KulturGut 16

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KulturGut

Ausgabe

16

Oktober 2014

Magazin f端r die Kulturregion W端rzburg

Kunst. Sehen hat etwas mit Kennen zu tun. | W端rzburg-New York. Was Performance-Kunst im Publikum bewegt. | May I help You? Begeisterung weitertragen.

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Kunst | Bühne | Musik | Medien | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Editorial

Kunst kennen. „Ich glaube: Kunst kommt nicht von können, sondern von Müssen!“, beschrieb der Komponist Arnold Schönberg 1911 in seinem musikalischen Tagebuch, was ihn antreibt – und komponierte das erste atonale Stück der Musikgeschichte. Wie viel Energie notwendig ist, um Kunst lebendig zu machen, einem Publikum verfügbar und erfahrbar zu machen, davon erzählt auch diese Ausgabe unseres Magazins. Wir haben Künstler und Orte der Kunst aufgesucht und interessante Dialoge geführt – darüber, warum es in Würzburg eine vergleichsweise kleine Galerieszene gibt, warum New Yorker näher an die Performance-Künstler rücken, was Gegenwartskunst für Herausforderungen aufstellt und wie man aus der Anfangseuphorie eines neuen Projektes eine tragfähige und ehrliche Sache macht. Dabei erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit – die wäre natürlich unmöglich und schließlich ist der Rubrik Kunst in jeder unserer Ausgaben ein fester Platz sicher. Aber

wir richten den Blick konzentriert auf interessante Persönlichkeiten und Phänomene der heimischen Kulturszene. Begleiten Sie uns, gönnen Sie sich ein paar Eindrücke und dann: Gehen Sie raus, genießen Sie die Kunst – Würzburg hat uns viel zu bieten! Wir wünschen uns, dass Sie diese Entdeckungsreise ebenso genießen wie wir. Wie immer laden wir Sie ein, uns auf unserer Webseite www.kulturgutwuerzburg.de zu besuchen. Bleiben Sie uns gewogen.

Iris Wrede Chefredakteurin

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Kunst | B端hne | Musik | Medien | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Inhalt

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Editorial Inhalt Titelthema | Schlüssigkeit mit Kanten. Das Museum im Kulturspeicher Titelthema | Publikumsvergleich: Würzburg – New York Titelthema | Harmonie und Bedrohung. Kulturpreisträgerin Angelika Summa Titelthema | Gute Festungsseelen: Volunteers im Mainfränkischen Museum Titelthema | Der Berufsverband Bildender Künstler Unterfrankens Titelthema | Werke verwalten. Einblick ins Museum am Dom Titelthema | Reduktion aufs Unwesentliche: Würzburger Plakate Titelthema | Ware des Vertrauens: Im Galeriebetrieb Titelthema | Kunst und/oder Geld. Fragen auf dem Bürgerbräu-Gelände Kunst | Termine Theater | Neue, alte neue NachfolgerInnen an den Privattheatern Theater | Termine Musik | Willkommen daheim bei der Folksmusik! Musik | Staatspreis für das Jugendkulturhaus Cairo Musik | Termine Medien | 15 KulturGut-Hefte haben sich gelohnt. Zwischenbilanz in eigener Sache Literatur | Termine Literatur | Poesie für Demente, Wege durch das Ohr in den Kopf Film | Einzigartig dezentral: Das Programmkino zieht um Film | Internet-Fernsehen und Kinogucken mit Thomas Heinemann Film | Termine Stadt | Die Branchenstudie zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Mainfranken Stadt | Termine Stadt | Das Spiel zum Brot, die Kulturtafel Würzburg Stadt | Verdoppelt: Der neue Kulturbeirat Wissenschaft | Würzburg bleibt „Stadt der jungen Forscher“ Wissenschaft | Würzburg hat einen Schatz. Ulrich Wagners Abschied vom Stadtarchiv Wissenschaft | Termine Interkultur | Termine Interkultur | Globale Kompetenz stößt an Fakultätsgrenzen Impressum

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Kunst | Bühne | Musik | Medien | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

Schlüssigkeit mit Kanten Dr. Marlene Lauter, Leiterin des Museums im Kulturspeicher, über Würzburg als Kunststadt, das hiesige Museumspublikum und die Museumsarbeit in der Praxis Interview: Michaela Schneider / Fotos: Benjamin Brückner

KulturGut: Würzburg ist Kulturstadt, aber was wäre sie ohne ihre kirchliche Kunst? Marlene Lauter: Würzburg war nie Industriestadt und hat immer von Kunst und Kultur gelebt. Denken Sie an die Residenz und Tiepolo, an die Festung oder Riemenschneider. Über Jahrhunderte wurde die Stadt von Fürstbischöfen, das heißt kirchlichen Herrschern regiert. Deshalb prägen die Stadt bis heute wunderschöne Kirchen. Und wie steht es um Würzburg als moderne Kunststadt? Tatsächlich hatte Würzburg hier Anlaufschwierigkeiten. Vielleicht musste sich durch den Übergang von der kirchlichen in die säkulare Verwaltung auch die Kunst erst neu finden. Hinzu kommt: Es gab in Würzburg zwar einst den Polytechnischen Zentralverein, heute haben wir eine Fachhochschule mit dem Fachbereich Design. In beiden Fällen stand und steht aber die angewandte Kunst im Vordergrund. Eine freie Akademie indes, an der es um die reine freie Kunst ging, gab es nicht. Würzburg hat aber einen großen Meilenstein gesetzt, als der Stadtrat entschied, der modernen Kunst mit dem Museum im Kulturspeicher ein Haus zu geben. Die Ausstellungsfläche in der Städtischen Galerie betrug zuvor 750 Quadratmeter, heute haben wir 3500 Quadratmeter Platz, um Gegenwart und Moderne zu zeigen. Also hat sich die Kunststadt Würzburg durch das Museum im Kulturspeicher weiterentwickelt? Ja, unbedingt. Wir zeigen im Haus mit der Städtischen Galerie und der Konkreten Kunst zwei Sammlungen. Ich habe den Eindruck, dass durch den Fokus auf das Formenspektrum der Konkreten Kunst die Denkweise dieser Kunstform bei den hiesigen Künstlern mehr in den Blick gerückt ist. Mit dem Museum konnten wir eine Perspektive für die Konkrete Kunst entwickeln – mindestens bundesweit, doch auch internationale Besucher finden zu uns. Und auch die Städtische Sammlung kann sich durch den Flächenzuwachs besser entfalten.

Wo finden Sie sonst noch moderne Kunst in Würzburg? In der Galerie des Berufsverbands Bildender Künstler Unterfranken; wir haben das Kunstschiff Arte Noah und die Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens, die im Spitäle ausstellt. Auch verschiedene Firmen präsentieren Kunst. Zum Beispiel die IHK oder die Sparkasse. Und das Uni-Gelände am Hubland ist letztlich

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ebenfalls eine Art Skulpturenpark. Am Thema Skulpturenmeile wird gearbeitet. Zwei Plastiken stehen, weitere Kunstwerke im öffentlichen Raum, so die Idee, sollen folgen. Was in Würzburg fehlt: Es gibt fast keine Verkaufsgalerien mehr. Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Vielleicht besteht kein Bedarf durch Würzburgs Lage zwischen München, Nürnberg und Frankfurt.

Woran erkennt man eigentlich, ob ein Publikum aufgeschlossen ist für moderne Kunst? Die Tatsache, dass das Museum im Kulturspeicher etabliert werden konnte, zeigt, dass bei den Würzburgern ein Gefühl für Kunst über Riemenschneider und Tiepolo hinaus besteht. So skeptisch das Museum anfangs diskutiert wurde, so sehr ist es heute we-

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Kunst | Bühne | Musik | Medien | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

sentlicher Teil der Würzburger Kunstszene. Unser Freundeskreis Kulturspeicher e.V. zählt nach zwölf Jahren mehr als 800 Mitglieder. Das Museum ist ein Haus geworden, in das man geht. Natürlich nicht jeder, aber zumindest das Publikum, das einen Bezug zur Kunst hat. Wird fortschrittliche Kunst nicht immer etwas Elitäres bleiben? Fortschrittliche Kunst stellt neue Fragen an die künstlerische Arbeit, ihre Medien, an das Publikum. Manchmal ist sie sperrig und stört unsere Sehgewohnheiten, schlichtweg weil wir sie nicht gewohnt sind. Auch die Kubisten haben einst eins auf den Deckel bekommen, weil ihnen vorgeworfen wurde, den Gegenstand zu zerstören. Sehen hat mit Kennen zu tun – und wenn etwas neu ist, verdrehe ich vielleicht erst die Augen. Dadurch ist fortschrittliche Kunst für kunst-unerfahrenes Publikum nicht leicht nachzuvollziehen. Trotzdem kommen zu uns sowohl Ausstellungsfahrer, die von einem Museum zum nächsten tingeln, aber auch Gäste aus dem Hotel von nebenan, die kaum Erfahrung mit Konkreter Kunst haben. Wie erreichen Sie das kunst-unerfahrene Publikum? Sehr wichtig ist uns bei Führungen, Audioguides und Texttafeln eine Sprache, die sich nicht im kunsthistorischen Jargon bewegt. Gerade bei unseren Sonntagsführungen haben wir ein sehr buntes Publikum, das dies zu schätzen weiß. Auch verbinden wir bei Sonderveranstaltungen gern Kunst und Musik oder auch Kunst und Wein, um über andere Kanäle als die reine Kunst an neues Publikum heranzukommen. Unsere Museumspädagogik kooperiert mit Kindergärten bis hin zu Gymnasien. Wir wollen, dass schon Kinder und Jugendliche bei uns auf Entdeckungstour gehen. Dafür braucht es kein Kunstwissen. Wie würden Sie das museale Konzept beschreiben? Das Museum im Kulturspeicher ist aus der Städtischen Galerie heraus entstanden. Deren Auftrag war regional definiert. Das heißt, es ist einst ein Grundstock gewachsen, der irgendwie mit der Region zu tun hat. Dies versuchen wir in gewissem Maß fortzusetzen, indem wir an Dinge andocken, die wir bereits haben. Der Museumsbesucher erlebt Kunst mit regionalem Ansatz ebenso wie Werke aus dem internationalen Umfeld. Unsere Rundgänge sollen schlüssig sein, dürfen aber durchaus Ecken und Kanten haben, um zum Nachdenken anzuregen. Denn: Eine Ausstellung muss für einen Besucher spannend sein und sich auch gelegentlich verändern. Die Sammlung Ruppert werden wir 2015 zum vierten Mal umhängen. Das ist wichtig, um das Stammpublikum zu halten und um neue Bezüge herzustellen. Geht es Ihnen eher um Einzelobjekte oder um Strömungen? Wir versuchen, vor allem Strömungen abzubilden. In der Städtischen Sammlung ist dies zum Beispiel ein Ausschnitt des Impressionismus mit regionalem Bezug, Werke der Maler Ludwig von Gleichen-Russwurm, Max Slevogt, von Gertraud Rostosky oder Werke der Neuen Sachlichkeit mit Carl Grossberg und Christian Schad.

Ich denke, wir haben mit der Sammlung Peter C. Ruppert einen Bereich, der in Form und Qualität in Europa einzigartig ist. Auch in Zürich, Ingolstadt und Grenoble gibt es Museen mit Konkreter Kunst. Aber die Üppigkeit der Sammlung hier ist etwas sehr Besonderes. Und inwieweit können Sie Gegenwartskunst für nachfolgende Generationen konservieren? Früher waren der Adel und das reichere, bürgerliche Publikum Hauptkunstabnehmer. Heute arbeiten viele Künstler unmittelbar mit der Zielrichtung Museum und dem Selbstverständnis, im öffentlichen Raum ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Und: Die Moderne Kunst geht schlichtweg weiter, Jahr für Jahr. Der Satz „Ihr habt doch genug“ mag auf ein kunsthistorisches Museum zutreffen, niemals aber auf ein Museum, das auch Gegenwartskunst pflegt. Das Problem ist: Wir haben seit fünf Jahren keinen Einkaufsetat mehr. Das heißt: Wenn wir ein Objekt ankaufen wollen, brauchen wir einen externen Geldgeber. Vor allem unterstützt uns der Freundeskreis, manchmal die Stadt, gelegentlich erhalten wir eine Schenkung. Strategisch zu sammeln um Lücken zu schließen – etwa in den Bereichen Stillleben, Kunst der Jahrhundertwende, regionale Kunst oder Holzplastiken heute – geht unter diesen Voraussetzungen jedoch nicht.

INFo: Marlene Lauter: Die 58-jährige Kunsthistorikerin aus dem Rheinland lebt seit 23 Jahren in Würzburg. 1994 übernahm sie die Leitung der Städtischen Galerie und betrieb den Aufbau des 2002 eröffneten Kulturspeichers. | www.kulturspeicher.de

Gibt gerade das dem Museum Individualität? KulturGut 16 | Seite

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Amerikanische Unterhaltung Für Deutsche macht der Performance-Künstler David Rodgers intellektuelle Kunst. Ein Publikumsvergleich von Michaela Schneider / Fotos: Katrin Heyer

Zwischen Schloss Homburg und dem Würzburger Straßenmusikfest führte sich der New Yorker schon mehrfach auf.

Verwirrte Haare, stechender Blick. Zwischen angedeuteten Sternen und Planeten bewegt er sich mit Koffer und Mantel. Bewegt sich der New Yorker Performance-Künstler David Rodgers als Astronom Johannes Kepler. Was wäre, wenn der Sprecher der Wahrheit, der Wissenschaftler als Reisender zwischen Raum und Zeit in der modernen Welt landete? Wie würde er sich zurechtfinden? Wie würde er kommunizieren? Das klanglich untermalte, rätselhafte Spektakel wirkt auf Würzburgs Publikum ungewohnt und befremdlich, zugleich mysteriös und fesselnd. Und so mangelt es nicht an Zuschauern, wenn David Rodgers beim Würzburger Straßenmusikfestival auftritt. Allerdings hält das Publikum schüchternen Abstand. Und das ist nicht der einzige Unterschied, den der Künstler zwischen deutschen und amerikanischen Zuschauern beobachtet.

Studiert hat der gebürtige New Yorker Theaterwissenschaften und Bildende Kunst, seit vielen Jahren arbeitet er als freischaffender Künstler. Rodgers bezeichnet sich als Performance-Künstler – eine Kunstform, die in den USA nicht ungewöhnlich, hierzulande eher selten ist. „In meinen Darbietungen will ich sämtliche Grenzen zwischen bildender Kunst und Theater verschwimmen lassen und Bereiche dazwischen entdecken“, erklärt er. Rodgers tritt gelegentlich in Museen oder Galerien auf, bevorzugt aber unkonventionelle Plätze für seine Aufführungen – von der Fußgängerzone bis zur peruanischen Inka-Ruinenstadt Machu Picchu. Plätze, die auf der einen Seite als Theaterkulisse dienen, auf der anderen Seite als Performance-Ort überraschen. Und, Plätze, die keine physische Trennung zwischen Künstler und Publikum zulassen, denn: Wer stehen bleibt, um Rodgers zu be-

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obachten, muss damit rechnen, selbst Teil der Aufführung zu werden. Zum ersten Mal nach Deutschland kommt er als Rucksacktourist im Jahr 1985. Der erste künstlerische Kontakt liegt sechs Jahre zurück. Damals wird der New Yorker zur Veranstaltungsreihe „Kunst in Schloss Homburg“ eingeladen, in den folgenden Jahren reist er immer wieder zur Homburger Sommerakademie – sowohl als Künstler, als auch als Performance-Trainer. Über die hiesige Fotografin Katrin Heyer lernt er Würzburgs Kunstszene kennen, tritt dort erstmals 2009 in ihrem Atelier und dem Plastischen Theater Hobbit auf. Weitere Auftritte inklusive Straßenmusikfestival folgen von nun an in der Bischofsstadt.

der ich als sehr legitimes Mitglied einer großen Gemeinschaft angenommen werde.“ Weil David Rodgers heute um die Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Publikum weiß, ändert er seine Darbietungen von Land zu Land entsprechend ab. Beispiel Johannes Kepler. Die Deutschen seien mit der historischen Person viel vertrauter, waren sehr aufmerksam und folgten der Handlung. Als sie selbst mitmachen sollten, reagierten sie allerdings abgeneigt.

In den Staaten akzeptiert man das Wie aber reagiert das deutsche Publikum auf die ungewohnte Performance-Kunst? Rodgers erste Spielstätte in Deutschland: der Schlossplatz in Homburg. Bis zur Mitte der Darbietung habe er überhaupt kein Publikum gesehen, erinnert sich der Künstler, ehe er schließlich registrierte, dass Zuschauer zwar da waren, sich aber – ganz anders als in New York – weit weg positioniert hatten. „Anfangs war das für mich befremdlich, weil ich enge physische Nähe zwischen dem Darsteller und dem Publikum will“, erzählt Rodgers. Später habe er begriffen: Abstand hielten die Zuschauer schlichtweg aus Respekt, um der Kunst und dem Künstler ausreichend Freiheit und Raum zu lassen. Rodgers Fazit: In Deutschland spielt die Wahl des Ortes für Performer eine noch entscheidendere Rolle als in den USA, um einen zu großen Abstand zum Künstler gar nicht erst zu erlauben. Auch lassen sich Zuschauer in New York weitaus bereitwilliger in eine Darbietung einbeziehen. Doch Rodgers weiß inzwischen, woran er in Deutschland ist: „Ich genieße es heute, diesen Augenblick gezielt zu nutzen: das Element der Überraschung, wenn das Publikum unerwartet zum Teil der Performance wird.“ Mit seinen theatralischen Kunstwerken will David Rodgers Fragen stellen. Und hier beobachtet er: Deutsche Zuschauer denken weitaus intensiver nach über seine Darbietungen, analysieren, wollen die Bedeutung verstehen und betrachten Performance-Kunst weniger als Spektakel denn als intellektuelle Tätigkeit. Deshalb genießt er den Dialog, der im Anschluss entsteht: „Kulturgeschichte und Kunst scheinen ein wesentlich vertrauterer Bestandteil des täglichen Lebens zu sein als in Amerika.“ Rodgers Eindruck: Der New Yorker akzeptiert, was er erlebt, genießt das Gefühl, betrachtet Performance-Kunst als Unterhaltung und den Künstler selbst als freakigen Typen, der sich auslebt. „In Deutschland dagegen spüre ich eine kulturelle Atmosphäre, in KulturGut 16 | Seite

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Bei der späteren Aufführung in New York strich der Künstler dagegen einen guten Teil der Handlung und konzentrierte sich auf das Spektakel, bezog das Publikum von Anfang an ein. „Zu viele Actionfilme und Fernsehshows?“, fragt sich Rodgers. Und antwortet selbst mit einem nachdenklichen „Vielleicht“.

Moderne Zeiten

Die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zu Gast in Schwäbisch Hall 23.5. 2014 –1.5.2015 täglich 10 –18 Uhr

LInK: | www.davidrogersperformance.com

KUNSTHALLE WÜRTH Lange Straße 35 | 74523 Schwäbisch Hall kunsthalle@wuerth.com | www.kunst.wuerth.com Ernst Ludwig Kirchner, Potsdamer Platz, 1914 (Detail), Öl auf Leinwand, 200 x 150 cm Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie. Erworben mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland, der Kulturstiftung der Länder,

der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kultur-Stiftung der Deutschen Bank u. a. Foto: bpk/Jörg P. Anders, © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie Alle Aktivitäten der Kunsthalle Würth sind Projekte der Adolf Würth GmbH & Co. KG.

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Harmonie und Bedrohung Das Werk der Kulturpreisträgerin Angelika Summa von Henrike Holsing / Foto: Benjamin Brückner

Eine „Eisenbeißerin“ hat der Bildhauer Eberhard Fiebig seine Kollegin Angelika Summa einmal genannt. Er verweist damit auf das bevorzugte Arbeitsmaterial der gebürtigen Bayreutherin (*1952). Denn die seit 1986 freischaffend in Würzburg tätige Künstlerin arbeitet mit Metall: Anfangs war es feiner Draht, den sie in geduldiger Feinarbeit zu dichten Knäueln verarbeitete. In den letzten Jahren jedoch hat sie sich vor allem mit ihren zum Teil monumentalen Kugeln einen Namen gemacht, großen skulpturalen Gebilden, in denen sie das widerständige Material in die geschmeidige, runde Kugelform zwingt. Das erfordert Kraft und harte, körperliche Arbeit, in der vor allem der Schweißbrenner eine große Rolle spielt. Eine vermeintlich „männliche“ Arbeit, so dass sich mancher wundert, wenn ihm die dazugehörige Künstlerin, eine kleine, zierliche Frau, vorgestellt wird. Angelika Summa ärgert sich manchmal über diese Geschlechtsrollenklischees; in ihrer Kunst aber spielt sie gern humorvoll damit. So lassen ihre zarten, filigranen Kleinformate an geduldige, weibliche Handarbeit denken. Auch einige Titel erinnern an hausfrauliche Qualitäten: In „sweet home“ (Museum im Kulturspeicher) etwa hat sie 1992 aus Stahlwolle eine nestartige Form gebildet. Nicht immer aber hat der Draht so gemütliche Assoziationen, wie in den stacheligen „Unruhekissen“ deutlich wird oder auch in der bürstenförmigen Arbeit, der Summa mit Blick auf die widerständigen Eigenschaften mancher ihrer Geschlechtsgenossinnen den Titel „Kratzbürste“ gegeben hat. Die Titel zeigen es schon: Auch wenn Angelika Summas Werke ungegenständlich sind, lassen sie doch inhaltliche Assoziationen zu. Eine besonders massive, sich selbst behauptende Kugel nennt sie „Der Egoist“ (2004), eine andere, aus rotem Stacheldraht, heißt „Süß ist die Liebe“ (2002). So benennt sie den Charakter der einzelnen Formen, die mal expressiv ausfallen können, mal jedoch von fast sachlicher Eleganz und feiner Zurückhaltung sind. Trotz der wiederkehrenden Form – der Kugel – und dem gleichen Grundmaterial – Draht –, haben die Kugelarbeiten ihren je ganz eigenen Ausdruck. Hat man die Gelegenheit, mehrere davon zusammen zu sehen (so wie in ihrer Ausstellung im Würzburger Kunstverein auf der Arte Noah 2012 oder in der Augustinerkirche 2013), könnte man fast meinen, bei einem Familientreffen dabei zu sein. Sofort sichtbar sind die verwandtschaftlichen Beziehungen, aber auch die unterschiedlichen „CharaktereigenKulturGut 16 | Seite

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Das Selbstbewusstsein der Künstler: Im Herbst zog die Bildhauerin ihre Ausstellungsstücke aus der VKU-Galerie zurück, weil man eins davon zeitweilig weggeräumt hatte, um Platz für ein Konzert zu schaffen.

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schaften“ der Objekte. Manche scheinen sich zu mögen, andere passen so gar nicht zusammen, und ähnlich geht es auch dem Betrachter, der sich bald seine Lieblinge auserkoren hat.

Das geht unter die Haut Beharrlich hat sich Angelika Summa an ihrem Material abgearbeitet. Ihr innovativer skulpturaler Umgang mit dem Metall, bei dem bei allem künstlerischen Ernst immer wieder auch Witz und Ironie auffunkeln, und ihre überzeugenden formalen Lösungen haben ihr schon 1995 den Kulturförderpreis der Stadt Würzburg eingebracht. Seitdem hat sie ihr Werk konsequent weiter entwickelt, den Sprung ins große Format gewagt und vor allem mit ihren Kugeln fast ein Markenzeichen etabliert. Gerade in dieser Form konzentriert sich das spannungsvolle Changieren zwischen Biegsamkeit und Widerständigkeit, das sich durch Angelika Summas gesamtes Werk zieht, gerade hier zeigt sie die vielfältigen Möglichkeiten von schützendem Umhüllen bis hin zu stacheliger Verletzungsgefahr, die sich in ihrem Material und ihrer Arbeitsweise verbergen. Das geht dem Betrachter „unter die Haut“, wie es sich die Künstlerin auch wünscht. Im Namen der Künstlerinnengruppe „subkutan“, die Angelika Summa mitgegründet hat, spiegelt sich diese Zielsetzung wieder. Für eine gemeinsame Ausstellung der Gruppe als Hommage an Gertraud Rostosky im Museum im Kulturspeicher (März 2014) hat Angelika Summa eine neue Skulptur geschaffen, in der sich aus einem massiven Drahtstuhl eine freie Kugelform entwickelt. Für Summa steht diese Form für die notwendige Befreiung der Künstlerin von den Konventionen des „gesetzten“ Bürgertums und für das Streben nach einem authentischen und in sich harmonisch geschlossenen Werk. Diese innere Befreiung – eine große Herausforderung für jede künstlerische Existenz – ist ihr gelungen. Ihr Werk legt davon eindrucksvoll Zeugnis ab. In diesem Herbst wird ihr in Anerkennung dafür der Kulturpreis der Stadt Würzburg verliehen.

LInK: | www.angelika-summa.de KulturGut 16 | Seite

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Die guten Festungsseelen Volunteers des Mainfränkischen Museums mit der Kulturmedaille geehrt von Jürgen Grafelmann / Foto: Benjamin Brückner

Am Anfang stand ein zartes „May I help you?“. Heute sind die Ehrenamtlichen eine Institution auf dem Festungsberg. Mit der Verleihung der Kulturmedaille versüßt die Stadt den Volunteers des Mainfränkischen Museums ihr zehnjähriges Bestehen. Dieser Adelsschlag kommt nicht von ungefähr. Ein Stimmungsbericht über den Dächern Würzburgs. Manchmal werfen große Ereignisse einen langen Schatten. Als das Mainfränkische Museum anno 2004 anlässlich der 1300-JahrFeier der Domstadt die Ausstellung „Tilman Riemenschneider – Werke seiner Blütezeit“ eröffnete, wurde den Veranstaltern schnell klar, dass der erwartete Besucheransturm mit den gewohnten Kräften kaum zu bewältigen war. Es bedurfte vieler zusätzlicher Augen, Ohren und helfender Hände, um lange Schlangen, babylonische Konfusion und Missmut zu vermeiden. Auf einen öffentlichen Aufruf des Museums hin meldeten sich über einhundert freiwillige Helfer, für die eigens ein Informationsschalter im Eingangsbereich des Museums eingerichtet wurde. Der dort gebotene „May I help you“-Service wurde zum Urknall der Volunteers in all ihren heutigen Facetten. Aus der Not wurde eine Tugend, aus dem Provisorium eine Instanz. Ursprünglich als erste Ansprechpartner und Wegweiser der 154.000 Besucher der Riemenschneider-Ausstellung angedacht sowie mit der Ausgabe und Wartung der Kopfhörer betraut, erwuchsen die ehrenamtlichen Mitarbeiter zum unverzichtbaren Bestandteil des Mainfränkischen Museums. Ohne ihre tatkräftige Unterstützung ständen aufwändige Sonderveranstaltungen wie das alljährliche Museumsfest nicht auf dem Würzburger Eventkalender.

Gerda Hoffmann (links) mit Sabine Kübler-Rabe in der Kelterhalle des Mainfränkischen Mu

Klassiker: flexible Öffnungszeiten Zehn Jahre fungieren die Volunteers jetzt schon als gute Seelen am Festungsberg. Manche gingen nach getaner Arbeit mit dem Ende der Riemenschneider-Ausstellung, andere kamen im Lauf der Zeit neu hinzu. Der Bestand hat sich bei ca. fünfzig Ehrenamtlichen eingependelt und ihr Informationsschalter nun dauerhaft seinen Platz im Foyer gleich neben der Kasse gefunden. Damit die Volunteers auf jede Frage eine gute Antwort parat haben, bietet das Museum jedes Jahr eine mehrteilige Fortbildung an. Ihre Einsatzpläne erstellen die Koordinatoren eigenständig, der Museumsleitung gelten sie als wichtiges Korrektiv – falls die Dinge mal ein wenig aus dem Ruder laufen sollten. So weit, so gut. Kritische KulturGut 16 | Seite

Geister mögen nun raunen, was Menschen denn dazu bewegt, für ein so großes und fernab der Innenstadt gelegenes Museum Zeit und Herzblut herzuschenken. Gerda Hoffmann und Sabine Kübler-Rabe gehören beide zu den Koordinatoren der Volunteers und wissen auch einiges über die Schattenseiten des Lebens auf der Festung zu berichten. Das Portal des Mainfränkischen Museums grüßt den heraufsteigenden Besucher als erstes institutionelles Lebenszeichen und dient manchem daher auch als Anlaufstelle für Hader. So mutiert der Infoschalter der Volunteers manchmal zum Sorgentelefon. Sowohl bei Beschwerdeklassikern wie der kafkaesken Nahverkehrsanbin-

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Kunst | Bühne | Musik | Medien | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

hen Museums.

dung, der undurchsichtigen Parkplatzsituation und den flexiblen Öffnungszeiten der Festungsgastronomien als auch bei neuartigen Spleens wird dann aus dem Mantra „May I help you?“ ganz schnell ein „May I calm you down?“. Doch dem sendungsbewussten Ehrenamtlichen können auch solche Fehltöne nicht den Wohlklang seiner Museumswelt vermiesen. Ein Großteil der Volunteers ist mit dem Museum groß geworden und erlag schon früh dem urfränkischen Zauber des Festungsberges, der die Blicke der Würzburger seit je her in die Höhe schweifen lässt. Viele von ihnen engagieren sich heute im Verein „Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte“, dem KulturGut 16 | Seite

Eigentümer einer Vielzahl der gezeigten Schätze, und haben deshalb ein ganz persönliches Verhältnis zur Institution und ihrem Innenleben. Gerda Hoffmann bringt das Hauptanliegen der Volunteers auf den Punkt: die Besucher mit der eigenen Begeisterung für die fränkische Heimat und ihre Artefakte ein wenig anzustecken. Der Schein der städtischen Kulturmedaille lässt dies fränkische Leuchtfeuer auf dem Marienberg nun noch ein wenig heller lodern.

InFo: s.kuebler-rabe@gmx.de, hoffmann@t-online.de

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Stein mit Verband Der Bildhauer Dierk Berthel über den Berufsverband Bildender Künstler Interview: Stefan Hetzel Oben: Dierk Berthels Schlitzfiguren. Metall und Stoff.

KulturGut: Wenn ein erfolgreicher Künstler sagt: „Der BBK ist doch nur ein Selbsthilfeverein für die weniger erfolgreichen Künstler.“ Wie würdest du reagieren? Dierk Berthel: Der BBK ist die größte berufsständische Organisation für bildende Künstler in ganz Europa. Es gibt Bezirks- und Landesverbände sowie den Bundesverband, das sind mehr als 10.000 Mitglieder. Wir suchen und finden Gehör bei Politikern, haben Geschäftsstellen in Berlin und Bonn. In Würzburg tretet ihr aber auch als Galerie auf. Gibt es da nicht Konflikte zwischen eurer Lobby-Tätigkeit und dieser Funktion als Marktteilnehmer? Nein, die BBK-Galerie im Kulturspeicher läuft ja nur so nebenbei mit. Das ist eine eigene Geschichte des BBK Unterfranken. Nicht jede BBK-Körperschaft hat ja eine eigene Galerie. In dieser Beziehung sind wir in Würzburg sehr gut aufgestellt. Wie finanziert ihr euch? Zu 60 Prozent durch die Mitgliedsbeiträge, Spenden und sonstige Einnahmen, der Rest sind Steuergelder vom Freistaat (17), vom Bezirk (14) und von der Stadt (neun Prozent). Die Galerieleiterin und der Geschäftsstellenleiter beziehen ein Gehalt, der Rest ist ehrenamtlich tätig. Was müsste ein künstlerisch wenig begabter, aber finanzkräftiger Hobby-Künstler tun, um in eurer Galerie auszustellen? Er müsste sich bewerben, es gibt keinen anderen Weg. Im Prinzip kann sich ja jeder bewerben, nicht nur studierte Künstler. Unser alle drei Jahre neu gewähltes ehrenamtliches Galeriegremium entscheidet dann, ob er bzw. sie reinkommt oder nicht. KulturGut 16 | Seite

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Wie viele Anträge auf Mitgliedschaft von unstudierten Künstlern habt ihr denn während deiner Vorstandschaft so abgelehnt? Absolute Zahlen kann ich nicht bieten, aber von sechs nicht-akademischen Bewerbern werden im Schnitt so ca. zwei aufgenommen. Pro Jahr machen wir zwei Aufnahmesitzungen, bei denen eine gewählte ehrenamtliche Mitglieder-Jury über die Verbandsaufnahme entscheidet. Wie hat sich die Akzeptanz zeitgenössischer Kunst in der Region in den vergangenen 20 Jahren verändert? Heute wird viel weniger gesammelt, vor allem Grafik. Willi Dürrnagel beispielsweise könnte mit seiner grafischen Sammlung noch ganz allein ein Museum bestücken. Und potenzielle Nachfolger von ihm? Junge Leute, die – im Kleinen – Kunst sammeln, sind mir dagegen kaum bekannt. Viele hängen sich offenbar lieber eine kostspielige Reproduktion aus dem Möbelhaus an die Wand als ein vergleichsweise günstiges Original. Welchen Einfluss hat das Wirken von Jürgen Lenssen, dem Kunstreferenten der Diözese Würzburg, auf den BBK Unterfranken? Durch Lenssens Engagement war der BBK Unterfranken zeitweise von der Vergabe von Kunstaufträgen für Sakralräume der katholischen Kirche ausgeschlossen, es verblieb lediglich die Möglichkeit, gelegentlich auszustellen. Das klingt, als hätte sich die Situation geändert. Unter dem neuen Dombaumeister Cesare Augusto Stefano scheint sich die Lage wieder zu verbessern. Es gibt jetzt wieder KulturGut 16 | Seite

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Wettbewerbe für Altarraumgestaltung, an denen sich auch unsere Mitglieder beteiligen können. Hat es sich auf deinen Erfolg als Künstler ausgewirkt, als du 1. Vorsitzender des BBK Unterfranken geworden bist? Es ist nicht ganz ohne Einfluss geblieben, weil ich einfach mehr mit Bauämtern und Leuten aus anderen Verbänden zu tun habe. Allerdings wird man doch mehr als Funktionär denn als Künstler wahrgenommen.

Was wäre zu tun, um diese bedauerliche Situation zu verbessern? Interessanterweise sind ja die letzten beiden Kunstwerke im öffentlichen Raum – Arbeiten von Herbert Mehler und Sonja Edle von Hoeßle – auf rein private Initiative hin entstanden. Würzburg schöpft da sein Potential – im Gegensatz zu Schweinfurt etwa, wo es viel weniger Kunst im öffentlichen Raum gibt – bei weitem nicht aus, da ist noch Luft nach oben, auch von Seiten der Stadt als Auftraggeber.

Ist das eine reine Wahrnehmungsfrage? Nein, tatsächlich hat man viel weniger Zeit für die künstlerische Produktion. Statt dieses Interview hier zu geben, könnte ich jetzt ja auch in meinem Atelier stehen, produktiv arbeiten und Geld verdienen. Um so mehr danken wir für dieses Interview. Rasch weiter: Was unterscheidet eigentlich den BBK von der VKU, der Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens? Die VKU ist keine bundesweit wirkende berufspolitische Organisation, sondern eine singuläre Würzburger Vereinigung, die gegründet wurde, um Künstler, Kunsthandwerker und Architekten zusammenzubringen. Da ging es ursprünglich vor allem um Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau. Und heute? Mittlerweile sind schätzungsweise 90 Prozent aller VKU-Mitglieder auch Mitglied im BBK Unterfranken. Im neoliberalen Jargon wird ja Kunst gerne als „Standortfaktor“ bezeichnet, der eine Region „attraktiver“ mache. Wie hat man sich das vorzustellen? Eure Galerie ist ja nicht gerade überlaufen. Eine Stadt wird – und das sage ich jetzt als Bildender Künstler, nicht als BBK-Funktionär – weniger durch Galerien attraktiver, als durch Kunst im öffentlichen Raum. Letztlich muss ja die Kunst zu den Leuten und nicht umgekehrt. Und, kommt sie in Würzburg nicht zu den Leuten? Münster mit seinen „Skulptur.Projekten“ könnte da durchaus als Vorbild dienen. Würzburg hat zwar auch sehr viel Bildende Kunst im öffentlichen Raum, doch wird diese von der Stadt sehr vernachlässigt.

INFo: Der Bildhauer Dierk Berthel ist 1. Vorsitzender des BBK Unterfranken. 1963 in Schweinfurt geboren, besuchte er nach einer Steinmetzlehre die Fachschule für Bildhauer in Aschaffenburg und schloss als Meisterschüler 1984 mit dem Diplom ab. Er lebt in Rannungen im Kreis Bad Kissingen. | www.bbk-unterfranken.de

Wo zum Beispiel? Ich denke da an Arbeiten, die im Zusammenhang mit der Landesgartenschau 1990 entstanden sind und die man heute hinter Gebüschen suchen muss. KulturGut 16 | Seite

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Werke verwalten Das Museum am Dom. Einblick hinter die Kulissen von Susanne Hoffmann / Foto: Benjamin Brückner

Seit seiner Eröffnung im Jahr 2003 werden im Museum am Dom Computerprogramme zur Dokumentation der Sammlung genutzt. Im Internet informiert ein Katalog über die Exponate der ständigen Ausstellung. Kurze Texte geben eine Einführung zu den einzelnen Darstellungen. „Dazu kommen noch repräsentative Stücke aus dem Depot, so dass jetzt im Netz mehr Kunst zu sehen ist als im Museum“, sagt Dr. Wolfgang Schneider, der die Sammlung betreut. Als stellvertretender Kunstreferent der Diözese ist er auch für den Domschatz und die Sicherung des Kulturguts in den Pfarreien zuständig. „In den ersten Jahren hatten wir einen Mitarbeiter mit einem Drei-Jahres-Vertrag, der uns ein spezielles Datenbankenprogramm gepflegt hat“, so Schneider: „Seitdem machen wir die Inventarisierung und die Bewertung der Kunstwerke hier im Haus, ebenso die Textverarbeitung. Ein EDV-Büro stellt die Objekte dann für uns ins Netz.“ Dabei wird der Web-Katalog ständig aktualisiert. Trotzdem will man sich nicht nur auf die digitale Technik verlassen, sondern arbeitet zusätzlich mit klassischen Mitteln: So wurden bisher noch Papierfotos in Schwarz-Weiß gemacht, weil die manchmal schneller zu handhaben sind. Vernetzungen mit anderen Museen sind nicht geplant: „Durch den Web-Katalog haben wir zwar vermehrt Anfragen zu Leihgaben von außerhalb, aber die halten sich bisher noch in überschaubaren Grenzen.“

Wie eine Ausstellung entsteht Das Museum am Dom zeigt jährlich stattliche drei bis vier Sonderausstellungen. „Die Themen müssen sich entwickeln, sie lassen sich zu Jubiläen oder zu bestimmten Ereignissen finden“, sagt Schneider über die Ideenfindung. Manchmal werden auch Künstler von sich aus vorstellig, deren Werke das Museum dann bringt. Dabei habe man durchaus ein offenes Ohr für neue junge Künstler. Auch Sonderwünsche werden berücksichtigt und unterstützt, wie bei Winfred Muthesius, der für seine Ausstellung im November eins seiner Bilder am Schlossberg fotografieren will. Die Organisation der Ausstellung wird ein Jahr im Voraus besprochen, denn schließlich muss das nötige Geld rechtzeitig bereitgeKulturGut 16 | Seite

Der promovierte Kunsthistoriker Wolfgang Schneider ist einer der Ausstellungs­ macher in den Kunstsammlungen der Diözese.

stellt werden. „Dafür haben wir die Stiftung Kunstsammlung der Diözese und die Freunde des Museums am Dom e.V., die uns bei Ankäufen finanziell unterstützen. Wie andere Museen schreiben wir den Kulturfonds Bayern, den Bezirk Unterfranken und weitere Geldgeber in Sachen Kultur an“, erläutert Schneider. Vier feste Mitarbeiter des Kunstreferats kommen in Frage, um eine Ausstellung als Kurator zu betreuen. Es übernimmt, „wer gerade genug Zeit dafür hat“ und vor allem, wer sich mit dem Thema bereits eingehend beschäftigt hat. Eine frühe Tätigkeit ist die Korrespondenz mit potenziellen Leihgebern über die Leihdauer, die Versicherungssumme und andere Details des Anliegens. Autoren für den Ausstellungskatalog werden nicht selten vom Künstler persönlich vorgeschlagen. Und auch der Künstler greift zuweilen gestaltend ein, wie kürzlich Jacques Gassmann, der die Hängung seiner Bilder selber konzipierte. Der Aufbau dauert je nach Art der Exponate, erläutert Schneider: „Wenn großformatige Bilder fertig gerahmt zu uns kommen, braucht es drei bis fünf Tage. Wenn für viele kleine Objekte passgenaue Vitrinen hergestellt werden müssen, rechnen wir immer mit zwei bis drei Monaten.“

lInK: | www.museum-am-dom.de

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Denkt eine Idee groß! Der Satz fasst zusammen, was man bei den Semester­ präsentationen an der FHWS sieht und auf vielen laien­ haften Plakaten in der Stadt vermisst. Unten zwei Ausstellungen eines Veranstalters – Plakate der international renommierten Designerin Gertrud Nolte, die an der FHWS lehrt.

Reduktion aufs Unwesentliche Anschlagskultur mangelhaft: Würzburger Plakate verzerren das Image vieler künstlerischer Leistungen von Joachim Fildhaut und Iris Wrede

Würzburger Plakate sind schlecht. Der Satz klingt pauschal, weckt aber Aufmerksamkeit, und das ist mehr, als die meisten hiesigen Konzert- und Theateranschläge leisten. Ihr Gros ist mit Text überfrachtet, die wenigen wichtigen Wörter sind obendrein für die Wahrnehmung unökonomisch verteilt. Die Bilder visualisieren Nebenaspekte. Meist fehlt jedes Konzept. Die Plakate machen nicht so neugierig, dass sie den Betrachter auf kluge Weise einbezögen und ihm eine Idee der Veranstaltung vermittelten. Passanten müssen von sich aus viel Interesse mitbringen, um an die Farbflächen in DIN-A2 oder größer heranzutreten und Informationen von ihnen herabzuklauben. Sind die aufwändigen Farbdrucke dann überhaupt noch nötig? KulturGut 16 | Seite

Museum Franz Gertsch, Burgdorf, Schweiz; Jahr: 2002 (Neueröffnung), 2004 (Lucio Fontana); Format: 124 x 128,5 cm (F4­Format); Siebdruck.

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Das große Imageproblem Die Kulturanbieter sind mehrheitlich Wiederholungstäter. Ihre Ausstellungen, Musik- und Bühnenabende zeigen seit Jahren: Jeder von ihnen hat einen individuellen Stil, ein Image, eine Programmauswahl, die nicht dem Grundsatz „möglichst viel für Viele“ folgt. Oft sind sie gut in dem, was sie tun. Das weckt einen weiteren Wunsch im unvoreingenommenen Stadtspaziergänger: Wie wäre es, wenn jeder Veranstalter ein persönliches „Gesicht“ auf den Plakaten zeigte? Jedes Haus sein wiedererkennbares Konzept? Das wäre arg schön. Und es wäre wahr. Denn die herrschende Krautundrübenästhetik der Plakate spiegelt ein viel zu niedriges Niveau der Kulturstadt Würzburg vor. Ihre Gestalter, ob Laien, ob Profis, lassen sich gar nicht auf die Fakten ein, um sie dann grafisch und typografisch zu fokussieren.

Hängt sie höher! Würzburgs Kulturmacher entwickeln über ihre eigenen Leistungen kein Selbstbewusstsein, das sie visuell kommunizieren könnten. Sie nehmen keinen Abstand zum eigenen Tun ein, um dies einmal als Ganzes in den Griff zu bekommen und dann in einem großen Bild mitzuteilen. Der Begriff des Ganzen erscheint in der Würzburger Plakatmacherei lediglich als eine Vorstellung von Allem und Jedem, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt: Wenn wir schon keine Gage zahlen können, dann soll wenigstens der Name von jedem Mitwirkenden in allen Straßen lesbar sein. Hängt sie höher, die Sponsoren! Und wenn wir uns die blauen Ständer schon mit drei andern Häusern teilen müssen und der Passant sowieso ganz nah an unsern Zettel rangehen muss, dann kommt unser restliches Programm gleich mit aufs Papier!

Engagierte Mitstreiter Wie wäre es aber, wenn sich Theatermuseumskonzertagenturen Studenten von der Hochschule für Angewandtes, von der FHWS holten? Die müssten das doch können! – Können sie nicht, lernen sie erst, manche jedenfalls. Allerdings kann die FH nicht in jedem Semester ein Seminar „Plakate für lokale Kulturveranstalter“ anbieten. Selbst wenn sie könnte, bekämen die Veranstalter semesterweise wechselnde Studierende, die die Kunden nicht jahrelang betreuen können, so wie es wünschenswert wäre. Bleibt eins: Hilfe von Profis. Die muss nicht so teuer sein, wie zögerliche Auftraggeber denken. Einige gute Fachleute haben, hört man, durchaus ein Interesse daran, nicht mit zugekniffenen Augen an Bauzäunen entlang schleichen zu müssen. Die würden in ihrem Metier gern engagierte Kulturarbeit leisten. Gebrauchen könnten’s alle. Kenner der Materie denken, dass auch das geehrte Publikum schnell eine neue Kultur des Sehens entwickeln kann. Während die Mehrheit jetzt einfach mehr oder weniger gleichgültig über die Aushänge hinwegsieht, würde schon die erste Handvoll gut gestalteter Plakate Bewusstsein für Qualität schaffen und einen neuen Dialog mit den Kulturmachern starten. KulturGut 16 | Seite

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Ware des Vertrauens Galeristen, Künstler und Kunden im Spannungsdreieck von Susanne Hoffmann / Foto: Benjamin Brückner

Seit über 30 Jahren ist seine Galerie eine international renommierte Adresse für moderne und zeitgenössische Kunst, für Malerei, Grafik und Skulptur vom Impressionismus und Expressionismus und der Bauhaus-Zeit bis zur Gegenwart. „Man muss sich die Vielfalt in der Kunst offen halten“, sagt Rüdiger Sundermann, der privat schon früh expressionistische Kunst sammelte: „Momentan ist Halbabstraktes angesagt. Natürlich hat jede Zeit ihre Vorlieben, doch sollte man als Galerist sogenannte Modeströmungen nicht mitmachen.“ Seine Verbindungen zu Künstlern, Sammlern und Kunstinstitutionen konzentrieren sich auf Europa, die USA und die Emirate. Manchmal werden ihm Werke aus Nachlässen angeboten, bevor die Erben sie an ein Auktionshaus oder Museum geben. Auf Auktionen bietet er nicht mit: „Die Spitzenstücke dort können sich nur die amerikanischen Museen und die schwerreichen Privatsammler leisten. Für uns sind die Preise nicht mehr bezahlbar.“ Dennoch lässt er Kollegen auf der ganzen Welt schon mal nach bestimmten Werken für seine Kunden suchen. 80 Prozent sind private Stammkunden, die sich sehr gut in der internationalen Kunstszene auskennen und genaue Vorstellungen mitbringen von dem, was sie haben möchten. Die meisten sind passionierte Sammler, aber für einen kleinen Teil bedeutet Kunst in erster Linie eine sichere Geldanlage. Ab 1000 Euro für eine Grafik bis zu eine Million Euro für ein Gemälde müssen sie anlegen. „Ob es um Picasso oder den hier kürzlich ausgestellten Lehm pfuhl geht – wenn der Künstler einmal bei den Sammlern etabliert ist, entwickeln sich die Preise ständig nach oben“, erläutert Sundermann. Und: „Dabei gibt der Künstler die Preise vor.“ KulturGut 16 | Seite

Ruhm in der Fremde Auf Wunsch steht der Galerist den Käufern beratend zur Seite, aber eine gezielte Ausstattung von Privat- oder Büroräumen mit Kunst, wie sie manche seiner Kollegen im Programm haben, weist er von sich: „Das ist Aufgabe der Möbelhäuser. Für uns ist Kunst keine Dekorationsware“. Verkäufe über das Internet sind ebenfalls tabu. Beim Handel wird das Kunstwerk immer im Original besichtigt. Für zahlreiche Museen im In- und Ausland stellt die Galerie Kunstwerke aus dem eigenen Fundus als Leihgaben zur Verfügung, erstmals 1983 für die Bundesbank in Frankfurt, in Würzburg richtete er zuletzt die Ausstellung Hermann Heintschel im Forum der VR-Bank aus. Galerist zu sein bedeutet für Sundermann, der in Frankfurt einige Semester Kunstgeschichte und an der Staedelschule Bildende Kunst studierte, ein Mittler zu sein zwischen Künstler und Sammler: „Beide begleitet der Galerist über Jahre hinweg. Das geht nur, wenn Vertrauen zwischen allen Beteiligten besteht.“ Besonders zwischen Künstler und Galerist, da beide nicht vertraglich aneinander gebunden sind. Die Galerie in der Peterstraße vertritt inzwischen eine Reihe bedeutender Namen: „Es dauert lange Jahre, bis sich ein Künstler etabliert hat, das geht nicht von heute auf morgen.“ Vor allem sollte sich jeder Künstler über die Region hinaus orientieren. Vertritt Sundermann deswegen keine Würzburger Künstler? Nun, das eine oder andere gute Werk eines einheimischen würde er schon nehmen: „Aber den Würzburger Künstlern stehen genügend Foren zur Verfügung. Dazu braucht es keine weitere Galerie.“ Dennoch wurmt es ihn, dass

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Rüdiger Sundermann: „Neben arabischen oder russischen Milliardären haben wir viele Sammler aus den USA, aber auch einen festen Kreis in Würzburg.“

in der Stadt zu wenig passiert. In Schweinfurt seien „Kunst und Kultur wesentlich präsenter und lebendiger als hier“, wo heuer z. B. eine lange Nacht der Museen mangels Beteiligung freistaatlicher Kandidaten kurzfristig abgesagt wurde: „Wir hatten schon ein Programm erstellt und viele unserer Sammler im In- und Ausland eingeladen. Früher hatten wir bei einer solchen Aktion an einem Abend 500 bis 600 Besucher. In Zukunft werde ich mich daran nicht mehr beteiligen.“ Mit seinen Besuchern unterhält sich Rüdiger Sundermann gerne über Kunst, egal ob Hausfrau, Professor oder Sammler. Ausreichend Zeit sollten die Gäste allerdings mitbringen.

INFo: Sundermann Fine Art, Peterstrasse 10, Di. bis Fr. 11-18 Uhr, Sa. 11-15 Uhr. | www.sundermann-kunst.de

www.gut-fuer-mainfranken.de

Wann ist ein Geldinstitut gut für Mainfranken? Wenn sein Erfolg ein Gewinn für alle ist. Die Sparkasse Mainfranken Würzburg ist dem Gemeinwohl der Region und den dort lebenden Menschen verpflichtet. Ihr Geschäftserfolg kommt allen Bürgerinnen und Bürgern zugute. So fördert sie jährlich über 1000 kulturelle, sportliche, soziale, wissenschaftliche und Umwelt-Projekte in der Region. Das ist gut für die Menschen und gut für Mainfranken. www.gut-fuer-mainfranken.de


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Kunst und/ oder Geld Fragen auf dem Bürgerbräu-Gelände, Versuch einer Bestandsaufnahme von Daniel Staffen-Quandt / Foto: Benjamin Brückner

Es ist eins der ambitioniertesten Projekte der vergangenen Jahre in der Stadt. Architekt Roland Breunig will aus dem seit Jahren vor sich hin rottenden Bürgerbräu-Areal ein Kulturquartier machen, mit Ateliers, Cafés, Restaurants, Kino und so weiter. Der Umbau kostet Millionen – und die müssen irgendwie auch wieder reinkommen. Trotzdem wird der gebürtige Würzburger nicht müde, den soziokulturellen Anspruch des Projekts zu betonen. Architekt Breunig selbst ist schwer beschäftigt. Einen Gesprächstermin mit ihm zu finden ist über mehrere Wochen hinweg schwierig. Als dann einer feststeht, kommt er einfach nicht. Sein Fehler, sagt er. Zu viel zu tun. Wer auf dem Bügerbräu-Gelände unterwegs ist, hat dafür Verständnis. Ein Gewirr aus Absperrgittern, dröhnende Baumaschinen, Dutzende Arbeiter. Überall staubt, bröckelt, brummt und wummert es. Und außerdem ist das Bürgerbräu nicht Breunigs einzige Baustelle.

Kunst schafft Umfeld, das hat seinen Preis 2012 hat Breunig das Areal gekauft. Vor allem Gewerbeflächen entstehen dort, damit lässt sich in der Regel gut Geld verdienen. Dafür sollten die Preise für die Ateliers im neuen Zellerauer Kulturquartier sozialverträglich sein. Im Prinzip soll das Bürgerbräu eine Mischung aus Kultur und Kommerz werden. Es muss diejenigen geben, die Geld haben und dafür bezahlen, dass um sie herum Kunstschaffende arbeiten, die nicht so betucht sind. Sonst funktioniert solch ein Projekt in privater Hand nicht. Auf dem Gelände gibt es bereits Mieter – diejenigen, die nicht in Breunigs Bürgerbräu-Gebäuden untergebracht sind, sondern in denen, die (noch?) der Stadt gehören. Das Theater Ensemble zum Beispiel – und eben auch einige Ateliers. Die Künstlerin Brigitte Miers zum Beispiel ist seit mehr als 14 Jahren in der Frankfurter Straße 87 künstlerisch tätig, nicht nur in Würzburg, sondern auch darüber hinaus hat sie sich einen Namen mit ihrer Mischung aus Bildender und Performance-Kunst gemacht. „Ich fand es immer toll hier“, sagt sie. Bei lauter Musik malen? „Hat nie jemanden gestört.“ Platz für größere Kunstprojekte, auch mit Schulklassen? „Kein Problem hier draußen.“ Zudem seien die Räume vergleichsweise günstig. Eine „tolle Mischung“ sei das gewesen, als es das Autonome Kulturzentrum noch geKulturGut 16 | Seite

Froh über das neue Konzept und ihr altes Atelier: Brigitte Miers.

geben habe. Nach dessen Aus sei es „ziemlich ruhig geworden“, insofern sei der Bautrubel und der Lärm nicht störend, sondern eher belebend, ja fast inspirierend gewesen.

Genialität und Anfangseuphorie Breunigs Konzept für das industriearchitektonische Kleinod Bürgerbräu fand Miers von Anfang an gut. Seine Idee, Künstler mit ins Boot zu holen, die Potenziale des Areals nicht nur wie ein schnöder Investor möglichst gewinnbringend auszuschlachten. „Roland Breunig ist ein genialer Architekt“, sagt sie. Seine Pläne,

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beispielsweise die Mauer an der Frankfurter Straße teilweise zu durchbrechen und den Graben dahinter zu den großen Gewölbekellern freizulegen, „sind aus meiner Sicht großartig“.

Schöner kommerzieller Schein? Doch die anfängliche Euphorie auf dem Gelände im hintersten Zipfel Würzburgs ist etwas verflogen. Die neu geplanten Ateliers seien für normale Bildende Künstler zu groß und die Mieten damit viel zu hoch, auch die kolportierten Pläne für die eher edle Gastronomie mit Preisen von 50 Euro und mehr pro Person seien KulturGut 16 | Seite

für das Quartier eher schädlich, sagt jemand, der auch auf dem Areal arbeitet. „Es wurde auch schon Leuten gekündigt“, um zu sanieren und später wieder teurer zu vermieten. Ist das ganze Konzept also nur schöner Schein und es geht um den bloßen Kommerz? Fragen, die man Architekt und Bauherr Breunig gerne stellen würde. Das Bürgerbräu soll – wenn der Zeller Bock dann wieder freigegeben ist – zum „schönsten Eingang Würzburgs“ werden, hatte Breunig einmal gesagt. Die Voraussetzungen dafür sind gut, alleine schon das alte Brauhaus-Gemäuer bürgt dafür. Nun müssen alle Beteiligten dafür sorgen, dass das Vorzeigeprojekt nicht zur hässlichen Fratze wird.

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 weitere Informationen: www.kulturgutwuerzburg.de

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Kunst |

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Der Kreuzzug des Hans K.

Fine A.R.T.S.

11. Oktober bis 2. November, BBK

17. bis 19. Oktober, Kulturspeicher

In Gemälden und einer Installation konstruiert der Giebelstädter die – „fiktive“? – Werkphase eines Mannes, der einer so genannten Gesellschaft vom Kreuz entkommen ist. Mit Furor,stellt sich der Aussteiger seiner Vergangenheit. Gelegentliche Schriftzeichen auf den Leinwänden helfen zum Glück nicht viel weiter. Denn wer will schon Wörter, wenn er Farben haben kann? Vernissage am Freitag, 10. Oktober, 19 Uhr. | www.krakau-art.de ++++++++++++++++++++++++

Die Kunst- und Antiquitätenmesse erstreckt sich über vier Räume der Städtischen Sammlung. 38 Aussteller, Kreative und Kunsthändler profilieren sich mit Fotografie, Malerei und Plastik, Gold- und Silberschmiedearbeiten, Antiquitäten und Ambiente, Uhren, Unikatbekleidung und Accessoires aus sechshundert Jahren. Stilvolle Kinderbespaßung macht das Kitzinger Papiertheater mit dem Stück „Hänsel und Gretel“ nach der Oper von Humperdinck. Am Samstag-abend werden Whiskies verkostet. | www.fine-arts-wuerzburg.de

Rechte über linke Ecke stülpen

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12. Oktober bis 12. November, Arte Noah Das Schiff des Kunstvereins liegt wieder an seiner alten Stelle am Willy-Brandt-Kai, solange die Kaimauer hinterm Kulturspeicher saniert werden muss. In zentraler Lage beschließt der Verein sein 25. Jahr, das thematisch beinahe durchgehend von Raum-Manipulationen durchzogen wurde. Die Ausstellung mit Werken von Anna Ingerfurth macht das schon im Titel klar. Geknickt, gefaltet und ineinandergeschoben sehen die Architektur- und Fußbodenstücke ihrer Gemälde aus, auf denen menschliche Figuren ein bisschen wie zum Hohn stehen – als wäre hier mit Vergleichsgrößen noch etwas zu klären. Oder umgekehrt: „Räumliche Ordnung für ungenaue Handlungen“, so beschreibt die 45-jährige Stuttgarterin eine andere Gruppe von Bildfindungen. Die realisiert sie meist in kleinen Formaten, die für die niedrige Decke des Kunstschiffs Arte Noah denn auch wie prädestiniert erscheinen. | www.kunstverein-wuerzburg.de

Kopf und Segel – Bindungen bis 18. Oktober, Martin-von-Wagner-Museum

Wendige Schiffe, vom Wind über den Balaton getrieben, Formationen geblähter Stoffbahnen, die sich ständig wandeln – solche Eindrücke hat der Künstler Ákos Matzon in Gemälde und Reliefs (Foto) umgesetzt. Die Graphische Sammlung des Martin-von-Wagner-Museums der Uni Würzburg trägt nun mit der Ausstellung von 25 seiner Arbeiten zu den Ungarischen Kulturtagen bei, die die Stiftung CulturElle und das Balassi-Institut (beide Budapest) organisieren. Der 69-jährige Architekt Matzon malt seit den 1980er Jahren in der konstruktivistischen Formsprache mit starker ungarischer Tradition (Lajos Kassák, László Moholy Nagy, Tamás Konok). 2010 erhielt er den Mihály-Munkácsy-Preis, den bedeutendsten Preis für bildende Kunst in Ungarn. | www.museen.uni-wuerzburg.de KulturGut 16 | Seite

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Der Himmel auf Erden 26. Oktober, 11 Uhr, Martin-von-Wagner-Museum

Die junge Kunsthistorikerin Elza Fridberga macht sich in der Gemäldegalerie der Uni auf die Suche nach Engeln. Welche Rolle dieses beliebte Motiv auf den Holztafeln und Leinwänden seit dem Mittelalter übernehmen konnte, das ist fast so erstaunlich wie ihr mannigfaches Wirken zwischen Himmel und Erde. | www.museen.uni-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Curd Lessig

ab 2. November, verschiedene Orte An seinem 90. Geburtstag, am 22. November, beginnt eine kleine Sonderschau in Raum 5 der Städtischen Sammlung im Kulturspeicher, die ganz auf eigene Bestände zugreift (bis 16. Januar). 1951 kehrte Lessig von der Münchner Akademie nach Würzburg zurück und schuf in der Domstadt und in der Region zahlreiche Kirchenfenster und Wandgemälde, etwa die Mädchen an der Hofstraßenfassade des Mozart-Gymnasiums. In kleineren Formaten wurden seine Zeichnungen und Grafiken mit ihrer unverhohlenen Bewunderung für den gemäßigten Stil eines Picasso bei den Mainfranken zunehmend beliebt. Vom 2. bis 23. November räumt das Spitäle dem Jubilar die Halle ein, vom 6. bis 30. November hängen Zeichnungen von ihm in der BBK-Galerie. | www.spitaele.de | www.bbk-unterfranken.de | www.kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++


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 weitere Informationen: www.kulturgutwuerzburg.de

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Kunst |

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ZeitBrüche

ab 4. November, Museum am Dom Der Berliner Künstler Winfried Muthesius hat dem Museum am Dom eine Reihe von großformatigen Arbeiten mit dem Titel „Schädel“ überlassen, die das Zentrum der Ausstellung bilden. Sie sind typisch für seine energiegeladene und expressive Malweise. Eine seiner Techniken: Er fotografiert Gemälde in der Landschaft, übermalt die Fotografien, und das mehrfach hintereinander; das letzte Werk einer solchen Reihe ist schließlich das Original. Eins der Resultate dieses Prozesses zeigt in der Ausstellung auch Würzburg. Am 16. November lädt Museumsgründer Jürgen Lenssen um 10.30 Uhr zu einer Bildbetrachtung ein. | www.museum-am-dom.de ++++++++++++++++++++++++

Weiß

8. November bis 22. Februar, Museum im Kulturspeicher „Aspekte einer Farbe in Moderne und Gegenwart“ lautet der Untertitel der Schau, die 15 weiße Bilder und Objekte der Sammlung Ruppert um Leihgaben ergänzt. Schwerpunkt bilden Werke der Künstlergruppe „ZERO“, 1957 in Düsseldorf gegründet und bekannt durch Günther Ueckers nagelbesetzte Reliefs. Exponate von Andreas Christen, Ad Dekkers, Leo Erb, Norbert Kricke, Jan Schoonhoven und herman de vries gehören mit zu diesem Grundstock, bei dem Weiß nicht mehr als Bilduntergrund oder zum Betonen des Lichts auf einem Gemälde dient, sondern autonom für sich selbst steht. Das

Termine |

kann auf vielfache Weise geschehen, und reich sind schließlich auch die Nuancen von Weiß. Das wussten Maler natürlich schon um 1900 – mehrere Landschaften zeigen, wie sie Weiß als dominierende Farbe verwendeten. | www.kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++

Fabelhafte Wesen

26. November bis 1. März, Mainfränkisches Museum Die Kleinplastik von Barbara Lenz gehört einem ähnlichen Fantastischen Realismus an wie die Gemälde ihres Vaters Wolfgang Lenz, nur steht – außer dem Dreidimensionalen ihrer Werke – das heiter Spielerische weit mehr im Vordergrund. Federn, Blätter, Disteln, Muscheln, Perlen setzt die Feinmechanikerin und Architektin akribisch zu Tierwesen in Menschengestalt zusammen, die meist auch einen menschlicher Charakterzug zeigen. Dass manche Lenz-Wesen mechanische Kunstwerke sind, lässt noch einmal an die Welten ihres Vaters denken – nur dass dort, umgekehrt, oft Starre herrscht. Die Schau steht zu dieser Zeit sehr recht an diesem Ort, den sonst dezidierte Weihnachtsausstellungen zieren. Denn welchem Kind gehen vor diesen Wesen nicht die Augen über? | www.mainfraenkisches-museum.de | www.lenz-barbara.de

bringen gefüllte Skizzenbücher oder lange Fotostrecken mit nach Hause, die dann im Atelier zu Kunstobjekten werden. Die Eindrücke neuer Landschaften, fremder Kulturen und Kunstströmungen sind Inspiration für ihr Schaffen und werden in eine ganz persönliche Bildsprache transformiert. So geschehen auch bei D‘oro-thea Emma Göbel (Schweinfurt), Nikolai Lagoida (Ochsenfurt), Elvira Lantenhammer (Schloss Homburg), Andi Schmitt (Foto, Randersacker) und Burkhard Schürmann (Hettstadt). Ihr weit gefasstes Thema schließt geistig-seelische Reisen ein und reicht vom klassischen Landschafts- und Städtebild über abstrahierte bis zu konstruktiven Arbeiten. Jeder der fünf Künstler vertritt eine eigene Position und hat eine ganz individuelle Sicht der Welt. Deshalb bringen uns ihre Werke nicht nur ferne Länder oder Kostbarkeiten am Wegesrand nahe, sondern verraten auch viel über ihre Schöpfer. Kuratiert hat die Ausstellung die Kunsthistorikerin Liane Thau, die am Eröffnungsabend um 18.30 Uhr eine Einführung gibt. Bis Ende Januar im Weiterbildungszentrum. | www.wuerzburg.ihk.de ++++++++++++++++++++++++

VKU-Winterausstellung

29. November bis 28. Dezember, Spitäle

ab 26. November, IHK

Die kleine Kirche an der Alten Mainbrücke wird wieder für vier Wochen zur Wundertüte, in der der Kunstfreund vielleicht doch einmal zur Überzeugung kommt, dass ein Original zu besitzen schöner ist als der perfekteste Offsetdruck aus den Museumsshops von Madrid oder London. | www.spitaele.de

Künstler reisen seit Alters her. Die Kunst fremder Länder veranlasst individuell Innovationen. Sie

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Künstler auf Reisen

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Neue, alte Neue Allerhand NachfolgerInnen an den Privattheatern von Manfred Kunz / Fotos: Joachim Fildhaut

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Drei herausragende Theatermacher hat die Würzburger Theaterlandschaft in den beiden vergangenen Jahren an Gevatter Tod verloren. Wie geht es nach dem Tod von Wolfgang Schulz (gestorben am 9. Dezember 2012), Veit Relin (23. Januar 2013) und Bernd Kreußer (7. März 2014) in der Werkstattbühne, am Sommerhäuser Torturmtheater und im Plastischen Theater Hobbit weiter? Und wie regelt Norbert Bertheau vom Würzburger Theater Ensemble seine Nachfolge? Über das neue Team der neuen Theaterwerkstatt berichtete KulturGut 1313 ausführlich; bei den tatsächlichen oder potenziellen Nachfolgern der anderen Bühnen fragten wir in der Sommerpause nach. „Ich bin und bleibe weiterhin für das Theater Ensemble voll verantwortlich”, weist Norbert Bertheau im Gespräch die Gerüchte über seine Amtsmüdigkeit entschieden zurück. Allerdings bindet er den inzwischen auch fest in Würzburg ansässigen, langjährigen Hausregisseur Andreas Büettner, der in diesem Sommer eine sehenswerte „Romeo und Julia”-Inszenierung in den Efeuhof gezaubert hat, ab der neuen Spielzeit stärker in die Verantwortung ein. Neben der künstlerischen Arbeit mit eigenen Inszenierungen und bei der Konzeption des Spielplans wird Büettner den Ensemble-Gründer und Prinzipal zukünftig noch stärker organisatorisch unterstützen. Gleichberechtigt zum Leitungsteam zählen zudem die Regisseurin Karolin Benker und Pressesprecher Markus Rakowsky, die die öffentliche Präsenz deutlich verbessern wollen. In die neue Spielzeit startet das Theater Ensemble im Oktober mit der Wiederaufnahme von Oscar Wildes „Salomé” und einer überarbeiteten Version des erfolgreichen BukowskiProgramms. Als erste Neuproduktion ist unter dem Titel „Lolita strikes back” eine von Karolin Benker zusammengestellte und inszenierte Collage geplant, die laut Benker fragt: „Was bleibt übrig vom Kampf der Frauen um Gleichberechtigung und welche Widersprüche offenbart er zu Beginn des 21. Jahrhunderts?” Wesentliches zur Aufbruchsstimmung der Off-Bühne in der Frankfurter Straße trägt die Entrümpelung und Wiederbelebung der „Studiobühne” als Spielort für kleine und experimentelle Produk-


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Über die Nachfolge an der Werkstattbühne berichteten wir bereits. Daher können die Männer aus der Rüdigerstraße diesmal das Intendantenkarussell halten.

tionen bei; eröffnet wird sie am 25. November mit dem Monolog „Die Nacht der Ölbäume” von Eric-Emmanuel Schmitt.

Ohne Veit und Lörchen Hoch zufrieden mit der ersten Spielzeit unter ihrer Leitung zeigt sich Torturmtheater-Chefin Angelika Relin, die mit ihrem Spielplan und der Stückauswahl bruchlos an die bewährte Konzeption ihres verstorbenen Ehemanns und künstlerischen Partners Veit Relin anknüpft: Uraufführungen und Deutschsprachige Erstaufführungen sind und bleiben weiterhin das Alleinstellungsmerkmal der Mini-Bühne über dem Würzburger Tor der Winzergemeinde Sommerhausen. Nach dem von Publikum und Presse gefeierten „Tür auf, Tür zu” von Ingrid Lausund, dem ShootingStar der bundesdeutschen Theaterautorinnen, steht ab 16. Oktober als Uraufführung der Psychothriller „Ein Deal à la Hitchcock” von Bernd Storz im Spielplan, der die Frage nach dem perfekten Mord verhandelt. Beide Stücke stehen paradigmatisch für die inhaltliche Kontinuität in der Stückauswahl, nämlich neue Bühnentexte, „die sowohl tiefgründig und hintersinnig sind, aber möglichst auch humorvoll daherkommen, die uns heute auf welcher Ebene auch immer, ob auf gesellschaftlicher, sozialer, globaler oder auch ganz persönlicher, intimer Ebene etwas angehen, die berühren können, die Menschen ansprechen und auffordern zu hinterfragen”, fasst Angelika Relin die schon gemeinsam mit ihrem Mann praktizierte Ausrichtung zusammen. Trotz der jahreKulturGut 16 | Seite

langen engen Zusammenarbeit mit Veit Relin fühlt sie sich auch am Ende des zweiten Jahres wie „hineingeschleudert in einen anderen Kosmos, in dem ich mich erst noch zurechtfinden muss”. Aber dank des treuen Publikums, das in den Monaten der Trauer Trost und Zuspruch spendete, befindet sich das Torturmtheater auf einem soliden Weg in die Zukunft. Verstärkt getragen wird er von einem wachsenden Anteil junger Theaterbesucher, der seine Entsprechung auch auf der anderen Seite, an Theaterkasse und Theatertelefon findet, wo bereits im vergangenen Jahr das sich nach über 30 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedende „Lörchen” durch die wunderbar dynamische Frau Albrecht ersetzt wurde, die sich „mit frischem Wind und neuen Akzenten sofort das Publikum erobert hat”. Über die Stücke der weiterhin im April beginnenden neuen Spielzeit wird erst im Dezember endgültig entschieden. „Bis dahin bin ich noch für alle brandneuen, aufregenden Stücke offen”, zeigt sich Angelika Relin gleichermaßen neugierig wie flexibel, was den kommenden Spielplan angeht.

Die Abhilfe kommt gern aus dem Ausland Vergleichbar ist die Situation für Jutta Schmitt vom Plastischen Theater Hobbit in Würzburg. Sie hat mit Bernd Kreußer ebenfalls ihren Mann und langjährigen künstlerischen Partner verloren

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und führt das Theater in der Münzstraße ab der neuen Spielzeit als Würzburgs erste weibliche Prinzipalin alleinverantwortlich. Bereits seit letztem Dezember ist Corina Roeder als Mitspielerin und Assistentin dabei, vervollständigt wird das Kernteam durch den jüngst hinzugestoßenen Musiker Udo Mader. Deutlich gravierender als in Sommerhausen sind die künstlerischen Folgen, da durch Bernd Kreußers Tod dem Theater nicht nur eine große Theaterpersönlichkeit, sondern auch ein begnadeter Puppenspieler und das spielerische „Herzstück” verloren gegangen ist und nahezu „das gesamte Repertoire eingebrochen ist”, wie es Jutta Schmitt drastisch formuliert. So kann das Hobbit-Theater für die neue Spielzeit nur auf drei Produktionen – „Blaubart”, „Dr. Dolittle in Indien”, „Weihnachtsmarktmärchen” – zurückgreifen, wozu seit 10. September die Neuproduktion „Einer der auszog das Fürchten zu lernen” nach dem Märchen der Gebrüder Grimm kommt. Für die ganz Kleinen kommt ab dem 18. Oktober als zweite Premiere im Herbst „Das Kugel-Intermezzo” hinzu. Zur Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen Spielbetriebs wird das Theater so zunächst verstärkt auf Gastspiele zurückgreifen,

bei dem die in Jahrzehnten gewachsenen internationalen Kontakte verstärkt zum Tragen kommen werden. Wobei, über die eigenen Gastspielreisen hinaus, Weltoffenheit und Austausch ohnehin zum Profil des Plastischen Theaters Hobbit gehörten und in Zukunft noch intensiver gehören werden. Im Frühsommer 2015 wird die hinreißende Künstlerin und Puppenspielerin Marcelle Hudon aus Quebec zwischen Hamburg und Paris einen Zwischenstopp im Würzburger Hobbit Theater einlegen. Ob und welche Akzentverschiebungen sich darüber hinaus ergeben, lässt Jutta Schmitt noch offen: „Das Medium Figuren- und Puppentheater lässt viel Spielraum und bietet Platz für unterschiedliche Ansätze und Talente.” Zu denen zählen als konkrete erste Schritte der Neuauf- und -ausbau des Repertoires, die Akquise von internationalen Gastspielen und die Organisation von einerseits Masterclasses (für Puppenspieler) und anderseits von Workshops (für Kinder und Jugendliche) in Kooperation mit Würzburger Schulen. „Meine Berufserfahrung führt mich, so hoffe ich, auf einen zukunftsfähigen guten Weg”, blickt Jutta Schmitt selbstbewusst und zuversichtlich in die Zukunft.

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Bühne |

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Salomé

bis 19. Oktober, 20 Uhr, Theater Ensemble Zur Premiere erklärte ein Würzburger Rezensent den Sinn von Oscar Wildes Stück, den er einzig in der geschichtlichen Umbruchphase begründet sah, in der die Figuren handeln. Seit der Wiederaufnahme der Inszenierung kann das derart belehrte Publikum prüfen, ob ein Kunstwerk nicht vielleicht doch auch nach anderen Kriterien als denen eines historischen Handlungszeitpunkts Sinn macht. Wenn es das denn überhaupt soll. | www.theater-ensemble.net ++++++++++++++++++++++++

13. Würzburger Improtheaterfestival

23. bis 26. Oktober, verschiedene Orte Auf Zuruf, auf Los, nach festen internationalen Regeln oder in selbstgeschaffener Freiheit – Improtheater hat sich seit seiner Erfindung als Theatersport in den 1970ern gründlich entwickelt. Das Würzburger Festival stellt jedes Jahr ein paar neue Showformate vor und teilt mit dem Publikum den Spaß an der Freude. Die Aktiven kommen heuer aus Belgien, Spanien, den USA, Australien, Neuseeland und Deutschland – bei der EröffnungsGala im Bockshorn stellen sich die Workshopleiter vor. Dann folgen an vier Tagen zehn Shows auf sechs Kulturbühnen. Wer es gerne riskant und schnell mag, geht nach „Born 2 bet“ (Freitag im theater ensemble, 20.30 Uhr, auf Deutsch); dabei kommt es nicht nur auf Punkte für die einzelnen Mannschaften an, Publikum und Spieler schließen

Termine |

obendrein Wetten über den Ausgang des Matchs ab. „Close to you...“ hingegen ist eine eher besinnliche Show über Liebe, Lust und Leid (Samstag im Mainfranken Theater, 20.30 Uhr, auf Englisch). Richtig schön schauderhaft wird es bei den „Herzschmerz Twins“, die das Publikum auf ihrem Jahrmarkt voll grauenhafter Kostbarkeiten in ihre Fänge locken (Freitag, 23 Uhr, Cairo, englisch). Für den Nachwuchs wird auch was getan – mit einer märchenhaften Kindershow (Freitag, 11.30 Uhr, Cairo). | www.improtheaterfestival.de

Frausii

30. und 31. Oktober, 20 Uhr, Plastisches Theater Hobbit Barbara Duss ist Clownin Charlotte und somit eine Frau. Als Schweizerin hat sie ein schönes Wort für das Frausein – siehe Titel. Davon singt sie, davon tanzt sie und treibt allerhand Späße, die nicht nur die weibliche Menschlichkeit betreffen. Barbara Duss ist hierzulande durch internationale und integrative Projekte bekannt. | www.theater-hobbit.de

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Schenk mir ein Lächeln

Dornröschen

24. Oktober, 20 Uhr, Kunsthaus Michel Die Werkstattgalerie in der Semmelstraße 42 lädt jeden Freitag um 18 Uhr zum ästhetischen Weinchen und/oder einer Schale Souperior-Suppe bzw. Crêpes. Gerd Michel betreibt einen Salon, und nach ein oder zwei zwanglosen Stunden gibt es meist Programm, Vernissage, Konzert, Lesung und in diesem Fall Kabarett und Chansons von und mit Birgit Süß. Sie hat ihre ausgebildete Stimme etwas stärker an der Piaf als am Hardrock ihrer Anfangsjahre geschult, aber hammermäßige Auftritte legt sie zwischen den Liedern hin, wenn es um Yoga mit der Regierung geht, um den Traummann aus dem Internet oder ein Wohlfühlwochenende im Dentallabor. Gut einen Monat später, am 28. November, steht am selben Platz übrigens KulturGut-Autorin Susanne Hoffmann und unternimmt einen Streifzug durch die Geschichte des Huts. | www.kunsthaus-michel.de

ab 31. Oktober, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Ballettleiterin Anna Vita führt ihr Ensemble am einzigen Dreispartenhaus zwischen Frankfurt und Nürnberg zu hoher Kunstfertigkeit, zu bewundernswerten körperlichen Hochleistungen. Und sie lädt Handlungen gern mit Bedeutung auf. Das betrifft hier die ganze Geschichte vom Fall in den Tiefschlaf, der als Symbol für Missbrauch erscheint. In jedem Fall hat die Titelheldin durchgehend eine Objekt- und Opferrolle inne und leidet, leidet, leidet. Das Ballett erzählt weniger die Handlung als deren durchgehende psychologische Deutung. Die muss man nun nicht in allen Einzelaussagen verstehen, man kann sie dank der tänzerischen Virtuosität der Beteiligten ebenso genießen wie die Musik Peter Tschaikowskys, die Generalmusikdirektor Enrico Calesso brillant und mit dem nötigen Schwermut dirigiert. | www.theaterwuerzburg.de

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Bühne |

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Kreislerismen

22. November, 20.15 Uhr, Bockshorn Überraschung: Die Herkunft des Satzes „Gemma Tauben vergiften im Park“ gehört nicht mehr zum selbstverständlichen Bildungswissen. Daran wird auch dieser Abend nicht viel ändern: Sandra Kreisler (Foto: Simone Hofmann), die Tochter des, ach: DES Chansonniers deutscher Zunge, tourt mit Liedern von Georg Kreisler und einigen Geistesverwandten. Erst will ihre Bühnenerscheinung mit den langen Dreadlocks nicht zu ihrer Mission passen, aber eben das tun Wesen und Mission dann Strophe für Strophe besser: zusammenpassen. Die Sängerin braucht nur Kopftuch und Kittel, um sich nachhaltig glaubhaft in die Parlamentsklofrau zu verwandeln. Musikalisch drängen die Kreislerismen naturgemäß nicht so energetisch über den Bühnenrand wie Sandra Kreislers Band Wortfront. Dafür haben die Wörter, ausgerechnet die, hier eine größere Dynamik. | www.bockshorn.de ++++++++++++++++++++++++

Matija Solce

28. und 29. November, Plastisches Theater Hobbit Der international ausgezeichnete Marionettenspieler, Puppenkünstler, Professor für eben diese Kunst und Musiker aus Slowenien kommt mit zwei Stücken im Gepäck. Zuerst (20 Uhr) enttabuisiert er den Tod mit seinem Stück für sich, Akkordeon und einige Knochen („Happy Bones“, ab 12 Jahre). Tags drauf erzählt er – mit wenigen Worten – „Little Night Tales“: In einer Schaffenskrise überlässt ein Schriftsteller seinen Figuren das Leben. | www.theater-hobbit.de

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Nachtgestalten

29. November bis 3. Januar, 20 Uhr, Theaterwerkstatt Mit wechselndem Geschick hält das Theater in der Rüdigerstraße eine Mischform von Revue und literarischem Brettl in Glanz und Leben. Da gab es Dada-Programme, deren eines diese Antikunst als ständig gegenwärtiges und notwendiges Genre exekutierte, deren nächstes die Provokateure von 1916ff. als Fall fürs Museum zeigte. Die Auswahl dieses Winters ist themengebunden. In den dunkelsten Wochen des Jahres ziehen Anne Hansen, Annette Patrzek, Christina von Golitschek, Sylvia Legner, Hansjörg Ewert und Thomas Lazarus (auch Regie) das Böse hinter bürgerlichen, ja weihnachtlichen Fassaden hervor. Aus üblen Schenken erst recht. Dämon ist kein Fremdwort für die Agenten auf der sonnenabgewandten Seite des Erdklumpens, von denen Heine, Poe, Morgenstern, Hollaender, Kreisler und viele mehr zu berichten wussten. Mit Musik – ein „schaurig-skurriles Panoptikum“. | www.theater-werkstatt.com ++++++++++++++++++++++++

Ruhe bewahren

6. Dezember, 20.15 Uhr, Bockshorn Ab 14. Oktober hat Luise Kinsehers (Foto: Anja Wechsler) neues Programm Erstaufführung – drei Wochen lang in der Lach&Schieß! Da sollten ihre Würzburger Fans rasch zugreifen, wenn sie Karten im Kulturspeicher bekommen wollen. Dort legt die Kinseher dann los und eine heilige To-Do-Liste vor. Punkt eins: Publikum unterhalten! Aber natürlich KulturGut 16 | Seite

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funkt dieser Konstellation bald etwas dazwischen: Mutter anrufen, neue Bühnenfigur entwickeln und ähnliches. Da heißt es aber- und abermals – siehe Titel! | www.bockshorn.de ++++++++++++++++++++++++

Die Reise

18. Januar, 50 Uhr, Matthias-Ehrenfried-Haus Korb- und Figurentheater-Prinzipal Alfred Büttner geht auf große Fahrt mit einer einzigartigen Drehbühne aus Weidengeflecht. Meist ist der Würzburger ja für Kinder unterwegs. Heute setzt er Lebensträume älterer Menschen in Szene. Seine Puppen haben Esprit, Charme, sind sensibel. Das hat die Geschichte auch nötig: Zwei Altenheimbewohner haben sich verliebt. Jetzt wollen sie in zwei Wochen einmal durch Europa. – Im Vorprogramm die Senioren-Steptänzer. | www.me-haus.de ++++++++++++++++++++++++

Carmen

ab 24. Januar, 19.30 Uhr, Mainfranken Theater Bizets Oper über Militär, Sport und Freiheit inszeniert Sabine Sterken aus Chemnitz, wo sie seit 20 Jahren jährlich ein Stück Musiktheater in der Mache hat. Mit „Pierrot Lunaire“ gab sie ihren Einstand, gründete einen Salon für expressionistische Oper. Aber sie versteht sich auch auf das Repertoire, das sie nicht nur in der drittgrößten sächsischen Metropole auf die Bühne brachte. | www.theaterwuerzburg.de


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Willkommen daheim! Die Volksmusik, ihre Vielgestalt und ihre letzten Schreie am Main von Christian Neubert / Foto: Joachim Fildhaut

Auch ungeachtet der merkwürdigen Aufteilung in E und U: Wer die Kategorisierungen von Musik betrachtet, bleibt schnell am gewaltigen Griff der Weltmusikschublade hängen. Weltmusik, egal wo sie herkommt – dabei steckt ihre Herkunft bereits im Wortlaut –, bedarf Panflöten, vielleicht auch mal eine Sitar, man ist da ja gar nicht so. Vor allem aber braucht sie bunte Gewänder.

Nach Möglichkeit kommt sie übrigens von Haindling. Dann weiß man nämlich, was man hat. Aber halt: Weltmusik ist nicht gleich Weltmusik. Schließlich hält die Welt viele verschiedene Musikstile mit jeweils eigenen Erkennungsmalen bereit. Dies eingedenk, führte man weitere Gattungsbegriffe ein. Zum Beispiel den der Black Music. Black Music

Volkstümlicher Auftritt geht immer: die Theatergruppe Der Keil bei ihrem „Leonce und Lena“-Finale. KulturGut 16 | Seite

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wird quasi ausschließlich von Afroamerikanern (und nicht etwa von Afrikanern, nicht mal Schwarzafrikanern) gespielt. Folk Music (wörtlich: Volksmusik) dagegen ist weiß. Vermutlich, weil die Gesellschaften, die sich in einem international verkaufsträchtigen Maße auf theoretischer oder popkultureller Ebene mit Musik beschäftigen, vorwiegend „weiße Gesellschaften“ sind.

Mit den Folks auf Party Folk, klar, Bob Dylan, Joan Baez, David Crosby, allesamt weiße Haut. Kein Wunder, dass da ausgeschlossene Sänger wie John Lee Hooker und Muddy Waters den Blues schieben. Und wer da nun sagt, dieses Amerika sei weit weg: Auch unsere Volksmusiker: weiß, natürlich. Wir sind das Volk, sagt der Volksmund, halb Lästermaul, halb Besserwisser. Und das Volk ist weiß. Hierzulande haften dem Begriff Volksmusik eher negativ besetzte Assozi-

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ationen an. Musikantenstadl, Deutschtümelei, ein Frauenbild im Dirndl, alpiner Eskapismus. Die Frage nach dem Volk und seiner Musik ist eine heikle. Doch die Fachwelt und die Marketingstrategen wären nicht vom Fach bzw. keine Strategen, wenn sie ihr nicht erschöpfend begegnen könnten – und schon haben wir ein weiteres Regal im Kaufhaus, das immer praller gefüllt wird. „Neue Volksmusik“ steht darauf in großen Lettern. Der große Unterschied zur eigentlichen, sprich: als dafür gehaltenen Volksmusik liegt in ihrem Ansatz, tradierte Ansätze und Weisen in neue Kontexte zu stellen und mit stilistischen Mitteln und Ausdrucksformen anderer Musiken zu verbinden. Neue Volksmusik bezeichnet ein Crossover, einen musikalischen Schmelztiegel. Das Volkstümliche dieser Praxis begründet sich vornehmlich im Wildern in anderen Gefilden. Angesichts einer multikulturellen Gesellschaft erscheint das richtig. Ob es den Neuen Volksmusikern, die sich zwischen Aneignung, Zuneigung, Verweigerung und Verneigung bei Innovationen und Traditionen Dritter bedienen, dann auch um ihr Volk geht? Es ging ums Party-Volk, als bei der letzten Modewelle vor gut zehn Jahren Balkanmusik zum Sound der Stunde wurde. Produzenten wie Shantel brachten sie in deutsche Diskotheken. Mit ihr kam die Akzeptanz für Blechbläser zurück. Tuba und Trompete waren wieder cool – und prompt war das Neue-Volksmusik-Fach im Kaufhaus, das z. B. Alben von Birmösl Blosn, Hans Söllner, Georg Ringswandl und Attwenger enthielt, um jene von LaBrassBanda, Moop Mama, Kofelgschroa oder Django 3000 reicher. Der eklektizistische Ansatz dieser Bands überzeugte die Macher des Hafensommers, der in diesem Jahr Kofelgschroa oder Micha Acher’s Alien Ensemble eine Bühne bot. Und indem das landesweit, u. a. in Würzburg ausgetragene Festival Lokalklang seinen Fokus auf den aufgeschlossenen und einbeziehenden Charakter aktueller Heimatklänge richtete, erkannte man die Zeichen der Zeit: Heimat ist vielgestaltig, das Volk auch. Es muss nicht wählerisch sein, um die Wahl zu haben. Sogar bei seiner Musik.

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Staatspreis für das Cairo Wie man elf Pop-Veranstaltergruppen unter einen Hut bringt von Joachim Fildhaut / Foto: Dita Vollmond

Eine knappe Million Euro macht Merkels Mannschaft in Berlin heuer für kleine Musikbühnen locker – allein der Spielstättenprogrammpreis ist mit dieser Summe insgesamt ausgestattet. 58 Locations erhielten ihn, zwölf davon in Bayern, das Cairo in Würzburg. Ausgeschrieben hat den Preis die Initiative Musik gGmbH, eine Fördereinrichtung der Bundesregierung für die Musikwirtschaft. Geld kommt unter anderem von der GEMA, aber hauptsächlich aus dem Topf der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das Jugendkulturhaus erhält gerecht gequotelt 15.000 Euro.

Wer kriegt die Samstage? Die Freude am Fred-Joseph-Platz ist groß, bescheinigt die Musik-Initiative dem Haus doch ein „herausragendes KonzertproKulturGut 16 | Seite

gramm“. Bewerben konnten sich Spielstätten unter 1000 Besucher. Nun bestehen zwischen Hallen für 150 und für 900 Gäste immer noch kategoriale Unterschiede. Deswegen gab es drei Klassen: Stätten mit mehreren Konzerten pro Woche, mit bis zu einem Konzert pro Woche und Stätten mit besonders profilierten Musikreihen. Wie wird das Preisgeld im ägyptischen Bau investiert? Da gibt es gleich ein paar Bedingungen, weiß Cairo-Leiter Steffen Deeg: „Die 15.000 Euro müssen in den nächsten zwölf Monaten in die Infrastruktur und ins Programm im Haus investiert werden.“ Die, die in Berlin das Füllhorn ausschütten, gehen davon aus, dass die Empfänger ein Drittel zur Pflege der Infrastruktur – Büro- bis Tontechnik – verwenden, zwei Drittel für Gagen. In Würzburg ist das Interessante aber nicht, wofür genau das Geld fließt, sondern wer es kanalisiert. So trafen sich zur Entschei-

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dungsfindung Ende September die elf Programmgruppen oder -macher, die im Jahr 2013 Konzerte im Cairo veranstaltet hatten – und die für eben dieses vergangene Jahr denn auch gepriesen wurden. Wobei die Cairoer zur Begründung ihrer Preiswürdigkeit an die Spree geschrieben hatten, neun der elf Programmgestalter-Kreise arbeiteten rein bürgerschaftlich engagiert, wirkten kontinuierlich und man habe einen organisatorischen Kniff, wie man bei so vielen Köchen den Brei nicht verplempert: „Seit 1987 veranstalten im Jugendkulturhaus Cairo vor allem ehrenamtlich arbeitende Veranstaltergruppen Konzerte.“ Viele dieser Konzerte würden „über einen gemeinnützigen Förderverein abgerechnet. Es gibt keine hauptamtlichen Booker, Tontechniker oder sonstiges festangestelltes Personal“, nur dass die Aktivitäten der Elf von den städtischen Angestellten im Jugendkulturhaus gebündelt werden. Diese Pluralität von Entscheidungsträgern scheint die Berliner besonders überzeugt zu haben. Vor allem, dass sich so viele Veranstalter nicht ständig über der Frage in den Haaren liegen: Wer kriegt die Samstage?!

Eine Frage der Identifikation Die Alternative zur Programmmacher-Struktur im Cairo wäre eine konservative: Eine einzige große Konzertgruppe hat ihre Spezialisten für Hardcore, Psychedelisches, Folk und die andern Genres. Nur: In diesem Fall stünde der allgemeine Konzert-ProgrammAuftrag am Anfang, und als Spezialisten für die Ausführung kämen alle mehr oder weniger zufällig hereingewehten Fans in Frage. Für die müsste als Arbeitsgrundlage eine einheitliche Organisation geschaffen werden, die ihnen grundsätzlich als etwas Fremdes gegenüberstünde: Die Büro-Termine sind nicht meine Termine! Die tatsächlichen Cairo-Gruppen hingegen haben sich teils schon jahrzehntelang als Veranstalter bewährt und selbst organisiert. Hier ist eine Spezialisten-Struktur von unten entstanden, die von sich aus ein massives Interesse an gelingenden Veranstaltungen mitbringt und die die übergeordnete Büro-Struktur nicht als etwas Fremdes, sondern als Hilfe empfindet. Alles eine Frage der Identifikation. Jeder der elf Veranstalter aus Leidenschaft kann einen kleinen Zuschuss gut gebrauchen. Schließlich kalkulieren alle immer knapp am Minimum und müssen vermeiden, außer der eigenen Arbeitskraft auch noch Geld draufzulegen. Der Sozialpädagoge und Kulturmanager Steffen Deeg geht davon aus, dass künftig der ein oder andere Künstler geladen wird, der oder die „bisher vielleicht zu riskant für die nach dem ‚Do it yourself’-Prinzip arbeitenden Veranstaltergruppen war“. Und so wird „der Zuschuss sicher auch den Zuschauerinnen und Zuschauern zugute kommen“.

JAZZINITIATIVE WÜRZBURG E.V.

INFO: Die Veranstalter des Jahres 2013 im Cairo waren Freakshow, GNDOCK, Just good Shows, Psychedelic Network, Taubenschlag, Wild Moon, Würzburger RockGemeinschaft, You name it und XeahX. Dazu kamen die beiden kommerziell arbeitenden Agenturen Tunefish und copconcerts. | www.initiative-musik.de

25. & 26. OKTOBER 2014, 19:00 UHR FELIX-FECHENBACH-HAUS • PETRINISTRASSE • WÜRZBURG

Mikka & talk’jazz Big Band Würzburg Dispact La Paloma – das donnernde Leben! Würzburg Art Ensemble Ulrich Gumpert & Günter Baby Sommer Ernie Watts Quartett Nik Bärtsch’s Ronin VVK: Falkenhaus, Neuer Weg · www.jazzini-wuerzburg.de.


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Musik |

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Raphaels Auftrag

Termine | teverdichor Würzburg, begleitet von historischen Instrumenten, unter Leitung von Matthias Beckert singt. Vor allem das jüngere Werk (von 1749) im Stil der Empfindsamkeit ist in den vokalsolistischen Partien eine der anspruchsvollsten „Magnificat“Vertonungen überhaupt. | www.monteverdichor.com

Der soziokulturelle Club lässt Fummelfritzen rein. Die Modemacher „Homies wear your hearties“ versprechen von ihrer Kollektion: „Aus den Gedanken Leben, Liebe und vor allem Musik entstehen diese Klamotten,.“ Nicht als textilgewordener Gedanke, sondern als Musik selber klingen Goldmannpark (Indie und Dance), die regionalen Flash Forward (Foto, Collegerock und Powerpop), die wilden deutschsprachigen Fox Named King und einen Spezialgast. | www.kellerperle.de

mance hintergründige Geschichten. Die Kompositionen schrieb Publikumsliebling Martin Klingeberg, der für die Festivaleröffnung wieder mal aus Berlin zurückkehrt. Das Gitarre-Sax-Quartett Dispact gewann den Jazzwettbewerb der Hochschule für Musik. Ein großer Name kommt diesmal aus den USA: Ernie Watts blies sein scharfes Saxophon schon bei den Rolling Stones, aber vor allem bei den Legenden des Modern Jazz. In Europa gehört zu seinem Quartett Bassist Rudi Engels, der in Würzburg lange Zeit höchst präsent war (On the Corner). Headliner des zweiten Tags sind Nik Bärtsch’s Ronin. Die Schweizer vereinen Jazzansätze mit Ambient. Die dritte Promi-Kapelle: „La Paloma – das donnernde Leben! Ulrich Gumpert & Günter Baby Sommer“. Die beiden (Foto) prägten gemeinsam den sehr verspielten und handwerklich solide fundierten Freejazz in der DDR. Der Pianist und der Drummer durchstreifen aber gern auch volkstümliche Gefilde. Bei den heimischen Kräften tritt das Würzburg Art Ensemble zum zweiten Mal in Folge beim Festival auf, denn die Ini möchte die Entwicklung dieses Klangkörpers mitverfolgen, der Improvisation und Vorgabe, Virtuosität und Unterhaltung vereint. Freunde des Bigband-Sounds bekommen heuer die Themen von „Porgy and Bess“ und die Big Band Würzburg. | www.jazzini-wuerzburg.de

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6. November., 19.30 Uhr, Kulturspeicher

30. Jazzfestival

Magnificat

Zum Jubiläumsauftakt erzählt Mikka Herbert, der langjährige Caterer des Festivals, in einer Perfor-

Bach und Sohn C. P. E. schrieben ihr „Magnificat“, Lobpreisungen der Heiligen Maria, die der Mon-

18. und 19. Oktober, 16 bzw. 15 Uhr, Dom

Josef Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ erklingt am Samstag in einer gekürzten Fassung für Kinder. Es singen und spielen drei Domchöre, das Barockorchester La Banda und vier namhafte Solisten, die am Folgetag das komplette Werk aufführen. Mit diesem ersten Experiment seiner Art möchte Domkantor Alexander Rüth „Kinder und Familien an die Welt der geistlichen Musik heranführen“. | www.wuerzburger-dommusik.de ++++++++++++++++++++++++

„Home is where your heart is“-Tour

24. Oktober, 19.30 Uhr, Kellerperle

25. und 26. Oktober, 19 Uhr, Felix-Fechenbach-Haus

25. und 26. Oktober, 20 bzw. 17 Uhr, Neubaukirche

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Moop Mama

26. Oktober, 20 Uhr, Posthalle „Am Ende sind wir alle gleich wie die Lieder in den Charts“, spricht Keno, der Vokalist des Bläserseptetts. Dazu gehört ein großes Selbstbewusstsein, denn wie elegant knipst der Hörer bei einer solchen Zeile die Platte aus: „Genau, alle gleich.“ Nun sind Moop Mama einerseits absolut ungleich den Liedern in den Charts, weil siebenfaches Blech zum Rhythmusteppich von zwei Schlagzeugern die Sounds generiert. Wer also Rap mag und moderne Blaskapellen, ist hier richtig. Wen die stereotype Sprachrhythmik des Rap langweilt, hat hier ein Argument, sein Urteil zu festigen. Die Vorgruppe heißt Cosby. | www.posthalle.de ++++++++++++++++++++++++

Peter Fulda

Der Pianist liebt das Sphärische ebenso wie die hammerharten Anschlagskanonaden. Solche Kontraste sind ihm kein Selbstzweck, sondern dienen seiner Programmmusik. Denn häufig setzt er sich spirituelle Themen vor oder er erhebt scheinbar triviale Motive (wie etwa Horrorfilme) in die Be-


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Musik |

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reiche des Spirituellen. Das Museumsfoyer hat bereits bewiesen, dass seine Akustik für Piano-Recitals hervorragend geeignet ist. Ein Solokonzert des Freundeskreises Kulturspeicher in Zusammenarbeit mit der Jazzinitiative Würzburg. | www.kulturspeicher.de ++++++++++++++++++++++++

Distances

7. November, Kurt & Komisch Im Club in der Sanderstraße startet mit Marc Ponchirolis Band und DJs eine Konzertreihe, die Jazz tanzbar macht. Veranstalter Georg Kolb will jungen Leuten zeigen, dass Jazz heute etwas zu sagen hat und unmittelbar erlebt werden sollte. georg.kolb-music@gmx.de ++++++++++++++++++++++++

9. Würzburger Benefizkonzert 9. November, 20 Uhr, Vogel Convention Center

Gleich fünf Initiativen unterstützt das Kammerorchester Festival Strings Lucerne (Foto: Ammon). 17 Streicher plus Gäste arbeiten seit 58 Jahren für das anspruchsvolle schweizerische Musikfest – und gastierten gleich im Gründungsjahr schon bei den Salzburger Festspielen. Berühmt sind die Künstler auch seit je für ihre alten Instrumente aus den Cremoneser Werkstätten. Zu erleben sind Wolfgang Amadeus Mozarts Ouvertüre und Finale der Oper „La finta giardiniera“, sein Konzert für Violine und Orchester Nr. 4 D-Dur und Peter Tschaikowskys Serenade für Streichorchester C-Dur op. 48. | www.wuerzburger-benefizkonzert.de

Termine |

Morgenstern und Orgel 15. November, 19.30 Uhr, Augustinerkirche

Domorganist Stefan Schmidt improvisiert zu Gedichten von Christian Morgenstern, die die Rezitatorin Martina Esser nach dem Leitgedanken auswählte, dass die Werke todernst oder heiter sein können. Ihr Dichter war, sagt sie, „ein kranker Mann, dem es gut tat, von Zeit zu Zeit im fröhlichen Mittelpunkt zu stehen“. | www.augustinerkirche-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Bachtage

21. bis 30. November, St. Johannis u.a. Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy sind die Komponisten bei zwei Oratorienabenden, zwei Festgottesdiensten mit Bachkantate, Kammer- und Orgelkonzerten sowie je einem Kinder- und Cross-Over-Konzert. Christian Kabitz, künstlerischer Leiter der Würzburger Bachtage, kommentiert das Komponistentreffen: „Mendelssohn war ja die zentrale Gestalt der deutschen Frühromantik, verband die Leichtigkeit Mozarts mit den neuen Klangfarben des Orchesters. Aber mindestens genauso wichtig: Er ist der Wiederentdecker der Bachschen Musik! Mit ihm und der Wiederentdeckung der Matthäus-Passion begann eine Bach-Renaissance ungeheuren Ausmaßes!“ Am Samstag, 22. November, 20 Uhr interpretieren Mendelssohns „Paulus“ Johannes Strauß (Tenor, Foto), Bachchor Würzburg, Cäcilien-Chor Frankfurt, Thüringen-Philharmonie Gotha u.a. Bernd Glemser spielt Kompositionen von Bach in Bearbeitungen u. a. von Franz Liszt und Mendelssohn Bartholdys berühmte „Lieder ohne Worte“ (25. November), tags KulturGut 16 | Seite

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drauf beim Kinderkonzert machen die Münchner Bachsolisten die Wunderwelt der Bachschen Musik hör- und begreifbar. Am Abend des 29. November erklingt Bachs Hohe Messe in h-moll. | www.bachtage-wuerzburg.de. ++++++++++++++++++++++++

Illusion und Wahrheit

11. und 12. Dezember, 20 Uhr, Hochschule für Musik Das 3. Orchesterkonzert der Städtischen Philharmonie klingt rein italienisch. Verdi, Rossini und Puccini werden mit Instrumentals vorgestellt, denen dennoch viel Sangbarkeit innewohnt. Teufelsgeiger Niccolo Paganini komponierte ausgerechnet für Fagott, und im fünften Stück ist die Täuschung Programm: Respighis „Zauberladen“ lässt die Puppen tanzen. | www.theaterwuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Götz Widmann

12. Dezember, 20 Uhr, Cairo Wem die alten Hannes-Wader-Lieder peinlich sind, wem Funny van Dannen zu schlecht klampft, wer aber trotzdem gerne mal wieder Songs genau aus dieser Richtung der guten alten Liedermacherei hören will, der ist an diesem Winterabend am Fred-Joseph-Platz goldrichtig aufgehoben. Angeblich soll der klassische Liedermacher mit dem bluesigen Hau in der Stimme und 16 Alben in der Vita „frischer und lebensfroher als je zuvor“ klingen. Das mag teils an seiner von seiner Begleitband von der letzten Tour liegen, Billy Rückwärts. | www.cairo-wue.de


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975 Seiten in viereinhalb Jahren: Ein Königreich für ein Stichwortverzeichnis!

15 Ausgaben KulturGUT … Zeit für eine kleine Zwischenbilanz von Joachim Fildhaut und Iris Wrede / Fotos: Benjamin Brückner

„Wir laden Sie ein, diese Stadt und ihr kulturelles Leben aus immer wieder neuen Perspektiven zu erfahren, sich darauf einzulassen und sich einzubringen, sei es als Künstler und Kulturschaffende, als Besucher, als ehrenamtlich Engagierte, als Kunstfreunde und Förderer, als Bürger“ – so stand es im Vorwort der ersten Ausgabe von KulturGut 2010. Ein Beitrag zum Diskurs über Kunst und Kultur mit viel Raum für Text und Bild sollte das neue Magazin sein. Ein offener Geist und der Wunsch, die Welt zu entdecken, bildeten von Anfang an die Grundlage. 100 ist eine beispielhafte Zahl: In jeder Ausgabe KulturGUT fanden sich ca. 100 Artikel zum Thema Kultur. Angefangen vom kleinsten Tipp, bis zur großen Themenstrecke. Die Vielfalt ist ein Teil des Konzepts, das auch vor schwierigen Rubriken nicht zurückschreckt. Die Themen sind nicht immer leichte Kost und weichen gerne vom „Es-wird-ja-heutzutage-nichts-gelesen“-Konzept

der kleinen Häppchen ab. Die Leser haben es uns dennoch – oder gerade deswegen – gedankt. Denn einen Artikel über mehrere Seiten zu ziehen und ein Thema vertiefend von allen Seiten zu beleuchten ist zwar anspruchsvoll, entspricht aber dem wachen Geist und dem klaren Verstand unseres Publikums. Gerade wenn es um kontroverse Themen geht, zeigt sich, dass die allgemeine Bereitschaft zu Dialog und Diskurs sehr hoch ist und die Gespräche immer in eine konstruktive Richtung gehen.

Kultur reflektieren und unterstreichen Von Beginn an hat ein kompetenter Beirat die Arbeit der Redaktion am Magazin geduldig und konsequent mit Informationen und Anregungen unterstützt und so zu Vielfalt und Qualität beigetragen. Es war und ist uns wichtig, möglichst viele Anregungen der

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Würzburger Kulturschaffenden mit auf den Weg zu nehmen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Mediums mag dieses Engagement würdigen. Zwar haben wir nicht den Anspruch, dass jedes unserer 150.000 gedruckten Hefte, die über die Jahre in Würzburg verteilt wurden, in feinen Schubern aufbewahrt wird, es gibt aber durchaus Leser, die sich über die Jahre ein kleines Archiv angelegt haben – einfach weil das Augenmerk der großen Artikel meist auf grundlegende Themen gerichtet und somit geeignet ist, auch später wieder zur Hand genommen zu werden.

Raum für Themen und Dialoge Wir wünschen uns für die kommenden Ausgaben weiterhin viel Seele und Esprit. Wir wünschen uns (natürlich immer) mehr Raum für Text und Bild, für Themen, für den Diskurs, den unsere Leser so schätzen – aber auch noch mehr Raum für die Ankündigung von Veranstaltungen. Das wünschen wir uns. Denn wir wissen, dass wir nicht das gesamte kulturelle Angebot berücksichtigen können und unsere Auswahl eben immer nur einen kleinen Teil des so reichhaltigen Kulturlebens beleuchten kann. Und wir wünschen Ihnen, unseren Lesern, viel Freude mit den kommenden Ausgaben unseres Magazins: Begleiten Sie uns auch weiterhin so konstruktiv und kritisch wie bisher.

„Großes Lob und Glückwunsch zu der Nummer 06 des KulturGut, zu allen Texten und Bildern, die visionär die Chancen (die sehe ich auch eher als die Risiken) der Frankenhalle behandeln! Bon courage, bonne continuation – auf Deutsch: Weiter so!“

„Es ist etwas Neues, und wenn ich mir die Liste der Mitglieder des Beirats und der Redaktion anschaue, etwas Neues und sehr vielversprechend. Bei all dem kann man schon ins Schwärmen kommen. Das Heft strahlt großen Optimismus aus, und ich hoffe und wünsche, dass dieses Kulturgut lange Bestand hat und sich auch nicht scheut, weiterhin brisante Themen vorzustellen und zu interpretieren.“

Wolfgang Hugo

Helmut Försch

„Der enorme Kulturreichtum Mainfrankens sorgt für Lebensqualität. Das verdient Würdigung. Gut, dass es KulturGut gibt. Gut, dass KulturGut auf mehr als nur die Kulturregion Würzburg schaut. Und gut, dass KulturGut so gut gemacht ist!“

„Der Kinderbotschafter der Kulturhauptstadt RUHR.2010 Ritter Rost gratuliert zum neuen Magazin!“

Radu Ferendino, IHK-Sprecher

Melanie Buschkühl, Terzio-Verlag/2010

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KulturGut | Editorial | Inhalt | Titelthema | Musik | Bühne | Kunst | Medien | Film | Stadt | Wissenschaft | Interkultur | Service

„Ganz begeistert habe ich vor kurzem meine erste Ausgabe KulturGut gelesen. Erst einmal ein großes Lob, das ist wirklich eine tolle Zeitschrift mit durchgehend interessanten Artikeln, einfach rundum gelungen.“

„Eine rundherum beeindruckende und informationsreiche Zeitschrift für alle Bürger der Stadt und des Umlands, die an den vielfältigen kulturellen Angeboten in der Universitäts- und Kulturstadt Würzburg teilhaben und etwas mehr darüber wissen möchten. Dem Kulturamt der Stadt und allen Redakteuren sei dafür Dank gesagt.“

Sonja Weltner, Lehrerin

Regine Toyka-Blum und Prof. Dr. Klaus Toyka

„Wir schenken unseren Teilnehmern eine Tagungstasche mit interessanten Beilagen und Informationen zu unserer Uni und Würzburg. Interessant wäre für sie sicherlich auch, eine Ausgabe des KulturGut-Magazins darin zu finden.“ Marika Levien, Organisationsteam Studierendentagung der Europäischen Ethnologie

„Eine Kulturstadt wie Würzburg braucht KulturGut! Es ist ein professionell gemachtes, kompetentes Medium, das informiert, überrascht und vor allem die Vielfalt dieser Kulturlandschaft zugänglich macht. Als vor einigen Jahren nach Würzburg ‚Zugereister’ hat sich mir erst durch KulturGut die ganze Dimension und Qualität unserer hiesigen Kulturszene und ihres Angebots eröffnet.“ Stefan Rühling, Vorsitzender der Geschäftsführung Vogel Business Media

„Dieses Mal ein besonders gelungenes, interessantes, wichtiges und motivierendes Heft.“ Leonhard Blaum, Rektor i. R., zu KulturGut 11

„Die Sparkasse Mainfranken sieht sich in besonderer Weise der Förderung sozialer und kultureller Projekte in der Region verpflichtet. Den Start und die Fortführung dieses Instrumentes der Kulturarbeit wollen wir ebenfalls unterstützen.“ Dr. Rudolf Fuchs, FH-Hochschulratsvorsitzender, ehem. Vorstandschef der Sparkasse Mainfranken Würzburg

„Ein ganz außergewöhnliches Projekt – schön, dass es so etwas in Würzburg gibt.“ Thomas Hengelbrock, Dirigent

„Ich freue mich, dass dieses Magazin nun verwirklicht werden konnte. Mit Interesse habe ich darin geblättert und viele Anregungen gefunden, der Kultur in Würzburg und im Umland zuzusprechen. Ich freue mich, können wir dieses begonnene Miteinander weiter fortsetzen und die in Main- und Tauberfranken gebotene Kultur entsprechend unterstützen.“ Reinhard Frank, Landrat

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 weitere Informationen: www.kulturgutwuerzburg.de

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Literatur |

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Literaturhaus-Eröffnung 11. Oktober, 18 Uhr, Kemenate, Ochsenfurt

Die Kulturmaschinen-Verlegerin Simone Barrientos und der Autor Leander Sukov zogen im April von Berlin in die Ochsenfurter Kolpingstraße 10, wo 1552 auf dem Gewölbekeller des ehemaligen „Judenhofs“, eines kleinen mittelalterlichen Ghettos, ein neues Haus entstand. An das mörderische Pogrom im 15. Jahrhundert erinnert heute ein Widmungsstein. Das neue Leben am Ort soll literarisch sein, so wird hier u. a. das Gesamtwerk von Franz Josef Degenhardt verlegt. An diesem Samstag weiht ein Tag der offenen Tür die Kemenate ein, auch den kleinen Saal – mit Musik und Lesungen. Leander Sukov: „Wir wollen, und haben das Gefühl, hier dafür viel Gegenliebe zu ernten, Ochsenfurt zu einem Literaturort in der kulturaffinen Großregion Würzburg machen.“ | www.kulturmaschinen.com ++++++++++++++++++++++++

Ostende, 1936

14. Oktober, 19.30 Uhr, Bibliothek Höchberg Mit einem „Sommer der Freundschaft“ (Untertitel) beginnt die komplett neu gestaltete Bücherei ihre Lesungen. FAZ-Feuilletonchef Volker Weidermann erzählt von den deutschen Emigranten, die 1936 an der belgischen Küste nicht wissen, wie sie weiter leben können, und doch noch einmal versuchen, das Leben zu feiern. Kenntnisreich und mitreißend bringt Weidermann dem Leser Stefan Zweig, Joseph Roth und andere nahe. | www.kiwi-verlag.de

Termine |

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Finnland. Cool

23. Oktober, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz Die Buchhandlung Knodt stellt den BuchmesseEhrengast vor, vom finnischen Nationalepos „Kalevala“ über Alexis Kivis klassische „Sieben Brüder“ bis zu Zeitgenossen wie Arto Paasilina oder Sofi Oksanen. Denn Brecht irrte, als er sagte, dass die Finnen in zwei Sprachen schweigen. Sie schreiben in drei Sprachen. | www.knodt.shop-asp.de ++++++++++++++++++++++++

Vaterjahre

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5. November, 20 Uhr, Stadtbücherei Michael Kleeberg schreibt über den Alltag eines Normalos derart klingend, dass einem schon beim leisen Lesen die Ohren übergehen. Schweigen wir von dem Silbenrausch auf den ersten Seiten seines neuen, des zweiten Charly-Romans. Deren reine Musikalität verhallt, und zwar in einen Raum hinein, in dem die Beschreibung eines Pflanzensprosses mit „lindgrün, dünn, nackt und kühn“ gut gedeiht. | www.stadtbuecherei-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Katrin Bauerfeind

1. Dezember, 20 Uhr, Luisengarten „Mir fehlt ein Tag zwischen Sonntag und Montag“ heißen ihre Geschichten über das Scheitern. Keine Angst, die TV-Moderatorin, gelernte Technik-Journalistin und gern sehr persönlich KulturGut 16 | Seite

werdende Interviewerin hat kein Schmunzelbuch geschrieben, in dem die Peinlichkeiten mit einem Augenzwinkern und grober Übertreibung zur netten Unterhaltung ausgeschlachtet werden. Bauerfeind denkt auf gut kabarettistisch sehr rationale Konsequenzen, zieht schmerzhaft naheliegende Vergleiche, und statt „was wäre wenn“ heißt es bei ihr: „Dann muss aber auch!“ Bezeichnenderweise startete ihre Fernsehserie „Bauerfeind assistiert“ mit Frank-Markus Barwasser. Nur ist die Autorin eine schöne Frau mit einer irren Stimme. Und Lache. Wiglaf Droste sang das Hohelied auf die rauchende Frau. Er muss dabei an Katrin Bauerfeind gedacht haben. | www.wuerzburg-deluxe.de

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Großraumdichten und Kleinstadtgeschichten 4. Dezember, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz

Lesebühne ist ein literarischer Fachbegriff, den die Poetry Slammer prägten: Orte, an denen sie lesen können, ohne dass das Publikum sie ständig bewertet. Wo sie auch länger als sieben Minuten am Stück vortragen können. Zu einem solchen Platz machen drei Vertreter der Gattung soeben das Theater am Neunerplatz: Pauline Füg und Tobias Heyel sprechen ihre Texte gern zu Elektro-Musik, was sie Großraumdichten nennen. Marvin Ruppert schreibt ebenfalls Texte in erster Linie für den lauten Vortrag. Die vierte Mitausrichterin, Ulrike Schäfer, siedelt Figuren eher in den rätselhaften Zwangslagen der klassischen Moderne an. Dazu kommen Gäste. | www.autorenkreis-wuerzburg.de


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Neue Poesie für Alte Wege durch das Ohr in den Kopf von dementen Menschen von Claudia Henning-Jaspers / Fotos: Caritas

Der 29-jährige Vollzeit- und Herzblut-Dichter Lars Ruppel macht „Weckworte“ für Menschen mit demenziellen Veränderungen. In Würzburg brachte er dreißig Schülerinnen das lebendige Vortragen von Gedichten nahe. Er inszeniert „Gedichte wie Drehbücher“, erklärt Lars Ruppel. „Wenn ich alt bin und nicht mehr in Konzerte gehen kann, möchte ich, dass die Konzerte zu mir kommen“, so spricht der Dichter, der für seine Slam Poetry bekannt wurde. Seit fünf Jahren ist Ruppel aber auch mit seinen Weckwort-Workshops auf Tour und trainiert Schüler, Pflegekräfte und Angehörige von Dementen und seelisch Erkrankten darin, wie man – auch klassische – Dichtkunst für diese Zielgruppe packend gestalten kann. Eva-Maria Pscheidl, Diplom-Pflegewirtin bei der Caritas Würzburg und zuständig für die Pflegeweiterentwicklung, holte Ruppel bereits zum zweiten Mal. Im Vorfeld hatte sie an den beteiligten Schulen zu Formen einer demenziellen Erkrankung referiert und erklärt, wie man mit dementen Menschen agieren kann. Ruppel will mit seiner „Alzpoetry“ Differenzen überbrücken. Er will Poesie alltäglich machen und versteht sie als kulturelle Aufwertung der Pflege. Vor allem aber will er seinem jeweiligen Gegenüber hundertprozentige Aufmerksamkeit schenken, Leben ins Wort bringen und Erinnerungen wecken.

Lars Ruppel hat keine Angst, seine Stimme auch mal etwas zu heben.

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Ein Langzeitgedächtnis voll Goethe „Es ist absolut großartig, wenn achthundert Zuschauer bei einem Poetry-Slam-Auftritt klatschen“, erzählt er den Schülerinnen der beiden Würzburger Schulen, „aber das ist nix im Vergleich zu einer dementen Person, die nicht kommuniziert, aber durch das, was ich mache, ‚wach‘ wird.“ Ruppel steckt die Neunt- und Elftklässlerinnen mit seiner Energie und Präsenz an. Ein Workshop dauert rund vier Stunden. Zum Warmwerden gibt er den Teilnehmerinnen eine kleine Kostprobe und rezitiert ein paar bekannte und weniger bekannte Gedichte, trägt eigene Texte vor, fordert sie auf, sich aus seinen mitgebrachten Gedichten eins auszusuchen und vorzutragen. Ruppel verdeutlicht sein Konzept mit vielen lebhaften Beispielen. Er gibt Tipps, geht auf die Defizite des Hörens, Sehens und Fühlens ein und erklärt, dass es gerade deshalb so wichtig ist, sich beim Vortragen auf jeden einzelnen Senior zu fokussieren. Zwei Stunden lang werden Vortragskonzepte entwickelt, dann geht es in die Anwendung. Ruppel und seine Workshop-Teilnehmerinnen schenken zwei Seniorengruppen je eine vergnügliche Poesie-Stunde. Sie begrüßen jeden im Publikum einzeln, dann nehmen die Schülerinnen zwischen den Demenzkranken Platz. Und dann geht es los. Eine Stunde lang bietet Ruppel sich als Fixpunkt für sein Publikum an. Er schreitet durch den Kreis, erzählt kleine Anekdoten, erfindet Geschichten, lässt durch Worte Bil-

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der im Kopf entstehen und rezitiert Gedichte, die er durch Mimik und Gestik gekonnt und humorvoll unterstreicht. Immer wieder nimmt er Blickkontakt auf, berührt Hände, bezieht die Menschen in seine Geschichten und Lieder ein, nimmt sie mit auf eine kleine Reise in eine Erinnerung, die bei den meisten von ihnen im Alltag oft nicht zugänglich ist. Unterstützt wird er durch die fünfzehn- bis achtzehnjährigen Mädchen, die Gedichte von Erich Fried, Hans Dieter Hüsch oder Joseph von Eichendorff vortragen. Nach einer temporeichen Poesie-Stunde ist die gute Laune im Raum förmlich greifbar. „Der hat’s drauf“, ruft ein 82-jährige Frau, die viele Texte mitsprechen konnte. Schließlich gehören viele Demente zu einer Generation, deren Langzeitgedächtnis voll auswendig gelernter Gedichte steckt. Auch für die Weckworte-Teilnehmerinnen war es ein besonderer Nachmittag, den Theresa in die Worte fasst: „Es ist schön, zu erleben, wie Erinnerungen erwachen und wie froh und dankbar die Menschen uns für diese fröhliche Stunde sind.“ Ruppel ist zufrieden. „Die Schülerinnen haben das total gut gemacht, die Leute im Publikum waren beeindruckt.“ Und er fügt hinzu: „Jedes Gedicht ist geeignet, wichtig ist, dass ich Freude habe am Vortragen. Die Poesie entsteht im Herzen.“

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Wir setzen Ideen um. Agentur für Kommunikation & Verlag. Das KulturGut ein Medium aus dem Hause MorgenWelt. Ihr Produkt für morgen schaffen wir gestern. Gerberstrasse 7, 97070 Würzburg, 0931 3299910, morgenwelt-wuerzburg.de

MorgenWelt LINK: | www.larsruppel.de

Würzburg GmbH


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Einzigartig dezentral Demnächst im andern Kino: das Central von Daniel StaffenQuandt / Fotos: Benjamin Brückner

Man kann nun nicht gerade sagen, dass der geplante Umzug des Programmkinos Central aufs Bürgerbräu-Gelände eine richtige Liebesheirat ist. Denkbar knapp stimmten die Genossen für den Standort am Stadtrand in der Zellerau – fast genauso viele liebäugelten mit dem deutlich innenstadtnäheren Saalbau Luisengarten. Vorstandsmitglied Rainer Berger sagt es so: „Jetzt haben wir endlich Klarheit.“ Mehrheit sei Mehrheit, ganz egal mit wie wenigen Stimmen. Vor allen Dingen Bürgerbräu-Umbau-Architekt Roland Breunig dürfte mit der Entscheidung zu seinen Gunsten ein Stein vom Herzen gefallen sein. Denn das Programmkino mit seinen jetzt schon 40.000 Besuchern jährlich wird ein Publikumsmagnet für das neue Kreativquartier an der städtischen Peripherie. Kinobesucher, zumal jene, die auf besondere Filmkunst Wert legen, fahren auch mal aus der Umgebung mit dem Auto zur Leinwand ihres Vertrauens. Zudem geht die Central-Führungsriege davon aus, dass die Besucherzahlen nach dem Umzug weiter steigen werden. Schließlich stehen statt bisher zwei in Zukunft drei Kinosäle zur Verfügung. „Das bringt mehr Flexibilität“, sagt Berger und rechnet mit einem Besucherplus von 20 bis 30 Prozent.

Wer profitiert vom Kino in der Zellerau? Die Kinosäle werden in den Gewölbekellern unter den eigentlichen Brauereigebäuden ihren Platz finden – zur Straße hin wird die Fassade verglast, die bisherige Mauer durchbrochen, das dahinter aufgeschüttete Gelände abgetragen. Die Simulationen der Architekten lassen auf ein architektonisch lockeres Areal schließen, das Kino bekommt ein großzügiges Foyer. „Das ist für Würzburger Verhältnisse ein einzigartiger Standort“, sagt Berger, selbst Architekt. KulturGut 16 | Seite

Einzigartig deshalb, weil es in Würzburg mit seiner vergleichsweise geringen Industriedichte auch wenig industrielle Baudenkmäler gebe, die sich umbauen und umnutzen ließen. Dass alte, nicht mehr genutzte Brauereien durchaus als Kulturquartiere taugen, zeigt zum Beispiel die Berliner Kulturbrauerei. Ein Kino gibt es dort allerdings nicht, und auch ansonsten lassen sich die Hauptstadt und ihr Kulturleben natürlich nur schwer mit Würzburg vergleichen. Ein Programmkino, glaubt Berger, ist nicht so sehr vom Standort abhängig. Das Areal an sich habe natürlich schon Charme, Fakt sei jedoch auch, dass es „mehr von uns profitieren wird als andersherum“. Die Central-Besucher kämen, weil sie einen speziellen Film sehen – oder eben ganz allgemein „ins Kino“ gehen – wollen. „Die Menschen, die wir anziehen, gehen dann auf dem Gelände zusätzlich noch etwas trinken oder essen, nicht umgekehrt“, ist er überzeugt. Dass das Projekt Bürgerbräu ohne das Programmkino nicht funktioniert hätte, so weit will das Central-Vorstandsmitglied nicht gehen; aber ein Erfolg würde ohne Kino bedeutend schwerer. Die Stadt, glaubt Rainer Berger, profitiert als Ganzes von dem neuen Kulturquartier, nicht nur der Stadtteil Zellerau, der in den letzten Jahren ohnehin einen gewaltigen Entwicklungssprung gemacht habe. „Das Bügerbräu-Gelände ist die konsequente Fortführung einer Aufwertung.“ Berger hofft, dass der Umbau zum Kino Ende 2015 geschafft ist, Anfang 2016 will das Kino seine neue Residenz dann bespielen. Fraglich ist, ob das Kino, das dann nicht mehr richtig zentral im Stadtgebiet liegt, trotzdem weiterhin „Central“ heißen wird. „Das wird man sehen“, sagt Berger. Ebenso, ob die Kritik am Standort Bürgerbräu nach der Abstimmung nun bald verstummen wird. „Wir sind in Würzburg“, sagt Berger. Stimmt. Gerade noch so jedenfalls. LInK: | www.central-programmkino.de

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Das wird in eineinhalb Jahren eine sehr schöne Erinnerung.

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zweitens als man denkt Neunerplatz-Gründer Thomas Heinemann erobert das Internet und Kinderfilm-Festivals Text und Foto: Joachim Fildhaut

Alles hängt miteinander zusammen: Markus Hammer mit seiner Filmtochter Tabea Hanstein.

„I did it, I did it and I will did it again!“ Sätze wie dieser gehen in den Goldenen Volksmund ein. Je früher ihr Schöpfer in der Anonymität verschwindet, desto größer der Erfolg. Der wird in Würzburg etwas später kommen als in anderen Orten, aber das ist nicht weiter schlimm, heißt es doch aus derselben Quelle, die uns das „I will did it again“ bescherte: „Be positive, sink later!“ Kurz: Die Sprüch’ wurden in der Drehbuchwerkstatt von Thomas Heinemann geklopft, der seiner alten Wahlheimat Würzburg immer wieder gern die Reverenz erweist. So nannte er seine Produktionsgesellschaft Superneun – nach seiner alten Gründung Theater am Neunerplatz. Und „Positive Sinking“ heißt das Medienprojekt, dem die zwei Neunerplatz-Gewächse Martin Eschenbach und Markus Hammer das Gesicht geben. Ab dem späteren Herbst dieses Jahres bringt der Bayerische Rundfunk die erste Zwölfer-Staffel auf den Bildschirm. Noch ist nicht recht raus, an welcher Stelle im dritten Fernsehprogramm die dreieinhalb-minütigen Filme laufen werden. Sicher wird für sie eine eigene Online-Plattform eingerichtet, so wie der WDR heute noch die „Expositionsmaßnahme nach Dr. Hanno Verbier“ im Web präsent hält. Eindrücke von dieser kommenden Lebensberatung mit dem Arbeitsmotto „Erfolgreich scheitern“ gibt jetzt bereits die Facebook-Seite „Positive Sinking“ mit kurzen Filmausschnitten, Trailern, Kommentaren und Sprüchen aus der Küche von Angelo Sommerfeld (Eschenbach), der mit seinem noch etwas prolligeren Kumpel Hammer wirtschaftlich auf die Füße zu kommen trachtet. Dabei haben diese Figuren einen Tick mehr Bewusstsein von ihrer und der allgemeinen gesellschaftlichen Lage, als es ihrer gesellschaftlichen Schicht angemessen scheint – die bekannte Erwin-Pelzig-Psychostruktur. KulturGut 16 | Seite

„Positive Sinking“ gehört ins Zentrum von Thomas Heinemanns vielfältigem Lebenswerk, weil hier wie in vielen seiner Stücke das Prinzip herrscht: Es kommt anders, als man denkt, und doch werden Ziele erreicht – positive sinking, erfolgreich scheitern eben. Auf eben diese Weise kam die Sendung überhaupt zustande. Vor drei Jahren sprach der Autor-Regisseur mit einem Produzenten, der ihn beschwor, das ZDF suche händeringend nach Komödienstoffen – am liebsten so etwas wie „Two and a Half Men“ auf Deutsch. Das passte Thomas Heinemann insofern, als er seit seinem 3sat-Film „unterwegs nach woanders“ wieder was mit dem Graun- und Draumpaar Hammer und Eschenbach machen wollte. So entstand ein Konzept, allerdings überstrahlt von der Figur Angelo Sommerfeld. „Wie will man einen Angelo in ein Konzept pferchen?“, fragt Heinemann. Man entschloss sich für den Weg der Praxis, wollte „eine Art Teaser drehen“. Nach einem Drehwochenende war das Material für einen ersten von angedachten sechs Halbstündern im Kasten. Und weiter: „Daraus haben wir dann einen Trailer geschnitten, der so gut ankam, dass wir im August 2012 weiter drehten.“ Elf Tage brauchte das Team für die erste Staffel von Kurzfolgen. Mit einem neuen Trailer ging Superneun bei diversen Sendern hausieren, d. h.: Man stellte das Werklein in ein soziales Netzwerk und postete es den Sendeanstalten mit dem einzigen Vermerk: „Sink about it.“ Heinemann über das digitale Marketing: „Dann ging alles sehr schnell und am Ende bekam der BR den Zuschlag.“

Teilweise andere Baustelle Flott entwickelte sich zuletzt auch der aktuelle Kinofilm des Kindertheater-Gründers, „Lola auf der Erbse“. Das interkulturelle Hausboot-Kammerspiel entstand teils im Hafen von Marktsteft u. a. mit Christiane Paul, Superneun-Gesellschafter Tobias Oertel (dessen Fernsehbösewichter inzwischen immerhin von Schauspielerinnen wie Maja Maranow und Senta Berger festgenommen werden) und der Pfarrerstochter Tabea Hanstein. Schon bevor diese „Lola“ im September startete, war sie auf elf Festivals eingeladen, „davon“, freut sich Heinemann, „fünf internationale: Giffoni in Italien, Wien, Seattle, Chicago und New York… Da könnte also noch ein bisschen was passieren mit diesem kleinen Kinderfilm.“

LInK: | www.superneun.com

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 weitere Informationen: www.kulturgutwuerzburg.de

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Film |

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Schnupfen im Kopf 20. Oktober, 20.30 Uhr, Programmkino Central

Die Reihe „Psychiatrie im Film“, die den Würzburger Kinogängern verdienstvollerweise seit dem Frühsommer mehrere außergewöhnliche Streifen (wieder) zu sehen gab, endet nun, und zwar mit einem Dokumentarstreifen aus dem Deutschland des Jahres 2011. Bei diesem Selbstporträt lernt der Zuschauer die Autorin, Regisseurin und Betroffene Gamma näher kennen. Bak zeigt die Schrecken der Psychose – das Ringen mit der Diagnose, die Stigmatisierung in der Gesellschaft, die Unmöglichkeit einer Heilung und das Leben mit Psychopharmaka. Zu Einführung und Diskussion ist Bak anwesend. | www.central-programmkino.de

Termine |

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Brother Yusef

31. Oktober, 20.30 Uhr, Programmkino Central Das meditative Biopic zeigt den Multiinstrumentalisten Yusef Lateef (1920-2013) vor allem im hohen Alter, als seine Musikauffassung gelegentlich ins Kauzige oder Esoterische driftete. Der gebürtige Detroiter war ein Pionier des Ethno-Jazz, hatte damit Einfluss auf John Coltrane; sein vibratoreiches Flötenspiel wurde als eine der wärmsten Klangbildungen im Jazz überhaupt gewürdigt. Der Dokumentarfilm von Nicolas Humbert und Werner Penzel führt in seinen Kosmos ein. Anschließend lässt die Band Martin Seeliger & Many Moons ihre Spielart von Weltmusik im Jazz erklingen. | www.jazzini-wuerzburg.de

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Was ist Improvisation?

23. Oktober, 19.30 Uhr, Tiepolo-Keller Vor einem Konzert mit improvisierter Musik stellt sich der Blogger und KulturGut-Autor Stefan Hetzel als Filmemacher vor. Beim Festival Jazzwerkstatt Peitz (bei Cottbus) ließ er Leute über musikalische Freiheit sprechen, zeichnete sie dabei auf und mischte die Antworten mit Klangmaterial. Nach 20 Minuten der visuellen Kunst setzt er sich an diesem Herbstabend (und im Rahmenprogramm des 30. Jazzfestivals Würzburg) ans Klavier und demonstriert mit der Vokalistin Carola Thieme und dem Gitarristen Jochen Volpert, worum es ihnen bei improvisierter Musik geht. | www.stefanhetzel.wordpress.com ++++++++++++++++++++++++

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An Englishman in …Hollywood 11. bis 13. November, 19 bzw. 22 Uhr, Hofkeller, Residenz

Cary Grant hieß der Engländer, dem die 12. Filmnächte im Fasskeller des Staatlichen Weinguts gelten. Das heißt: Von 1941 stammt der jüngste der vier Filme, denn in diesem Jahr wurde Grant US-Staatsbürger. Das kleine Festival im Fasskeller der Residenz wird von Mitarbeitern des Internationalen Filmwochenendes moderiert und bringt je 19 Uhr „Die schreckliche Wahrheit” (Regie: Leo McCarey 1937, mit Irene Dunne, Ralph Bellamy), “Verdacht” (Alfred Hitchcock 1941, mit Cary Grant, Joan Fontaine), „Die Schwester der Braut“ (George Cukor 1938, mit Katherine Hepburn) und am Abschlusstag um 22 Uhr „Meine Lieblingsfrau” KulturGut 16 | Seite

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(Garson Kanin 1940, mit Irene Dunne, Randolph Scott). Im Eintrittspreis sind je ein Glas Sekt und Rotwein enthalten. | www.hofkeller.de ++++++++++++++++++++++++

Cinema! Italia!

13. bis 19. November, div. Zeiten Programmkino Central Wohnen, Arbeit, Jugend, Wirtschaftskrise, Sterbehilfe – der italienische Gegenwartsfilm behandelt die Gegenwart. Sechs Originalfassungen mit deutschen Untertiteln sind erstmals in Deutschland auf Tournee. Ciro De Caros Debut „Spaghetti Story“ (Foto) war eine der größten Überraschungen der letzten Saison – bei einem 15.000-Euro-Budget und elf Drehtagen ein Low-Budget-Film reinsten Wassers. Rolando Ravellos Erstling „Tutti contro tutti“ zeigt den Kampf unter den Ärmsten der Armen als letzte Auswirkung der Wirtschaftskrise und der Ideologien – und als bitter-groteske Sozialkomödie. Die überraschendste und extremste Figur aber ist die junge Darstellerin von „Miele“, Valeria Golino, Sterbehelferin. Der Dokumentarfilm „Sacro Gra“ von Gianfranco Rosi gewann den Goldenen Löwen in Venedig. Edoardo Winspeare lässt in „In grazia di Dio“ vier Frauen auf dem Lande einen Ausweg aus dem wirtschaftlichen und familiären Ungemach suchen – in der Rückkehr zur Ökonomie des Tauschs. „L’intrepido“, der Unverzagte, nimmt schließlich jede Beschäftigung an: Gianni Amelios Porträt eines merkwürdig glücklichen Menschen. | www.cinema-italia.net ++++++++++++++++++++++++


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Eine Branche wie jede andere? Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Mainfranken von Christine Weisner

Ist eine Künstlerin oder ein kreativ Schaffender ein useless dog, ein nutzloser Hund? Diese provokante Frage stellte der tanzSpeicher erstmals vor drei Jahren. Die Antwort, zu der das Rede-Ballett gelangte, war ein klares Nein. Mit einem naturgemäß sachlicheren und auch breiteren Ansatz beackert die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung seit einiger Zeit ebenfalls dieses Feld. Sie gibt auch in Würzburg Einzelberatungen für Künstler. Die Region Mainfranken GmbH beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Thema: Das mag manchen überraschen, denkt man doch bei den Stichwörtern Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung nicht automatisch an die Kultur.

Wirtschaftsförderung für Künstler? Die Region Mainfranken GmbH umfasst die Städte Würzburg und Schweinfurt, sieben Landkreise sowie die Wirtschaftskammern. Sie unterhält ein eigenes Fachforum Kultur, als dessen fachlicher Sprecher Muchtar Al Ghusain, der Kulturreferent Stadt Würzburg, fungiert. Das Fachforum hat eine Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Mainfranken in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse jetzt im Entwurf vorliegen. Erstellt wurde die Studie an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf, bis 2009 bekannt als Fachhochschule Weihenstephan. Die verfügt über den Masterstudiengang Regionalmanagement, die Studie erarbeitete aber ein fächerübergreifendes Team aus Raum-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern. Die Autoren stützen sich dabei auf den Begriff der Kultur- und Kreativwirtschaft (KuK), wie ihn auch die Bundesregierung in ihrer Initiative verwendet. Schaut man sich diese Definition näher an, erschließt sich schnell die Verbindung zur Wirtschaftsförderung. Demnach gehören zur Kulturwirtschaft die Märkte Architektur, Kunst, Presse und Buch, die Wirtschaftsbereiche Design, Film, Musik und Rundfunk und schließlich Darstellende Kunst. Die Kreativbranchen sind Werbemarkt und Software/Games-Industrie. Letzter umfasst das Programmieren und das Design von WebseiKulturGut 16 | Seite

ten ebenso wie die Entwicklung von Spielen. Zu jedem Teilmarkt gehören Künstler, Kreative und alle an der Verwertungskette Beteiligten. So zählen zum Buchmarkt Schriftsteller und Buchhandel, Literaturagenten, Übersetzer – und Buchbinder. Der Fokus liegt dabei auf privatwirtschaftlichen Aktivitäten, deshalb gelten städtische Theater nicht als Teil des Marktes für Darstellende Kunst. Betrachtet man die elf Teilmärkte als Ganzes, entsteht das Bild einer auch zahlenmäßig bedeutsamen Branche, der eine erhebliche Zukunftsfähigkeit attestiert wird. Die mainfränkische Studie geht von der Prämisse aus, dass, bedingt durch den demografischen Wandel, die Regionen heute bereits um Einwohner konkurrieren. KuK spielt dabei eine doppelte Rolle. Erstens ist sie nützlich für anderes. Kultur stärkt das Heimatgefühl und die lokale Identität. Zudem macht eine lebendige Szene eine Region für Fach- und Führungskräfte attraktiv, was bei Betrieben die Neigung erhöht, sich in einer solchen Region anzusiedeln. Zweitens ist die Kultur selbst ein bedeutender Wirtschaftszweig, in dem zahlreiche Menschen arbeiten. Deshalb liegt es nahe, dass sich die Wirtschaftsförderung auch dieser Branche annimmt und sich beispielsweise fragt, ob freischaffende Künstler ein Auskommen haben bzw. welche Faktoren zum wirtschaftlichen Erfolg von Künstlern beitragen können.

Was ist eigentlich Mainfranken? Die Studie gliedert sich entlang der angewandten Methoden in zwei große Abschnitte. Der erste Teil stützt sich auf die Befragung von 35 so genannten Schlüsselakteuren aus der KuK. Die wurden nach Kriterien ausgewählt, die eine in jeder Hinsicht repräsentative Auswahl sicherstellen sollen. Inhaltlich fragten die Interviewer natürlich nicht nach Lust und Laune, sondern hielten sich an einen genau ausgearbeiteten Fragenkatalog. Dabei rückte schnell die Frage nach der Identität Mainfrankens in den Fokus – eine schwierige Frage. Der Begriff Mainfranken lässt sich seit dem 19. Jahrhundert belegen. Von den Nazis für den Namen ihres Gaus vereinnahmt, war der Begriff nach 1945 zunächst desavouiert, erlebte dann aber eine Renaissance. Orientiert man sich an den Ge-

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Kreative Wirtschaft: „Dreigroschenoper“ am Theater am Neunerplatz, „Central Park“ von Elvira Lantenhammer (vorige Seite).

sellschaftern der Region Mainfranken GmbH, reicht Mainfranken bis an die nördliche Grenze des Landkreises Rhön-Grabfeld, umfasst im Süden den Landkreis Würzburg, im Westen Main-Spessart und im Osten den Landkreis Haßberge. Nicht jeder der Interviewten teilte diese geografische Vorstellung. Auch beim Thema mainfränkische Identität zeigten sich neben der schönen Flusslandschaft, der historischen Architektur, den landschaftsprägenden Bildhauerarbeiten und dem Weinbau kaum Gemeinsamkeiten. Ins Positive gewendet konstatieren die Autoren der Studie hier ein großes Potenzial: Sie schlagen vor, den Begriff Mainfranken stärker in Richtung eines „gemeinsamen Kulturraumes der Vielfalt“ zu entwickeln.

Zahlenvergleich Die Statistiken der Studie stammen teils von Finanzämtern und erfassen nur Betriebe oberhalb der Umsatzsteuergrenze. Das hat den Nachteil, dass künstlerische Einzelkämpfer, die sich mit Jahresumsatz von weniger als 17.500 Euro am Existenzminimum entlanghangeln, durchs Raster fallen. Allerdings thematisiert die Studie prekäre Arbeitsverhältnisse in der KuK an andere Stelle. – Interessante Ergebnisse liefern die Vergleiche der bundesweiten und bayerischen Kennziffern mit den mainfränkischen. Hier zeigen sich zum Teil deutliche Abweichungen. Relativ stark vertreten sind in Mainfranken Darstellende Künste, Architektur, Musikwirtschaft, Kunstmarkt und Presse.

Es gibt viel zu tun Insgesamt aber gelangt die Studie zu dem Fazit, dass die Umsatz-, Unternehmens- und Beschäftigungsanteile der mainfränkischen Kulturbranche unter den bayerischen und deutschen Vergleichswerten liegen. „Einzelne Teilmärkte, wie die Software- und Games-Industrie, der Presse- sowie der Architekturmarkt weisen jedoch eine hohe Dynamik auf, sodass die Gesamtentwicklung vielversprechend erscheint.“

Die Studie endet mit einer SWOT-Analyse, an die sich Handlungsempfehlungen anschließen. Beide enthalten lange Listen mit zahlreichen Gesichtspunkten, so dass hier nur einige wenige herausgegriffen werden können. SWOT ist die englische Abkürzung für Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Zu den Stärken der Region Mainfranken rechnen die Autoren u. a. die positive Entwicklung der wirtschaftlichen KuK-Kennzahlen, eine hohe Lebensqualität bei geringen Lebenshaltungskosten, einen starken Tourismus, eine hohe kulturelle und kreative Vielfalt und das Vorhandensein von Hochschulen und Akademien mit Angeboten aus dem kreativem Bereich. Dem stehen als Schwächen gegenüber u. a. die große Bedeutung von Teilmärkten, die von Umbrüchen betroffen sind, wie z. B. die Presse durch die Digitalisierung. Zu den Schwächen zählt die Studie auch die Großflächigkeit der Region und eine sehr uneinheitliche demografische Entwicklung, die in einzelnen Landkreisen bereits zu sichtbaren Bevölkerungsverlusten führt, während urbane Zentren, allen voran Würzburg, einen Zuzug verzeichnen. Zur langen Liste der Chancen gehören u. a. Potenziale durch Vernetzung, das gute Image der Region, namhafte, deutschlandweit bekannte Künstler und eine stärkere Verknüpfung von Kunst und Tourismus. Gewarnt wird insbesondere vor den Risiken durch Abwanderung, das betrifft sowohl Unternehmen aus der KuK, deren Bindungen an die Region zu gering sind, als auch KünstlerInnen, die es in die Kulturmetropolen zieht. Zur Abwanderung verlocken auch benachbarte Regionen, in denen sich Cluster für bestimmte Teilmärkte gebildet haben, wie beispielsweise der Münchner Raum mit seiner starken Filmindustrie. Es folgt eine Reihe von Handlungsempfehlungen, die vermutlich nicht alle (gleichzeitig) umgesetzt werden können. Es bleibt aber zu hoffen, dass sich die politisch Verantwortlichen damit auseinandersetzen und dass die Studie zu einer besseren öffentlichen Wahrnehmung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Mainfranken beiträgt.

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lInK: | www.mainfranken.org

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16. Zellerauer Kulturtage

9. bis 12. Oktober, verschiedene Orte Die jährliche Schau der Kunstmachenden im Stadtteil startet im Theater am Neunerplatz (18.30 Uhr) und geht tags drauf in den Neubau des Fraunhofer-Instituts (19 Uhr) – insgesamt fünf Programmpunkte mit freiem Eintritt, wenn man die Zaha-Hadid-Architektur des Laborhauses nicht als eigenen Punkt betrachtet. Das Ganze kulminiert am 11. und 12., 14 bzw. 11 Uhr, auf dem kommenden – und ja längst existierenden – Kreativgelände Bürgerbräu. Da lässt sich am Samstagnachmittag das Waschhaus kennen lernen, denn dort spielt der Blues. Um 15 Uhr bricht Willi Dürrnagel zu einer Stadtteilführung auf. Sonntag steht die Maschinenhalle mit ihrem Künstlermarkt „Artbrew“ im Fokus (16 Uhr spielt hier KulturGut-Beirat Gunther Schunk den Bass bei der Band Mucho Mojo). Um 15 Uhr stellt die Sektkellerei in den alten Eiskellern ihre aufrüttelnde Methode vor, gleichzeitig führt Mitbesitzer und Architekt Roland Breunig durch die Baustellen. | www.wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Erinnerungskultur

17. Oktober, 7 Uhr, Treff: Taxistand Hauptbahnhof Das Kulturreferat lädt nach Ravensburg (Foto: Praefcke) ein. Neue und modernisierte Museen machen die Stadt zu einem der interessanten Erinnerungskulturträger Süddeutschlands außerhalb der Metropolen. Es geht mit dem Architekten Oliver Mack (space4, Stuttgart) durch das Ravensburger Geschichtslabor und ins Kunstmuseum mit seinem Expressionismus und den Künstlergruppen

Termine |

Spur und Cobra. Der Neubau gilt als das weltweit erste Passivhaus-Museum. Rückkunft in Würzburg voraussichtlich 20 Uhr, Unkostenbeitrag 20 Euro inkl. Busfahrt, Anmeldung: kulturamt@stadt.wuerzburg.de oder (0931) 372210.

Mit diesem Allerseelen-Nachmittag endet die Saison der Stadt(ver)führungen, die die Fremdenführer besonders für Einheimische unternahmen. | www.wuerzburger-gaestefuehrer.de

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Stadt im Umbruch

26. Oktober, 16 Uhr, Kellerperle

Umwelt 2014

18. und 19. Oktober, 10 Uhr, HWK Dieselstraße Zur vierten Energiemesse bei der Handwerkskammer zeigt die Erfahrung: Hier finden Häusle-Besitzer und -Sanierer das, was sie suchen. Deswegen sind viele frühere Aussteller wieder mit dabei. Sie stellen ihre Dienste in halbstündigen Vorträgen vor, die bei den rund Tausend Besuchern der „Umwelt“ bisher durchaus auf Interesse stießen. | www.umwelt2014wuerzbuerg.messe.ag ++++++++++++++++++++++++

Memento Mori

2. November, 15 Uhr, Haupteingang Hauptfriedhof „Baudenkmäler erzählen Geschichte(n)“ nennt die Gästeführerin Doris Jäger-Herleth ihren kulturgeschichtlichen Spaziergang vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Grabmäler (Foto: Bestle) erinnern nicht nur an Verstorbene und ihre Schicksale, sie machen auch anschaulich, wie jede Zeit nach ihren Formen sucht, mit der Endlichkeit des Lebens umzugehen. Figuren, Inschriften und Symbole wenden sich mit ihren Botschaften – vom Totentanz bis hin zum unscheinbaren Schmetterling – an den Betrachter. KulturGut 16 | Seite

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Global denken, aber nicht mitmachen: Relokalisierung heißt ein Schlagwort der Bewegung Transition Town, die vom schönen Irland ausging und in Würzburg im Keller unter der Stadtmensa ankam. Regelmäßig treffen sich dort Menschen, denen ein postfossiles Leben am Herzen liegt. Und sie wollen es jetzt. | www.kellerperle.de ++++++++++++++++++++++++

Messe des Teilens

24. Januar, 14 Uhr, Matthias-Ehrenfried-Haus Das Mehrgenerationenhaus und der Bund Naturschutz organisieren eine kleine Messe für „Leben und Wohnen in Gemeinschaft“ in dem katholischen Bildungszentrum, das wegen seiner vielen Zielgruppen und derer Integration selbst den Titel Mehrgenerationenhaus trägt. Auf dieser Ideenbörse präsentiert sich u. a. die Gruppe um den Architekten Hermann Wördehoff, die gleich ein ganzes Ensemble von Häusern für Familien und Ältere in Oberdürrbach plant. Car-Sharer, Gartengemeinschaften und Wandergruppen sind ebenso eingeladen. | www.me-haus.de ++++++++++++++++++++++++


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Das Spiel zum Brot Die neu gegründete Kulturtafel Würzburg schenkt armen Leuten Eintrittskarten von Christine Weisner / Foto: Benjamin Brückner

„Unsere Gäste sehnen sich nach Kultur“, berichtet Regine Räder, die Vorsitzende des Trägervereins Kulturtafel. „Sie haben zum Beispiel früher gerne das Theater besucht und konnten sich das dann einfach nicht mehr leisten. Für sie ist es ein großes Ereignis, wenn sie nach Jahren endlich wieder eine Vorstellung erleben können.“ Und noch etwas ist ihr sehr wichtig: „Wir sehen bei unserer Arbeit immer wieder, dass es jeden treffen kann, wie schnell man aus seiner scheinbar gesicherten Existenz herausgeschleudert wird.“ Scheidung, Arbeitsplatzverlust oder Krankheit können Menschen in dauerhafte Armut treiben. Auch Rentner und viele Alleinerziehende befinden sich unter den Gästen der Kulturtafel. Sie vermittelt kostenlose Tickets, beispielsweise fürs Mainfranken Theater, ein Konzert im Omnibus oder eine Führung im Kulturspeicher. Damit das gut funktioniert, haben die Mitarbeiter eine Struktur aufgebaut, die sich an Kulturtafeln in anderen Städten orientiert. Bamberg hat schon seit knapp drei Jahren solch einen Service, Schweinfurter zogen Anfang 2014 nach. KulturGut 16 | Seite

Möchte jemand Kulturgast werden, füllt er oder sie zunächst ein Anmeldeformular bei einem der Kulturtafel-Sozialpartner aus. Dazu zählen neben kirchlichen Hilfseinrichtungen der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Jobcenter, das Sozialamt oder auch die Würzburger Tafel, die die materiellen Güter unter Bedürftigen verteilt. Diese Sozialpartner prüfen die Berechtigung, helfen aber auch noch bei einer weiterer wichtigen Aufgabe: Sie machen das Angebot genau bei den Menschen bekannt, die davon profitieren können.

Diskretion statt Diskriminierung Ehrenamtliche Mitarbeiter der Kulturtafel erfassen die Anmeldungen in einer Datenbank. Dabei halten sie auch fest, welche Interessen die Gäste haben, wer auch kurzfristig kommen kann oder wer einen längeren Vorlauf braucht. Stehen Eintrittskarten zur Verfügung, zeigt die Datenbank an, wer dafür infrage kommt und wer an der Reihe ist. Das Ticket wird auf den Namen des

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Gastes an der Abendkasse hinterlegt und unterscheidet sich nicht von anderen Karten, so dass die Diskretion gewährleistet ist.

Auf dem grünen Rasen Bei der Suche nach Eintritt-Stiftern stießen die Tafel-MitarbeiterInnen „häufig auf offen Türen“, so Räder: Mainfranken Theater und Bockshorn, viele freie Theater, Mozartfest und Bachtage, mehrere Chöre, das Kino Central, die Museen im Kulturspeicher und am Dom, aber auch Sportvereine wie die Würzburger Kickers und s.Oliver Baskets – denn der Würzburger Kulturtafel geht es um Teilhabe an Kultur auch im weiteren Sinn. So denkt man auch daran, künftig Kurse und Seminare ins Angebot aufzunehmen. Mit den Tickets allein ist es nicht getan. Die Kulturtafel muss Telefonkosten zahlen, Software und Drucker für Flyer. „Ganz wichtig ist für uns die Unterstützung z. B. durch das Kulturreferat der Stadt, die VR-Bank und einige Privatpersonen“, berichtet Räder. Die evangelische Kirche stellt neben der ESG einen Büroraum zur Verfügung und im Schröder-Haus einen Raum für Sitzungen. Dennoch braucht die Tafel weitere Sponsoren. Regine

Räder erhielt den entscheidenden Impuls bei einem Besuch in München. Schon zuvor hatte die pensionierte Religionspädagogin im Konzert oder im Theater oft an die Menschen denken müssen, die sich so etwas nie leisten können. Jetzt sah sie ein konkretes Projekt und fasste den Plan, in Würzburg etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Auf der Suche nach Mitstreitern wandte sie sich an das Kulturreferat der Stadt und lernte Elisabeth Prein kennen. Die betrieb im Alleingang mit dem Mainfranken Theater die Würzburger Theatertafel. Die beiden Frauen taten sich zusammen und fanden weitere Mitstreiter, so dass die Vorbereitungen rasch Fahrt aufnahmen. Im April dieses Jahres konnten die ersten Tickets vermittelt werden, im Mai wurde der Trägerverein gegründet, der Spenden sammelt und über Mitgliedsbeiträge die Arbeit unterstützt. 25 Ehrenamtliche treffen sich regelmäßig, um die Arbeit zu organisieren. Die Gruppe ist bunt gemischt, einige sind selbst Kulturgäste, was Regine Räder besonders freut, denn: „Mir geht es darum, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.“ LInK: | www.kulturtafelwuerzburg.wordpress.com

Kultur gibt es nicht nur im Lesesaal der Stadtbücherei gratis. KulturGut 16 | Seite

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Aus sieben mach 14 Der neue Kulturbeirat spricht in vielen Stimmen. Wenn sie nur vernehmlich genug sind, wird das dem Leben in der Stadt nützen von Joachim Fildhaut / Foto: Benjamin Brückner

Jede Kunstsparte hat Vertreter im Kulturbeirat der Stadt. Im neuen Beirat wurde die Zahl dieser Sparten mehr als verdoppelt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Rede ist vom Beirat, nicht vom Kulturausschuss. Letzterem gehören ausschließlich Stadtratsmitglieder an, die über Gutachten abstimmen, die dann dem Stadtrat zur Verabschiedung vorgelegt werden. Der Kulturbeirat hat ebenfalls einige Fraktionsmitglieder. Ihm gehören zudem die LeiterInnen städtischer Kultureinrichtungen und Vertreter von Kunst, Musik, Theater u.s.w. an. So wie die Antike sieben Freie Künste kannte, repräsentierten die Spartenvertreter im Beirat ehedem ebenfalls sieben Bereiche: Bildende Kunst, Literatur/Medien, Musik, Theater, Schulen, Hochschulen sowie den Dachverband freier Würzburger Kulturträger. Jetzt haben wir 14 Kultursparten. Das heißt nicht, dass das Gremium sich personell verdoppelt hätte. Denn es besteht ja nicht nur aus diesen „Freien“, sondern auch aus den „geborenen Mitgliedern“ aus den städtischen Dienststellen und Fraktionen, deren Zahl konstant blieb. Vor allem: Bisher hatten die meisten Sparten zwei Vertreter, machte zusammen elf. Mehr als 16 sind es jetzt auch nicht.

Interessant ausdifferenziert und ebenso besetzt Die Bildung wurde hochgehängt: Früher hatte die Sparte „Schulen bzw. Hochschulen“ zwei Vertreter, jetzt sind Schulen und Hochschulen getrennt, jede Gruppe hat zwei. So sind Grund-/ Mittel- und Oberschulen nebeneinander präsent. Das Hochschulressort hat inkl. Stellvertretern Uni, FH und Musikhochschule an Bord. KulturGut 16 | Seite

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Die neue Verteilung könnte als Ergebnis von Proporzdenken erscheinen. Dass die ehrenamtlichen Beiräte solch ein breites Spektrum von Bildung repräsentieren, eröffnet dem Rat und der Verwaltung jedoch vielmehr die Chance, sicher eine Expertenstimme abzubekommen, zumal unter dem Namen „Kinderkultur“ noch die Kunsterzieher der JuKu Karawane (bzw. als Vertreter eine Museumspädagogin) hinzukommen. Die viele Bildung deutet drauf hin: Die Kulturleute pflegen den Nachwuchs – angesichts der dominant Grauhaarigen in Theater- und Konzertsälen ist es sicher klug, auch beim Zuschnitt eines kommunalpolitischen Gremiums an die Förderung eines künftigen jungen Publikums zu denken. Ein zweiter Befund ist noch erfreulicher: Waren von den ehemals elf freien BeirätInnen sechs in – meist gehobener – Verbandsfunktion tätig, so blieb davon einer, naturgemäß der Dachverband. Ansonsten griff die Neuberufung mitten in die Ateliers und Proberäume. Die Stadt kann sich darauf verlassen, dass ihre neuen ehrenamtlichen Berater nicht in erster Linie an ihre eigenen Klienten denken, sondern einen freieren Kopf haben. Drittens wurden die klassischen Kunstgattungen differenziert. Zu Kunst, Musik, Theater, Literatur treten künftig Soziokultur (vertreten durch Manou Wahler, Kunst im Öffentlichen Raum, stv. Andreas Emmerling aus der Kellerperle), Medien (Heidrun Podszus, Kino Central, bzw. KulturGut-Fotograf Benjamin Brückner), Geschichte (mit Schwerpunkt auf Erinnerungskultur durch Dr. Bettina Keß, stv. Dr. Roland Flade), Kreativwirtschaft (KulturGut-Beirat Gunter Schunk, stv. Tilman Hampl) und Religionsgemeinschaften (Kirchenmusikdirektor Christian Heidecker). So heterogen das scheint: Sämtliche Genannten stehen für Kulturereignisse, die fest im Alltag – oder beim St.-Stephan-Kantor Heidecker im Sonntag – wurzeln. Eben das – und ihr unverstellter, frischer Blick – könnte den Rat dieser ExpertInnenrunde künftig deutlich aufwerten. KulturGut 16 | Seite

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Würzburg bleibt „Stadt der jungen Forscher“ Hoch- und allgemeinbildende Schulen setzen ihre enge Zusammenarbeit fort von Pirmin Breninek / Fotos: Khoa Doan

Würzburg hat es geschafft. 2013 setzte es sich beim bundesweiten Wettbewerb „Stadt der jungen Forscher“ durch. Der Preis: 65.000 Euro Fördergelder für Kooperationen zwischen Hochschulen und Schulen. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit wurden beim Campusfestival Anfang Juli präsentiert. Davon überzeugten manche so sehr, dass sie auch in Zukunft fortgeführt werden. KulturGut 16 | Seite

Ein heißes Juliwochenende auf dem Campus am Hubland. Wo sich ansonsten Studenten schwerbepackt mit ihren Büchern über den heißen Asphalt schleppen, ist der Altersdurchschnitt heute deutlich jünger. Viele Kinder und Jugendliche sind gekommen. Einige von Ihnen stellen Ihre Forschungsprojekte vor. Fast ein ganzes Schuljahr lang haben sie in Kooperation mit den Würzburger Hochschulen geforscht. „Die einzige Vorgabe von uns war,

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dass Hochschule und Schule über einen Zeitraum von mindestens acht Wochen miteinander arbeiten. Inzwischen stehen einige von ihnen seit über eineinhalb Jahren in Kontakt“, hält Nadine Bernard vom Kultur-, Schul- und Sportreferat stolz fest. Zusammen mit Monika Hahn, Wissenschaftsbeauftragter im kommunalen Betrieb Congress Tourismus Wirtschaft, hatte sie 2012 das Projekt in die Wege geleitet.

Die Initiative der Schulen Bei der Stadt Würzburg gingen insgesamt 62 Förderanträge von Schulen ein. Bei einer Kooperationsbörse im Oktober 2013 konnten sie ihre Ideen präsentieren und erste Kontakte zur Wissenschaft knüpfen. 50 Projekte bekamen den Zuschlag und wurden aus dem Wettbewerbs-Preisgeld gefördert. Vielerorts wurde vor allem in die technische Ausstattung investiert. Am Deutschhaus-Gymnasium bauten Elftklässler in Zusammenarbeit mit dem Biozentrum der Uni einen digitalen Bienenstock. Am Mathias-Grünewald Gymnasium entwickelten Schüler QR-Apps zur Musikgeschichte der Stadt. Und Röntgen-GymnasiastInnen organisierten einen interkulturellen Austausch mit indischen Gastsstudenten. „Die Zusammenarbeit sah von Projekt zu Projekt anders aus“, erklärt Bernard. „Mal waren die Schüler zu Gast in den Forschungslaboren, mal besuchten Professoren und Studenten die Schulen. In jedem Fall fand ein intensiver Austausch statt.“ Viele Professoren zeigten sich begeistert von dem Einfallsreichtum der Schüler. Deshalb hat sich im Rahmen des Projekts auch das sogenann-

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te „Netzwerk Wissen²“ gegründet. Teil des Netzwerks sind neun Würzburger Hochschul- und Forschungseinrichtungen, die auch weiterhin ihren Bildungsauftrag für junge Menschen wahrnehmen möchten. Sie wollen eine Schnittstelle zwischen Schülern und Forschung sein. Denn einige der Projekte sollen auch in Zukunft Bestand haben. „In jedem Fall soll das erst der Startschuss für eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulen, Hochschulen und Kommune gewesen sein“, meint Bernard.

Campusfest zeigte die Möglichkeiten Im Oktober soll es wieder eine Kooperationsbörse geben, auf der Schulen ihre Ideen vorstellen. Im Anschluss ist erneut ein Förderwettbewerb geplant. Wenn auch in kleinerem Rahmen als im Vorjahr. Schließlich muss die Finanzierung stehen. „Aktuell sind wir auf der Suche nach Geldgebern“, sagt Bernard, die auf Unterstützung aus der Wirtschaft und von Stiftungen hofft. „An erster Stelle soll aber nicht das Geld stehen. Wichtiger ist, dass wir unsere Netzwerkpartner behalten und mit ihnen weiterarbeiten.“ Beim Campusfestival habe man gesehen, was möglich wäre, so Bernard weiter. Dass in Zukunft mit einer ähnlichen Summe Wissenschaft für junge Würzburger greifbar gemacht wird, hält sie jedoch für schwierig. Nichtsdestotrotz blickt sie optimistisch in die Zukunft. „Wir haben viele Partner gewinnen können. Wenn die Konzepte schlüssig sind, finden sich auch immer Geldgeber.“ Davon ist Bernard überzeugt. Das Wichtigste sei, junge Menschen für Wissenschaft zu begeistern.

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Die Stadt hat einen Schatz Ulrich Wagner: Abschied vom Stadtarchiv Würzburg von Susanne Hoffmann / Fotos: Benjamin Brückner

Zum Ende des Jahres scheidet der Direktor des Würzburger Stadtarchivs aus dem aktiven Dienst aus – nach 31 Jahren. Zuvor hatte er das Stadtarchiv von Heidelberg geleitet. Vergleichbare Städte, ähnliche Arbeitsbedingungen? „Im Gegensatz zu Heidelberg sind die stadtgeschichtlichen Bestände in Würzburg seit den ersten Urkunden im 13. Jahrhundert fast vollständig erhalten“, erläutert Dr. Ulrich Wagner den Grund für seinen damaligen Wechsel an den Main. 1979 war das Stadtarchiv Würzburg in die wiederaufgebauten Barockhäuser in der Neubaustraße umgezogen. „Meinem Vorgänger Dr. Heinrich Dunkhase fällt das Verdienst zu, die Räume für Archivzwecke ausgebaut zu haben“, sagt Wagner, „so dass ich 1983 das fortschrittlichste Archivgebäude übernommen habe und damit beste Voraussetzungen vorfand.“ Voraussetzungen wofür? Nun, es galt die Bestände weiter zu erschließen und für eine geregelte Aktenabgabe aus der Verwaltung zu sorgen: „Die Akten werden entsprechend ihrer historischen KulturGut 16 | Seite

Bedeutung durchforstet, davon werden zirka fünf Prozent vom Archiv übernommen, die anderen vernichtet“, so Wagner. Von den 7,5 Kilometern Akten in den Magazinen sind inzwischen alle Urkunden vor 1500, die Musikalien und Teile der geografischen Kartensammlung digitalisiert. Hinzu kam der Aufbau einer stadthistorischen Bibliothek, die inzwischen 42.000 Bände umfasst. „Viele Anfragen lassen sich heute über die Bibliothek regeln, ohne die entsprechenden Dokumente einsehen zu müssen“, sagt Wagner. Unter seiner Leitung machten zahlreiche Publikationen alte Bestände der Öffentlichkeit zugänglich: Die Bischofschronik des Lorenz Fries von 1546, mit fünf Millionen Versicherungswert das wertvollste Buch der Stadt, bezeichnet er als „das erste große Opus“, das von 1992 bis 2004 in 6 Bänden publiziert wurde. Dem folgte zwischen 2003 bis 2007 die dreibändige Würzburger Stadtgeschichte. Um die stadt- und regionalgeschichtliche Forschung voran zu bringen, gibt das Stadtarchiv vier wissenschaftliche Reihen heraus – von der Edition der Würzburger Ratsprotokolle im

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auslagern, z. B. in die Max-Dauthendey Schule. Daneben wünscht er sich, dass die umfangreiche Fotosammlung im Netz gegen Gebühr allgemein zugänglich gemacht wird. Aktuelle Fotografien vom Stadtbild fehlen derzeit noch, dabei wären die für Aufklärung bei der Heimatpflege dringend nötig. Wichtig war Wagner stets das gute Verhältnis zu anderen Kommunen. Bei regelmäßigen Treffen im Arbeitskreis „Kommunalarchive“ beim Bayerischen Städtetag wurden die Aufgaben der Archive diskutiert. Demnächst erscheint eine umfassende Publikation bayerischer Archivare, die über die aktuelle Arbeit und Erfordernisse in den kommunalen Archiven informiert.

Zeit für die Lieblingsthemen Zwei historische Vorlieben hegt Dr. Ulrich Wagner persönlich besonders. Zum Bauernkrieg, dem zentrale Ereignis im 16. Jahrhundert, möchte er unbedingt ein Buch veröffentlichen. Und ihn interessiert der Einmarsch der Amerikaner 1945: Die bildliche Dokumentation dazu sei sehr gut. Wagners Begeisterung für das Studium historischer Quellen ist ungebrochen. Schon ein gutes Vierteljahr vor der Pensionierung merkt man ihm die Freude an, für seine Lieblingsthemen endlich mehr Zeit zu haben. Wie sagte er noch zum Reichtum der Würzburger Quellen? „Die Stadt besitzt damit einen großen Schatz!“

15. Jahrhundert bis zu einer Schrift über die Würzburger Bürgermeister im 19. und 20. Jahrhundert. „Für die Publikationen haben wir einen festen Ansatz im Verwaltungshaushalt der Stadt“, erläutert Wagner die Finanzierung: „Doch das reicht bei weitem nicht aus. Dazu kommen Gelder von Stiftungen.“ Damit wurde manche Doktorarbeit, beispielsweise in der Wirtschaftsgeschichte, vom Stadtarchiv publiziert und mitfinanziert.

Bauernkrieg und Army-Einmarsch In den 1980er Jahren wurde mit dem Aufbau des jüdischen Dokumentationszentrums begonnen, das heute als Johanna-StahlZentrum eine selbständige Einrichtung ist. Ausstellungen in den Greising-Häusern geben immer wieder interessante Einblicke in die Stadtgeschichte. Und die Zukunft? „Das Archiv braucht noch mehr Platz“, sagt der scheidende Direktor. Manche Akten mussten seine Mitarbeiter KulturGut 16 | Seite

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 weitere Informationen: www.kulturgutwuerzburg.de

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Wissenschaft |

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Bauernkrieg in Franken

10. Oktober, 10 Uhr, Festung Marienberg Namhafte Historiker analysieren in kurzen Vorträgen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des Massenaufstands an der Schwelle zur Neuzeit. Anmeldung: Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit, k.raeth@uni-wuerzburg.de | www.mainfraenkisches-museum.de ++++++++++++++++++++++++

Leichtbau

15. Oktober, 15 Uhr, Experimentarium Im Labor im Josef-Martin-Weg 52 auf dem Hubland-Campus Nord geht es um Materialien für Zukunftstechnologien. | www.vhs-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Aufrecht im Gegenwind 17. Oktober, 15 Uhr, Uni Wittelsbacher Platz

Urte von Maltzahn-Lietz war erst 17, als die Mauer fiel. Weil ihre Eltern aktiv in der Opposition waren, musste sie von der Schule und Einzelhandel lernen. Inzwischen studierte Kulturarbeiterin, sagt sie: „Was Menschen ohne Gewalt bewirken konnten, gehört zu den ganz seltenen Erfahrungen, die man in seinem Leben machen kann.“ Diesen biografischen Spuren ging sie in einem Zeitzeugenprogramm nach und veröffentlichte sie mit SchicksalsgenossInnen in dem Buch „Aufrecht im Gegenwind“. Mit einer Lesung und Aussprache beschließt sie ein Fortbildungsprogramm der Religionspädagogen. | www.urte-von-maltzahn-lietz.de

Termine |

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Leseförderung in Deutschland

Mobile Media Day

Die Stiftung Lesen will „Lesefreude wecken, um Lesekompetenz zu vermitteln“. Von den drei Geschäftsführern der in Mainz ansässigen Stiftung steht Sabine Uehlein am meisten im Alltag von Freude und Kompetenz, denn sie ist Geschäftsführerin für Programme und Projekte. Eben die werden also von höchster Hand im Großen Weinkeller am Marienplatz vorgestellt, spricht Uehlein doch über „Leseförderung in Deutschland: nicht Option, sondern Muss. Die Initiativen der Stiftung Lesen.“ Nun ist der Abend zwar eine Veranstaltung der Gesellschaft für deutsche Sprache, aber ein öffentlicher Vortrag, keine „Sprachrunde“. Diese gemütlichen Treffen beginnen erst etwas später wieder, ab 11. November im kleinen Weinkeller des Greifenstein. | www.stiftunglesen.de ++++++++++++++++++++++++

Würzburgs Medienhäuser, IT-Firmen, Hochschulen und Studierende arbeiten am oder mit dem mobilen Einsatz von Kommunikations-Endgeräten, und das zusehends selbstverständlicher. Damit hinten etwas Gutes rauskommt, schuf ihnen die Landeszentrale für Neue Medien ein Forum, das 2013 bereits einmal im Vogel Convention Center den Austausch beflügelte. Sieben Präsentationen von Musterbeispielen, ja, man könnte sich beinahe hinreißen lassen zu sagen „Best Practices“, drei Kurzvorträge und eine Podiumsdiskussion füllen den langen Nachmittag der „Apps Future Trends“, so der Untertitel der Walkie-Surfie-Visionsveranstaltung, zu der als einer der sicherlich prominentesten Redner Microsofts „Technical Evangelist“ Daniel Meixner erwartet wird. Ab 20.30 ist der oder das After Work in der Co-Working-Station von Moderator Tilman Hampl (Foto). | www.mobilemediaday.de

Gebetbuch in Virginia

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22. Oktober, 20 Uhr, Greifensteiner Hof

29. Oktober, 19.30 Uhr, Diözesanarchiv Kurz vor der Reformation, nämlich um 1500, und in späteren protestantischen Kernlanden, in Nürnberg, wurde ein Gebetbuch geschrieben, das heute der Universität von Richmond (Virginia) gehört. Der Würzburger Historiker Prof. Helmut Flachenecker ist Bezirksvorsitzender des Frankenbunds, der für diesen Abend verantwortlich zeichnet. Flachenecker wirft einen Blick in die Glaubenspraxis am Vorabend der Reformation und erzählt, warum das Papier diese Amerikareise unternahm. | www.frankenbund.de KulturGut 16 | Seite

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3. Dezember, 12.30 Uhr, VCC

Fraw von Hymel

12. Dezember, 16.30 Uhr, Zentralbibliothek am Hubland Husefack ist Frau von Hymel? „Die Fraw von Hymel und der Amme Brautgabe“ heißt die „Reise vom Einblattdruck zur modernen Illustrierten“, die die Unibibliothek von ihrer Informationstheke aus unternimmt. Für die Führung durch die Abteilung „Handschriften und Alte Drucke“ ist keine Anmeldung erforderlich. | www.bibliothek.uni-wuerzburg.de


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Interkultur |

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Termine |

Orientalisch-europäische Kulturgeschichte

3. Internationales Literaturfest

Der Orient fängt nicht, wie es am Wiener Stefansdom heißt, hinterm dritten Bezirk an, sondern ist mitten unter uns. Referent Matthias Hofmann spricht geradezu von einer „arabischeuropäischen Kultur“, die Europa „in einem enormen, aber meist verkannten Maß geprägt“ habe. Statt eines „Kampfs der Kulturen“ will sein Vortrag Verständnis für Gemeinsamkeiten wachrufen. | www.vhs-wuerzburg.info

Schreiber aus der Region stellen sich mit 20-minütigen Lesungen vor – in so vielen Sprachen, wie Nationalitäten vertreten sind. Bei auswärtigen Rezitationen wird der Inhalt in Deutsch eingeblendet. Besonderes Hörvergnügen hat, wer des Spanischen mächtig ist, denn die Gruppe Despertar organisiert das Fest, d. h. die Spanischsprechende Gesellschaft Würzburg. Deren rund 100 Mitglieder aus 18 Ländern sind sämtlich bilingual, gehen auf spanischsprechende Stammtische, sehen Filme in „OF: E“ oder kochen zusammen und die DespertarLiteraturwerkstatt bespricht Bücher aus Spanien, Lateinamerika oder Deutschland. Ziel: die Integration von Neuankömmlingen fördern, das gegenseitige Interesse der verschiedenen Völker und den Austausch der Kulturen untereinander wecken. Despertar nimmt daher an vielen Aktivitäten der Stadt Würzburg teil, z. B. am Internationalen Frühlings- und Kinderfest. | www.despertar.de

15. Oktober, 19 Uhr, VHS

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Spuren globaler Vielfalt in Würzburg

3. November, 19 Uhr, Kolping-Akademie Keine der dargestellten Personen auf der alten Mainbrücke wurde auf dem Gebiet des heutigen Deutschland geboren. Die ersten Würzburger kamen aus Afrika und der Bocksbeutel stammt aus Persien. Götz Daniel Kolle hält Würzburg für „ein wunderbares Beispiel für das Zusammenfließen von Wissen, Fertigkeiten und Kulturen aus der ganzen Welt“. Sein Vortrag ist eine virtuelle Reise für alle, „die die Welt in Würzburg und Würzburg in der Welt kennenlernen möchten“. Der Politologe und Historiker arbeitet nach zahlreichen Reisen und Arbeitsaufenthalten in Asien und dem Mittleren Osten seit 15 Jahren als Dozent in der internationalen Jugend- und Erwachsenbildung. | www.kolping-akademie-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

22. November, 16 Uhr, Matthias-Ehrenfried-Haus

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Akademie-Wochen

bis 27. November, Kolping-Akademie Im letzten Jahr begann das Haus am Kolpingplatz (oberhalb Grabengasse, Nähe Barbarossaplatz) mit einer interkulturellen Reihe, stieß damit auf großes Interesse und legte diese Wochen nun neu auf. Der Bogen ist weit gespannt: vom Mozart-Konzert (der Komponist als Crossover-Barockmusiker, war schon) bis zum Mutmach-Seminar:

Am 16. Oktober, 19 Uhr, ermuntert Kolping-Holding-Chef Peter Majercik aus Bamberg andere Personaler dazu, sich auf internationale Arbeitskräfte einzulassen. Am 8. Oktober um 16 Uhr eröffnet die Ausstellung „Weltreligionen – Weltfrieden – Weltethos“. Damit ist das Weltethos-Institut zu Gast, das seit knapp 20 Jahren für gemeinsame Normen, Ideale und Ziele über alle Religionsgrenzen hinweg wirbt. | www.kolping-akademie-wuerzburg.de ++++++++++++++++++++++++

Thomas Meyer

6. Dezember, 20 Uhr, Theater am Neunerplatz „Wolkenbruchs wundersame Reise in die Arme einer Schickse“ heißt der Roman, in dem ein junger Zürcher Jude von seiner Mame verkuppelt werden soll, aber – siehe Titel. Der Leser fragt sich einige Dutzend Seiten lang, ob Juden derart mit Klischees über sich selbst um sich werfen sollten, und erinnert sich dann an Dani Levy. In dessen Film „Alles auf Zucker“ kommt Zuckers Schwägerin der Mama Wolkenbruch recht nahe. Vor allem tut es einfach nur gut zu verfolgen, wie Söhnchen Wolkenbruch sich aus der Konvention befreit. Der Romanautor Thomas Meyer verwendet für die Schilderung der Abenteuer seines Helden viele jiddische Vokabeln, mit denen er auch in seinen Lesungen wohlklingend webt. In Kombination mit seinem schweizerischen Zungenschlag ergibt das eine äußersrt herzige Mischung. | www.neunerplatz.de ++++++++++++++++++++++++

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Über die Tellerränder Die Uni hat eine vorbildliche Stelle für Verständigung in unserer globalisierten Welt. Nun macht eine neue Finanzpolitik der GSiK das Leben schwer Text und Foto: Joachim Fildhaut

Sie hatten etwas Erhebendes, die Tage für „Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz“. Foyer und Galerie der Neuen Uni schwärmten wie ein internationaler Bienenkorb, launige Ansprachen im großen Hörsaal stimmten auf Übungen aller Art ein. Dann verteilten sich Hunderte von Studierenden zum Training in die Seminarräume: Wie gehe ich mit dem Fremden um? -Zig pädagogische Methoden knüpften an dieser Frage ihre Übungen an. So wurden Studierende auf ein Akademikerleben in der vernetzten Welt vorbereitet. Aha-Effekte stellten sich im Minutenturnus ein. Wenn eine Medizinerin und ein Musiker oder ein Indologe und eine Juristin an einer Aufgabe knobeln, schon dann erweitert sich auf jeden Fall immer der Lösungsraum, in dem sich das Denken bewegt. Vom Schwung dieser Großveranstaltung ist immer noch etwas geblieben. Aber die Ausrichter brauchen derzeit vor allem Energie, um um ihre Existenz zu kämpfen. Denn die Übungen in globalen Systemen und interkultureller Kompetenz (GSiK) wurden aus den Studiengebühren finanziert, die mittlerweile bekanntlich auch in Bayern abgeschafft wurden. Und die Kompensationsmittel reichten nicht, um das Angebot der Vergangenheit aufrechtzuerhalten. Das waren 2011, im dritten Jahr dieser Initiative, immerhin 60 Kurse – plus der bunte Schnuppertag im Frühjahr mit vielen Kurzseminaren. Das Gesamtbudget betrug damals eine knappe halbe Million Euro. Es musste zwar jährlich neu bewilligt werden, aber immerhin gab es einen gemeinsamen Topf für fakultätsübergreifende Projekte.

Eine unerwünschte Dezentralisierung Mittlerweile hat die Uni-Leitung diesen Haushaltsposten der GSiK gestrichen und es ins Belieben der einzelnen Fakultäten gestellt, ob und wie viel Geld diese für fakultätsübergreifende Projekte ausgeben möchten. „Jetzt wird es viel schwieriger“, sagt GSiKKulturGut 16 | Seite

Sprecherin Maria Luisa Mariscal-Melgar, „denn viele Fakultäten planen ihre Mittel erst einmal nur für die eigene Fakultät ein.“

Macht doch mal was über Korea! Um die zehn Fachbereiche und die zwei Zentren für Sprache und Lehrerbildung waren früher mal dabei. Im kommenden Wintersemester sind’s Bio-, Indo-, Sino- und Theologen, Juristen, Slawisten, Sonderpädagogen, Wirtschafts- und Systematische Bildungswissenschaftler. Gehalten wird die Zusammenarbeit mit dem Career Service, einer Uni-Stelle, die das Studieren im Ausland unterstützt. Überzeugungsarbeit hingegen war in einer Fakultät zu leisten, die zwar fakultätsübergreifende Veranstaltungen unterstützen wollte – aber nur für Studierende der eigenen Fakultät. Das Angebot sank auf ein Drittel des früheren Umfangs. Dabei zählte die Juristin Mariscal 100 besorgte Anfragen von Studierenden, ob sie künftig Kompetenzübungen machen könnten, um die letzten Punkte für ein entsprechendes Zertifikat zu bekommen. Auch die Industrie bekundete Interesse. Ein Auto-Zulieferer schlug der Uni vor, doch einmal gezielt etwas über Korea zu machen.

Heute fehlt der Mittelbau Noch eins erschwert das Management. Mariscal erzählt, die GSiK sei im Wesentlichen vom akademischen Mittelbau getragen gewesen – bis hier viele Stellen gestrichen wurden. Jetzt haben viele Aktive nur noch Dozentenverträge, sind seltener an der Uni präsent und es ist folglich schwerer, ein gemeinsames Projekt mit ihnen zu organisieren. Und die Kompetenzförderer müssen mit jeder einzelnen Fakultät verhandeln.

LInK: | www.jura.uni-wuerzburg.de

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Gute Stimmung beim GSiK-Tag 2011. Ob es die Stelle für „Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz“ nach dem Wintersemester noch gibt, ist völlig offen.

InFo: „Interkulturelle Kompetenz“ umfasst weitere Bereiche als das – geläufigere – Kommunikationstraining. Letzteres informiert über Verhaltensmaßregeln im Ausland. Interkulturelle Kompetenz untersucht auch die Hintergründe und Zusammenhänge solcher konkreter praktischer Beobachtungen und reflektiert das eigene Selbstverständnis. KulturGut 16 | Seite

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Herausgeber und V.i.S.d.P.: MorgenWelt Würzburg GmbH Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon 09 31 32 999 0 und Kulturreferat der Stadt Würzburg Rückermainstraße 2 97070 Würzburg Redaktionsadresse MorgenWelt Würzburg GmbH: KulturGut Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Telefon 09 31 32 999 0 Internet: www.kulturgut-wuerzburg.de

Anzeigen: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Stefan Luz, Telefon 0931 32999 11 Theresa Schmitt, Telefon 0931 32999 13

Chefredaktion, Konzept: Iris Wrede

Druck: Schleunungdruck GmbH, Marktheidenfeld

C. v. D.: Joachim Fildhaut Mitarbeiter: Pirmin Breninek, Jürgen Grafelmann, Claudia Henning-Jaspers, Stefan Hetzel, Susanne Hoffmann, Henrike Holsing, Christian Neubert, Gabriele Polster, Daniel Staffen-Quandt, Michaela Schneider, Christine Weisner.

Auflage: 10.000 Exemplare ISSN 2191-9666

Art Direktion: Melanie Probst

Sonstiges: Alle Veranstaltungsangaben ohne Gewähr. Veranstalter, die Fotos an den Verlag senden, haben eventuelle Honorarkosten zu tragen. Urheberrechte für Anzeigenentwürfe, Vorlagen, redaktionelle Beiträge sowie für die gesamte Gestaltung bleiben beim Herausgeber. Der Nachdruck von Fotos, Zeichnungen, Artikeln und Anzeigen, auch auszugsweise, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Herausgebers. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte, Leserbriefe und Fotos kann keine Haftung übernommen werden. Bearbeitung und Abdruck behalten sich Verlag und Redaktion vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Verlags und der Redaktion wieder.

Produktion & Distribution: MorgenWelt Würzburg GmbH, Gerberstraße 7, 97070 Würzburg Kostenlose Auslage in Kulturzentren, Kinos, Veranstaltungshäusern, städtischen Einrichtungen, Gastronomie und ausgewählten Ladengeschäften

Dank: Wir danken ausdrücklich den Unterstützern und beteiligten Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden, ohne die die Herausgabe dieses Mediums nicht möglich wäre.

Redaktionsbeirat: Anja Flicker, Muchtar Al Ghusain, Stefan Moos, Dr. Rotraud Ries, Hermann Schneider, Dr. Gunther Schunk, Prof. Dr. Ulrich Sinn. Fotos: Benjamin Brückner, KulturGut-Bildarchiv, Veranstalter.

KulturGut erscheint dreimal jährlich in Würzburg.

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KulturGut

KulturGut 16 | Seite

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66 | Würzburg


AB 28. SEPTEMBER 2014 GROSSES HAUS MAINFRANKEN THEATER WÜRZBURG WEITERE PREMIEREN UND KONZERTE IM GROSSEN HAUS: DIE RATTEN von Gerhart Hauptmann Premiere: 18. Oktober 2014 | 19.30 Uhr

DORNRÖSCHEN Ballett von Anna Vita mit Musik von Peter Tschaikowsky WA-Premiere: 31. Oktober 2014 | 19.30 Uhr PETER PAN von James Matthew Barrie Kinder- und Familienstück Premiere: 20. November 2014 | 11.00 Uhr DER ZIGEUNERBARON Operette von Johann Strauss Premiere: 6. Dezember 2014 | 19.30 Uhr

KONZERT ZUM JAHRESWECHSEL Werke von Johann Strauss 30. Dez. 2014 und 1. Jan. 2015 | 19.30 Uhr

CARMEN Oper von Georges Bizet Premiere: 24. Januar 2014 | 19.30 Uhr Karten: 0931 / 3908-124 www.theaterwuerzburg.de


Fö re Fün rd gi f er on pr al oj e ek te

9.. 9 im Vogel Convention Center VCC am 7. November 2014 Beginn 20:00 Uhr

Festival Strings Lucerne Solist und musikalischer Leiter: Daniel Dodds Mit Werken von Mozart und Tschaikowsky

Der gesamte Erlös des Konzertabends geht an fünf soziale und caritative Projekte. Kartenbestellung unter: tickets@wuerzburger-benefizkonzert.de Kartenpreis: 90 Euro

0986 6

www.wuerzburger-benefizkonzert.de

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