Hafensommer Würzburg

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[magazin] zusammengehalten. Ich habe mit dem Trio die Chance, in viele Türen hineinzuschauen. Deshalb ist die Musik des Trios auch um Einiges zugänglicher.“ „Zugänglich“ ist der passende Begriff, denn die zehn Tracks von „Kraah“ umfassen einen faszinierend heterogenen Klangkosmos zwischen Tango-Momenten („Wat Ju No“) und reggaefizierten Santana-Erinnerungen („Hotten Totten“), ein überraschend jazziges Spiel mit Klangfarben, durchzogen von einem warmen, pulsierenden Groove: Man höre nur einmal das wunderbare „Ade“ mit dem druckvollen Bass von Breitschmid und der von Alder gespielten Violine. Das Stück „Oh Raura“ erinnert zunächst an Ralph Towner, später dann eher an „Hotel California“ der Eagles, nur, dass deren Sänger Glen Frey keinen Obertongesang drauf hatte und Zehnders Rhythmen nicht ganz so stumpf wie bei den Kaliforniern ausfallen. Im Gespräch erzählt Zehnder von der Kunst, mit seiner Musik und ihrer konzertanten Aufführung emotionale Räume zu öffnen. Er nutzt nach eigener Aussage die Musik, um in verschiedene Stimmungen und Welten hineinzuschauen, um verschiedene Stile und Stilmomente zusammenfügen, dabei aber Zuhause und im eigenen Kopf zu bleiben. Im direkten Vergleich mit der ausladenden, weltumspannenden Bewegung, die Kraah insgesamt auszeichnet, weil die Stücke in sich auch nicht geschlossen sind, sondern auch noch in verschiedenste Richtungen ihre Fühler ausstrecken, erscheint Stimmhorn tatsächlich „viel autarker und auch alpiner“ (Zehnder). Und auch etwas spröder. Dass der erste Track „Åne Däne“ daran erinnert, wie zuletzt die Stimmhorn-Konzerte eröffnet wurden, hat allerdings einen guten Grund: „Die Gitarre zu Beginn war bereits ein Resultat der Arbeit an Kraah, die Musik, die ich schreibe, schwingt immer zwischen den Projekten. Das ist gar nicht zu vermeiden, weil ich in beiden Gruppen ja stilbildend bin. Und ich bin, wer ich bin. Ich habe meinen ganz persönlichen Stil, den kann ich nicht einfach ändern. Die Arbeit der beiden Gruppen befruchtet sich wechselseitig und ergänzt sich. Deshalb

ist auch das ‚Kraah‘ Trio nicht das nächste Projekt nach Stimmhorn, sondern ein weiteres Projekt neben Stimmhorn. Für mich war der Schritt ohnehin nicht so groß. Wenn ich mit anderen Musikern zusammenkomme, passiert eben auch andere Musik. Wenn ich z.B. mit Balthasar [Streiff] spiele, landen wir immer sehr schnell bei einer artifiziellen Klanglichkeit. Aber ich habe auch in kompositorischer Hinsicht viel darüber nachgedacht, wie ‚Kraah‘ klingen könnte. Es sollte sich schon abheben von dem, was Stimmhorn macht.“ In Stefan Schwieterts umwerfender Musikdokumentation „Heimatklänge“ (just auf DVD sowie als Soundtrack auf CD erschienen) spielt Christian Zehnder neben Erika Stucky und dem innovativen Volksmusiker Noldi Alder eine Hauptrolle. Zehnder ist in diesem Kontext derjenige Musiker, der sich als Zürcher mit einer klassischen Gesangsausbildung dem alpinen Raum mit seinen Klängen gewissermaßen von außen nähert. Auch auf „Kraah“ ist Alder zu hören. Wie kam es dazu? „Die Schweizer Szene ist einigermaßen überschaubar. Wer sich in irgendeiner Form mit heimischer Musik beschäftigt, kennt einander. Dass Noldi Alder auf der CD mitwirken würde, war schon vor den Dreharbeiten zu ‚Heimatklänge‘ klar, aber der Film hat uns dann noch mehr zusammengebracht. Noldi ist einer der Erneuerer der Schweizer Volksmusik aus dem Traditionellen heraus. Ich selbst bin ja kein Volksmusiker.“ Auf „Stifeli“ werden uns dagegen sehr originelle Flötentöne beigebracht. Besser gesagt: Blockflötentöne, gespielt von Christoph Marthaler, der lange Jahre sehr erfolgreich am Zürcher Schauspielhaus wirkte und seit einigen Jahren wieder als freier Regisseur arbeitet. Tatsächlich hat der Mann Blockflöte studiert! Irre, was es alles gibt! „Ich kenne Christoph Marthaler schon sehr lange“, sagt Zehnder. „Ich habe viel im Theater gearbeitet und bin mit dem Darstellerischen verbunden, was man ja auch bei Stimmhorn-Konzerten spüren konnte. Das Darstellerische war eigentlich eine Erweiterung des Kompositorischen. ➔

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