuz“ wird jedenfalls einzig für herausragende Leistungen im Bereich Rettung aus Bergnot vergeben.

Info: Anpassung der Vergaberichtlinien
Die Vergabebestimmungen für das „Grüne Kreuz“ wurden vom Verwaltungsausschuss des Österreichischen Alpenvereins festgelegt und sind mehrmals den geänderten Umständen angepasst worden. Die derzeit gültige Fassung stellt eindeutig klar:
„Das Grüne Kreuz wird ausschließlich für mehrmalige, unmittelbar am Einsatzort erbrachte Rettungsleistungen vergeben, wenn es sich dabei, hinsichtlich der Verhältnisse und der technischen Schwierigkeiten im Gelände, um außerordentlich schwierige alpine Rettungseinsätze handelte.“
Autor: Walter Spitzenstätter hat über 65 Jahre Bergrettung auf dem Buckel, ist Ehrenmitglied der Bergrettung Tirol und hat selbst 1971 das Grüne Kreuz verliehen bekommen. Ebenso wurde er vom Land Tirol mit der Lebensrettungsmedaille und kürzlich mit der Verdienstmedaille des Landes Tirol ausgezeichnet.