ad hoc 12: Städte

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Urbane Herausforderungen

i Slums in Jakarta

schlimmeren Überschwemmungen heim­gesucht. Studien zufolge wird die Stadt weiter sinken und in ihrer jetzigen Form nicht mehr funktionsfähig sein. Hinzu kommt die soziale Kluft inner­ halb der Stadtbevölkerung. Die Armen sind gezwungen, sich in den Schwemmgebieten ­anzusiedeln, aber die einfachen Bambus­ häuser fallen auf dem weichen Sand immer wieder in sich zu­ sammen. Tausende M ­ enschen verlieren dadurch ihr Hab und Gut. Dass Jakarta nicht funktionsfähig erscheint, bedeutet nicht, dass die Informalität keine Chancen für Planbarkeit bietet. Für die Asiatische Entwicklungsbank, wo Gabriela Blatter arbeitet, ist städtische Entwicklung mittlerweile ein wichtiger Bestand­ teil der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei wird partizipativen Ansätzen ein großer Stellenwert eingeräumt: Stadtentwicklung muss die sozialen und politischen Aspekte der Selbstorganisation berücksichtigen, insbesondere bei Themen mit großer sozialer Sprengkraft, zum Beispiel bei Umsiedlungsprojekten. Zu häufig haben in der Vergangenheit Großprojekte wie der Bau der Metro in Neu Delhi schwere soziale und ökologische Probleme verursacht. Deshalb gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Sicherheitsrichtlinien. Das streng durchgeführte Monitoring der Entwicklungsbanken soll für eine faire und nachhaltige Kompensation der betroffenen Bevölkerung sorgen. Gute Umsiedlungsprogramme arbeiten nicht nur mit kurz­ fristigen Kompensationszahlungen, sondern mit langfristigen „Alternative Livelihood Programs“, zum Beispiel Berufs­ bildungskursen.

o Straßenverkehr in Jakarta

Ganz andere Erscheinungsformen hat Urbanisierung in Konflikt­ regionen. Julia Ismar arbeitet für das Umweltprogramm der Vereinten Nationen im Sudan. Rohstoffnutzung und Ressourcen­ planung sind für sie die größten Herausforderungen für die wachsenden urbanen Zentren in Darfur. Der Konflikt hat das Leben auf dem Land unsicher gemacht, weshalb immer mehr Menschen in die informellen Flüchtlingslager am Stadtrand ziehen. Die Nachfrage nach Baumaterial, vor allem Ziegeln, hat sich erhöht, sodass die Wälder um die Stadt gerodet und ­wertvolle Wasserressourcen zur Herstellung verbraucht werden. Die Wege, die die Bevölkerung zurücklegen muss, um Wasser und Brennholz zu besorgen, werden immer länger und gefähr­ licher. Die soziale Struktur des Dorfes ist in den Städten zer­ brochen, doch eine neue urbane Kultur hat sich nicht entwickelt. Zu groß ist das durch den Konflikt geschürte gegenseitige Misstrauen. Der Wunsch nach Rückkehr ist trotz der unsicheren Lage stark. Die Stadt als Durchgangsstation oder wie der USamerikanische Soziologe Mike Davis es nannte: Urbanisierung ohne Urbanität. Ist Urbanisierung unser Verderb oder eine Chance für eine nachhaltige gesellschaftliche Zukunft? Ist die Stadt Teil der ­Lösung oder Teil des Problems? In einem Punkt sind sich alle Kollegiaten einig: Urbanisierung muss gestaltet werden. Denn wenn zukünftig ein Großteil der Menschen in Städten leben wird, sind dies die Orte, an denen über alle anderen gesell­ schaftlichen Zukunftsfragen wie Bildung, Gesundheit und Umweltschutz entschieden wird. Städte sind unumkehrbar die Grundlage unseres zukünftigen Zusammenlebens.

Gabriela Blatter, Jg. 1984, studierte Chemie an der ETH Zürich und der

Liana Fix, Jg. 1987, studierte Theory and History of International Relations

Ecole Normale Supérieure in Paris. Nach Abschluss ihres Studiums

an der London School of Economics and Political Science und Geschichte

­arbeitete sie als Projektleiterin im Büro für Internationale Angelegenheiten

und Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor arbeitete

der ETH Zürich und war unter anderem für die Länder Indien und

sie als Program Officer im Bereich Internationale Politik der Körber-­

­Äthiopien sowie die Themenbereiche urbane Entwicklung und Nachhaltig­

Stiftung in Berlin sowie im Russia and Eurasia Programme bei Chatham

keit zuständig. Im Rahmen des Mercator Kollegs (2012/13) beschäftigte

House. Während ihres Kollegjahres (2012/13) beschäftigte sie sich mit

sie sich mit den Anpassungen von urbanen Zonen an den Klimawandel

europäischer und transatlantischer Russlandpolitik und absolvierte S­ tationen

in Asien. (blatter.gabriela@gmail.com)

beim Auswärtigen Amt in Berlin, bei der Delegation der Europäischen ­Union in Georgien und beim Carnegie Moscow Centre.

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