ArtWalk - Park 2013

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LYC

ASTONISH ME (IN THE PARK)! ArtWalk - Park 2013


Leipzig Young Contemporary (LYC) 2013

activeART Individuelle Kunstausstellungen


INHALT 4 Vorwort 6 Sebastian Schröder 8 Elena Kozlova 10 Maria Pia Binazzi 12 Jörg Rom 14 OKUDA 16 Jo Zarth 18 Philipp Orlowski 20 Marlet Heckhoff 22 Martin Ehrt 24 Peter Piek 26 Stephan Groß 28 Johannes Walther 30 Giuseppe Gonella 32 Valerio Figuccio 34 Martin Lütke 36 Justus Jager 38 TASSO 40 Impressionen 45 Danksagung 46 Impressum


VORWORT ArtWalk - Park 2013

Liebe Freunde der Kunst, „Astonish Me (In The Park)!“ - so das Thema der Ausschreibung, die an die Künstler herausging, um Werke für den ArtWalk 2013 einzureichen. Und erstaunt wurden wir in vielerlei Hinsicht. Aber dazu später. Leipzig ist eine Stadt, die nicht nur die alten Kulturgüter pflegt und ihre Meister verehrt, sondern auch stets eine ganz

junge, lebendige Kreativszene hat. Diese ist inzwischen nicht nur eine treibende wirtschaftliche Kraft, sie ist über die Grenzen der Stadt und der Republik hinaus international bekannt. Die Leipziger Schule um Tübke, Mattheuer und Co. und die Neue Leipziger Schule, die mit Neo Rauch begann und mit Matthias Weischer, Christoph Ruckhäberle und David Schnell längst noch keine Ende

gefunden hat, brachten mit sich, dass Leipzig vor allem auch für die Bildende Kunst ein Begriff ist. Amerikanische und asiatische Sammler schätzen inzwischen nicht nur die handwerkliche Qualität, die an der Hochschule für Grafik und Buchkunst noch traditionell vermittelt wird, sondern auch die ganz eigene Formsprache, die Leipziger Kunst immer irgendwie verbindet und Wiedererkennungswert hat.


Nun ist es leider nicht so, dass jeder Leipziger seine Künstler kennt. Das Museum der Bildenden Künste lädt zu hervorragenden Ausstellungen ein und im Galerien- und Künstlerviertel um die ehemalige Baumwollspinnerei wird Kunst auf hohem internationalen Niveau präsentiert. Es scheint aber immer noch eine Schwelle zu geben, die der Leipziger sich oft nicht zu überschreiten wagt. Daher ist es naheliegend, eine Brücke zu bauen. Nicht nur territorial, denn der Clara-ZetkinPark liegt auch auf der Karte genau zwischen der Spinnerei im Westen und dem Stadtzentrum, sondern auch in der Art der Präsentation. Im urbanen Grün des Parks, das der Leipziger aufsucht, wenn er sich erholen will, konfrontieren wir ihn über die Freiluftausstellung mit Kunst. Im positiven Sinne, denn man kommt nicht daran vorbei, gerade weil man daran vorbei kommt. Im großformatigen Druck von 2 x 3,50 m und entlang der Anton-BrucknerAllee im Rondell zwischen Brahms- und Franz-Schubert-Platz bildet die Ausstellung einen Rundgang, der zum Spazieren und Verweilen einlädt.

Wir haben die Künstler aufgefordert: „Erstaunt“ die Besucher des Parks. Denn erstaunt zu werden ist eine der ersten Erfahrungen mit Kunst und eine der wichtigsten für Menschen, die bis jetzt den Kontakt mit Kunst nicht aufgenommen haben. Dieser Erstkontakt ist es, der motiviert, mehr sehen zu wollen, der es Menschen ermöglicht die Erfahrungen und Entdeckungen zu machen, die Kunst uns bietet. Nicht zuletzt durch diesen gemeinnützigen Ansatz stießen wir, zwei junge Leipziger Agenturen, mit unserer Idee bei der Stadt und dem Oberbürgermeister sowie den zahlreichen Unterstützern auf offene Ohren. activeART hat sich zur Aufgabe gemacht, dass Kunst aktiv wird und auf die Menschen zugeht. bindabei erlebnismarketing entwickelt Marken und möchte einer breiten Öffentlichkeit Erlebnisse bieten. Die Kooperation der beiden Agenturen mündet im Projekt Leipzig Young Contemporary [LYC], welches mit dem ArtWalk - Park 2013 eine Reihe von Kunstevents startet, die genau diese Ansprüche erfüllen. Auf die Ausschreibung meldete sich eine Vielzahl außergewöhnlicher Künstler

mit sehr interessanten Arbeiten. Die Auswahl der 17 Besten ist uns sehr schwer gefallen. Damit war es uns möglich, eine hochwertige, sehr vielseitige Ausstellung zu zeigen, denn es waren Reprofotografien von Malerei, Fotografie, Konzeptkunst und Collage zu sehen. Im Vordergrund stand neben dem thematischen Kontext, dass nicht Surrogate für die Originalkunstwerke gezeigt werden, vielmehr sollen die Arbeiten sowohl mit dem Raum als auch mit dem anderen Medium spielen. Im großen Format und teilweise nicht mehr nachvollziehbar, ob es sich um Zeichnung, Malerei, Fotocollage etc. handelt, gewannen auch die Arbeiten durch die neue Kontextsetzung.

Herzliche Grüße Ihr Team von Leipzig Young Contemporary Jann von der Brelie Philipp Ludwig-Orlowski Cathrin Rühle Steve Uhlig


SEBASTIAN SCHRÖDER Deuben III Mit Sebastian Schröder konnten wir einen herausragenden Fotografen für den ArtWalk 2013 gewinnen. Der in Zwenkau geborene Künstler beendete 2011 das Studium der Medienkunst in der Klasse von Alba D´Urbano und der künstlerischen Fotografie bei Tina Bara an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig mit dem Diplom. Seine subtilen Arbeiten behandeln stets das Medium der Fotografie selbst und untersuchen die Schnittstellen und Grenzräume von Realität und Virtuallität als künstlicher Wirklichkeit. Dabei steht die archaische Kraft des ästhetischen Bildes im Vordergrund, das schon überzeugt

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bevor man verstanden hat. Dazu bedarf es dann immer einer intensiven Auseinandersetzung mit den Kontexten der Arbeiten und schnell wird klar, dass man es hier eigentlich mit Konzeptkunst als mit klassischer Fotografie zu tun hat. Wir freuen uns auf diese eindrucksvolle Arbeit, die den urbanen Raum Park mit einbezieht, weil sie uns zwingt hinzuschauen. Die Entdeckung des Fotografen wird zur Anregung für den Parkbesucher, selbst Entdeckungen zu machen und zu hinterfragen, was eine Entdeckung in der Alltagswelt sein kann.


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ELENA KOZLOVA Ziehungen Schon immer mehr eine Konzeptkünstlerin, beschäftigt sich Elena Kozlova in ihren malerischen Arbeiten mit Reduktion. Um auszuloten, wie weit Malerei in diese Richtung gehen kann, beschreitet sie ganz unterschiedliche Wege. Das Formale steht dabei im Vordergrund. Es ist der Versuch mit einem Minimum an Zeichen auszukommen, in diesem Fall mit der Linie zu experimentieren, durch Komposition dieser Zeichen auf der Fläche, Raum und Verdichtungen zu erzeugen. „Ziehungen“ zeigt auf eindrucksvolle Weise, zu welcher Kraft diese reduzierte Formsprache fähig ist. Die porösen Linien, die durch in Farbe getauchte Schnüre wortwörtlich über

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die Leinwand gespannt wurden, sind in ihrer Brüchigkeit nah an der Zeichnung, unterstützt durch die Konzentration des Bildes auf schwarz und weiß. Trotzdem behauptet das Bild immer wieder: „Ich bin Malerei“ und „Ich bin Objekt“, denn Leinwand, Farbe und Keilrahmen bekräftigen ständig ihre Materialität. Inhaltlichen Deutungen wird viel Raum gelassen und auch der Titel „Ziehungen“ gibt Anreiz, reicht aber für Assoziationen von sozialen Be-Ziehungen, Verkehrs- oder Kommunikationsnetzen über synaptische Verbindungen bis hin zu kosmischer Verdichtung.


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MARIA PIA BINAZZI Birds and Maps Maria Pia Binazzis Leichtigkeit lässt an Andy Warhol denken. Die schnelle intuitive Reaktion auf Impulse von außen lässt klare Kunst entstehen, die anspricht. Gerade der Verzicht auf Geprotze durch Technik oder übertriebenes Konzept, zeigt Lust an der Kunst, die den Betrachter ansteckt. Gleichzeitig sind Binazzis Werke weit mehr als dekorativ, obwohl Farben und Motive augenscheinlich so harmlos zusammenpassen. Die Vögel sind ein starkes, archaisches Symbol, die Reihung und Dopplung, macht den individuellen Vogel unsichtbar und nimmt ihm die Wichtigkeit. Es geht um „Vogel“ und

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„Karte“. Punkt. Dass das Bild die Thematik der Ausstellung im öffentlichen, urbanen Raum Park perfekt widerspiegelt, erscheint fast nebensächlich. Die Arbeit versprüht vor allem eine wundervolle Anmut und Charme. Die Künstlerin, die über ein Stipendium der Pilotenküche nach Leipzig gekommen ist, studierte an den Kunstakademien in Rom und Venedig. Die hervorragende handwerkliche Ausbildung und das Talent ermöglichen ihr, diesen Eindruck von unbefangen dahingeworfener Kunst zu erzeugen. Wohltuend unprätentiös!


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JÖRG ROM Ferdinand-Lassalle-Straße Nord/Süd Die Panorama-Arbeiten des Künstlers Jörg Rom beschäftigen sich mit den urbanen Landschaften, die unsere Umwelt bilden. Um Architektur wahrzunehmen, bedarf es einem andern Blick als den unseres täglichen Lebens. Durch das Entfernen der perspektivischen Verzerrung, die durch die Beschaffenheit unseres Seh-Sinnes und das Betrachten von einem festgelegten Standort entsteht, sehen wir fertige, bewohnte und lebendige Architektur in der Perspektive des Architekten, der einst die Gebäude entworfen hat. Dem Filter der Verkrümmung beraubt, schauen wir auf geometrische Fassaden. Obwohl

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dieser Blick eine Distanz schafft, indem er den Betrachter entpersonalisiert, entdecken wir doch das Individuum in der Fenstergestaltung, den Markierungen der Sprayer oder den eben nicht in Reih und Glied stehenden Gegenständen des Lebens auf den Bürgersteigen. In dieser Welt ist der Mensch Bewohner, er bewohnt unsere Städte, die sich durch die Auswahl ikonographischer Gebäude auch stets verorten lassen.


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OKUDA Star Der aus Madrid stammende und international mit seiner Street-Art bekannte Künstler OKUDA (eigentlich Oscar San Miguel Erice), erfasst auf außergewöhnliche Weise einen jugendlichen, frischen Zeitgeist. Die starken Kontraste, hart aneinandergrenzende, sich beißende Farben, waren in früheren, figurativen Arbeiten eher ornamentales Beiwerk. In OKUDAS aktuellen Bildern gewinnen sie stetig an Wichtigkeit. Die Figuren weichen abstrakten Kompositionen. Ohne unnötig laut zu sein, springen einem die kantigen, spritzigen Formen regelrecht entgegen. Das kommt nicht von ungefähr, denn OKUDAS Kunst ist

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keineswegs auf die Leinwand begrenzt. Seine farbigen Kantenwesen mäandern durch zahlreiche Städte, teils versteckte Gassen, teils berühmte, öffentliche Plätze. Längst wird seine Gestaltung urbaner Räume in Auftrag gegeben und zur Gestaltung des Stadtbildes genutzt. Das Umsichgreifende seiner Kunst bewegte auch namhafte Unternehmen, wie ADIDAS und Puma, das Potential OKUDAS für Designs zu beanspruchen. Der Künstler unterscheidet nicht zwischen angewandter und bildender Kunst, sein Werk geht weit über derartige Entscheidungen hinaus und unterwandert gängige Schubladen.


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JO ZARTH ohne Titel Die Fotografie von Jo Zarth antwortet direkt auf den Titel und das Kernthema der Ausschreibung zum ArtWalk: „Astonish Me (In The Park)!“. Und das auf so simple und doch vielschichtige Weise, dass man es schon als Geniestreich bezeichnen muss. Denn „erstaunt“ wird nicht nur der Betrachter des Bildes. Ein Mann mit einer Kamera versteckt sich in auffällig großem Blattwerk und wird zum Voyeur eines außerhalb des Bildes liegenden Geschehens. Bereits erstaunt durch die riesigen Blätter, fragen wir uns: Was kann man dort sehen? Erstaunliches Treiben der Beobachteten oder werden sie vom heimlichen Zuschauer überrascht?

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Weiß der Beobachter, dass er ebenfalls beobachtet wird und sein vermeintlich voyeuristischer Akt dokumentiert? Die in sich verkehrte Situation, lässt an Sartres Beispiel eines durch ein Schlüsselloch schauenden Mannes denken, der ertappt wird. Erst im Blick des Dritten wird der Voyeur moralisch gerichtet. Der Blick ist es, der Kontext schafft, ein Blick ist es, der uns neugierig macht und das Erstaunen lässt uns immer wieder neu blicken. Somit ist Zarths Foto auch eine Selbstreflexion des Kunstschaffenden und befragt differenziert das Medium der Fotografie.


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PHILIPP ORLOWSKI Vertigo Die motivisch sehr unterschiedlichen Arbeiten Philipp Orlowskis werden durch die Wiederholung eines formalen Prinzips zusammengehalten. Symbolhafte Objekte, assoziativ hoch aufgeladene Gegenstände und Figuren, sind freigestellt und in einem abstrakten Raum angeordnet. Jedes für sich bietet ein Rätsel oder einen Einstieg ins Bild. Der Künstler gibt nicht viele Hinweise, sobald man sie aber entdeckt, öffnen sich die versteckten Türen, wie in einem Computerspiel. Die Person links ist doch Claude Debussy und die auf den Kopf gedrehte Kulisse einer Stadt entstammt sicherlich einem

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MGM-Musical, und Bernhard Herrmann, das war doch Hitchcocks Hauskomponist, oder…? Aber selbst ohne Vorinformation gehen die gegenübergestellten, entweder archaischen oder modernen, figurativen oder abstrakten Elemente Beziehungen ein. Erzählt wird in nüchterner Sachlichkeit und einer an die klassische Moderne erinnernde Formsprache, immer mit zeitgenössischer Distanz. Der Künstler lebt und arbeitet in Leipzig und studierte dort Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Annette Schröter.


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MARLET HECKHOFF ohne Titel Was wie abstrakte Farben und Formen wirkt, könnte der subjektive Blick aus einem Autoscooter sein. Die durch die Bewegung verzerrten empirischen Sinneseindrücke werden im flüchtigen Moment festgehalten, der einer rauschhaften Erfahrung nahe ist. In ihrem Bild kombiniert Marlet Heckhoff die verzerrten Sinneseindrücke und schließt offene Räume augenscheinlich mit einer Decke, wodurch dem Betrachter unklar wird, ob es sich um Innen- oder Außenraum handelt. Im offenen Raum des Parks wird diese Arbeit dadurch besonders spannend. Dass der Ursprung

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der Bilder der Künstlerin in Motiven aus dem privaten und städtischen Raum liegt und u.a. durch das Auslandsjahr der Künstlerin in Israel beeinflusst ist, verliert in der Auflösung in Perspektive und Abstraktion an Bedeutung, nicht aber an sublimer Kraft. Marlet Heckhoff studierte am Bauhaus in Weimar und in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in der Klasse für Malerei bei Annette Schröter.


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MARTIN EHRT Oper Leipzig Mit der Ikonisierung der Leipziger Oper, als Wahrzeichen einer Stadt der Hochkultur, beweist Martin Ehrt, wie man die Errungenschaften des Bildungsbürgertums feiern kann, ohne dass es versnobbt wirkt oder der Künstler sich als corporate darstellt. Der starren, monumentalen, vielleicht etwas zu sehr respektgebietenden, klassizistischen Architektur begegnet Ehrt mit frischer Leichtigkeit. Über die Fotografie, mithilfe von Mehrfachbelichtung, versetzt er die Oper in abstrakte Schwingungen, als ob das pulsierende, kreative Innere durch die Mauern nach außen wirkt.

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Wie nebenbei verschwindet offenbar unnötiger Prunk und eine Art Charakter der Oper erscheint durch die Zerr-Linse des Fotografen in neuem Licht. Leuchtende Farben verzaubern den Ort, an dem Wagners Nymphen und Verdis Herzog von Mantua walten, die Würde bleibt dem Bauwerk und dem Ort erhalten.


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PETER PIEK Marzipan Der multitalentierte Peter Piek tourt, wenn er nicht gerade in seinem PPZK (Zentrum für Kultur) neue malerische Arbeiten schafft, als Solo-Künstler oder mit Begleitmusikern durch die ganze Welt. Ein überbordender Output und ein gesamtkünstlerischer Ansatz führen dazu, dass man das Kunst-Universum Peter Piek erst nach der Sichtung einer ganzen Reihe von KunstProdukten zu verstehen vermag. Dann allerdings stellt sich das Gefühl ein, hier ist ein durchaus ego-getriebenes Kunstwesen am Werken, dessen innerer Motor niemals still zu stehen scheint. Das zum ArtWalk ausgestellte „Marzipan“ ist zugleich Porträt und Erinnerung an

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die gleichnamige, frühere Katze des Künstlers und demonstriert die spontane reaktive Arbeitsweise des Künstlers. Der stets wiedererkennbare Stil ist geprägt von einer Formsprache, die Peter Pieks Bilder inzwischen auch verlässt und auf Wände und Installationen übergreift. Es ist nicht genau zu fassen, was die Kraft der oft bunten, oft einfachen malerischen Kompositionen ausmacht. Am besten trifft es wohl das Wort Aura, was von den unverfälschten, blühenden Arbeiten ausgeht.


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STEPHAN GROSS Das Eismeer “Das Eismeer” von Stephan Gross bearbeitet das namensgebende Original von Caspar David Friedrich über die Fotocollage. Ein militärischer Komplex ersetzt die untere Bildhälfte des Originals und setzt Friedrichs Eisschollen in einen kontrastierenden Kontext. Da das Ergebnis ästhetisierend bleibt, liegt es fern, eine Zivilisationskritik dahinter zu vermuten. Die Symbolhaftigkeit der kalten, monumentalen, einerseits natürlichen, andererseits vom Menschen geschaffenen Gebilde, spricht in der romantischen Sprache des verehrten Meisters. In diesem Fall, aber weniger vom Erhabenen oder Sublimen, als vom Bösen; ohne Zynismus und fast wertfrei als beständige Kraft des Universums, egal ob Grausamkeit der Natur oder die Brutalität des Menschen.

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Letzteres wird durch die zwar existierende, aber nicht ohne Weiteres zuordbare Militäranlage nicht auf die großen Diktaturen reduziert, sondern als immer wiederkehrende menschliche Eigenschaft gekennzeichnet. Durch die Vergrößerung der verwendeten Zeitungsausschnitte wird das Raster des Siebdrucks sichtbar und verweist durch die entstehende Abstraktion und die Auflösung in Punkte auf die Allgemeingültigkeit des Themas und durch die Beziehung zum Printmedium auf unseren mediengeprägten Filter der Wahrnehmung, wodurch sich weitere Assoziationsfelder öffnen.


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JOHANNES WALTHER Light Scapes Auf Schwarz und Grün reduziert und nicht fassbar in der Abstraktion, lässt das Bild von Johannes Walther vieles offen. Der Titel „Light Scapes“ gibt eine Richtung vor, doch ganz löst sich das Versprechen einer neonleuchtenden Metropole oder einer nächtlichen Skyline nicht ein. Trotzdem fühlt man sich an ein futuristisches Hong Kong oder Ridley Scotts Blade Runner erinnert – wenn man so will ein modernes Metropolis. Obwohl etwas Landschaftliches evoziert wird, könnte es sich auch um einen Mikrokosmos handeln. Oder ist es nur die Nahaufnahme einer LED-Anzeige etc.? Ob Landschaft, Architektur oder Technologie, lässt sich nicht sagen. Schärfe und Unschärfe

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machen es unmöglich Bezugsgrößen zu finden und somit bleibt der Raum unverortbar und abstrakt. Den Leipziger Künstler, der auch Sujets der Portraits, Architektur und Interieurs ganz erkennbar fotografiert, interessiert immer eine Staffelung und Schichtung, eine Aneinanderreihung und Verzahnung von gleichartigen Formen und LichtPhänomenen, ob es sich um die Fenster eines Firmengebäudes oder die Stühle in einem Konferenzraum handelt.


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GIUSEPPE GONELLA Tankstelle Der in Motta di Livenza (IT) geborene Giuseppe Gonella studierte an der Accademia di Belle Arti in Venedig und war Stipendiat der Fondazione Bevilacqua La Masa. Der international agierende Künstler lebt und arbeitet seit einiger Zeit vorwiegend in Berlin und Leipzig, wo er als Teil der Pilotenküche auf dem Spinnereigelände agiert. Auf erfrischende Art und Weise verbindet Gonella eine expressive Abstraktion mit an die Leipziger Schule erinnernder Figürlichkeit. Nie erzählend sind die bewegten Bilder stimmungsgetragen und geben dem Betrachter die

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Möglichkeit sich in der mosaikartigen Bruchstückhaftigkeit seiner Form zu verlieren. Dabei gibt es einiges zu entdecken, neben abgeklebten Kanten, poröse Pinselstriche, pastosen Farbauftrag und Formen, die an Collagen aus gerissenen Papierschnipseln erinnern. Die Figuration nimmt meist ebenfalls kontemplative Haltungen ein und unterstützt die, von den oft wie reflektierendes Wasser anmutenden Farbkompositionen ausgehende, zeitlose Ruhe.


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VALERIO FIGUCCIO ohne Titel Die auf den ersten Blick unscheinbaren, wenn auch sehr guten, Aufnahmen von Industriebrachen sind eigentlich eine Art Suchbild. Wie ein Chamäleon hat sich ein Gemälde an der Wand des Raumes versteckt. Der Künstler sucht Orte wie diesen auf und sammelt Material wie heruntergefallenen Putz, abgeblätterte Farbe und Betonreste. Im Atelier werden diese Reste auf einer Leinwand zu einem Gemälde verarbeitet, vielmehr geformt. Ein Gemälde, das versucht die Beschaffenheit der Oberflächen des Ursprungsortes nachzuempfinden. Dabei werden Risse der Wand nachgezeichnet, Wasserflecken imitiert und reliefartige

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Erhebungen modelliert. Das entstandene Gemälde bringt Valerio Figuccio zurück in die Industriebrache und hängt es an die Wand an der es letztendlich nahezu verschwindet. Das eigentliche Kunstwerk ist aber erst das Foto, das den künstlerischen Vorgang dokumentiert, ohne ihn zu zeigen. Haben wir es mit einem Sammler, einem Maler bzw. Plastiker, einem Landart-Künstler, Street-Art oder doch einem Fotografen zu tun. Nein, Valerio Figuccio ist Konzeptkünstler, denn erst die Arbeitsweise, die dem Foto immanent ist, aber unsichtbar bleibt, gibt Aufschluss über die Motivationen des Künstlers.


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MARTIN LÜTKE Granit Es ist kein Zufall, dass Martin Lütkes Werke wie Bilder der klassischen Moderne wirken. Die Formsprache, die an Dada erinnernde Collagehaftigkeit, verzerrte Figuration und surreale Räume legen diese Assoziation nahe. Unterstützt wird dieser Eindruck oft durch die passende Rahmung. Beim näheren hinschauen entdeckt man eine fast trashige Ironie, die aber stets den modernen Vorbildern verbunden bleibt. Nur die sture Ernsthaftigkeit wird vorsätzlich abgelegt. Wenn Kunst, dann soll sie auch Spaß machen. Dieser ironisierende Aspekt überträgt sich auch auf den Markt-Kontext. Auf dem Kunstmarkt gelten die Werke der klassischen Moderne immer noch als das Non-plus-Ultra, zumindest als Wertanlage.

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Lütke versucht keine neue Formsprache zu entwickeln, er spielt mit den Klischees und beweist dabei ein Auge für Details und ästhetisierendes Geschick in der Zusammenstellung. Das an Max Ernsts surreale Landschaften erinnernde „Granit“ verschweigt, ob es sich um eine Höhle oder den Kosmos handelt und demonstriert formal die Übersetzung der eincollagierten Kerzenflammen in pastose Abstraktion, um nur eine der zahlreichen Entdeckungen vorweg zu nehmen, die man auf dem in der Sammlung Rusche befindlichen Bild machen kann.


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JUSTUS JAGER Der fliegende blinde Wanderzirkus Der Künstler verlangte ausdrücklich: “Steckt mich nicht wieder in die klassische Moderne!“. Formal sieht es aber verdammt danach aus, also wie kommt das? Der gebürtige Dresdner erfuhr in St. Petersburg eine traditionelle akademische Ausbildung. Und das heißt an russischen Kunsthochschulen, dass die relevante Kunstgeschichte um ca. 1920 endet. Allerdings erlernte Justus Jager dadurch sein maltechnisches und maltechnologisches Handwerk perfekt zu beherrschen, naturalistisches Zeichnen, anatomische Studien und sogar eine authentische Freskomalerei mit dem Werkzeug der Alten Meister, stellen für ihn kein Problem dar. Da dem Künstler eigen ist, sich gegen die akademischen Vorgaben aufzulehnen,

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war aber auch Justus Jager bestrebt, aus dem Handwerk heraus eine eigene Sprache zu entwickeln und wie einst die Vorreiter der klassischen Moderne, bricht er die erlernten, tradierten Regeln. Genau das hat er mit verehrten Künstlern gemein: die ausgereifte Beherrschung der Dogmen, ermöglicht es erst darüber hinaus zu gehen. Möglicherweise sieht man deshalb ein bisschen Chagall und ein bisschen Picasso, wo doch der Künstler eher Repin verehrt. Nun behauptet sich der Künstler aber im zeitgenössischen Kontext und reagiert auf die aktuellen Strömungen und ist wie nebenbei wieder eine Gegenposition.


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TASSO Sümpf Der aus Meerane stammende TASSO – mit bürgerlichem Namen Jens Müller – ist in der Sprayerszene und darüber hinaus längst ein Begriff. Mit fotorealistischer Technik beeindruckt seine Fassadenkunst und hat ihm so auch regelmäßige Aufträge für Kunst am Bau und damit einen einträglichen Lebenserwerb gesichert. Warum also wendet sich der Künstler nach gut zwei Jahrzehnten Graffiti von seinem wichtigsten Arbeitsmittel ab und beschreitet einen neuen Weg durch das Malen ohne Spraydose? Ein mutiger Schritt, denn jenseits akademischer Beschränkungen findet TASSO nach individueller Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte eine eigene Bildsprache. Der Betrachter wird Beobachter eines

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Experiments, denn die Suche nach einer eigenen zeitgenössischen Position ist in den Motiven spürbar. Dabei muss sich der talentierte Fotorealist immer wieder selbst überlisten, um nicht in der erprobten Technik zu verharren. Er tut dies, indem er Drippings anfertigt (die flüssige Farbe direkt auf das Bild „tropft“), seine Arbeiten zerstört und weiterbearbeitet oder seine Motive bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. So entstehen narrative Bilder neben Landschaften, Popart und surrealer Poesie. Trotz kunsthistorischer Sujets ist TASSO immer temporär, die Einflüsse der StreetArt, die er spürbar zu verdrängen sucht, brechen sich immer wieder Bahn.


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IMPRESSIONEN

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DANKSAGUNG ArtWalk - Park 2013 Wir möchten uns ganz herzlich bei allen bedanken, die den ersten ArtWalk-Park der Projektreihe Leipzig Young Contemporary ermöglicht haben. Wir waren sehr erfreut, so viel positive Resonanz und Unterstützung für diese Ausstellungsidee zu erfahren. Unser Dank gilt zunächst allen Künstlerinnen und Künstlern, die ihre großartigen Ideen eingereicht und Bilder für die Ausstellung bereit gestellt haben. Ganz wesentlich bedanken wir uns auch bei den Unternehmerinnen und Unternehmern, die mit ihrer finanziellen Unterstützung einen wichtigen Beitrag zur Realisation der Freiluftausstellung geleistet haben. Großer Dank geht auch an alle Fans und Freunde des Projekts, die per Mundpropanda und Social Media die Ausstellung geteilt und begleitet haben. Wir bedanken uns außerdem für die offenen Ohren und die unkomplizierte

Bearbeitung durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer und das Kulturamt der Stadt Leipzig. Unser abschließender Dank gilt Herrn Oberbürgermeister Burkhardt Jung für sein Engagement und seine Begeisterung. Wir hätten uns keinen besseren Start für das Projekt [LYC] wünschen können und freuen uns sehr auf die Fortsetzung der Reihe im kommenden Jahr.

Ihr Team von Leipzig Young Contemporary Jann von der Brelie Philipp Ludwig-Orlowski Cathrin Rühle Steve Uhlig


Leipzig Young Contemporary (LYC) 2013 IMPRESSUM Projektgruppe „Leipzig Young Contemporary [LYC]“ Ein Gemeinschaftsprojekt von activeART und bindabei erlebnismarketing Jann von der Brelie Philipp Ludwig-Orlowski Cathrin Rühle Steve Uhlig leipzig@youngcontemporary.de www.youngcontemporary.de facebook.com/youngcontemporary

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Die Bildrechte liegen beim jeweiligen Künstler. Leipzig, Oktober 2013



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