Aw german 2013 1011

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F R A G E N

Z U R

B I B E L

Eine Frage des Verleitet die Betonung auf den Gehorsam, den die Bibel zum Beispiel in 5. Mose 4,1 legt, nicht zur Gesetzlichkeit?

Gehorsams

Dass die Bibel den Gehorsam betont, geht uns in unserer gefallenen menschlichen Natur gegen den Strich, denn wir sehen den Gehorsam oft als Beschneidung unserer Freiheit. Wir bringen ihn mit der Unterordnung unter jemanden oder unter ein Gesetz in Zusammenhang; aber in der Bibel ist Gehorsam etwas Positives. 1. Gehorsam und Hören. Die Religion der Bibel ist eine Religion des Hörens. Sie gründet auf der Tatsache, dass Gott die Menschen durch sein Wort anspricht und ihnen sich selbst und seinen Willen offenbart. Das Reden Gottes ist die Grundlage für den Gehorsam des Menschen. Das erklärt die Tatsache, dass das Verb „hören“ in der Bibel oft „gehorchen“ bedeutet (z. B. hebr. shama‘, hören, gehorchen, z. B. in 2 Mo 24,7 und Jes 42,24; ’azan, hören, z. B. in 2 Mo 15,26; oder griechisch akouo¯, hören, gehorchen, z. B. in Mk 9,7). Ohne das Reden Gottes könnten wir eigentlich nicht von „Gehorsam“ sprechen. Deshalb ist der Gehorsam wie ein Dialog, das heißt: Wir hören Gott reden und sollen darauf antworten. Unsere Antwort besteht dabei nicht nur aus gesprochenen Worten; noch wichtiger ist, dass sie sich im Gehorchen ausdrückt. Der Gehorsam ist eine Art des Redens mit Gott, unserem Dialogpartner. 2. Auf wen sollen wir hören? Warum sollen wir Gott gehorchen? Das ist eine wichtige Frage; noch wichtiger jedoch ist die Frage: Wem soll ich gehorchen? Von Natur aus leben wir unter einer bösen Macht (vgl. Röm 8,6–8). Nur durch das Wirken des Heiligen Geistes wird die Möglichkeit des Wählens real (siehe Röm 8,12–14). Wenn wir durch ihn Gott reden hören und mit Gehorsam reagieren, sind wir wirklich frei. Bei der Frage nach dem Warum müssen uns zwei Dinge bewusst sein: Erstens gibt es in der biblischen Theologie nur eine letztgültige und gesetzlich rechtmäßige Autorität – die des Schöpfers und Erlösers. Als Ursprung unseres Lebens ruft er uns dazu auf, auf ihn zu hören. Zweitens unterwerfen wir uns ihm, weil sein Wille für uns auf der Grundlage seines Wissens als Schöpfer und Erlöser immer gut ist. Deshalb ist es unsinnig, sich dem Reden Gottes entgegenzustellen. Im Gehorsam ihm gegenüber werden wir zu den Menschen, zu denen er uns machen will – und die wir selbst tief in unserem Innern sein wollen. 3. Gehorsam und Gottes kosmischer Plan. Die Bibel kennt einen göttlichen Plan für das Universum (vgl. Eph 1,9–10;

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Adventist World | November 2013

Kol 1,19–20). Alles wurde von Gott geschaffen, um seinen Zweck entsprechend dem Reden Gottes zu erfüllen. „Der Himmel ist durch das Wort des HERRN gemacht.“ (Ps 33,6) Im Hören auf ihn wird die Einheit des Kosmos wiederhergestellt. Deshalb ist unser Gehorsam unerlässlich, damit dieses Universum in diese Einheit durch das göttliche Reden integriert werden kann. Wahrer Gehorsam setzt Intelligenz und Freiheit voraus. Die Natur wird durch die Naturgesetze vom Willen Gottes regiert. Diese Gesetze wirken systemimmanent, deshalb spricht Gott nicht direkt zur Natur. Wenn Gott bisweilen doch zur Schöpfung spricht, dann, weil das Böse deren eigentliche Funktion zerstört hat und das Chaos die Überhand zu gewinnen scheint. Das ist genau genommen jedoch kein Gehorsam. Doch Gottes intelligente, mit Freiheit ausgestattete Geschöpfe müssen ihn zu sich reden hören, damit er eine Antwort von ihnen als Dialogpartner erwarten kann. Die Antwort des Menschen dient im Wesentlichen demselben Ziel wie die Unterwerfung der Natur unter den Willen Gottes, nämlich dem Dienen. Jeder Bestandteil des Universums dient anderen. Nur die intelligenten Wesen konnten den Kreislauf des Dienens durchbrechen – und sie haben es getan. Die Folge war der Zerfall des Kosmos und eine beinahe irrwitzige Sorge um die Selbsterhaltung. Gehorsam ist nur möglich, wenn wir durch Christus wieder in die ursprüngliche Absicht Gottes für uns eingesetzt werden. Gehorsam ist Dienst. Dieses Verständnis von Gehorsam beruht weitgehend auf einer ganzheitlichen Sicht der menschlichen Natur. Wir sind eine unteilbare Einheit des Lebens in körperlicher Form. Was immer in unserem Herzen geschieht, wenn der Heilige Geist zu uns spricht, spielt sich im ganzen Menschen ab. Das „Ja“ unserer Lippen sollte das „Ja“ unserer Augen, Ohren, Hände und Füße sein. Es ist eine praktische Reaktion des ganzen Menschen auf das Reden Gottes. Gehorsam hat daher nichts mit Gesetzlichkeit zu tun, sondern ist ein großes Vorrecht.

Angel Manuel Rodríguez lebt im aktiven

Ruhestand im US-Bundesstaat Texas, nachdem er viele Jahre lang Direktor des Biblischen Forschungsinstituts der ­ eneralkonferenz war. G


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