ad hoc 14: Klima und Mensch im Wandel

Page 17

Fleischindustrie

15

f Der deutsche Fleischkonsum hat sich im Vergleich zu 1950 verdoppelt, im Vergleich zu 1850 sogar vervierfacht

Wir müssen den globalen ­Fleischhunger ressourcenschonender und klimafreundlicher stillen lernen. Kreislaufwirtschaft statt Laufbandbetrieb Agrarökologen setzen auf die Vorzüge natürlicher Kreisläufe. Ihr Argument: Die dargestellten Probleme sind Symptome eines extrem ineffizienten Produktionssystems. Im derzeit vorherrschenden linearen System behandeln wir Tiere wie industrielle Produktionsmittel, die mit Inputs – sprich Kraftfutter – versorgt und deren Outputs – die Exkremente – wiederum mühselig entsorgt werden müssen. Dieser Ansatz erzeugt viele der genannten Klimakiller wie die Regenwaldrodung oder exzessive Gülleproduktion. Schließt man dagegen den Nährstoffkreis und bettet Tiere in Mischbetriebe ein, die Viehzucht und Pflanzenproduktion kombinieren, können optimale Symbiosen entstehen. In den USA integriert der Agrar-Pionier Joel Salatin auf seiner Farm Hühner, Schweine, Rinder und Hasen in ein ausgeklügeltes System: Erst weiden die Rinder und düngen mit ihrem Mist die Felder; dann kommen die Hühner in mobilen Ställen an die Reihe, die Stück für Stück Boden umwühlen. Dies bereitet das Land auf den nächsten Anbauzyklus vor. Die Schweine schließlich graben den Kompost um. Somit braucht Salatin weder importiertes Sojaund Maisfutter noch Kunstdünger oder Gülle; der Bauernhof produziert das Tierfutter und absorbiert alle Abfälle optimal selber.

Gegner von Misch- und Weidebetrieben verweisen auf die relative Ineffizienz. Rinder brauchen 23 Monate im Weidebetrieb gegenüber 15 Monaten in Masthaltung, um ihr Schlachtgewicht zu erlangen. Die zusätzliche Methanproduktion, so das Argument, negiere alle positiven Umweltauswirkungen. Aus ihrer Sicht sei eine „nachhaltige Intensivierung“ der richtige Lösungsansatz, auch um die notwendigen Fleischmassen in der Zukunft sicherzustellen. Die Definition dieses Begriffs ist allerdings umstritten. Mehr Viehhaltung, mehr Absorptionspotenzial? Nicht weniger kontrovers ist der Ansatz des Biologen Allan ­Savory aus Simbabwe, der Graslandschaften als Kohlestoffspeicher gewinnen will – durch mehr Viehhaltung. Indem eine große Anzahl von Tieren auf einer kleinen Weidefläche gehalten und regelmäßig umgesetzt werde, könne die Vegetation besser angeregt und das CO2-Absorptionspotenzial der Landfläche erhöht werden. Somit könne laut Savory eine intensivere Fleischproduktion den Klimawandel sogar umkehren. Trotz vereinzelter Erfolgsgeschichten gibt es allerdings kaum wissenschaftliche Studien, die eine verlässliche Wirkung bestätigen. Fleisch gehört auf die politische Agenda Insbesondere Konsumenten können durch ihre Entscheidungen einen Beitrag leisten. Aus der Klimaperspektive ist weniger Fleischkonsum eine naheliegende Alternative. Für einen globalen Wandel bedarf es allerdings politischer Beschlüsse, um die Fleischproduktion neben der medialen auch auf die politische Agenda zu setzen. Bei den internationalen Klimaverhandlungen sollte es deswegen auch um die Wurst gehen. f


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.