


Mechanische Zeitmesser spielten seit ihrer Erfindung vor etwa eintausend Jahren im Leben der Menschen eine bedeutende Rolle und verbreiteten sich daher sehr zügig. Ausgesprochen wichtig waren konkrete Zeitangaben im sakralen Bereich, um die Ausübung der religiösen Rituale und Zusammenkünfte in Kirchen und Klöstern wie zu Gottesdiensten, Andachten oder Mahlzeiten zu organisieren. Ebenso bedeutsam war eine zeitliche Festlegung für amtliche Handlungen und nicht zuletzt zur besseren Orientierung im alltäglichen Leben. Anfänglich gab es lediglich weithin sichtbare und für alle verbindliche Uhren an Kirchtürmen sowie Bodenstand- und Wanduhren in Innenräumen. Sie hatten konstante Gewichtsantriebe. Bald schon arbeiteten die fähigsten Uhrmacher der Neuzeit an einer besonderen Herausforderung: der Herstellung tragbarer Uhren. Die ersten Exemplare dürften Mitte des 16. Jahrhunderts im süddeutschen Raum entstanden sein. Besonders bekannt ist das „Nürnberger Eierlein“1, dessen Name vermutlich nicht von seiner Form, sondern vom Begriff „Ührlein“ abgeleitet ist. Es dauerte jedoch noch viele weitere Jahrzehnte, bis ein gebrauchstüchtiger Zeitmesser entstanden war, der bei verhältnismäßig geringer Abweichung nach nur einmaligem Aufzug über die Dauer eines ganzen Tages funktionierte. Tragbare Zeitmesser breiteten sich im 17. Jahrhundert allmählich aus. Sie stellten moderne, wertvolle und damals noch seltene Exemplare ausgeklügelter Technik dar. Passend dazu bestanden sie oft aus edlen Materialien wie Silber, Gold, Bergkristall oder Emaille, die einen entsprechend hohen Preis hatten und damit ausschließlich dem Adel, hohem Klerus und wohlhabenden Bürgern vorbehalten waren. So wird nachvollziehbar, dass die stolzen Besitzer, die ihre tragbare Uhr in der Tasche oder vielleicht an einem seidenen Band als Halsuhr mit sich führten, zu Hause angekommen, diese auch dort Familienmitgliedern und Gästen an einem repräsentativen Ort vorführen wollten. Erst nach der bahnbrechenden Erfindung einer ringförmig gestalteten Unruh in Verbindung mit einer Spiralfeder als zuverlässiges und präzise regelbares Schwingungselement waren im ausgehenden 17. Jahrhundert befriedigende Gangergebnisse zu erzielen. Die Taschenuhr wurde dadurch zum gebrauchstüchtigen Zeitmesser. Allmählich entwickelte sich die Herstellung vom Einzelstück weg zur Fertigung größerer Stückzahlen, die nun für einen erweiterten Personenkreis erschwinglich wurden. Exemplarisch sei die in Frankreich ab dem Ende des 17. Jahrhunderts hergestellte, zwiebelförmig aussehende und präziser funktionierende Taschenuhr „Oignon“ genannt. Die ersten Taschenuhren wurden vermutlich nach ihrer Zurschaustellung in der Öffentlichkeit von ihren Trägern und Trägerinnen zu Hause an Schmuckhaken – sogenannten „crochets porte-montre“ oder „crochets de montre“– deponiert. Diese französische Erfindung war an Wänden oder Möbeln befestigt. Ein allgemein zunehmendes Repräsentationsbedürfnis und die Verbreitung der „Oignons“ führte gegen Ende des 17. Jahrhunderts vermehrt zur Anschaffung der eigens für die neuartigen kostbaren Zeitmesser gefertigten Taschenuhrständer. Viele der ersten geschnitzten Ständer stammen aus Frankreich, konkreter aus dem Umfeld Ludwigs des XIV. (1643–1715). Daher bürgerte sich der Begriff „porte-montre“ ein. Mit der zunehmenden Verbreitung des
Christliche Allegorien
15 Taschenuhrständer in Tabernakelform mit Memento mori, alpenländisch, um 1680, Nadelholz, gefasst, polimentvergoldet (matt/Glanz) und -versilbert, matt, mit gelblichem Überzug, z. T. grün gelüstert, Erstfassung, Farbfassungen (Dach, 1. und 2. Überfassung), Sockelplatte rot marmoriert (Überfassung) mit polimentvergoldeten Quetschfüßen, Höhe 30 cm, Privatsammlung, s. Abb. 189, 238.
Rückwand: mit Jahreszahl 1698 vermutlich als Zeitpunkt des Umbaus zur Tischuhr mit fest verbautem Uhrwerk und Schalllöchern.
Detail: Stundenzettel-Fragment als Abklebung eines Schallloches mit teilweise lesbarer Aufschrift: porte …. Auf dem Kranzgesims fehlen drei Aufsätze; Stecklöcher (Mitte, vorne rechts und links hinten) vorhanden.
Eindeutige Symbole und Personifikationen des christlichen Glaubens sind vom späten 17. bis in das 19. Jahrhundert an zahlreichen Taschenuhrständern zu finden. Das wundert nicht, waren sie doch bei geistlichen Käufern gefragt. Pünktlichkeit stellte im klösterlichen Gemeinschaftsleben eine wichtige Tugend dar und war für die Alltagsorganisation unumgänglich. Taschenuhren waren zumindest für die hochrangigen Glaubensdiener neben dem Glockengeläut zur Einhaltung ihres minutiös festgelegten Tages- und Nachtablaufes unverzichtbar.
Ein immer wiederkehrendes Symbol ist ein verdorrter Dornenzweig kombiniert mit einem frischen Zweig, aus dem die Blätter sprießen und deren Anfang und Ende sich überkreuzen (Abb. 15). Sie symbolisieren die Zweiwegelehre, die heidnisch-antike wie jüdisch-christliche Wurzeln hat. Die Moral wird bereits im antiken Mythos aufgegriffen und in der Kunst häufig verarbeitet, wie in der Erzählung von „Herakles am Scheideweg“, auch bekannt als „Die Wahl des Herakles“.62 Sie handelt von dem griechischen Helden Herakles, der sich zwischen einem mühelosen, aber nur kurzfristig zufriedenstellenden, aber moralisch verwerflichen Lebensweg und dem beschwerlichen, aber tugendhaften und langfristig beglückenden entscheiden muss. Der Mythos ist eine klassisch antike Schöpfung des Sophisten Prodikos von Keos (465 oder 450 v. Chr. – nach 399 v. Chr.). Von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert ist er eine der am häufigsten rezipierten Grundlagen für die christlichmoralische Darstellung einer grundsätzlichen Entscheidung im pietistischen Sinn. Der Mensch hat die Wahl, dem breiten, bequemen, lasterhaften oder dem schmalen, mühevollen, tugendhaften Lebensweg zu folgen. Entweder stürzt er ihn in die Verdammnis oder führt ihn ins Paradies. Diese von allen Kirchenlehrern propagierte Antithese ist auch bei allen Uhrständern zu sehen, die wie hier den Schädel Adams, einen Totenschädel mit zwei sich überkreuzenden Knochen, in ihre Darstellungen integrieren. Er symbolisiert den alten
21 22
21 Relief des Kirchenvaters Ambrosius, 1904, Detail der Neogotischen Kanzel von Michael Plakolb, St. Peter am Wimberg (Oberösterreich).
22 Taschenuhrständer in Form eines Tischuhrgehäuses mit dem Mariengeheimnis des heiligen Ambrosius, Papagei als Bekrönung, Buch und Bienenkorb, Süddeutschland, 1760, Eiche, farbig gefasst, polimentvergoldet (matt/Glanz), Erstfassung mit partiellen Überfassungen, Höhe 60 cm, Kat.-Nr. 202.
Der sehr große und schöne Taschenuhrständer aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist über die Attribute des hl. Ambrosius von Mailand (339–397), Buch und Bienenkorb (ein Verweis auf die wundersame Nährung als Kleinkind durch den Honig eines Bienenschwarms) sowie den Papagei als Mariensymbol, ebenfalls eindeutig als Kirchenvater-Taschenuhrständer gekennzeichnet (Abb. 21, 22).
Ambrosius, einer der vier lateinischen Kirchenlehrer, gilt seit 1295 als Kirchenvater. Er sah in den Bibeltexten eine wörtliche, eine moralische und eine mystische Bedeutung. Er war ein vehementer Kämpfer gegen viele spätantike „Irrlehrer“, die Marias Gottesmutterschaft, ihre Unbefleckte Empfängnis durch den Heiligen Geist und die jungfräuliche Geburt von Jesus Christus als Mensch und Gott leugneten. In den Worten von Ambrosius selbst und Josef Huhn: „Hell leuchtet das Bild Mariens in dem Reichtum ihres Tugendlebens. Durch liebevolles Versenken in die wenigen biblischen Stellen, die von Maria handeln, hat Bischof Ambrosius die Farben zu dem Bild gesammelt, das er den Jungfrauen vorhält: ‚Ein Bild der Jungfräulichkeit, so ruft er ihnen zu (De virg. II,6), sei euch das Leben Mariens, von dem wie von einem Spiegel der Glanz der Keuschheit und die Schönheit der Tugend zurückstrahlt. Hier möget ihr Beispiele für das Leben holen, wo die Grundsätze der Tugend, gleichsam in einem Musterbild ausgeprägt, euch zeigen, was ihr bessern, was ihr meiden, was ihr behalten sollt. Was ist edler als die Mutter Gottes? … .‘ Dann schildert Ambrosius den Glauben der Gottesmutter, ihre Demut und Bescheidenheit, ihre Emsigkeit, und schließt dann mit den Worten: ‚Wie viele
Tugenden strahlen in der einen Jungfrau hervor! Maria war so beschaffen, daß ihr Leben allen zum Muster dient.‘ – So ist das Urbild der Kirche zugleich Vorbild für die einzelnen Glieder der Kirche, und das ist durchaus folgerichtig, wenn Maria das innerste Wesen der Kirche repräsentiert.“65 „Um sie [die Unbeflecktheit Marias] den Ungläubigen glaubhaft erscheinen zu lassen, weist Ambrosius auf analoge Erscheinungen in der Natur hin. Im Exameron V,64 erwähnt er als Beispiel, daß gewisse Vogelarten sich ohne Geschlechtsverkehr fortpflanzen, und stellt dann die rhetorische Frage: ‚Was sagen dazu die Spötter, welche so gerne unsere Geheimnisse verlachen, wenn sie hören, daß eine Jungfrau geboren hat, und welche die Geburt einer Unvermählten, deren Scham keines Mannes Beischlaf verletzt hat, für unmöglich halten? Für unmöglich will man bei der Gottesmutter das halten, dessen Möglichkeit man bei den Geiern nicht in Abrede stellt?‘“66
Nicht nur der Papagei, sondern auch die Muscheln, in die der Tau fällt und die Perlen hervorbringen, symbolisieren die jungfräuliche Empfängnis Marias. Rosen sind ein Mariensymbol wie auch eines für das Leiden Christi. Der Schmuckrahmen um das Uhrauge ist als Sonnenblume ausgebildet, ein symbolischer Hinweis auf die ständige Anwesenheit Gottes, nach der sich alle Gläubigen, insbesondere die Kirchenlehrer, ausrichten, wie die Sonnenblume ihre Blüte ständig zur Sonne neigt. Die Mäanderornamente der Füße sind ornamentale Symbole der Ewigkeit ohne Anfang und Ende, wie die von Gott geschaffene und sich ständig über Leben und Tod erneuernde Natur, die sich hier über das Blattornament daraus entwickelt.67
Abraham und Isaak Es handelt sich um die alttestamentarische Geschichte von Abraham, der seinen Sohn Isaak auf Geheiß Gottes opfern soll. Damit soll Abraham zeigen, dass er so gottesfürchtig ist, dass er selbst vor einem Mord an seinem eigenen Kind nicht zurückschreckt. Ein Engel gibt ihm jedoch rechtzeitig zu verstehen, dass Gott kein Menschenopfer verlangt. Gott begnügt sich schließlich mit dem Brandopfer eines Widders, der sich in einem Gestrüpp verfangen hatte. Die grausame Szenerie hier zeigt den Moment, in dem der Engel in das Geschehen eingreift (Abb. 23).
Das christliche Brandopfer des Widders symbolisiert den Übergang des Alten zum Neuen Testament, von der Ewigkeit hin zur neuen Schöpfung. Das Brandopfer ist nach christlichem Verständnis das höchste Opfer überhaupt. Aufsteigender Rauch verbindet Erde und Himmel.
Abraham steht früh am Morgen auf, um Gottes Auftrag zu erfüllen. Das frühe Aufstehen weist auf den neuen Tag, der gekommen ist, und damit die Möglichkeit, anzufangen, ein gottgefälliges Leben zu führen. Abraham hatte mit Sara ein Kind bekommen, als sie schon nicht mehr daran geglaubt hatten: Isaak, aus dem ein ganzes Volk entstehen sollte. Dieses Beispiel soll zeigen: Menschen wissen nie genau, was Gott will und sollten immer zu seinem Wohlgefallen handeln.
Jesus am Jakobsbrunnen mit der Samariterin „… Jesus antwortete und sprach zu ihr: Jeden, der von diesem Wasser trinkt, wird wiederum dürsten; wer irgend aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt. Das Weib spricht zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit mich nicht dürste und ich nicht hierher komme, um zu schöpfen“ (Joh 4,13–15).
23 Taschenuhrständer mit Abraham und Isaak, alpenländisch, um 1800, Nadelholz, transparent lackiert, ursprünglich weiß oder farbig gefasst, polimentvergoldet, Höhe 34 cm, Kat.-Nr. 15.
65 Huhn 1950, S. 145f
66 Ebd., S. 134f. Diese erstaunlich frühe Naturbeobachtung konnte erst vor ca. zwei Jahren wissenschaftlich für die Gattung Condor nachgewiesen werden. Das Phänomen einer asexuellen Vermehrung tritt offensichtlich vor allem bei in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln auf. Papageien, für die dieses Phänomen bisher nicht explizit beschrieben wurde, waren importierte Exoten, die ihr Dasein üblicherweise als Gefangene fristen mussten. Sollte die asexuelle Vermehrung in Gefangenschaft auch schon früh bei ihnen beobachtet worden sein, wäre das eine sehr profunde Erklärung für den Papagei als Mariensymbol. Für diesen Hinweis besten Dank an Prof. Dr. Peter Rosenkranz, Universität Hohenheim.
67 „Das Mariengeheimnis beim Kirchenvater Ambrosius“, Vortrag gehalten auf dem Internationalen Marianischen Kongress zu Rom (23. Oktober bis 1. November 1950), siehe: Huhn 1950, S. 135–146.
82 Vgl. Jacob o. J.; Hunger 1974.
83 Müller 2010, S. 255.
84 Es gibt keine abschließende, verbindliche Definition und Auflistung von Tugenden. Es hat im Laufe der Geschichte immer neue Ansätze und leicht veränderte oder erweiterte Tugendkataloge gegeben. Der Kirchenvater Hieronymus (gest. 419) spricht von den Kardinaltugenden als dem Viergespann, dessen Wagenlenker Christus ist. Papst Gregor der Große (gest. 604) verbindet die vier Kardinaltugenden mit den ihnen zugeordneten drei theologischen Tugenden und stellt dann die sieben Tugenden in Parallele zu den sieben Gaben des Heiligen Geistes. Mit Augustinus (gest. 430) bezeichnet er die Liebe als den Quellgrund aller Tugenden, an deren Spitze die erworbene Tugend der Demut steht.
85 Gründel 1965.
Kosmos, also der Gegenkraft des Chaos. Die Lyra ist Attribut und Kennzeichen der bereits erwähnten griechischen Götter, allen voran Apoll, und des mythologischen Sängers und moralischen und tugendhaften Dichters Orpheus. Das Bild seiner Lyra wurde als Sternzeichen in den Himmel versetzt.
Da der Mythos von Orpheus und Eurydike für die Unsterblichkeit der Seele steht, findet man Harfe und Lyra auch oft in der Grabmalsymbolik. Orpheus’ Gesang erweichte den Gott Hades so, dass dieser ausnahmsweise dessen Geliebte, Eurydike, aus dem Totenreich entließ. Der Gang hinab und hinauf aus der Welt der Toten, mit dem Orpheus seine Geliebte wieder ans Licht führt, ist später mit Christus verglichen worden, der die Toten in den Himmel führt. Orpheus ist schon in der frühchristlichen Katakombenmalerei öfter im Motiv des „Guten Hirten“ als Leierspieler mit Schafen an seiner Seite analog einer Christus-Darstellung zu sehen.82 Sie begleitet auch den löwenreitenden Amor, mit dessen Liebe sich der Mensch über die animalische Natur erhebt, und vermittelt auch hier über den Topos „Omnia vincit amor – Liebe besiegt alles“ den Triumph und die Allmacht der Liebe (s. Abb. 255).
Tugenden, Laster, Sünden und Todsünden Nach katholischer Lehre verloren diejenigen, die eine Todsünde begingen, den Gnadenstand und konnten diesen nur durch das Sakrament der Buße wiedererlangen. Bis dahin waren sie von der Eucharistie ausgeschlossen. Starb man im Zustand der Todsünde, galt die ewige Verdammnis als sicher, d. h., dieser brachte den „ewigen Tod“.83
Tugenden Nicht nur aus Sicht der katholischen Kirche galt die tugendhafte Lebensführung als Weg der Vervollkommnung, und es galt als Sünde, den tugendhaften Pfad zu verlassen, woraus leicht eine Todsünde folgen konnte. Bis heute prägen in den meisten Anschauungen sieben Tugenden das Christenleben: Glaube (Fides), Hoffnung (Spes), Liebe (Caritas), Gerechtigkeit (Justitia), Klugheit (Prudentia), Tapferkeit (Fortitudo) und Mäßigung (Temperantia). Die drei ersten werden göttliche oder theologische Tugenden, die vier letzten Kardinaltugenden genannt.84
Der Aufforderung zur Stetigkeit als wichtigste Komponente im tugendhaften Leben konnte über den täglichen Gebrauch eines entsprechend gestalteten Taschenuhrständers Nachdruck verliehen werden.85 Ein Beispiel ist der Uhrhalter in Altarform (Abb. 39).
Über dem Geschehen thront als Bekrönungsfigur Caritas, die Personifikation der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Sie hält ein Bündel, das wahrscheinlich ein Kind ist. Darunter befinden sich zwei Genien oder Putten, die die zentrale Uhr flankieren. Etwas tiefer auf dem Altaraufsatz, dem Aufbewahrungsort der geweihten Hostie, eine Reliefdarstellung mit einem demütig niederknienden Menschen, dem von einer stehenden Figur ein Spiegel vorgehalten wird. Links daneben steht Fortitudo, die Kardinaltugend der Tapferkeit, mit einer Säule im Arm als Symbol der Stärke und Beständigkeit, rechts davon Fides, die göttliche Tugend des Glaubens, mit einem Kreuz. Hinter diesen Figuren fehlen seitlich im Altaraufsatz die eingesteckten Gegenstände, für die Löcher vorhanden sind. Vor dem Altartisch befindet sich Chronos mit der vor das Gesicht geschlagenen Hand, der mit der Kardinaltugend der Weisheit im Gespräch ist. Diese hält ein Buch. Hinten links neben dem Altar in abgewendeter Haltung und verhüllter Gestalt ist vermutlich der Tod zu sehen, hinten rechts in inbrünstiger Haltung mit Blick nach oben zum Himmel auf die gedachte Hand Gottes und nach vorne gewandt die göttliche Tugend der Hoffnung.
39 Taschenuhrständer in Altarform mit Chronos und dem Tod umgeben von Tugendallegorien, wohl Deutschland, 18./ 19. Jahrhundert, gebrannter Ton weiß gefasst und vergoldet, Höhe 37 cm, Privatsammlung.
Detail Frontdarstellung vor Altar: Prudentia / Sapientia mit Buch – die Kardinaltugend der Klugheit / Weisheit im Gespräch mit dem Zeitgott Chronos, der sich die Hand vor das Gesicht schlägt.
113 Wandhängender Taschenuhrständer in Form eines Uhrschildes mit umlaufendem Ornamentstab, aufgesetztem Widderkopf und Blumenvase als Bekrönung, wohl Frankreich, 19. Jahrhundert, Laubholz, braun gebeizt, Erstfassung, Höhe 36 cm, Kat.-Nr. 173.
Nach Matthäus 25,32 trennt der Weltenrichter die Gerechten von den Ungerechten wie der Hirte die Geißen von den Böcken. Der Ziegenbock gilt in der späteren Tradition als Sinnbild für den Sünder, für Unkeuschheit und den Teufel. Der wollüstige Gott Pan ist eine Verbindung aus Mensch und Ziegenbock. Er ist das Symboltier der Todsünde Luxuria (Ausschweifung, Wollust, Begierde, Unkeuschheit), aber auch ein Begleittier des Hermes.
Auf Taschenuhrständern wurden gern Widderköpfe dargestellt, auch mit Weintrauben im Maul als Verbindung zum Weingott Bacchus und der Jahreszeit Herbst. Für die Zeitsymbolik spielt der Widder als Tierkreiszeichen ebenfalls eine Rolle. Die Sonne soll im Zeichen des Widders erschaffen worden sein und begann dort ihren Lauf, weswegen dieses als das erste Tierkreiszeichen gilt. In jedem Jahr beginnt sich die Natur im Sternbild des Widders zu erneuern, die Sonne wird kräftiger und alles beginnt zu wachsen (Abb. 113). Die reifen Trauben in seinem Maul stehen für das Ende der Wachstumsphase eines Jahres, womit Anfang und Ende symbolisiert ist (Abb. 114).
Der Delfin
Darstellungen von Delfinen finden sich häufig auf antiken Grabmälern. Ihre Symbolik ergibt sich aus den ihnen zugeschriebenen Charaktereigenschaften, hilfsbereit und menschenfreundlich zu sein.
In Sagen trägt er Heroen und Schiffbrüchige auf seinem Rücken über das Meer zurück an Land und Delfine, die ein Schiff begleiten, gelten als Garanten einer glücklichen Seefahrt. In diesem Sinne wird der Delfin auch als Geleiter der Seelen ins Totenreich verstanden. Er begleitet die Verstorbenen über das große Wasser zur Insel der Seligen, ins Elysium (Abb. 115). Mit diesen Gedanken wurde der Delfin von der frühchristlichen Kunst übernommen und auf Christus, den Erlöser, bezogen und galt als Symbol der Rettung, der Jenseitshoffnung bzw. des Unsterblichkeitsgedankens. In Verbindung mit der Vorstellung eines himmlischen Ozeans, den die Seele auf dem Weg ins Jenseits überqueren muss, symbolisiert der untertauchende Delfin auch die reinigende Kraft des Wassers.158 Zwei in entgegengesetzte Richtungen blickende Delfine stehen für die Dualität der Natur (s. Abb. 261).159
114 Taschenuhrständer als Gesimsarchitektur auf Säulenfüßen mit Voluten, hängende Blattgirlanden, traubenfressender Widderkopf, Flammenvase als Bekrönung, wohl alpenländisch, um 1800, Nadelholz, farbig gefasst, mattvergoldet und versilbert, grün und blau gelüstert, Erstfassung, Höhe 27 cm, Kat.-Nr. 343.
115 Taschenuhrständer mit Delfin, Adler und Genius als Seelenbegleiter, wohl Deutschland, 18. Jahrhundert, Eiche, farbig gefasst, mattvergoldet, Erst- mit einer Überfassung, Höhe 30 cm, Kat.-Nr. 2.
165 Die erste deutsche freimaurerische Großloge war 1737 die Loge d’Hambourg. Der französische Pazifist und hochrangige Freimaurer Charles Bernardin (1860–1939) schreibt in seinen 1909 veröffentlichten Bemerkungen zur Geschichte der Freimauerei, dass er in 209 untersuchten Publikationen zum Ursprung der Freimaurerei 39 unterschiedliche Angaben finden konnte. 28 sehen die Anfänge in den gotischen Bauhütten der Steinmetze [Dombauhütten als sog. Logen], 11 in England, 9 in Schottland, 3 in Frankreich, 18 in Ägypten, 12 im Templerorden, 4 unter den Druiden, 5 als Folge der Kreuzzüge, 6 unter den Juden, 10 im Urchristentum oder Jesus Christus selbst, noch 3 bei den Überlebenden der Sintflut, zu deren Anhängern der Auftraggeber des abgebildeten Taschenuhrständers gehört haben könnte.
166 Den Griechen galt die Palme auch als Symbol der Auferstehung. In der römischen Kultur ist das Palmblatt ein Symbol des Sieges, des Triumphs und der Freude. Die griechische Siegesgöttin Nike und die ihr entsprechende römische Victoria werden oft als jugendliche Frau mit Siegeskranz und Palmzweig abgebildet. Über die römische Kultur fand der Palmwedel Eingang in die christliche Symbolik. Auf frühen christlichen Grabsteinen fand der Palmzweig als Siegeszeichen über den Tod und den Teufel recht häufig Verwendung.
167 Eine angelsächsische, antediluvianische (vorsintflutliche) Freimaurergruppierung, deren Symbol für angedeutete menschliche Schwimmbewegungen steht, wie sie die von der Sintflut überraschten Menschen ausgeführt haben mögen, misst der Bibel keine Bedeutung bei, da sie zur Zeit der Sintflut noch nicht existierte und die Freimaurergruppierung ihre Ursprünge vorsintflutlich sieht.
168 Minder 2004.
Die erste grossloge der Freimaurer, die United Grand Lodge of England (Vereinigte Großloge von England, UGLoE), entstand 1717 nach einem von James Anderson 1738 publizierten, aber nicht eindeutig belegten Gründungsmythos aus vier Londoner Einzellogen.165
Der Taschenuhrständer mit Freimaurerthematik (Abb. 123) hat ein sehr komplexes und außergewöhnliches Bildprogramm. Die Szenerie an der Vorderseite spielt in reißendem Wasser. Weggespülte Warenpakete, ein sich drehendes Mühlrad, ein Halt suchender Arm eines Untergegangenen, Instrumente, Werkzeuge und einstürzende Säulen sind erkennbar. Die durchstrukturierte Holzoberfläche erinnert an strömenden Regen. An den Ecken flankieren zwei allegorische Frauengestalten das dramatische Geschehen, links attribuiert mit den Freimaurersymbolen Winkelmaß und Zirkel in Kombination mit einem Palmwedel, der die freimaurerische Grundauffassung der friedlichen Erreichbarkeit aller Ziele unterstreicht.166
Gegenüber an der vorderen rechten Ecke sitzt Justitia mit Schwert und Waagschalen. Sie betont eine der Grundregeln der Freimaurer, immer den Gesetzen zu gehorchen. In der sintflutartigen Frontszenerie sehen wir einen Arm, der sich schwimmend an einem der Warenpakete festhält und gerade ins Mühlrad geraten ist.167 Das Mühlrad ist wie das zur Acht verwundene Seil ein Unendlichkeitssymbol. Beide gehören zur Freimaurersymbolik. Im kleinen Dreieck über dem Uhrauge war vermutlich das alles sehende Auge Gottes vorgesehen. Es ist ebenfalls ein wichtiges Freimaurersymbol. Sollte es doch lediglich ein Dreieck sein, handelt es sich um das Zeichen des Feuers und der aufklärenden Wissenschaft (das Dreieck dient u. a. zur Messung von Distanzen), aber auch um das christliche Zeichen der Trinität.
Die schon stark in Mitleidenschaft gezogenen Schnitzereien der linken Seite lassen neben der Weltkugel oder dem Himmelsglobus weiteres freimaurerisches Arbeitsgerät wie Winkel und Spitzhammer erkennen – andere Dinge sind heute nur noch schwer auszumachen. Ein am Boden liegendes, rot hervorgehobenes Buch ist noch zu erkennen. Es könnte im Zusammenhang mit den anderen Symbolen dem allgemeinen Topos „die Welt als Buch“ zugerechnet und im Sinne der Lesbarkeit der Schöpfung verstanden werden. Mit den Messgeräten und dem Sphärenglobus stellt es die Erkenntnisse der astronomischen Wissenschaft, die mit ihren Beobachtungen der Bewegung der „Sphären“ die Grundlage einer exakten Zeitrechnung legte, dar. Auf der rechten Seite spielt eine bäuerliche Szene, bei der reiche Ernte auf einem mit Korngarben beladenen Karren eingefahren wird, ein Symbol der Freimaurer für die vollendete reife Menschenseele. Über die Tätigkeit des Erntens ist der Bezug auf die neue durch Gott zugesicherte Zeiteinteilung des Jahres nach der Sintflut hergestellt. Nach dem immerwährenden Frühling führte Gott nach der Sintflut mit dem immer wiederkehrenden Jahreszeitenzyklus für die Menschen eine neue zyklische Zeitkonzeption ein.168
123 Taschenuhrständer mit Freimaurerund Sintflut-Thema, wohl Deutschland, 18. Jahrhundert, Laubholz, gebeizt und lackiert, partiell farbig gefasst, Erstfassung, Höhe 26 cm, Kat.-Nr. 227.
175 Taschenuhrständer in Form eines Kommodensekretärs mit Schublade, wohl Deutschland, 19. Jahrhundert, verschiedene Hölzer als Einlegearbeit, Bronzebeschlag, Höhe 25 cm, Kat.-Nr. 359.
176 Taschenuhrständer als Modellmöbel, England, frühes 19. Jahrhundert, Palisander mit Messingeinlagen, Höhe 29 cm.
Geschreinerte Taschenuhrständer griffen gern die Form kleiner kastenförmiger Uhrgehäuse auf oder waren als Modellmöbel im schlichten Stil des deutschen Biedermeier gestaltet (Abb. 175, 176). Sie hatten nur noch wenige symbolische Bezüge zum Thema Zeit, meist in den Beschlägen. Der weitere Verlauf des 19. Jahrhunderts bewirkte eine Materialvielfalt, wobei der geschnitzte Uhrhalter aus Holz fast ganz verschwindet. Zuletzt fungierten sie auch als Reiseandenken, ehe sie im Jugendstil fast gänzlich verschwanden.
175
201 Taschenuhrständer geformt aus Gesimsstücken, Voluten, Blatt- und Muschelornamenten und Frauenbüste, Süddeutschland, 18. Jahrhundert, Laubholz, farbig gefasst, polimentvergoldet und -versilbert (matt/Glanz), Erst- mit Überfassung, Höhe 28 cm, Kat.-Nr. 214.
202 Wandhängender Cartel-Taschenuhrständer aus Rocaillen, mit Muschel-Konsole und edlem Herrn, alpenländisch, wohl Gröden, 18. Jahrhundert, Nadelholz, polimentvergoldet (matt/Glanz), Erstfassung mit partiellen Übervergoldungen, Höhe 43 cm, Kat.-Nr. 276.
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, im Rokoko, werden die Gehäuse zierlicher und verspielter, das Ornamentale, vor allem die Rocaille, löst strenge Gliederungen der Gehäusekonturen mitunter völlig auf. Bei den wandhängenden Modellen verschmelzen die Konsolensockel mit den frei stehenden Ständern zu Cartel-Gehäusen, bei denen Ornament, Zierrat und Uhrauge völlig miteinander verwachsen (Abb. 201–203).
Bei geschnitzten Taschenuhrständern im 18. Jahrhundert mit beliebten Genreszenen wie den höfisch gekleideten galanten Damen und Herren, häufig auch als Schäferpaar dargestellt, fällt oft ein zweigeteilter Aufbau aus zusammengefügtem uhrtragendem und figürlichem Teil auf. Die Mehrteiligkeit lässt vermuten, dass hier bereits verschiedene Hände beschäftigt waren, um im harten Konkurrenzkampf die gängigen Modelle vielseitig, rationell, material- und damit kostensparend herzustellen.
Ab 1770 am Übergang zum Klassizismus werden Uhrgehäuse und Taschenuhrständer vor allem außerhalb Frankreichs wieder strenger und geradliniger, mythologische Szenen und allegorische Darstellungen auf etwas höheren Sockeln herrschen vor.
Neben den Taschenuhrständern in den üblichen Ausführungen verkleinerter Uhrgehäuse oder uhrtragender figürlicher Kleinskulpturen gibt es einige ungewöhnliche Sonderformen mit anderen Nutzungsabsichten als der bloßen Präsentation einer Taschenuhr. Durch den zusätzlichen Einbau einer Halterung für eine Taschenuhr werden Gebrauchsgegenstände auch zu Taschenuhr-
203 Wandhängender Taschenuhrständer aus Voluten, Blattwerk und Blütenranken mit hängenden Bändern, Tüchern und einem Drachen, Süddeutschland, Ende 18. Jahrhundert, Laubholz, polimentvergoldet (matt/Glanz), Erst- mit Übervergoldung, Höhe 43 cm, Kat.-Nr. 209.
233 a–j Alpenländische Taschenuhrständer als ungefasste geschnitzte Nadelholz-Rohlinge mit den Themen Pudel, Herkules, Galeerensklaven, Adler, Chronos, Genreszenen und Rocaillen, Grödner Modelle, 18. Jahrhundert, Innsbruck, Tiroler Volkskunstmuseum.
233a Taschenuhrständer mit zwei Pudeln.
233b Taschenuhrständer mit nacktem altem Chronos, der mit Stundenglas in Rocailleständer sitzt.
233c Architektonischer Taschenuhrständer mit filigranen Säulen und C-Spangen.
233d Rückseitiger Sammlungsnachweis von J. Moroder und des Handels- und Gewerbemuseums Innsbruck.
233e Taschenuhrständer Muse oder Göttin in ein Buch schreibend und rauchender Türke.
233f Taschenuhrständer junger edler Herr in Rocaillesockel sitzend.
233g Taschenuhrständer Paar einander die Hand reichend in Rocailleständer.
233h Taschenuhrständer Muse schreibend.
233i Taschenuhrständer rauchender Türke.
233j Taschenuhrständer mit spiegelbildlichen Herkulesfiguren.
233k Taschenuhrständer als Zeus-Adler mit Donnerkeil und Weltkugel, Rocaillensockel später ergänzt, Gröden, Museum St. Ulrich
265 (Detail)
265 Taschenuhrständer mit Liebespaar im Kornfeld, wohl England, um 1850, vierteiliger Eisenkunstguss beidseitig ziseliert, schwarz lackiert, Erstfassung, Höhe 19 cm, Privatsammlung.
Detail: Fein ziselierte Rückseite.
266 Taschenuhrständer mit Kampf zwischen Adler und Schlange (Adler nach Original ergänzt), Russland, Kasli, 19. Jahrhundert, gemarkter vierteiliger Eisenkunstguss mit alter Goldbronzierung auf schwarzem Grund, Höhe 27 cm, Privatsammlung
Zeller 1934 Gaston Zeller, Les rois de France, candidats à l’Empire. Essai sur l’idéologie impériale en France, in: Revue historique, Bd. CLXXIII, 1934, S 273–311, 497–534
Zuffi 2003 Stefano Zuffi (Hg.), Bildlexikon der Kunst, Bd. 3, Symbole und Allegorien, Berlin 2003
Zull 1995 Gertraud Zull, Oberammergauer Schnitzereien. Gewerbe und Handel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Bayerische Schriften zur Volkskunde, Bd. 4), München 1995
Weiterführende Links:
https://www.rdklabor.de
https://www.katholisch.de/artikel/65-der-heiligeaus-dem-wald
http://www.kunstdirekt.net/Symbole/ https://erziehungstrends.info/wie-viel-tugendbraucht-das-land
https://www.evangelische-zeitung.de https://www.bibelstudium.de