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[G E S E L L S C H A F T S R E C H T ] Begriff „verdeckte (verschleierte) Sacheinlage“ werden Bareinlagen verstanden, die mit einem Rechtsgeschäft zwischen der Kapitalgesellschaft und dem einlegenden Gesellschafter in zeitlicher und sachlicher Hinsicht derart gekoppelt sind, dass – unter Umgehung der Sachgründungsvorschriften – wirtschaftlich der Erfolg einer Sacheinlage erreicht wird, etwa weil die Barmittel umgehend als Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters an diesen zurückfließen.“16) Früher war man der Auffassung, für die Annahme einer verdeckten Sacheinlage sei ein rein objektiver zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Übernahme der Bareinlage und dem Austauschgeschäft erforderlich.17) Im Anschluss an die deutsche hM sieht die mittlerweile herrschende österr Lehre jedoch eine sog Abrede über den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinlage, iS einer gewollten Verknüpfung von Bareinlage und Austauschgeschäft,18) als entscheidendes Kriterium an.19) Damit ging einher, dass der zeitliche (ca 6 Monate) und der sachliche Zusammenhang (objektive Möglichkeit der vorherigen Einbringung als Sacheinlage) auf Indizien für das Vorliegen einer Abrede reduziert wurden. Liegt der Zusammenhang vor, so wird eine Abrede vermutet und den (verdeckten) Einleger trifft die Last für den Beweis des Gegenteils.20) Die österr Rsp stellt bislang nicht auf eine Abrede ab. Ist der „Umgehungstatbestand“ erfüllt, so treffen den Einleger ausgesprochen harte Rechtsfolgen.21) Einerseits ist der Kaufvertrag (oder allgemeiner: das Austauschgeschäft) nichtig, mit welchem der Einlagegegenstand an die Gesellschaft übertragen und die Bareinlage zurückgezahlt wird, was noch dem juristischen Instinkt entspricht. Zusätzlich soll jedoch auch die Bareinlageschuld nicht erfüllt und nach wie vor fällig sein, obwohl auf diese ja ursprünglich sehr wohl geleistet wurde.22) Während diese Rechtsfolgen im going concern noch einigermaßen zu bewältigen sind, kosten sie den betroffenen Gesellschafter in der Insol16) OGH RIS-Justiz RS0114160; zuletzt OGH 15. 4. 2010, 6 Ob 162/09 f. 17) OGH 30. 8. 2000, 6 Ob 132/00 f; vgl dazu ausführlich Taufner, Die verdeckte Sacheinlage (2010) 28 ff. 18) Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht4 (2002) 888; bei der Einmanngründung soll nach der dt Rsp ein entsprechendes Vorhaben des Gesellschafters genügen, vgl BGH 11. 2. 2008, II ZR 171/06. 19) Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 150 Rz 18 mwN; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht (2008) Rz 3/218; Ettel in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 20 Rz 38; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG-Kommentar3 (2007) § 63 Rz 17; Mädel/Nowotny, Einbringung und verdeckte (verschleierte) Sacheinlage im GmbH-Recht, in FS Wiesner (2004) 274; aA Konwitschka, Kapitalerhöhung durch Verrechnung von Gesellschafterforderungen (1998) 321; ausführlich Taufner, Sacheinlage 34 ff, 108 ff. 20) Koppensteiner/Rüffler, GmbHG-Kommentar3 § 6 Rz 24; Luschin, Ausnahmen von der verdeckten Sacheinlage oder: Privilegierung von Banken? RdW 2004, 715; BGH 20. 11. 2006, II ZR 176/05 ZIP 2007, 178. 21) Dies obwohl die verdeckte Sacheinlage sicherlich oftmals nur zur Vermeidung „unnötiger“ Gründungskosten und keineswegs zwangsläufig deswegen vereinbart wird, weil man die Sacheinlagevorschriften wegen mangelnder Werthaltigkeit der Einlage unterlaufen möchte; vgl Pentz in MünchKommAktG3 § 27 Rz 84. 22) Pentz in MünchKommAktG3 § 27 Rz 98; Hermanns in Michalski, GmbHG § 56 Rz 9, 23 ff; Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung 37; Schopper, Fallgruppen zur Lehre von der verdeckten Sacheinlage, NZ 2009, 257 (265); Koppensteiner, Über verdeckte Sacheinlagen, unzulässige Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen und freie Verfügung, GeS 2007, 280 (290); OGH 30. 8. 2000, 6 Ob 132/00 f SZ 73/130; van Husen/Krejci in Straube, GmbHG § 6 Rz 233; Ettel in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 20 Rz 40; Heidinger in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 20 Rz 26.

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Ü Michael Taufner Ü Verdeckte Sacheinlagen: Fallstricke für die Beratungspraxis

venz der Gesellschaft unter Umständen sogar den doppelten Betrag seiner Einlage.23)

2. Jüngste Entwicklungen Die drakonischen Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlagen stießen vor allem in der Praxis seit jeher auf Unverständnis. Denn warum ein Verstoß gegen die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung dazu führen kann, dass der Gesellschafter schlussendlich den doppelten Betrag seiner zugesagten Einlage an die Gesellschaft leisten muss, lässt sich mit Gerechtigkeitsgefühl allein nicht begreifen. Umso weniger, als die Rechtsfolgen unabhängig von den Wertverhältnissen sind24) und somit auch eintreten, wenn die Gesellschaft vermögensmäßig durch die verdeckte Einlage nicht geschädigt wurde. Wenig überraschend übt die Lehre gleichermaßen an der Dogmatik der verdeckten Sacheinlage wie auch an ihren Rechtsfolgen Kritik.25) In Deutschland wurden diese Konsequenzen mittlerweile durch Novellen beseitigt.26) Nach der neuen Rechtslage erfüllt eine verdeckte Sacheinlage zwar nach wie vor nicht die Einlageschuld, doch wird ihr Wert auf die Bareinlageschuld angerechnet, sodass es im Ergebnis zu einer Differenzhaftung kommt. Diese Anrechnungskonstruktion verbiegt zwar schuldrechtliche Grundsätze und ist daher in der Lehre dogmatisch umstritten,27) im Ergebnis aber dennoch zu begrüßen. 23) Vereinfacht gesagt, ergibt sich dieses Ergebnis daraus, dass der Gesellschafter auf die bereicherungsrechtliche Forderung, die ihm aufgrund der nicht schulderfüllend wirkenden ersten Zahlung der Bareinlage entsteht, nur die Insolvenzquote erhält und den Bareinlagebetrag gleichzeitig erneut leisten muss. Vgl dazu ausführlich Taufner, Sacheinlage 43 ff. 24) Pentz in MünchKommAktG3 § 27 Rz 97; BGH 20. 11. 2006, II ZR 176/05 ZIP 2007, 178 (182); Pilgerstorfer, Betriebseinbringungen mit unbaren Entnahmen – ein Problem der verdeckten Sacheinlage, wbl 2004, 353. 25) Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht4 1122; ders in Blaurock, Das Recht der Unternehmen in Europa 103 (118 f); folgend Winter/Westermann in Scholz, GmbHG I10 § 5 Rz 80 d; Grunewald, Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen, in FS Rowedder (1994) 111 (114), hinterfragt die „drakonischen Rechtsfolgen“; Kritik auch bei Lutter in KölnKommAktG § 183 Rz 75; Röhricht in Hopt/Wiedemann, GroßKomm AktG4 § 27 Rz 193; Brandner, Verdeckte Sacheinlage: Eine Aufgabe für den Gesetzgeber, in FS Boujong (1996) 37 (42); Winner, Die Rechtsfolgen verdeckter Sacheinlagen – ein Fall für den Gesetzgeber, RdW 2010, 467 (468); Kalss/Schauer, Die Reform des Österreichischen Kapitalgesellschaftsrechts, in 16. ÖJT Bd II/1, 339 ff; Roth, Reform des Kapitalgesellschaftsrechts: Kapitalverfassung, in 16. ÖJT Bd II/2, 109 f; Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung (2004) 37; vgl auch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 (2007) § 63 Rz 18 b. Dogmatische Widersprüche melden an Loos, Zur verschleierten Sacheinlage bei der Aktiengesellschaft, AG 1989, 381; Meilicke, Die verschleierte Sacheinlage – Eine deutsche Fehlentwicklung (1989); Knobbe-Keuk, Umwandlung eines Personenunternehmens in eine GmbH und verschleierte Sachgründung, ZIP 1986, 885 (886); Bergmann, Die verschleierte Sacheinlage bei AG und GmbH, AG 1987, 57 (66 f); Mildner, Bareinlage, Sacheinlage und ihre „Verschleierung“ im Recht der GmbH (1989) 13; Wilhelm, Kapitalaufbringung und Handlungsfreiheit der Gesellschaft nach Aktien- und GmbH-Recht, ZHR 152 (1988), 333 (350). Bedenken auch bei Kalss/Eckert, Zentrale Fragen des GmbH-Rechts (2005) 267; Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung (2004) 37; Ch. Nowotny, Verdeckte Sacheinlagen und Erhaltung von Bareinzahlungen, RdW 2004, 392; J. P. Gruber, Unbare Entnahmen und verdeckte Sacheinlagen, GesRZ 2004, 315 (316). 26) Für das GmbHG: „Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)“ v 23. 10. 2008, BGBl I 2008, 48; für die AG: „Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG)“ v 29. 5. 2009, BT-Drucks 512/09, BGBl I 2009/ 2479. 27) Vgl Winner, RdW 2010, 467 (469) mit Verweisen auf Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG § 19 Rz 47; Veil in Scholz, GmbHG10 (2010) Nachtrag MoMiG § 19 Rz 19; Goette, Aktuelle Entwicklungen im deutschen Kapitalgesellschaftsrecht im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ÖBA 2009, 18 (20 f). Zu den dogmatischen Einordnungsproblemen ausführlich Taufner, Sacheinlage 273 f

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