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#26 – November 2019

Rebecca, 35, hat einen HIVpositiven Partner

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WELT-AIDS-TAG 2019: „STREICH DIE VORURTEILE“ • WISSEN VERDOPPELN: HIV IST UNTER THERAPIE NICHT ÜBERTRAGBAR • AKTUELLE HIV-INFEKTIONSZAHLEN • PREP JETZT KASSENLEISTUNG • DER NEUE AIDSHILFETEDDY IST DA • RECHTE NETZWERKE IN HALLE • KUKU KOLUMNAS LETZTE WORTE


DIE AIDSHILFE HALLE IST:

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Geschäftsführung, Referat Primärprävention MSM

Stellv. Geschäftsführung, Referat Sekundär-, Tertiärprävention & Beratung

Referat Primärprävention Allgemeinbevölkerung, Referat Primärprävention Frauen

Referat Sexualpädagogik Multiplikator_innenschulungen

Beratungsstelle Halle Information – Beratung – Betreuung Leipziger Straße 32 06108 Halle (Saale) Öffnungszeiten: Mo.: 10–13 Uhr, 14–16 Uhr Di., Do.: 14–19 Uhr Und nach Vereinbarung

Beratungstelefon Halle: 0345 - 19411

Universitätsklinikum Halle HIV-Sprechstunde Ernst-Grube-Straße 40, HIV-Ambulanz – Innere IV 06120 Halle (Saale) Sprechzeiten: Di.: 14–16 Uhr

(max. 9 Cent/Min. aus dem dt. Festnetz, max. 42 Cent/ Min. aus den dt. Mobilfunknetzen)

(Ortstarif)

Sprechzeiten: Mo.: 10–13 Uhr, 14–16 Uhr Di., Do.: 14–19 Uhr Bundesweites Beratungstelefon: 0180 - 3319411

Sprechzeiten: Mo.–Fr.: 9–21 Uhr Sa., So.: 12–14 Uhr Onlineberatung der Aidshilfen: www.aidshilfe-beratung.de

Naumburg Beratungsangebot Am Markt 12, Raum 305 06618 Naumburg (Saale) Sprechzeiten: Jeden 4. Do., 15–18 Uhr

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EDITORIAL Liebe Leser_innen des red.-Magazins, liebe Freund_innen der Aidshilfe Halle, der Jahreswechsel ist nicht mehr weit. Während das für viele bedeutet, dass es langsam ein wenig ruhiger und besinnlicher zugeht, heißt das für uns als Aidshilfe nochmal jede Menge Stress. Angefangen am Welt-AIDS-Tag am ersten Dezember, über den Tag der offenen Tür und das Weihnachstbenefizkonzert des Kammerchors „TonArt“ bis hin zur Vereinsweihnachtsfeier gibt es für uns allerhand zu tun, bevor wir über die Feiertage ein wenig Kraft tanken können. Im vorliegenden Heft werfen wir zunächst einen Blick auf das, was im Dezember noch auf uns zukommen wird. Den Fokus bilden dabei die aktuellen Welt-AIDS-Tags-Kampagnen. Auch in diesem Jahr wird es davon nämlich wieder zeitgleich zwei geben. Zum einen rufen die Deutsche Aidshilfe, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Deutsche Aidsstiftung dazu auf, die Vorurteile in Bezug auf HIV und AIDS abzulegen und so der Diskriminierung von Menschen mit HIV ein Ende zu setzen. Zum anderen möchte die Deutsche Aidshilfe das Wissen darüber verbreiten, dass HIV unter Therapie nicht mehr übertragbar ist. Am ersten Dezember heißt es also auch für uns erneut: #streichdievorurteile und #wissenverdoppeln Doch wir wollen nicht nur einen Blick in die nahe Zukunft wagen. Wir wollen auch einen Blick zurückwerfen. Seit

September ist die PrEP zum Schutz vor HIV eine Kassenleistung. Während wir das natürlich begrüßen, gibt es andere, die das zum Anlass nehmen, um eine überholte Sexualmoral zu predigen und die PrEP grundlegend abzulehnen. Im Heft wollen wir euch daher wertfrei und ganz ohne erhobenen Zeigefinger über die PrEP informieren. Das Jahr 2019 war zudem das 50. Jubiläum der Stonewallaufstände. Während wir das im September bereits mit einer großen Demo durch die Hallesche Innenstadt gefeiert haben, hat Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe, dies auf eine sehr persönliche Weise getan. Wie, verrät er uns in seinem Artikel. Natürlich darf auch die Kolumne unserer blasenden Reporterin Kuku Kolumna nicht fehlen. Sie zeigt uns, dass sie nicht nur über spannende Themen spannende Texte schreiben kann. Diesmal geht es nämlich um Schwarzlicht. Was es dazu so zu sagen gibt, lest ihr auf den letzten Seiten. Stresst euch nicht zu sehr mit den Weihnachsteinkäufen und Familienfeiern! Gönnt euch lieber ein wenig Ruhe. Zum Beispiel bei einem Glühwein und der Lektüre unseres Magazin. In diesem Sinne: Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch! Martin Thiele, Geschäftsführer

INHALT AIDS-Hilfe Halle / Sachsen-Anhalt Süd.............................. 2

Weihnachtsbenefizkonzert 2019........................................ 12

Editorial / Inhalt......................................................................... 3

Der neue Aidshilfeteddy ist da!........................................... 13

Welt-AIDS-Tag 2019: Streich die Vorurteile................ 4 – 5

Ich war Stonewall im Stonewall Inn...........................14 – 16

#wissenverdoppeln........................................................... 6 – 7

Mitgliederkampagne zum 30. Jubiläum............................. 17

Aktuelle HIV-Infektionszahlen des RKI................................ 8

Rechte Netzwerke in Halle..........................................18 – 19

PrEP nun Kassenleistung......................................................... 9

Kuku Kolumnas letzte Worte..................................... 20 – 21

Nina Queer macht sich ihr eigenes BILD................ 10 – 11

HIV-Schnelltest-Termine / Impressum............................... 23

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Welt-AIDS-Tag 2019: „Streich die Vorurteile!“ 150.000 Menschen mit HIV angesteckt. Verantwortung hierfür tragen Regierungen, die ihre Augen vor der HIV-Epidemie verschließen und repressive Drogen- und Sexualpolitiken betreiben, statt lebensweltorientierte und partizipative Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

Am 1. Dezember eines jeden Jahres wird international der Welt-AIDS-Tag begangen, um Solidarität mit HIV-positiven Menschen zu zeigen und denen zu gedenken, die seit Beginn der AIDS-krise in den 1980er Jahren an den Folgen einer AIDS-Erkrankung starben. Seit 1988 – damit also bereits seit 30 Jahren – steht der Welt-AIDS-Tag für ein gesellschaftliches Miteinander ohne Vorurteile und Ausgrenzung. Denn trotz erstaunlicher medizinischer Fort-

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schritte in der Behandlung von HIV-Infektionen, gehören HIV und AIDS noch keineswegs der Vergangenheit an. So sind weltweit fast 38 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Gerade einmal die Hälfte der weltweit Betroffenen hat jedoch uneingeschränkten Zugang zu den lebensnotwendigen Medikamenten, die eine AIDS-Erkrankung verhindern. Seit Beginn der Epidemie sind nahezu 35 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS gestorben. Mit über 50% der HIV-Übertragungen findet die große Mehrheit der Infektionen auf dem ost- und südafrikanischen Kontinent statt, doch auch in Ost-Europa und Zentralasien sind die Neuinfektionszahlen in den letzten Jahren wieder gravierend in die Höhe geschnellt. Allein im letzten Jahr haben sich dort

In Deutschland, dem Land mit einer der stabilsten und niedrigsten Neuinfektionsraten in Europa, leben heute laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) rund 90.000 Menschen mit HIV. Durch die mittlerweile hochwirksamen antiretroviralen Medikamente ist hierzulande ein gesundheitlich weitgehend problemloses Leben mit HIV möglich. Durch die Therapie haben HIV-positive Menschen heute eine normale Lebenserwartung. Die Medikamente verringern die Viruslast im Körper sogar so weit, dass HIV selbst beim kondomlosen Sex nicht weitergegeben werden kann. Trotz der simplen HIV-Diagnostik wissen jedoch rund 12% der HIV-Positiven hierzulande nichts von ihrer Infektion. Da HIV vor allem unwissentlich beim Geschlechtsverkehr übertragen wird, stellt diese Dunkelziffer ein erhebliches Problem dar, wenn es um die Verbreitung von HIV geht. Hinzu kommt, dass die nicht diagnostizierte Infektion die Gefahr einer AIDS-Erkrankung und damit schwerwiegender gesundheitlicher Folgeschäden mit sich bringt. Obwohl in Deutschland heute alle Mittel zu Verfügung stehen, damit niemand mehr an AIDS erkranken muss, kommt es daher immer noch zu 1.000 vermeidbaren AIDS-Diagnosen jährlich. Hierzulande finden sich das Bundesministerium für Gesundheit, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Deutsche AIDS-Hilfe und die Deutsche AIDS-Stiftung alljährlich zusammen, um mit einer gemeinsamen Kampagne zum Welt-AIDS-Tag Aufmerksamkeit für die Thematik zu schaffen. In diesem Jahr steht diese unter dem Motto: „Streich die Vorurteile!“. Aufmerksam gemacht werden soll damit auf die noch immer bestehende Diskriminierung und Stigmatisierung,


halle.aidshilfe.de die HIV-Positive auch heute noch in allen Lebensbereichen erleben müssen. Diese Ausgrenzung erschwert nicht nur den Menschen mit HIV ihren Lebensalltag, sondern behindert die HIV-Prävention. Die Kampagne setzt daher auf Aufklärung und möchte aktuelle Bilder vom Leben mit HIV vermitteln, um Un- und Halbwissen sowie Berührungsängste abzu-

Infos: welt-aids-tag.de Text: MaTh, Bilder: DAH

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bauen. Ihr zentrales Anliegen ist deutlich: Es gilt, endlich die hartnäckigen Vorurteile über HIV/AIDS und Menschen mit HIV/AIDS loszuwerden und solidarisch füreinander einzustehen.

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#wissenverdoppeln zum Welt-Aids-Tag Manchmal dauert es, bis die Öffentlichkeit von Sensationen Notiz nimmt. So zum Beispiel bei den medizinischen Möglichkeiten, die heute bei HIV bestehen. Menschen mit HIV können heute leben wie alle anderen. Die Medikamente erhalten die Gesundheit. Und mehr noch: HIV ist unter Therapie nicht übertragbar. Diese wissenschaftliche Tatsache kennen aber nur 10 Prozent der Bevölkerung, ergab eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 2017.

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A C C E BE

„Dieses Wissen erleichtert Menschen mit und ohne HIV“, sagt Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe. „Es nimmt unnötige Ängste vor einer HIV-Übertragung und wirkt damit auch Zurückweisung und Tabubildung entgegen. Unsere Botschaft zum Welt-Aids-

Tag lautet: Entspannt euch! Einem selbstverständlichen Zusammenleben steht nichts im Wege.“ In der Kampagne #wissenverdoppeln sprechen Menschen offen über ihr Leben mit HIV und die Botschaft, dass HIV unter Therapie selbst beim Sex ohne Kondom nicht übertragbar ist. Damit bald alle Menschen Bescheid wissen. Hier kommen zwei der diesjährigen Protagonist_innen zu Wort. Rebecca, 35, berichtet als Partnerin eines HIV-positiven Mannes. Sie erzählt, wie sie Schritt für Schritt, alte Vorstellungen vom Leben mit HIV überwunden und durch wissenschaftliche Fakten und die Lebensrealität ihres Partners ersetzt hat. Christoph, 42, ist viel auf schwulen Dating-Plattformen unterwegs und spricht darüber, dass er durch seine HIV-Medikamente seine Sexualität frei ausleben kann – ohne Angst davor zu haben, HIV zu übertragen. REBECCA: „ES GAB EINE MILLION FRAGEN“ Als mein Partner mir sagte, dass er HIV-positiv ist, wusste ich erst einmal nicht, wie ich reagieren sollte. Wir haben uns bei einem Workshop getroffen - und ich fand ihn ziemlich heiß. Es gab von Anfang an eine starke Anziehung zwischen uns und es dauerte nicht lang bis wir im Bett gelandet sind. Nun habe ich mir, als ich jung war, eine Herpes-Infektion zugezogen. „Du, ich muss dir etwas sagen…“, fing ich an, als wir im Bett lagen, und erzählte ihm davon. Er war verblüfft und sagte: „Das ist wirklich toll, dass du mir das gesagt hast. Ich muss dir auch etwas sagen. Ich bin HIV-positiv.“

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Ich wusste damals nichts über HIV. Safer Sex hieß für mich, keinen Sex mit jemandem zu haben, der HIV hat. Wenn ich ehrlich bin, hat


Auf der anderen Seite war er wirklich einnehmend, erzählte mir von seiner Therapie. Aber ich verstand nur Bahnhof. Lange blieb ich skeptisch: Wo sind die Studien? Wie lange ist das schon so? Warum habe ich nie davon gehört? Es gab einfach eine Million Fragen. Mein Freund war sehr verständnisvoll und hat mich dann zu seinem Arzt mitgenommen. Der hat sogar unter vier Augen mit mir gesprochen. Trotzdem wollte ich lange Zeit keinen Sex ohne Kondom. Es hat gedauert, bis sich das Bild von HIV in meinem Kopf verändert hatte. Auch deswegen, weil verschiedene Ärzt_innen mir unterschiedliche Ratschläge gegeben. Das hat mich wirklich fertiggemacht. Ein Arzt in Deutschland hat gesagt: „Warum zum Teufel hast du Sex ohne Kondom mit einem HIV-Positiven?“ Und in Großbritannien fragte einer: „Warum nimmst du nicht die HIV-Prophylaxe PrEP?“ Sie wussten einfach nicht über die Schutzwirkung der Therapie Bescheid. Das ist doch verrückt! HIV verursacht immer noch so viel Angst und Einsamkeit. Das würde verschwinden, wenn es mehr Wissen gäbe und alle wüssten, dass man damit umgehen kann. Mich hat das Sammeln von Informationen so viel Zeit gekostet, und ich brauchte Zeit, bis ich darauf vertrauen konnte. Es war eine so mühselige Reise zu Vertrauen, Intimität und Nähe. Das ist es, was sich ändern muss. CHRISTOPH: „ICH KANN MEINE SEXUALITÄT FREI AUSLEBEN“

Dabei wusste ich schon lange davon. Bereits 2008 hatte die Schweizer Kommission für Aids-Fragen ein Statement dazu veröffentlicht. Damals konnte ich aber wenig damit anfangen.

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auch als wir schließlich Sex hatten ein Teil von mir immer an HIV gedacht.

Studien hatten die Nichtübertragbarkeit von HIV unter HIV-Therapie bis dahin vor allem für heterosexuelle Paare nachgewiesen. Für schwule Männer wie mich lagen noch nicht so viele Daten vor. Ich dachte: Das betrifft mich nicht. Über die Jahre kamen aber immer mehr Studienergebnisse zusammen – auch zu schwulen Paaren. Mittlerweile gibt es keinen Zweifel mehr. Dennoch brachte die Konferenz für mich erst so richtig die Initialzündung mich als Aktivist diesbezüglich zu positionieren und einzusetzen. Ich habe daraufhin alle meine Datingprofile geändert. Überall schreibe ich, dass ich HIV-positiv bin und Schutz durch Therapie praktiziere.

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Mein Sexualleben hat sich seither verändert. Ich kann meine Sexualität frei ausleben, intimsten Austausch suchen – Sex ohne Kondom haben. Ich muss kein schlechtes Gewissen, keine Angst haben.

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Beim Dating merke ich, dass noch nicht alle von der guten Nachricht wissen. Ich merke aber auch, dass die Leute offener werden. Ich muss mich in letzter Zeit seltener rechtfertigen. Trotzdem haben manche noch Angst. Ich wünsche mir, dass mehr Leute von der Nichtübertragbarkeit erfahren. Denn Menschen mit HIV werden noch oft diskriminiert – auch in der schwulen Community. Dabei ist HIV im alltäglichen Miteinander sowieso nicht übertragbar.

Die Welt-Aids-Konferenz 2018 werde ich nie vergessen. Ich saß im Publikum. Auf der Bühne stellte der Kongressleiter Forschungsergebnisse zu HIV vor. Darunter auch, dass HIV unter Therapie sexuell nicht übertragbar ist. Als dieser Fakt verkündet wurde, habe ich mich gefühlt wie ein kleines Kind im Bonbon-Laden.

Meine Hoffnung ist, dass HIV von der Gesellschaft als normale chronische Erkrankung gesehen wird, so wie Diabetes. Mehr Geschichten und Informationen: https://wissen-verdoppeln.hiv Text: DAH, Bild: DAH /Phil Meinwelt

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Aktuelle HIVInfektionszahlen: Erfolgreiche Präventionsstrategien müssen ausgebaut werden Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts der letzten Jahre zeigen einen kontinuierlichen Rückgang der HIV-Neuinfektionen in Deutschland. Dieser Trend setzt sich erneut fort. So kann das RKI auch in diesem Jahr stolz verkünden, dass diese erneut gesunken sind. Demnach infizierten sich 2018 hierzulande 2.400 Menschen mit dem HI-Virus, immerhin 100 Menschen weniger als noch im Vorjahr. Schätzungsweise lebten damit 2018 87.900 Menschen in Deutschland mit einer HIV-Infektion. Die größte Abnahme an Neuinfektionen zeigt sich abermals bei schwulen, bisexuellen und anderen Männern, die Sex mit Männern haben. Waren bei diesen in den Jahren 2012 und 2013 jährlich noch 2.200 Neuinfektionen zu verzeichnen, sind es im Jahr 2018 nur noch 1.600. Demgegenüber steigen die Infektionen über den intravenösen Substanzmittelkonsum seit einigen Jahren auf niedrigem Niveau an, so auch im Jahr 2018, für das vom RKI 310 Infektionen über intravenösen Drogengebrauch angegeben werden. Und auch im heterosexuellen Bereich ist kein Rückgang der Infektionszahlen zu beobachten. 2018 steckten sich immerhin 530 Menschen über heterosexuelle Sexualkontakte an. So erfreulich der allgemeine Rückgang der Infektionszahlen auch sein mag, so besorgniserregend ist es nach wie vor, dass laut dem RKI 10.600 Menschen noch nichts von ihrem positiven HIV-Status wissen. Auf die Gesamtheit aller Menschen mit HIV in diesem Land gerechnet entspricht dies immerhin einer Dunkelziffer von ungefähr 12%. Für diese erhöht nicht nur das Risiko, die Infektion unwissentlich an andere Menschen weiterzugeben, sondern ebenso die Gefahr schwerwiegender und irreparabler gesundheitlicher Folgeschäden durch eine viel zu späte Diagnose und Behandlung.

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Daher kommt es auch heute noch zu einer Vielzahl eigentlich vermeidbarer HIV-Spätdiagnosen. Ungefähr ein Drittel aller Diagnosen auf HIV erfolgen hierzulande in einem fortgeschrittenen Sta-

dium der Infektion. 15% sogar erst im Vollstadium AIDS, in dem es bereits zu entsprechenden opportunistischen Erkrankungen gekommen ist. Das ist insbesondere deswegen tragisch, weil eine früh erkannte HIV-Infektion heute so gut behandelbar ist, dass eine AIDS-Erkrankung verhindert werden kann. Ein Ende von AIDS ist daher in Deutschland noch nicht in Sicht, so die Einschätzung des RKI. Das RKI betont den Erfolg der bundesdeutschen Präventionsstrategie. So ließen sich die positiven Entwicklungen im Bereich der Neuinfektionsraten vor allem auf die Sensibilität der Hauptbetroffenengruppen für das Thema HIV, die damit einhergehende gestiegene Testbereitschaft und die große Bandbreite an institutionellen Testangeboten zurückführen. Auch der mittlerweile standardmäßig frühe Therapiebeginn nach einer Neudiagnose trage zur Verringerung der Infektionszahlen bei, da eine behandelte HIV-Infektion nicht mehr weitergegeben werden kann. Auf den Erfolgen der Prävention, Testung und Therapie könne sich jedoch nicht ausgeruht werden. Vielmehr gelte es, die effektiven Strategien nicht nur weiter zu verfolgen, sondern noch auszubauen. Im Präventionsbereich stehe mit der PrEP nun eine weitere Schutzmethode zur Verfügung, deren Potential es bestmöglich zu nutzen gelte. Vor allem müssten jedoch die Präventions- und Behandlungslücken in den ländlichen und strukturarmen Regionen der Flächenländer geschlossen werden. Hierbei sollten auch gezielt Ärzt_innen für das Thema HIV sensibilisiert und zu häufigeren Testungen angehalten werden. Darüber hinaus müsse auch Menschen ohne Papiere der Zugang zur benötigten HIV-Therapie gewährleistet werden. Das RKI macht mit den Zahlen für 2018 mehr denn je deutlich: Wir sind auf einem guten Weg, doch es gibt noch einiges zu tun. Text: MaTh Bild: jarun011 (Adobe Stock)


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PrEP zum Schutz vor HIV jetzt Kassenleistung dere Geschlechtskrankheiten sind jedoch im Gegensatz zu HIV heute alle heil- und frühzeitig erkannt gut behandelbar.

Seit dem 1. September 2019 ist die HIV-Prä-Expositions-Prophylaxe – kurz: PrEP – eine reguläre Leistung der Gesetzlichen Krankenkasse (GKV). Die neue Regelung sieht vor, dass die GKV sowohl die Medikamentenkosten als auch die Kosten für die notwendigen Begleituntersuchungen übernimmt. Voraussetzung hierfür ist ein substantielles HIV-Infektionsrisiko. Bei der sogenannten PrEP handelt es sich um eine Safer Sex-Methode, bei der HIV-negative Menschen vorsorglich HIV-Medikamentes mit einer bestimmten Wirkstoffkombination einnehmen, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Gerade für Menschen mit einem hohen HIV-Risiko bietet die PrEP viele Vorteile. Während es bei der Kondomnutzung zu Kondomunfällen kommen oder auf diese in einem lustvollen Moment aufgrund von Leidenschaft oder bestehender Ängste verzichtet werden kann, funktioniert die PrEP völlig unabhängig vom Verhalten in einer konkreten sexuellen Situation. Während das Kondom zudem nicht selten als lustmindern empfunden wird, ermöglicht erst die PrEP für manche Menschen eine angstfreie und lustvolle Sexualität. Wie andere Medikamente auch, kann die Einnahme von PrEP-Medikamenten Nebenwirkungen hervorrufen. Da es sich jedoch um nebenwirkungsarme Wirkstoffe handelt, bleiben diese in der Regel aus oder sind gut erträglich. Zudem schützt die PrEP zwar sicher vor HIV, jedoch nicht vor anderen sexuell übertragbaren Infektionen. Daher sieht die PrEP-Einnahme hier regelmäßige Untersuchungen vor. An-

Die PrEP ist seit Herbst 2017 zur Verschreibung zugelassen. Doch trotz kostengünstiger Generikamedikamente war die PrEP bisher nicht für alle Menschen mit einem hohen HIV-Risiko erschwinglich. Die Kostenübernahme der GKV stellt durch die Schaffung eines niedrigschwelligen finanziellen Zugangs und einer breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz daher einen entscheidenden Wendepunkt in der HIV-Prävention dar. Die Kassenfinanzierung der PrEP wird zur weiteren Etablierung dieser beitragen. Dabei soll und wird sie andere Schutzmethoden keineswegs ersetzen. Vielmehr trägt die PrEP zu einer Vielfalt von Safer Sex-Methoden bei, aus der je nach Erfordernissen und Situation je individuell ausgewählt werden kann. Sie schließt damit vor allem eine Präventionslücke, indem sich nun auch Menschen zuverlässig schützen können, die sich bisher nicht immer schützen konnten. Laut einer Studie wird die PrEP so bis zum Jahr 2030 hierzulande bis zu 21.000 Neuinfektionen verhindern. Da die Übernahme der Kosten an die Bedingung regelmäßiger Untersuchungen geknüpft ist, ermöglicht die PrEP zudem eine regelmäßige medizinische Beratung und Begleitung. Dies geht außerdem mit einer verstärkten Diagnostik und Behandlung anderer sexuell übertragbarer Infektionen einher. Auch wir beraten euch gern zur PrEP. Wir besprechen gemeinsam mit euch, ob die PrEP auch eine geeignete Safer Sex-Methode für euch darstellt, und informieren über Beschaffung, Einnahme und medizinische Begleitung der PrEP. Gern könnt ihr einen Termin zur PrEP-Beratung mit uns vereinbaren! Text: MaTh Bild: DAH

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PrEP: Nina Queer macht sich ihr eigenes BILD und schlecht recherchierten Aussagen an „ihre Familie“ – ihr rät sie: „auf euch und eure Lieben besonders gut aufzupassen.“ Denn, so will die Fachdrag wissen: „Eine PrEP-Pille ist nichts anderes als eine Art „kleine Chemotherapie“….Jeder, der diese Therapie anwendet, muss sich bewusst darüber sein, dass er seinem Körper und natürlich auch seiner Psyche schadet.“ Um der geneigten Bild-Leserschaft dann noch die benötigte Dosis aus Angst und Dramatisierung beizufügen, erklärt sie: „Nach den USA gibt es nun auch in Europa erste Fälle, bei denen es trotz Einnahme von PrEP zu einer HIV-Infektion kam.“ Themen wie Adhärenz (kurz gesagt das Einhalten des Einnahmeschemas bei verschreibenen Medikamenten) lässt sie natürlich ebenso weg, wie Quellenangaben. Florian Winkler-Ohm ist Geschäftsführer des größten queeren Clubs in Deutschland – dem SchwuZ. Auf seinem Blog „FlositHIV“ schreibt er über sein positives Leben, seinen Umgang mit HIV und die Neuigkeiten zum Thema HIV/Aids. Seit einigen Stunden online und erneut erfolgreich – zumindest die Viralität der Bild-Kolumnen von Nina Queer sprechen für sich. Inhaltlich schafft die vom Verlag zur „Promi-Dragqueen“ gekührte Meinungsmacherin leider nur das zu erwartende Niveau des 4-Buchstaben-Journalismus.

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In ihrer neusten Kolumne mit der provakanten Überschrift „Freie Fahrt für wilde Nutten: “ So gefährlich ist PrEP!“ wendet sich die Möchtegern-Botschafterin mit halbwahren

Dafür schafft sie die geschriebene Drohkulisse noch zu erhöhen mit dem Satz: „Dazu kommt, dass durch ungeschützten Sex die Syphilis, Tripper, Herpes, und Pilze wieder Oberwasser gewinnen. Gerade in Berlin ist die Syphilis augenblicklich nicht mehr unter Kontrolle zu bekommen“ erklärt die „Expertin“. Zur Klarstellung: PrEP-Patient_innen sind hierzulande in ähnlicher medizinischer Versorgung wie HIV-Patient_innen: Die regelmäßigen Checks schließen zumeist auch Untersuchungen auf oben genannte Infektionen mit ein. Die Folge: Diese Personengruppe wird bei einer Infektion wesentlich schneller therapiert als die breite Durchschnittsbevölkerung, die aufgrund zu seltener Testung


Nicht die PrEP-Gebrauchende, sondern Menschen die nicht regelmäßig zum Test gehen sind also die Herausforderung, wenn man Infektionszahlen eindämmen möchte. Dies alles lässt Nina Queer natürlich in ihrem Text außen vor. Dafür stellt sie pauschal alle Menschen die sich durch PrEP vor einer Ansteckung durch HIV schützen an den Pranger: „Kein Medikament der Welt sollte über einen so langen Zeitraum und so intensiv eingenommen werden, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Und schon gar nicht, wenn man sich bester Gesundheit erfreut. Und genau DAS ist ja immer das Argument von PrEP-Verwendern: „Ich nehme es, um gesund zu bleiben“. Ein einziges Oxymoron“, so Nina Queer. Mit Oxymoron baut die Autorin – in Hoffnung auf die Unterstreichung von Glaubwürdigkeit – noch geschickt einen Fachbegriff ein, bei dem wohl die meisten Leser_innen der Zeitung mit den vier roten Buchstaben erstmal nachschlagen müssen um zu verstehen, dass es sich dabei um den Fachbegriff sich zwei einander widersprechender oder sich gegenseitig ausschließenden Begriffen – wie beispielsweise Hassliebe, Regelausnahme oder BILD-Qualitätsjournalismus – handelt. Geschweige denn, dass – um nur ein Beispiel zu nennen – auch beim Thema Verhütung durch die sogenannte „Anti-Baby-Pille“ seit Jahrzehnten neben anderen Möglichkeiten eine chemische Option geschaffen wurde, die auf Freiwilligkeit setzt, lässt die Verfasserin völlig außer acht, dass die PrEP für Menschen in der Hochzeit ihrer Sexualität durchaus ein Mittel sein kann, auf dass dann in ruhigeren Zeiten wieder verzichtet werden kann. Es kann gleichermaßen anlassbezogen wie dauerhaft eingenommen werden – die Wahl darüber hat jede Person selbst.

Und dann warnt Nina noch: „Aber 100 Prozent sicher ist das Wundermittel nicht!“ Nicht nur das auch Kondome keinen 100prozentigen Schutz bieten – bei korrekter Einnahme der PrEP und unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle bietet diese Schutzmaßnahme sehr wohl einen sicheren Schutz vor dem HI-Virus. So sicher, dass die PrEP inzwischen – nach strengsten Prüfungen – auch von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland bezahlt wird.

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zumeist überhaupt nichts von ihrer Infektion weiß und daher der Hauptgrund für den aktuellen Anstieg – beispielsweise bei Syphilis – darstellt.

Artikel und Kommentare wie dieser von Nina Queer schaden der Prävention, verunsichern Menschen und fördern in der Folge eher die Infektionszahlen. Als ein Mensch der selbst seit rund zwanzig Jahre mit dem HI-Virus lebt, weiß ich wie sehr auch in meinem Umfeld die PrEP zu einer Verbesserung für die Safer Sex Strategie vieler Menschen geworden ist. Neben Kondomen und neben dem Schutz durch Therapie ergänzt die PrEP die Möglichkeiten sich wirksam vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Pauschale und schlicht falsche Aussagen wie in Nina Queers Bild-Kolumne schaffen nur Verunsicherung und verhindern die wichtige Arbeit im gemeinsamen Ziel Aids weltweit bis 2030 zu beenden. Die PrEP leistet dazu einen enormen Anteil. Unter einem der Bilder von Nina in der Kolumne steht: „Nina Queer hat zu PrEP ihre eigene Meinung und wirft den Pharma-Konzernen vor, Ängste zu schüren.“ Wer hier jedoch wirklich Ängste schürt vermag jede Person selbst zu erkennen. My heart wil go on – für alle Menschen die Präventionsarbeit unterstützen und für die „wilden Nutten“ mit freier Fahrt. Text: Florian Winkler-Ohm Bild: Screenshot von Bild.de

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Weihnachtliches Benefizkonzert Der Kammerchor „TonArt“ lädt recht herzlich zum diesjährigen Weihnachtsbenefizkonzert zu Ehren und zu Gunsten der Halleschen Aidshilfe. In diesem Jahr steht das Kontert unter dem Motto: „Die wunderbarste Zeit ist nah“. So freuen sich nicht nur Kinder auf die Advents- und Weihnachtszeit, wegen bunter Lichter, kleiner und großer Geschenke in Adventskalendern, zum Nikolaus oder zum Heiligen Abend. Nein auch wir Erwachsene können uns auf vielfältige musikalische Geschenke freuen. Mit einem musikalischen Adventskalender für unser geneigtes Publikum, feiert der Kammerchor TonArt diese Zeit. Hinter 24 symbolischen Türchen verbergen sich Werke aus der Renaissance bis in unsere Tage, a cappella oder instrumental, gesungen vom gemischten Chor,

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solistisch, vom Frauen- oder Männerchor, mit russischer Seele, afrikanischem Spirit, französischem Flair oder amerikanischem Swing, barock, romantisch oder poppig, unbekannt, bekannt oder neu interpretiert – also genau richtig für „Die wunderbarste Zeit“. Freuen Sie sich auf ein stimmungsvolles Adventskonzert mit dem Kammerchor „TonArt“ Halle, seinen Solisten, Instrumentalisten und seinem Chorleiter Michael Reuter aus Leipzig. Der Eintritt ist frei, doch wir freuen uns natürlich über großzügige Spenden. Alle Einnahmen fließen direkt in die Arbeit der Aidshilfe in Halle. Text: Kammerchor TonArt Bilder: AHH


Der diesjährige 21. Aidshilfe-Teddy ist ein echter Hingucker. Seit 1998 bekommen wir, anlässlich zum WeltAIDS-Tag, jedes Jahr einen süßen Teddy dazu. Der kleine Bär ist dieses Mal ganz besonders kuschelig und besticht mit seinem sehr weichen, hellbraunen Fell. Und dazu kommt noch ein ganz besonderes Accessoire: nämlich ein kleiner schockfarbener Rucksack! Dieser bietet Platz für ein Geheimnis, eine Liebesbotschaft oder ein Kondom. Die gewohnte rote Schleife um den Hals hat er natürlich auch dieses Jahr, so wie die AIDS-Schleife auf der linken Tatze. Der Plüschbär trägt das wichtige Öko-CE-Zeichen, womit besonders umweltverträgliche Materialien und die Versicherung bestätigt werden, dass das Stofftier ohne Kinderarbeit und unter fairen Bedingungen hergestellt wurde. Den neuen Aidshilfe-Teddy gibt es in klein und in groß, aber nur für kurze Zeit. Ein ganz besonderer Teddy mit langer Tradition Zurück geht der Teddy auf die Anfangsjahre von AIDS, in denen der Bürgermeister von San Francisco als Reaktion auf die damals vorherrschende Diskriminierung und Ausgrenzung HIV-Patient_innen persönlich einen kleinen Teddybären überreichte. In Anlehnung an die Staatsflagge Kaliforniens, der sogenannten „Bear Flag“, sollte damit ausgedrückt werden, dass die Betroffenen noch immer Bürger_innen der Stadt waren. Der Züricher Pfarrer und

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Der neue AidshilfeTeddy ist da! Hospizleiter Heiko Sobel brachte die Idee 1992 mit nach Europa und etablierte den Teddy auch hier als Symbol der Solidarität mit Menschen mit HIV und AIDS. Damals wie heute wird das kuschelige Pelztier vom Bärenvater Sobel entworfen und von Clemens Spieltiere GmbH produziert. In über 100 deutschen und europäischen Städten dient er jedes Jahr um den Welt-AIDS-Tag der Spendengewinnung, der Unterstützung der HIV- und AIDS-Prävention und der Solidarisierung mit den Betroffenen. Er ist somit Wegbegleiter und Botschafter für Verständnis, Hoffnung, Solidarität und Förderung der Prävention. Immer da zur Stelle, wo es um ein Anliegen im AIDS-Bereich geht. Ein Teddy nur für dich Du hast Lust einen kleinen Bären bei dir aufzunehmen oder ihn an eine geliebte Person zu verschenken? Kein Problem: den plüschigen Begleiter bekommst Du ab sofort gegen Spende ab 6€ bei uns in der Aidshilfe oder zum alljährlichen Benefizkonzert des Chores „TonArt“ am 14.12.2019 in den Franckeschen Stiftungen. Der Gewinn fließt direkt in die hallesche Aidshilfearbeit. Dieses Jahr habt ihr auch die Möglichkeit den großen Bruder des Bären zu adoptieren. Doch Achtung: Nur solange der Vorrat reicht! Gewinne einen flauschigen Teddy Wir verlosen unter allen Teilnehmer_innen ein ganz besonderes Aidshilfe-Paket – Natürlich mit einem Teddy! Alles, was du tun musst ist die ganzen versteckten Teddys in dieser Ausgabe zu suchen. Wie viele verstecken sich im Heft? Schicke uns deine Antwort einfach per Mail oder als private Nachricht bei facebook bis zum 31.01.2020.  info@halle.aidshilfe.de  facebook.com/halle.aidshilfe Text: AnMü Bild: AHH

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Ich war Stonewall im Stonewall Inn Ich habe die Weihnachtsgeschichte geschrieben und den Messias getroffen. Das Jubiläum des Christopher Street Days hätte ich nicht besser feiern können als mit einem Kuss. Eine Kolumne aus dem echten Leben. Neulich habe ich die schönste WhatsApp-Nachricht meines Lebens bekommen. Sie leuchtete auf dem Sperrbildschirm meines Handys auf als ich im Central Park in den Sonnenuntergang spazierte. Vielleicht werde ich den Screenshot einmal als Romancover verwenden. Die Nachricht wird dann der Titel. Sie lautet: „Let’s meet at Stonewall.“

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Geschrieben hatte den Vorschlag ein junger Mann, kurz nachdem wir unsere Kommunikation von Tinder auf WhatsApp verlagert hatten. Kennen lernen wollte er mich nun im Stonewall Inn in der New Yorker Christopher Street, wo mit dem Widerstand gegen eine nächtliche Polizei-Razzia vor 50 Jahren die queere Befreiungsbewegung begann. Am Abend des 27.6.2019, genau 50 Jahre danach. Ihm war das nicht bewusst gewesen, wie er mir später erzählte. Er ging einfach gerne ins Stonewall Inn. Es ist ja eine Bar. Dann saßen wir auch schon auf Barhockern, verstanden uns prächtig und schauten uns die gerahmten alten Fotos an den Wänden an. Sie zeigen das historische Geschehen in der Christopher Street und die Demonstrationen, die da-


„Kannst du dich noch erinnern, wie die Nacht damals war?“, fragte er plötzlich. Ich glaube, ich blieb äußerlich ganz ruhig. „Für wie alt hältst du mich?“, fragte ich schließlich. Er wollte sich dann darauf rausreden, dass er mich einfach für einen geschichtlich versierten Mann gehalten habe. „Du hast gefragt, ob ich mich erinnern kann, Schätzchen!“ „Ok, ich komm aus der Nummer nicht raus“, stellte er schließlich fest. Musste er auch nicht. Es gibt Schlimmeres, als von einem politischen Mittzwanziger für einen Teil von Stonewall gehalten zu werden. Meine Beteiligung an der Revolte wurde ja geschätzt. Um Mitternacht küssten wir uns. Zwei verschieden alte Männer verschiedener Hautfarbe mit sehr verschiedenen Leben in großer Einigkeit im Stonewall Inn. Ich fragte mich nur ganz kurz, was die anderen dachten. Niemand guckte. Es war Pride pur. Die beste Möglichkeit, den Feiertag zu begehen, die ich mir niemals hätte ausdenken können. We met in Stonewall. Man kann vielleicht sagen, dass ich zu Stonewall schon immer ein religiöses Verhältnis gepflegt habe.

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rauf folgten.

Stormé war auf den ersten Blick eine Butch-Lesbe of color und zu Stonewall-Zeiten ein male impersonator gewesen, was vielleicht mit drag king wiedergegeben werden darf. Ich war mir unsicher, welche Bezeichnung und welches Pronomen ich im Text verwenden sollte. Er? Sie? „Use whatever makes you comfortable“, erklärte sie lapidar. Es ist keine verallgemeinerbare Lösung, aber es lagen großes Selbstbewusstsein, Unabhängigkeit und Gelassenheit in dieser Antwort. Kein Zweifel: Stormé war der Messias. He’s a black queer lesbian from New York City. Ich bin nie wegen meiner Homosexualität verhaftet oder geschlagen worden, aber ich war viele Jahre heimlich in einen Freund verliebt, während meine Schulkameraden das Wort „schwul“ für alles benutzten, was sie doof fanden. Ich hatte Angst vor Entdeckung und keine Ahnung, wie ich aus der Nummer je rauskommen sollte. Ich muss nicht alle Geschichten erzählen, um deutlich zu machen: Ich war beschädigt genug, um religiös zu werden. „Wehr dich, dann wird für dich gesorgt sein!“, lautet die frohe Botschaft aus der Christopher Street.

In meinem Flur hängt ein Foto vom U-Bahnhof Christopher Street mit einem abfahrenden Zug, das man als Ikone deuten darf. Für die queere Zeitschrift Siegessäule habe ich ungezählte Male die „Weihnachtsgeschichte“ von den Aufständen geschrieben, die wir so nannten, weil sie jedes Jahr erzählt wurde.

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Als junger Journalist war ich tief beeindruckt von Stormé Delarverie, die laut einer der zahlreichen Legenden den ersten Schlag gegen die Polizei geführt haben soll. „The cop hit me, I hit him back. The cops got what they gave”, war ihr Mantra. Ich habe ihre markante Stimme noch im Ohr.

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Sie steht für die Erlösung. Das Versprechen des gelobten Landes. Stonewall war und ist Erweckung. Meine Reise nach New York war also eine Pilgerreise. Zwar gibt es einen mittlerweile einen Konflikt mit meiner eigentlichen Religion, dem Buddhismus, denn Stonewall war ein gewaltsamer Aufstand und der Buddha predigt Gewaltlosigkeit. Ich hoffe aber, spätestens im nächsten Leben eine Lösung zu finden. Sagen wir so: Der Heilige Geist der Christopher Street ist unübersehbarer Selbstrespekt, zu dem lange kaum jemand fähig gewesen war. In vielen Ländern sind Menschen auch heute nicht dazu fähig. Bei der WorldPride-Demonstration rührte mich daher das schlichte Transparent der Hamburger besonders, die einfach den „Veterans“ dankten. Das Konterfei von Marsha P. Johnson, queere Ikone und Sexarbeiterin, war omnipräsent. Auch sie soll den Stein mit ins Rollen gebracht haben. Stormés Gesicht sah ich nirgendwo. Vielleicht, weil bei der Geschichtsschreibung immer jeder Mensch seine eigene Geschichte erzählt und die eigenen Helden platziert. Man kann von Trends, vielleicht sogar von Moden sprechen. Auf jeden Fall gibt es mehr Stonewall-Veterans als damals Flaschen flogen. Sogar ich werde ja neuerdings zu ihnen gerechnet. Auch Bob gehört dazu. Ich interviewte den älteren Herrn aus New York einmal im Backstagebereichs des Europride in Hamburg fürs schwule Fernsehen. Für ihn waren die Stricher ausschlaggebend. Mit ihnen war er in der dritten Nacht der Unruhen in der Christopher Street. Aus historischem Interesse fragte ich ihn, welche Rolle denn aber Judy Garland gespielt habe. Es heißt ja, der Tod der verehrten Diva habe damals die Homos so sehr aus der Fassung gebracht, dass sie schließlich wütend wurden, als auch noch die Polizei eintraf. Dieser Legende nach war also Judy Garland ausschlaggebend für unsere Befreiung. 16

„Stonewall hatte nichts mit Judy Garland zu tun“, erwiderte Bob erbost. „Sie war eine Alkoholikerin. Ein Wrack.“ Was soll ich dazu sagen, ich war nicht dabei. Ehrlich nicht. Zurück in Berlin gab ich auf radioeins ein Interview zum World Pride in New York. Der Moderator las das Motto des Jubiläums-CSDs in Berlin vor: „50 Jahre Stonewall – Jeder Aufstand beginnt mit deiner Stimme!“ Und fragte dann herausfordernd: „Why so serious?“ „Weil das eine ernste Sache ist, soviel Spaß sie auch macht“, hörte ich mich sagen. Später am Tag moderierte ich mit der wunderbaren Frauke Oppenberg die Sondersendung zum CSD. Wir interviewten einen 17-jährigen Trans-Mann, der unglaublich selbstbewusst seinen Weg geht, eine Aktivistin aus der Ukraine, die bei einer Demo von Rechten verletzt worden war, und die Besitzer des Stonewall Inn. Einen Aktivisten, der die Botschaft des CSD mit einer Bustour in Brandenburger Kleinstädte trägt. Und Marianne Rosenberg. Wir lasen die Messe für alle, die vorangegangen sind, für alle, die heute tanzen und kämpfen und für alle, die noch kommen. Unter unseren Zuhörern war via Internet ein junger Mann aus El Salvador, den ich kurz zuvor auf Tinder kennengelernt hatte. Er sucht gerade nach einer Möglichkeit, das Land zu verlassen, in dem er immer wieder bedroht wird. Von mir hörte er das erste Mal die Weihnachtsgeschichte. Er liebte sie. Später fragte er mich, wie es gewesen sei, in den Wirren des 2. Weltkriegs aufzuwachsen. Aber das ist eine andere Geschichte. Text & Bilder: Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe


Die AIDS-Hilfe Halle sucht dich! Je mehr Menschen unsere Arbeit unterstützen und sich aktiv einbringen, desto stärker werden wir auch. Mehr Mitglieder bedeuten zudem mehr finanzielle Unabhängigkeit und somit ein autonomeres Arbeiten.

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Der Bedarf und die Nachfragen nach unserer Arbeit wachsen, doch erkennen wir auch die Schwierigkeiten, die in den letzten Jahren zugenommen haben: Der allgemeine gesellschaftliche Rechtsruck bildet sich auch in den Parlamenten ab. Die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sexualpädagogisch arbeiten und für eine pluralistische Gesellschaft eintreten, wird von rechtspopulistischen Parteien zunehmend infrage gestellt. Wir wollen weiterhin eine lebensweltakzeptierende, professionelle und aufgeschlossene Arbeit leisten. Dafür bedarf es deiner Hilfe! Werde Mitglied bei der AIDS-Hilfe Halle/Sachsen-Anhalt Süd und gestalte unsere Zukunft aktiv mit. Jedes neue Mitglied erhält von uns, als kleines Willkommensgeschenk einen unserer großartigen neuen Beutel. Spread the message !

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Rechte Netzwerke und LSBTIQ-Feindlichkeit in Halle Als Aidshilfe betrachten wir das Erstarken rechtspolitischer und demokratiefeindlicher Strömungen in Politik und Gesellschaft mit außerordentlicher Sorge. Mit ihren Forderungen gegen die sogenannte „Frühsexualisierung“ an Schulen oder den vermeintlichen „Genderwahn“ richten sie sich gegen alles, was nicht in ihr völkisches Weltbild passt. Also gegen Ehe für Alle, das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare, das dritte Geschlecht auf Ausweisen und eine kompetente Sexualaufklärung an den Schulen. Diese Entwicklung stellt nicht nur eine Gefahr für die erkämpften Errungenschaften für queere Menschen dar, sondern gefährden auch die erfolgreiche bundesdeutsche HIV- und AIDS-Prävention.

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In kaum einem Bundesland lässt sich die reaktionäre Geschlechter- und Sexualpolitik von Parteien wie der AfD und Bewegungen wie den „Besorgten Eltern“ so paradigmatisch beobachten wie in Sachsen-Anhalt. So setzt sich die AfD seit ihrem Einzug in das hiesige Landesparlament für die sofortige Abschaffung des „Aktionsprogramms für die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI)“ ein. Ihre Strategie ist dabei so perfide wie beispielhaft. So werden die Aufklärungs- und Präventionsbemühungen stets in die Nähe von sexuellem Kindesmissbrauch und Indoktrination gerückt und bedienen damit das gängige homophobe Ressentiment der schwulen Päderastie. Indem sie das Programm dann noch als groß angelegte gesellschaftliche Umerziehungsmaßnahme darstellen, mit der einer sexuellen Minderheit zur Überprivilegierung verholfen werden soll, wird zudem noch die absurde Verschwörungstheorie der vermeintlich übermächtigen Homolobby angestimmt. Wie ernst es der AfD mit derartigen Forderungen ist, wird spätestens dann erschreckend ersichtlich, wenn ihre Parteifunktionäre Haftstrafen für Homosexuelle fordern, wie in einer Landtagssitzung im Juni 2016 geschehen.

Die Stadt Halle stellt in diesem Zusammenhang einen entscheidenden Vernetzungspunkt für rechtspopulistische und völkische Strukturen dar. Denn in Halle und Umgebung sind rechte Strukturen etabliert und bestens verbunden. Dabei sind drei Akteure besonders miteinander verknüpft. Die AfD in Halle und im Saalekreis, die „Identitäre Bewegung“ in Halle und der Antaois-Verlag von Götz Kubitscheck in Schnellroda. Jeweilige Veranstaltungen werden gegenseitig besucht, beworben und unterstützt. Vor allem zur Identitären Bewegung pflegt Kubitscheck, dessen „Institut für Staatskunde“ zweimal jährlich rechtspolitischen Personen und Gruppierungen aus ganz Europa ein Podium bietet, einen außerordentlich engen Kontakt. Er ist überdies maßgeblich für das Entstehen des rechten Hausprojekts in der Adam-Kuckhoff-Straße 16 in Halle mitverantwortlich. Mit der Nähe zum geisteswissenschaftlichen Steintorcampus versucht die Identitäre Bewegung in Halle gezielt zu provozieren und stellen sich als intellektuelle Elite dar. Diese Fassade aus gekonnter Selbstinszenierung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Identitären aus ihrem Hausprojekt heraus bereits mehrfach Menschen tätlich angegriffen haben. Neben einem Konferenzraum, einem Veranstaltungssaal, einem Filmstudio und den Wohnräumen befindet sich im Haus der Identitären auch das Abgeordnetenbüro des AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider befindet. Dieser hat in der Vergangenheit immer wieder durch Hasstiraden auf gesellschaftliche Minderheiten von sich reden machen. So beispielsweise erst im letzten Dezember, in dem er HIV-Positiven und AIDS-Kranken die Solidarität verweigerte, weil diese mit ihrem vermeintlich unmoralischen Lebensstil ja schließlich selbst Schuld hätten an Ihrer Infektion. Das allgemeine politische Erstarken der Rechten und die starke Vernetzung dieser in Halle


lässt befürchten, ja bereits spüren, dass das soziale Klima für LSBTIQ zunehmend rauer und unwirtlicher werden wird. Einen Einblick in diese erschreckende Entwicklung liefern die Daten der „Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt“ (MOB). Diese erfasst Straftaten und Übergriffe, sofern sich Geschädigte melden, und leistet Hilfe auf sowohl rechtlicher, als auch psychischer Ebene. Zu rechten Übergriffen zählen dabei nicht nur Taten gegen all jene, die als politische Gegner_innen aufgefasst werden, sondern natürlich auch gegen Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht in ein rechtes Weltbild passen. Die sexuelle Orientierung abseits von der gängigen Heterosexualität gilt bei Nazis und anderen Rechten als „unnormal“ oder gar als „widernatürlich“. Nicht selten haben LSBTIQ daher von rechter Seite mit Repressionen und Anfeindungen zu kämpfen. Die Abwehr nicht-heterosexueller L(i)ebensweisen gehört daher zu einem Kernelement des völkischen Denkens. Auch in Halle kommt es daher zu An- und Übergriffen, die aufgrund einer abweichenden L(i)ebensweise geschehen. Die MOB kann dabei jedoch immer nur jene Fälle erfassen, welche von Betroffenen auch gemeldet werden. Doch homophobe Äußerungen, ja gar Angriffe gehören für viele LSBTIQ zu ihrem Alltag, die oft schweigend und mit Angst ausgehalten werden. Darum werden helfende Institutionen nur selten aufgesucht. Die Dunkelziffer muss demnach um ein Vielfaches höher sein. In den letzten Jahren sind zumindest einige Fälle bekannt geworden, die wir hier kurz stellvertretend für eine Vielzahl ähnlicher, jedoch nicht gemeldeter Vorfälle stehen sollen:

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2014 ereignete sich ein Angriff auf einen Ladenbesitzer. Nach homophoben Beschimpfungen und Schlägen gegen die Brust flüchtete sich der Mann in sein Ladenlokal. Nach mehreren Tritten des Angreifers gegen die Ladentür griff er schließlich mit einer abgebrochenen Bierflasche an und verletze den Ladenbesitzer am rechten Hals derart, dass dieser stark blutend notoperiert werden musste. 2015 wurden eine 27-Jährige Studentin und ihre Freundin wartend an einer Straßenbahnhaltestelle bedroht. Nachdem sie von zwei Männern angemacht wurden drohten sie damit, mit einer Bierflasche „die Fresse“ einer der Beteiligten aufzuschneiden. Nachdem die zwei Frauen in die einfahrende Straßenbahn gestiegen sind, zog sich einer der Männer sein T-Shirt aus und beleidigte die beiden hörbar homophob. Auf seiner Brust war ein Hakenkreuz tätowiert; laut seiner Aussage wären sie unter Hitler vergast worden. In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden zwei einfache Körperverletzungen, eine Nötigung/Bedrohung und eine gefährliche Körperverletzung an LGBTIQ verzeichnet. In Polizeilichen Pressemitteilungen wird das Motiv solcher Übergriffe oftmals nicht genannt. Dass eine Körperverletzung ein Angriff auf Grund von Homosexualität sein kann, erfahren die Leser_innen in solchen Fällen in der Regel nicht. Derartige Fälle machen nur allzu deutlich, dass sich die LSBTIQ-Bewegung nicht mit den politischen Erfolgen der letzten Jahre zufriedengeben kann. Vielmehr ist sie aufgefordert eine deutliche Antwort auf den gesellschaftlichen Rechtsruck zu finden. Dass rechtspolitische Gruppierungen die erkämpften politischen Errungenschaften wieder öffentlich zur Debatte stellen und LSBTIQ auf offener Straße angreifen können, zwingt uns dazu, unsere Bewegung politisch wieder klarer zu positionieren. Und das heißt auch für uns als Aidshilfe, klare Kante gegen Rechts zu zeigen. Unsere Safer Sex-Botschaft Nummer 1 lautet daher: Kein Sex mit Nazis! Text: TiGe und MaTh Bilder: AHH

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Bild: Dragan Simicevic Visual Arts

Kuku Kolumnas letzte Worte

Kuku Kolumna, die blasende Reporterin, fährt eine alte Vespa, von der aus sie ihre Ergüsse direkt in die Herzen der Leser*innen spritzt. Mit hunderten von km/h geht es tief durch die Kneipen dieser Gesellschaft, die Gärten der Lust und die Wälder des Geschlechts.

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Nichts ist schwieriger als jedes Mal ein neues spannendes und spritziges Thema für diese Kolumne zu finden. Deswegen geht es dieses Mal auch um Schwarzlicht. Warum nicht? Schwarzlicht ist streng genommen weder schwarz noch Licht. Also ganz streng genommen ist Schwarzlicht schon Licht, aber unsichtbares Licht, weil es ultraviolett ist, also so lila, dass es für das menschliche Auge schon gar nicht mehr wahrnehmbar ist. Dann passiert irgendwas mit Physik und manche Sachen leuchten und manche nicht. Wikipedia weiß “Schwarzlicht wird oft für Showeffekte in abgedunkelten Räumen eingesetzt, wie Diskotheken, bei Zauberveranstaltungen oder auch für Schwarzlichttheater.”

Mensch, wer hätte das gedacht. Aber die Anwendungsgebiete sind natürlich viel vielseitiger. Es folgt eine unvollständige Liste: Zähne, weiße T-Shirts, weiße Schlüpfer, weiße Socken, Schwarzlichtfarbe, Milch, Katzenpisse, Geldscheine, Bananen, Gin Tonic und Sperma. Alles tolle Dinge, die unter Schwarzlicht leuchten und damit hab ich auch schon alles über Schwarzlicht gesagt, was mir dazu einfällt. Warum also überhaupt Schwarzlicht als Thema? Weil mir nichts eingefallen ist und ich meinen Bruder gefragt hab und er meinte, dann schreib doch über Schwarzlicht und ich dachte mir, ok,


Apropos nicht alles haben, nicht alle haben eine Familie, die sie unterstützt auf ihrer Reise in die Perversion. Nicht immer sind Eltern, Geschwister, Großeltern und was da nicht alles noch so mit dran hängt eine große Unterstützung. Witze über Homos und Trans sind Gang und Gäbe und machen nicht nur den Schritt zum Outing unglaublich schwer, sondern pflanzen auch das Gefühl irgendwie nicht richtig zu sein, in die Herzen der kleinen Baby Queers. Dabei sollte doch gerade diese Reise etwas wundervolles sein: Sich selbst und die eigenen Bedürfnisse kennen lernen, wen man lieben und mit wem man ficken will, welches Geschlecht eigentlich das eigene ist und ob man überhaupt eins hat. Dabei ist klar, dass das eine Reise ist, die wahrscheinlich nie so richtig zu Ende geht. Wenn man älter wird, nimmt man vielleicht ein bisschen die Geschwindigkeit raus und guckt sich ein bisschen um, statt immer gleich überall hin zu rennen, auf der Suche nach dem nächsten großen Abenteuer, aber unterwegs bleibt man doch immer.

Das schreibt sich natürlich leicht runter und liest sich vermutlich ähnlich leicht, aber was tun? Wir Perversen kommen aus allen möglichen gesellschaftlichen Schichten und das, was uns eint, ist, dass wir möglicherweise miteinander in die Kiste springen wollen. Das ist nicht viel. Aber vielleicht haben wir doch auch ein bisschen mehr gemeinsam. Unsere Verletzungen, die körperlichen, wie die seelischen und das Gefühl, dass wir immer noch nicht überall einfach in unserer Unterschiedlichkeit leben dürfen. Vielleicht fängt es eben genau da an, wenn wir die anderen nicht einfach nur auf ihre fuckability prüfen, sondern uns einfach mal so nett unterhalten, zuhören und auf die Suche nach unseren Gemeinsamkeiten gehen. Das wäre ja vielleicht schon mal ein Anfang und von da aus können wir dann weiter gucken. Jetzt wird bestimmt auch nicht gleich jedes Gespräch super, aber auch nicht jede Familienfeier ist der Hammer, aber wenigstens können wir uns immer noch darüber freuen, dass. während wir miteinander reden der Gin Tonic im Schwarzlicht leuchtet. Text: Kuku Kolumna

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Damit das eine schöne Reise wird, müssen wir uns aber nicht nur die Familien vornehmen. Auch wir müssen als Community versuchen eine Familie zu werden und ich meine jetzt nicht, dass ich jeden attraktiven Typen, der drei Monate älter ist als ich (oder zumindest so aussieht) Daddy nenne, sondern uns gegenseitig da unterstützen, wo wir uns brauchen. Also da wo wir mal weinen müssen oder nicht weiter wissen, wo wir uns im Urwald verlaufen oder in Grotten verschüttet gehen, oder irgendwelche anderen Reisemetaphern. Ich meine wirklich nicht diese komischen Familien, wo sich immer alle dieselben Anekdoten erzählen, statt darüber zu sprechen, was sie gerade wirklich beschäftigt, oder der eine Onkel,

der nach dem vierten Bier deiner Cousine oder dir auf den Oberschenkel grabscht. Ich meine Familie, wie Vertrauen und Solidarität. Familie als ein Gefühl von wir gehören zusammen, als wir streiten uns, aber das heißt nicht, dass wir uns hassen, sondern dass Streit manchmal nötig ist, damit wir uns weiter mögen können.

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was soll schon schief gehen? Hätte ich mir ja gleich denken können, dass es nicht meine beste Idee war, auf eine Hete zu hören. Das ist jetzt vielleicht ein bisschen gemein, immerhin können auch heterosexuelle und cisgeschlechtliche Menschen nichts dafür, so leben zu müssen. Dafür ist mein Bruder sogar eigentlich ziemlich cool. Seit Jahren kommt er mit auf den Leipziger CSD, gibt mir Lebenstipps, hilft mir durch meine Krisen und versucht sogar mir ein Thema für meine Kolumne zu geben. Nun, offensichtlich ist niemand perfekt, aber man kann halt nicht alles haben.

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