ÖJZ 9/2011

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[SCHULDRECHT] Ü Unwirksame Klagsänderung führt nicht zur Verjährungsunterbrechung § 1497 ABGB; § 163 ZPO Nur eine prozessual zulässige und wirksame Klagsänderung kann zu einer Unterbrechung der Verjährung führen.

Sachverhalt: Mit seiner am 5. 4. 2007 eingebrachten Klage begehrte der Kl – im Zusammenhang mit dem Erwerb von Fondsanteilen – die Verurteilung der beklP zur Zahlung von E 166.571,– samt Zinsen. Der aus dieser Investition erwachsene Schaden sei Gegenstand eines anderen Verfahrens. Der Mitarbeiter der beklP habe aber ohne Wissen und Willen des Kl auf dessen Verrechnungskonto auf Kredit in den Jahren 2000 und 2001 noch weitere Anteile erworben. Der Kl habe davon keine Kenntnis gehabt und die Käufe auch nicht nachträglich genehmigt. Die klageweise Rückabwicklung habe er vergeblich geltend gemacht. In diesem Rückabwicklungsverfahren sei unrichtigerweise von einer Genehmigung durch den Kl ausgegangen worden. Die beklagte Bank habe entgegen der Ankündigung bei Auflage und Vertrieb des Fonds und entgegen der Empfehlung eines externen Beraters ihre Anlagestrategie krass vereinbarungswidrig umgestellt. Sie habe auch dem Grundsatz der Risikostreuung nicht entsprochen. Die beklP wendete ua Streitanhängigkeit im Parallelverfahren und rechtskräftig entschiedene Streitsache im Rückabwicklungsverfahren ein. Überdies wäre der Anspruch an den Vertragspartner des Kl, nämlich die Kapitalanlagegesellschaft, zu richten gewesen. Der geltend gemachte Anspruch sei auch verjährt. Mit B vom 10. 1. 2008 unterbrach das ErstG das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung eines weiteren (gleichgelagerten) Prozesses. Am 3. 7. 2008 stellte der Kl einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens wegen rechtskräftiger Erledigung des gleichgelagerten Prozesses durch E des OGH zu 1 Ob 43/08 t. Im selben Schriftsatz erklärte der Kl die Klagseinschränkung auf E 111.285,– samt Zinsen. Die beklP entgegnete, dass im Parallelprozess ewiges Ruhen vereinbart worden sei, weshalb die Streitanhängigkeit weiterhin andauere. Im Parallelprozess sei keine Differenzierung zwischen den ursprünglich angeschafften 29.850 und den später angeschafften 36.150 Anteilen erfolgt. Vielmehr seien die Anteile auf demselben Wertpapierdepotkonto des Kl untrennbar vermischt worden. Mit B vom 4. 7. 2008 beraumte das ErstG für den 22. 10. 2008 eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung an und lud dazu die Vertreter der Parteien ohne Bekanntgabe eines Verhandlungsgegenstands. In dieser Tagsatzung schränkte der Kl das Klagebegehren ein wie in seinem Fortsetzungsantrag. In der Tagsatzung vom 24. 12. 2008 sprach sich die beklP gegen eine Klageänderung aus, soweit der Fortsetzungsantrag eine solche darstellen würde. Die Sache sei bereits spruchreif, weil das geänderte Begehren jedenfalls verjährt sei. In der Tagsatzung vom 28. 4. 2009 trugen die Parteien keinen neuen Sachverhalt vor. Das ErstG wies mit einem in sein U aufgenommenen B die im Fortsetzungsantrag vom 3. 7. 2008 vorgeÖJZ [2011] 09

Während der Unterbrechung des Verfahrens sind die von einer Partei vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung; solche Parteihandlungen sind als unzulässig zurückzuweisen.

EvBl 2011/60 § 1497 ABGB; § 163 ZPO OGH 11. 11. 2010, 3 Ob 137/10 h (OLG Wien 5 R 30/10 h; HG Wien 41 Cg 99/07 b)

nommene Klageänderung zurück und erklärte die in der mündlichen Streitverhandlung vom 22. 10. 2008 vorgenommene (identische) Klageänderung für zulässig. Weiters wies es mit U das Klagebegehren ab. Das RMGericht gab dem Rek der beklP gegen den in das U aufgenommenen B des Der OGH beschäftigt sich ErstG nicht Folge und sprach aus, dass der in dieser E mit der VerjähRevRek jedenfalls unzulässig sei. Hingegen rungsproblematik bei gab es der Ber des Kl Folge und hob das anUnterbrechung des Vergefochtene U auf. Zudem sprach es aus, dass fahrens. der Rek an den OGH zulässig sei. Der OGH gab dem Rek der beklP gegen den Aufhebungsbeschluss Folge, sprach aus, dass die Einreden der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft verworfen werden und stellte in der Hauptsache das abweisende U des ErstG wieder her.

Aus den Entscheidungsgründen:

[Unterbrechung der Verjährung durch Klageänderung] Klar ist, dass der Kl auch nach der (rechtskräftig) zugelassenen Klageänderung einen Schadenersatzanspruch geltend macht, der nach § 1489 ABGB in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger verjährt. Die Verjährung wird nach § 1497 ABGB unterbrochen, wenn derjenige, der sich auf Verjährung berufen will, von dem Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Aus § 1497 Satz 2 ABGB ist abzuleiten, dass erst die rechtskräftige Klagsstattgebung den Unterbrechungsgrund bildet, dann aber auf den Klagszeitpunkt zurückwirkt. Sieht man von Auslandsklagen ab (vgl dazu 10 Ob 113/07 a), bewirkt eine später zurückgewiesene Klage beim unzuständigen Gericht nicht die Unterbrechung der Verjährungsfrist (RIS-Justiz RS0034690). Auch aus der Rsp zur Verjährung durch eine nicht formgerechte Klage und nachfolgende Verbesserung (RIS-Justiz RS0034836) ergibt sich, dass – auch unter dem Aspekt der gehörigen Fortsetzung – nur eine formgerechte Klage (falls sie zu einer stattgebenden E führt) die Verjährung unterbrechen kann. Mit der E des verst Senats zu 7 Ob 707, 708/88 SZ 62/ 69, wonach bei Klagsausdehnung mittels Schriftsatzes nach Streitanhängigkeit dessen Einlangen bei Gericht die Verjährung unterbricht und in welcher der OGH den materiell-rechtlichen Charakter der Unterbrechung der Verjährung hervorhebt, wird klargestellt, dass die Unterbrechungswirkung von den Voraussetzungen des § 235 Abs 2 und 3 ZPO abhängig ist (also von der Einwilligung des Gegners oder der dessen ungeachtet erteilten Zulassung durch das Gericht). Auch dabei handelt es sich um Voraussetzungen des Prozessrechts. Dasselbe gilt für die ebenfalls vom verst Senat in der zitierten E verlangte Voraussetzung des späteren Vortrags des Schriftsatzes in der mündlichen Streitverhandlung (RIS-Justiz RS0034759). Ü Ü Unwirksame Klagsänderung führt nicht zur Verjährungsunterbrechung

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