Deep Seated

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Konzeptzeichnung von Thomas Schriefers 2 Conceptual drawing by Thomas Schriefers

Vorwort / Olaf Thormann

Einleitung / Thomas Schriefers

Renaissance – Barock – Rokoko / Thomas Schriefers

Werkzeug und Spiralfedern / Thomas Schriefers

Das Chamber Horse – Ein federndes Fitnessgerät des 18. Jahrhunderts / Cordula Fink

Spielarten des Klassizismus / Xenia Schürmann

Polsteraufbau eines klassizistischen Stuhls / Thomas Schriefers

Wohnformen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts / Thomas Rudi

Historismus und Jugendstil / Thomas Schriefers

Andere Ansprüche – Neue Ideen / Thomas Schriefers

Mit fulminanter Wirkung – Eine Sitzgruppe nach dem Entwurf von Ernst Max Jahn aus dem Jahr 1928 / Thomas Andersch

Konventionen / Thomas Schriefers

Nach 1945 / Thomas Schriefers

Umdenken / Thomas Schriefers

Hören, Schauen, Fühlen, Sitzen / Thomas Schriefers

500 Jahre Textilien für Polstermöbel / Stefanie Seeberg

Filigrane Kunstwerke: Borten und Quasten / Stefanie Seeberg

Armlehn- und Rückenlehnpolster / Maximilian Busch

Kissen / Maximilian Busch

Glossar: Fachbegriffe, Materialien, Arbeitstechniken

Objekt und Bild

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Abbildungsnachweis

Impressum

Preface / Olaf Thormann

Introduction / Thomas Schriefers

Renaissance – Baroque – Rococo / Thomas Schriefers

Tools and springs / Thomas Schriefers

The chamber horse – Sprung fitness equipment of the eighteenth century / Cordula Fink

Variations of Classicism / Xenia Schürmann

Upholstery of a Classicist chair / Thomas Schriefers

Dwelling in the first third of the nineteenth century / Thomas Rudi

Historicism and Jugendstil / Thomas Schriefers

Different demands – New ideas / Thomas Schriefers

With brilliant effect – A seating group designed by Ernst Max Jahn in 1928 / Thomas Andersch

Conventions / Thomas Schriefers

After 1945 / Thomas Schriefers

Rethinking / Thomas Schriefers

Listening, seeing, touching, sitting / Thomas Schriefers

500 years of furnishing textiles for upholstered furniture / Stefanie Seeberg

Delicate artworks – Braids and tassels / Stefanie Seeberg

Upholstering arm- and backrests / Maximilian Busch

Cushions / Maximilian Busch

Glossary: Technical terms, materials, techniques

5 Inhalt I Contents
Objects and images Remarks Bibliography List of illustrations Imprint 7 13 16 37 42 53 67 71 76 102 156 162 166 221 227 242 272 293 301 305 326 371 381 389 390

Renaissance – Barock – Rokoko

Bildnerische und plastische Darstellungen belegen, dass die ägyptischen Pharaonen bereits vor über 3.000 Jahren auf gepolsterten Stühlen saßen. So etwa der Vorsteher der Handwerker Amenemope mit seiner Frau Hathor, die auf einem thronähnlichen Stuhl sitzen.7 Ein dem konkav geformten Sitz angepasstes Kissen (Ausschnitt, s. Abb. 6) sorgt für Komfort, auch wenn die Rückenlehne nicht gepolstert ist. Beispiele für den Einsatz von Sitzpolstern finden sich auch im antiken Griechenland, bei den Etruskern, im Römischen Reich, in frühchristlicher Zeit und im Mittelalter. Sie erscheinen auf Gefäßen, plastisch ausgebildet auf Sarkophagen, gemalt auf Wänden von Grabmälern und in illustrierten Handschriften. Sie zeigen nicht nur Formen, sondern vermitteln auch Eindrücke vom Umgang mit dem weichen, meist als Kissen ausgebildeten Sitzgrund, dessen Komfort lange Zeit vor allem besonderen Würdenträgern und dem Adel vorbehalten war. Ein seit antiker Zeit verwendeter Sitztypus ist der Pliant, ein Klappstuhl mit x-förmig gekreuzten Beinen. Der Sitz selbst bestand aus einem textilen Material oder Leder, das sich leicht falten ließ. Darauf legte man Kissen, um den Sitzkomfort zu erhöhen. Im Mittelalter wurden neben Faltstühlen vor allem aber Pfosten- und Kastenstühle genutzt, auf die Gewebe und Kissen bzw. Polster meist aufgelegt wurden. Lose Flachpolster und Kissen dienten dann zunächst auch in der Renaissance noch als Auflagen für Stühle, doch zeigt ein Bild des italienischen Renaissancemalers Andrea Mantegna, auf dem die Familie und der Hofstaat Ludovicos III. Gonzaga zu sehen sind, dass Einzelstücke auch üppiger und bereits fest montiert gepolstert wurden. In dem Bild, zwischen 1465 und 1474 entstanden, stellt der Maler eine Szene aus dem Hofleben dar: Der Herzog sitzt auf einem Armlehnstuhl, der über ein üppiges Sitz- und Rückenpolster verfügt (Ausschnitt, s. Abb. 5). Bei genauem Hinsehen überzieht der Samtbrokat aber nicht nur die Polsterkissen, sondern auch die Holzbauteile des Stuhls, der zudem mit Fransen und Quasten versehen ist.8

Renaissance – Baroque – Rococo

Thomas Schriefers

Pictorial and sculptural representations prove that the Egyptian pharaohs were already sitting on upholstered chairs as early as over 3,000 years ago – for example, the official Amen-em-ope with his wife Hathor on a thronelike chair 7 A cushion adapted to the concave shape of the seat (detail, fig. 6) provides comfort, even if the backrest is not upholstered. Examples of the use of seat cushions can also be found in Ancient Greece, among the Etruscans, during the Roman Empire, in early Christian times and in the Middle Ages. They appear on vessels, are sculpted on sarcophagi, painted on the walls of tombs and on the pages of illustrated manuscripts. They not only display formal qualities but also convey the approach to the soft seat base, usually in the form of a cushion, the comfort of which was for a long time reserved above all for special dignitaries and the nobility.

One type of seat used since ancient times is the pliant, a folding chair with X-shaped crossed legs. The seat itself was made of textile material or leather that could be easily folded, and cushions were placed on top to make the seat more comfortable. In the Middle Ages, however, in addition to folding chairs, mainly post chairs and box chairs were in use, on which textiles and cushions were usually placed.

Loose flat padding and cushions were still used as supports for chairs in the Renaissance. However, a painting by the Italian Renaissance painter Andrea Mantegna depicting the family and court of Ludovico III Gonzaga demonstrates that individual pieces were also upholstered more lavishly and already firmly mounted. In the picture, painted between 1465 and 1474, the painter depicts a scene from court life: the duke is sitting on an armchair with a sumptuously upholstered seat and backrest (detail, fig. 5). On closer inspection, however, the velvet brocade covers not only the upholstered cushions but also the wooden components of the chair, which is additionally adorned with fringes and tassels.8

Our exhibition presents five examples of early up-

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Renaissance – Barock – Rokoko l Renaissance – Baroque – Rococo

Unsere Ausstellung zeigt fünf Beispiele für frühe Polstermöbel aus der Zeit vor dem Rokoko. Das früheste Exponat ist ein Renaissancestuhl aus den Beständen des GRASSI Museums für Angewandte Kunst, dessen mit Posamenten verzierte Flachpolsterung auf einem grob behauenen Brett aufgebracht und mit einer Doppelreihe großer Messingziernägel angeschlagen wurde (s. Abb. 9/10).

Während hier Leder als Bezugsmaterial fungiert, ist der vom Lübecker St. Annen-Museum entliehene Pfostenstuhl 9 (s. Abb. 7/8) mit einem flachen Polster ausgestattet, das mit einem Seidenstoff bedeckt ist.

Wir haben das große Glück, einen Armlehnstuhl (s. Abb. 11/12) zeigen zu können, dessen Entstehung um 1620 datiert werden kann und der deutlich vermittelt, wie anspruchsvoll damals schon Polsterungen eingesetzt wurden. Der Stuhl befindet sich normalerweise im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und verfügt noch über sein ursprüngliches Hochpolster mit einer reichen Applikationsstickerei auf Sitz- und Armlehnen. 400 Jahre sind vergangen, ohne dass der Prachtstuhl, der auf seinem Samtbezug die beiden Wappen des Heiligen Römischen Reichs (Deutscher Nation) und der Stadt Ulm zeigt, seine repräsentative Ausdruckskraft eingebüßt hätte. Vielmehr vermittelt er einen Eindruck von der Meisterschaft des Polsterns im Frühbarock. Zwei weitere Barockstühle stammen aus den Beständen des GRASSI Museums für Angewandte Kunst: Bei dem einen handelt es sich um einen aus Birnholz geschnitzten Armlehnstuhl aus der Zeit um 1710 (s. Abb. 13/14), der mit Seidenstoff bezogen ist (eine Nachwebung, nicht mehr original) und über ein hohes und fest eingesetztes Polster mit einer darin verborgenen Vorderkantenwulst verfügt, während die Rücken- und Armlehnen aus einem Flachpolster bestehen. Der andere ist ein um 1750 entstandener Stuhl mit einem als Festpolster ausgebildeten Sitz und einer Gurtung aus handgewebtem Hanfmaterial (s. Abb. 15/16). Dabei handelt es sich um einen typisch sächsischen Barockstuhl, dessen Lederbezug per Handnaht aus verschiedenen Teilen zusammengefügt wurde.

holstered furniture from before the Rococo period. The earliest exhibit is a Renaissance chair from the collections of the GRASSI Museum für Angewandte Kunst, whose flat padding decorated with trimming was mounted on a roughly hewn board and struck with a double row of large brass decorative nails (figs. 9/10). While leather is the cover material here, the post chair 9 (figs. 7/8), on loan from St. Annen-Museum in Lübeck, has flat padding covered with a silk fabric.

We are fortunate to be able to show an armchair (figs. 11/12) whose origin can be dated to around 1620 and which clearly conveys how sophisticated upholstery was already used at that time. Usually preserved in the Germanisches Nationalmuseum in Nuremberg, this chair still has its original upholstery with rich appliqué embroidery on the seat and armrests. 400 years have passed without the magnificent chair, with its velvet upholstery depicting the two coats of arms of the Holy Roman Empire (German Nation) and the city of Ulm, losing its representative expressiveness. Instead, it conveys an impression of the mastery of upholstery during the early Baroque period. Two other Baroque chairs come from the holdings of the MAK Grassi: One is an armchair carved from pearwood, dating from around 1710 (figs. 13/14), covered with silk fabric (rewoven, no longer original) and features high and fixed upholstery with a front edge roll hidden inside, while the back- and armrests consist of flat padding. The other is a chair made around 1750 with a seat designed as a fixed upholstery and webbing made of hand-woven hemp (figs. 15/16). This is a typical Saxon Baroque chair, whose leather covering is hand-stitched together from various pieces.

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Stuhldetail aus einem Fresko von Andrea Mantegna, um 1465–1474 Chair detail from a fresco by Andrea Mantegna, around 1465–1474 6

Detail einer ägyptischen Statuette des Amen-em-ope und seiner Frau Hathor, Ägypten, 19. Dynastie (1292–1186 v. Chr.)

Detail of an Egyptian statuette of Amen-em-ope and his wife Hathor, Ägypten, 19th dynasty (1292–1186 BC)

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(S. 16, p.16)
Renaissance – Barock – Rokoko l Renaissance – Baroque – Rococo
50 Rokoko l Rococo
51 29
Sofa, um 1780 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)
Rokoko l Rococo
29 Sofa, around 1780 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

39/40

Armlehnsessel, Karl Friedrich Schinkel (Entwurf), um 1830 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

39/40

Armchair,

64
Spielarten des Klassizismus l Variations of Classicism
Karl Friedrich Schinkel (design), around 1830 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)
65 Spielarten des Klassizismus l Variations of Classicism

105/106

Armlehnstuhl, 1920er/1930er Jahre (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

105/106

Armchair, 1920s/1930s (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

124
Andere Ansprüche – Neue Ideen l Different demands – New ideas

107–109

Armlehnstuhl, Heinz und Bodo Rasch (Entwurf), vermutlich L&C Arnold Schorndorf (Herstellung), um 1930 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

107–109

Armchair, Heinz and Bodo Rasch (design), presumably L&C Arnold Schorndorf (production), around 1930 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

125
Andere Ansprüche – Neue Ideen l Different demands – New ideas
110 Blick in den 1920 von Eileen Gray gestalteten Glas-Salon der Madame Mathieu-Lévy in der Rue de Lota, Paris, 1933 (in: L’Illustration, 1933)
126
110 View of the Glass Salon designed by Eileen Gray for Madame Mathieu-Lévy in rue de Lota, Paris, 1933 (in: L’Illustration 1933)
127
189
169/170 Armlehnstuhl Papa Bear, Hans J. Wegner (Entwurf), AP. Stolen, Kopenhagen (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand) 169/170
Nach 1945 l After 1945
Armchair Papa Bear, Hans J. Wegner (design), AP. Stolen, Copenhagen (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

204–206

Kinderfahrzeug Marienkäfer mit Rollen, Margarete Steiff (Entwurf), Steiff, Deutschland (Herstellung), 1950er Jahre (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

204–206

Children vehicle Marienkäfer with castors, Margarete Steiff (design), Steiff, Deutschland (production), 1950s (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

214
Nach 1945 l After 1945

207–209

Kinderhocker, Sophie Roberty und Christophe Beauséjour (Entwurf), Paris (Herstellung), um 1980 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

207–209

Children’s stool, Sophie Roberty and Christophe Beauséjour (design), Paris (production), around 1980 (LÖFFLER COLLECTION, Reichenschwand)

215
Nach 1945 l After 1945
232 Hören, Schauen, Fühlen, Sitzen l Listening, seeing, touching, sitting
233 Hören,
Sitzen
Listening,
sitting
Schauen, Fühlen,
l
seeing, touching,

286

Quaste, Frankreich, 17. Jh. (GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig)

Tassel, France, 17th century (GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig)

284

287/288

Quaste, Sachsen, 17. Jh. (GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig)

Tassel, Saxony, 17th century (GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig)

Filigrane Kunstwerke: Borten und Quasten l Delicate artworks: Braids and tassels

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