Ideenstadt Düsseldorf — Leseprobe

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DROSTE

Design und Werbung aus Düsseldorf 1900 – 2013

E B O R P LESE


Ein Projekt des labor visuell am Fachbereich Design der Fachhochschule Düsseldorf

Idee und Konzept: Jens Müller Projektleitung, Herausgeber: Prof. Victor Malsy, Jens Müller Projektteam/Redaktion: Benedikt Grischka (Ltg.), Marvin Hüttermann (Ltg.), Edin Bacevac, Elena Bergen, Derya Bortecen, Elisabeth Eichberger, Christoph Flucht, Louisa Georg, Clara Habermann, Vivienne Kannengießer, Andrea Kärmer, Markus Kaufhold, Konstantin Kazianis, Julia Kehlenbach, Mathias Keune, Patrick Mariathasan, Mona Matejic, Tino Mazzoli, Melina Nava, Dimitri Preiß, Carolin Reisensohn, Melanie Riepl, Sadrick Schmidt, Ann-Kathrin Schotten, Simon Segler, Jana Stenzel, Kimia S. Tabari, Pascal Tedjagutomo, Luis Torres, Janina Ungemach, Benjamin Welke Buchgestaltung/Umschlagsentwurf: Jens Müller, Marvin Hüttermann

Unser besonderer Dank gilt Dr. Benedikt Mauer und Kerstin Früh vom Stadtarchiv Düsseldorf sowie Dr. Michael Matzigkeit vom Theatermuseum Düsseldorf für die großzügige Unterstützung mit Materialien und Informationen. Unser herzlicher Dank gilt allen im Buch veröffentlichten Unternehmen und Gestaltern, die uns bereitwillig mit Bildmaterial und Hintergrundinformationen versorgt haben. Wir bitten gleichzeitg um Verständnis, dass eine Nennung an dieser Stelle den Rahmen des Impressums sprengen würden. Das Projekt konnte in dieser Form nur dank der finanziellen Unterstützung der Sponsoren realisiert werden. Unser besonderer Dank gilt unseren beiden Hauptsponsoren, Ogilvy & Mather Germany GmbH sowie der Druckstudio GmbH, die sich von der Idee für dieses Projekt begeistern ließ und dieses Buch nicht nur in höchster Druckqualität, sondern auch nach den neusten Umweltrichtlinien und allen Maßstäben von Nachhaltigkeit und Ökologie in Düsseldorf hergestellt hat.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 Fachhochschule Düsseldorf/ Projektteam »Ideenstadt Düsseldorf«, Düsseldorf Die Rechte der Verbreitung liegen bei der Droste Verlag GmbH, Düsseldorf Lektorat: Renate Warttmann Druck: Druckstudio GmbH, Düsseldorf

ISBN 978-3-7700-1511-5 www.drosteverlag.de design.fh-duesseldorf.de www.ideenstadt-duesseldorf.de Sämtliche abgebildeten grafischen Arbeiten unterliegen dem Copyright der jeweiligen Urheber und Auftraggeber. Nicht in allen Fällen war es möglich, die Rechteinhaber der Abbildungen vollständig zu ermitteln und zu informieren. Berechtigte Ansprüche werden von den Herausgebern im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten. Bildquellen: Stadtarchiv Düsseldorf (S. 14-17, 38, 39, 42, 45-47, 52, 53, 59-61, 67, 68, 77-79, 8184, 86-94, 99, 106-108, 110-115, 121-123, 134-137, 155, 178, 206, 230, 233, 251); Theatermuseum Düsseldorf (S. 12, 35, 37, 69, 73-75, 85, 105, 116, 117, 134, 182, 183, 189-191, 205, 206, 221, 222, 232, 259) Alle weiteren in diesem Buch abgebildeten Arbeiten wurden uns freundlicherweise von Designern, Agenturen bzw. auftraggebenden Unternehmen zur Verfügung gestellt oder stammen aus der Sammlung der Fachhochschule Düsseldorf. Der Abdruck der Plakate von Jan Lenica auf Seite 180 und 181 erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Merja Alanen Lenica, Paris.


Design und Werbung aus Düsseldorf 1900 – 2013

Droste Verlag 3


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1940 – 108 Ausstellung Internationale Gebrauchsgraphik Peter Wolbrand 122 Walter Sauer 124 Robot Kamera 128

1930 – 84 Ungewöhnliche Werbeformen 96 Anna Simons 100 Richard Schwarzkopf 102 Reichsausstellung Schaffendes Volk

1920 – 54 Hanns Herkendell 66 Fortuna Düsseldorf 70 Fritz Lewy 72 Notgeld 76 Ernst Aufseeser 80

1910 – 34 Wahlplakate 44 Adolf Uzarski 48 Werbe- und Reklamemarken

1900 – 18 Persil 26 Kunstgewerbeschule Düsseldorf

Vorwort 6 Design vor dem Designer – Eine kurze Vorgeschichte zu Design und Werbung vor 1900

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1970 – 230 Kraftwerk 240 Stadtwerke Düsseldorf 242 GGK Düsseldorf 244 ARE Kommunikation 250 Fachhochschule Düsseldorf 254

1960 – 180 Walther Bergmann 188 DDB Düsseldorf 192 F. G. Boes 198 Team Werbeagentur 200 Heinz Edelmann 204 Werbe-Gramm 212 Michael Engelmann 214 Art Directors Club Deutschland Walter Breker 220 Charles Wilp 226


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1950 – 132 Econ Verlag 144 Wolf D. Zimmermann 146 Altbier 152 Rudi vom Endt 154 Troost Werbeagentur 158 Werkkunstschule Düsseldorf Werner Brand 164 Hans Georg Lenzen 166 Liesegang 168 Heinz Schwabe 172 NOWEA Messegesellschaft

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Adressen 402 Werbeteil 404 Register 415 Impressum 2

2000 – 320 Corporate Design 322 Editorial Design 332 Ausstellung und Orientierung 340 Werbung und Kampagne 348 Digital 358 Plakate 366 Illustration 372 Print 380 Lehre 394

1990 – 288 Uwe Loesch 294 »Nichts ist unmöglich« Früh Kölsch 304 Bernd Franck 306 »mach's mit« 310 Düsseldorf Rhein-Ruhr Hesse Design 316

1980 – 258 Audi 100 266 Die Toten Hosen 268 Helmut Rottke 272 Helmut M. Schmitt-Siegel 276 »Düsseldorf – Eine gute Adresse« Paul Effert 284 280

Inhalt


Vorwort Dieses Buch – es erscheint begleitend zur gleichnamigen Ausstellung »Ideenstadt Düsseldorf« – konzipierten und realisierten Studierende und Lehrende im labor visuell am Fachbereich Design der Fachhochschule Düsseldorf. Im labor visuell wird das a und o und i und u und e des Kommunikationsdesign erforscht, dokumentiert und veranschaulicht. Ein Schwerpunkt der Forschungsreisen liegt dabei im Erkunden der Archive unserer Design­geschichte mit ihren vielschichtigen Themen und eindrucksvollen Persönlichkeiten. Das Vergessene, Unbekannte und Fremde liegt dabei weit mehr im Fokus des Interesses als aktuelle und kurzlebige Trends, Stile und Moden. »Ideenstadt Düsseldorf« dokumentiert rund 100 Jahre Design und Werbung in, aus und für Düsseldorf als visuelle Geschichte. Im Vordergrund dieser lokalen Historie stehen die grafischen und werblichen Arbeiten, wie sie kreative Geister – vom Gebrauchsgrafiker bis zum Web-Designer – tagtäglich auf die Welt bringen. So ist diese visuelle Zeitreise auch eine gesellschaftliche, kulturelle, ästhetische und technologische Reise durch die Geschichte des Grafik-Design und der Werbung. Das Stadtarchiv Düsseldorf und das Theatermuseum Düsseldorf konnten als Projektpartner gewonnen werden. Neben der Dokumentation bekannter und vielfach publizierter Klassiker war es uns bei diesem Projekt ein besonderes Anliegen, weniger bekannte oder in Vergessenheit geratene Themen und Persönlichkeiten vorzustellen. (Wieder-)Entdeckungen, die möglicherweise zu einer intensiveren Beschäftigung und neuen Forschungsprojekten einladen, stehen deshalb auch im Fokus unseres Projekts. Um die Düsseldorfer Design- und Werbegeschichte bis in die Gegenwart zu tragen, haben wir dem 6


historischen Teil einen umfangreichen aktuellen Teil angeschlossen. Dieser Teil will Einblick geben in das aktuelle Düsseldorfer Schaffen rund um Design und Werbung. Bewusst haben wir hier die Konzentration auf einzelne Büros und Persönlichkeiten unterlassen, um die mediale Vielfalt der heutigen Düsseldorfer Kreativszene zu zeigen. Kreative in Werbeagenturen und Selbstständige in Designbüros haben wir angesprochen und sie um Arbeiten für das Buch gebeten. Ob die ausgewählten Arbeiten das Potential haben, Designgeschichte zu schreiben und in ferner Zukunft stellvertretend für das Design am Beginn der 21. Jahrhunderts stehen werden, sollen zukünftige Designforscher entscheiden. Jede Auswahl ist anfechtbar, unvollkommen und deshalb auch in Teilen fragwürdig; das gehört zu ihrem Wesen. Es gehört zur Wirkung unserer Zusammenstellung, wenn sie die Fragen danach provoziert, welche alternative Auswahl unter einem veränderten Blickwinkel oder in einer anderen Zeit zu treffen wäre. Wir bedanken uns herzlich für die Unterstützung, die man uns bei der Realisierung dieses Projekts entgegengebracht hat, und wünschen viel Spaß auf der Entdeckungsreise durch 100 Jahre Design und Werbung aus Düsseldorf. Victor Malsy Jens Müller

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Design vor dem Designer – Eine kurze Vorgeschichte zu Design und Werbung vor 1900 Wo beginnt Designgeschichte? Wo ist nach den Wurzeln des heutigen Berufs zu suchen? Fragen, die von verschiedenen Autoren, die sich mit dem Thema auseinander­ gesetzt haben, jeweils stets unterschiedlich beantwortet werden. Mal werden die rund 17.000 Jahre alten Höhlenmalereien von Lascaux als Ursprung künstlerischen und grafischen Schaffens aufgeführt, andere berufen sich auf das »Branding« erster zum Verkauf produzierter Tongefäße aus der Zeit der griechisch-römische Antike, wieder andere sehen in den Buchkünstlern des Frühmittelalters erste Vertreter heutiger Kommunikationsde­ signer. Sicherlich liegen die Autoren im Rahmen einer umfassenden geschichtlichen Betrachtung nicht völlig falsch, und es muss bei den genannten Beispielen zumindest von Vor-Vorfahren heutiger Kreativberufe gesprochen werden. Wenn wir aber den direkten Vorfahren des etwa um 1900 entstandenen Berufsbildes suchen, so lohnt ein genauerer Blick ins 19. Jahrhundert.

Der Künstler als Gebrauchsgrafiker 1796 erfindet Alois Senefelder die Lithografie, das erste Flachdruckverfahren der Welt. Zu diesem Zeitpunkt haben sich zahlreiche Künstler bereits etablierte Verfahren wie Kupferstich, Holzschnitt und Radierung zu Nutze gemacht, um ihre Werke in Auflage herzustellen und zu verbreiten. Die Bezeichnung »Graphiker« taucht bald zum ersten Mal auf und beschreibt Künstler, die sich mit einem Schwerpunkt Arbeiten widmen, die von Anfang an für die Vervielfältigung bestimmt sind. Das neue Verfahren der Lithografie beflügelt diesen neuen Markt reproduzierter Zeichnungen noch einmal, denn nun kann man 8


auf Basis von Zeichnungen auf Schieferplatten erstmals auch mehrfarbige Entwürfe in hohen Auflagen herstellen. In dem 1928 erschienenen Buch »Düsseldorfer Graphik in alter und neuer Zeit« dokumentiert der Autor Paul Horn die Entwicklung dieser Kunstrichtung in Düsseldorf auf über 200 Seiten im Detail. Er stellt fest, dass die Buchillustration das erste angewandte Betätigungsfeld für die Grafiker der damaligen Zeit wird. Aus der zunächst manuellen Verzierung einzelner Exemplare entwickelt sich über neue Druckverfahren schnell der Trend zur bereits in den Auflagendruck integrierten Illustration. Neben der Bebilderung des Inhalts wird der Innentitel der Bücher zu einem Vorläufer heutiger Buchcover, mit eigener künstlerischer Ausprägung. Im Lauf des 19. Jahrhunderts erschließen sich die Grafiker nach und nach neue Betätigungsfelder. Erste künstlerisch illustrierte Theater­aushänge entstehen – in Düsseldorf zum Beispiel für Aufführungen des Künstlervereins Malkasten. Industrielle Betriebe gaben Markenzeichen, die von Symbolik und Aufbau noch Stark an Wappen erinnern in Auftrag. Zu offiziellen Anlässen oder Jubiläen entstehen aufwändige, vielfarbige Urkunden oder Einladungen, die in kleinen Auflagen

1848 Caspar Scheuren Feier der Fahnenweihe (Düsseldorfer Männer-Gesang-Verein) Einladungskarte 9


1857 Adolph Schroeter Die wunderbarliche und seltsame Historien von Till Eulenspiegel Buchinnentitel 1859 Adolph Schroeter Was ihr wollt Plakat 10


1846 Caspar Scheuren Diplom des Vereins der Ärzte des Regierungsbezirkes Düsseldorf Urkunde 1880 Anonym PDC Walzwerk Düsseldorf Logo 11


1886 bis 1895 Anonym D端sseldorfer Stadttheater Plakate 12


hergestellt werden. Zunächst sind diese angewandten Aufgaben nur dankbare Nebenaufträge für die Künstler. Mit fortschreitender Industrialisierung wächst die Nachfrage nach angewandter, zweckgebundener und werbender Grafik jedoch stark. Ende des 19. Jahrhunderts tauchen die Begriffe »Gebrauchsgraphik« und »Werbekunst« erstmals auf, und entwickeln sich auch dank den neu gegründeten Kunstgewerbeschulen mit ihrer kunsthandwerklichen und zweckgebundenen Ausbildung bald schon zu eigenen Berufsbildern.

Die Druckerei als Designstudio Bereits im 16. Jahrhundert entstehen erste Großdruckereien, die vergleichbar mit heutigen Medienkonzernen, sämtliche Aufgaben rund um die Produktion und das Verlegen von Büchern erfüllen – auch Satz und Gestaltung. Im Rheinland steigt im Lauf des 19. Jahrhunderts die 1821 gegründete Düsseldorfer Druckerei Ludwig Schwann zu einem der künstlerisch bedeutendsten Unternehmen dieser Sparte auf. Neben der Herstellung und dem Verlegen von Büchern bietet Schwann die gesamte Palette damals gefragter Werbe- und Gebrauchsdrucksachen an – von der Gestaltung bis zur Herstellung. In den damals modernsten Druckverfahren entstehen mehrfarbige Großplakate, aber auch Broschüren, Geschäftsausstattungen oder Urkunden. Eine Katalogmappe mit Druckmustern des Unternehmens aus der Zeit von 1880 bis ca. 1900, die sich heute in der Sammlung des Düsseldorfer Stadtarchivs befindet, dokumentiert die Vielfalt der in dieser Zeit entstandenen Medien. Beeindruckend ist jedoch auch die grafische Qualität der Arbeiten, die in der hauseigenen Setzerei von Schwann entstehen. Ab 1880 ist der Buchgewerbler Reinhold Bauer deren Leiter. Kaum etwas ist über Bauer und seine Mitarbeiter dokumentiert. 13


um 1880 L. Schwann Buchdruckerei (Reinhold Bauer · Künstl. Leitung) Felix Bischoff, Werkzeug-Gussstahl-Fabrik Hotel und Restaurant »Zum Prälaten« Gebrüder Mangold Umschläge für Werbebroschüren 14

um 1880 L. Schwann Buchdruckerei (Reinhold Bauer · Künstl. Leitung) A. Ehrenreich, Muttern- & Schraubenfabrik A. Jacques, Dekorationen Briefbogen um 1880 L. Schwann Buchdruckerei (Reinhold Bauer · Künstl. Leitung) Rudolf van Endert, Modewaren-Handlung Werbekarte


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Eine Urkunde der »Schweizer Grafischen Nachrichten« vom 1. August 1899, die Bauer im Wettbewerb um die »Lieferung eines Umschlages in moderner Richtung« den ersten Preis bescheinigt, bezeugt jedoch die überregionale Bedeutung seines Schaffens. Hochwertige Gestaltung, die direkt in Abteilungen von Druckereien entsteht, bleibt ein spezielles Phänomen in der Entstehungsgeschichte des Grafikdesign-Berufs kurz vor der Jahrhundertwende, dessen Einfluss und Bedeutung es noch weiter zu erforschen und einzuordnen gibt.

um 1920 L. Schwann Buchdruckerei (Reinhold Bauer · Künstl. Leitung) L. Schwann Buchdruckerei Logo um 1880 L. Schwann Buchdruckerei (Reinhold Bauer · Künstl. Leitung) L. Schwann Buchdruckerei Werbedrucksache 16


1921 L. Schwann Buchdruckerei – Akzidenzsetzerei – Maschinensetzerei – Illustrationsdruck, Rotationsmaschine – Abteilung für Lithographie – Galvanoplastische Anstalt – Teilansicht der Steindruckerei Fotos: Signatur »Sch.D.« 17


Hubert Troost (1910-1991) begegnet seiner späteren Frau Grete (um 1910-1998) beim gemeinsamen Studium an der Kunstgewerbeschule Wuppertal-Barmen in den späten 1920er-Jahren. 1935 beginnt die gemeinsame selbstständige Tätigkeit in einem Atelier in Wuppertal. Gebrauchsgrafische Arbeiten aller Art gehören zum Repertoire der beiden. 1943 wird das Atelier bei einem Bombenangriff zerstört, aber nach Kriegsende wieder eröffnet. Die Troosts erkennen die Zeichen der Zeit und den Wunsch großer Unternehmen nach einer Full-Service-Agentur nach amerikanischem Vorbild. 1953 wird daher die Troost Werbeagentur in Düsseldorf gegründet. Es sind die Jahre des Wirtschaftswunders und so können sich die Troosts vor Aufträgen kaum retten. Grete, die als Atelierleiterin den grafischen Aspekt der TroostArbeiten verantwortet, muss regelmäßig durch das gesamte Bundesgebiet reisen, um neue Mitarbeiter von Werkkunstschulen zu rekrutieren, damit das Arbeitsvolumen der Agentur bewältigt werden kann. Die Kampagne für »Persil 59« wird der große Durchbruch und bindet Henkel für viele Jahrzehnte als festen Kunden an die Agentur. In den 1960er-Jahren hat die Agentur über 200 Mitarbeiter und gehört mit Etats von Bayer, Agip, Knorr oder Erdal zu den wichtigen Agenturen für Endverbraucherprodukte. 1975 verkauft das kinderlose Ehepaar die Agentur an das amerikanische N ­ etwork Interpublic und beschäftigt sich fortan nur noch mit freier Malerei. Der Name Troost verschwindet nach weiteren Agenturfusionen bald aus der Kreativlandschaft. In der Düsseldorfer Kunstszene sind die Troosts jedoch bis in die 1990erJahre bekannte und geschätzte Größen und bringen sich als Förderer und mit eigenen Werken ein.

1953 Grete und Hubert Troost Troost Werbeagentur Logo 158

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um 1954 Troost Werbeagentur Isolan Farbstoffe Benzamin Dyestuffs Anzeigen 1950 Grete und Hubert Troost Pallas Anzeigen 159


1950er Grete und Hubert Troost Diverse Markenzeichen Logos um 1950 Grete und Hubert Troost Bemberg Messeauftritt 1950 Grete und Hubert Troost Getränkeetiketten Verpackungen 160

1950 –


»Als wir merkten, daß eine Agentur für ein Werbeplakat, das wir gemacht hatten, mindestens zehnmal mehr über die Streuung einnahm als wir für die Gestaltung, da sagten wir uns: Das machen wir auch. (…) Gute Graphik hielten meine Frau und ich nicht für das Primäre. Wichtig blieb für uns, daß Werbegraphik gar nicht zweckfrei sein kann. Wir machten sie so gut wie möglich, weil wir davon überzeugt waren, daß der größte Werbeerfolg nur von der besten Gestaltung her kommen konnte. Dafür gab es bald Auszeichnungen und Beachtung in der Fachpresse. Aber es ging auch bei dieser Graphik immer um den Zweck der Sache.« Hubert Troost · 1988

um 1959 Troost Werbeagentur Persil 59 Plakat 1963 Troost Werbeagentur Wir waschen … bevor Sie waschen Anzeige 161


Die in den Kriegsjahren geschlossenen deutschen Kunstgewerbeschulen bekamen Anfang der 1950erJahre mit neugegründeten Gestaltungsschulen, nun unter dem Namen »Werkkunstschule«, direkte oder indirekte Nachfolge. So auch die Werkkunstschule Düsseldorf, die 1952 unter der Direktion von Gerhard Dreßler ihre Arbeit aufnahm. Neben einer Abteilung für die Grundlehre, in der alle Studierenden Fächer wie »plastische und flächige Gestaltung«, »Schriftübungen«, »Freihandzeichnen«, »Geometrisches Zeichnen«, »Projektionslehre und Perspektive« sowie »Werkstoffübungen« durchlaufen mussten, war das Hauptstudium in die Fachabteilungen »Gebrauchsgraphik und freie Graphik«, »Angewandte Malerei«, »Metall«, »Textil« sowie »Möbel und Raum« unterteilt. Mehrere Werkberichte, die damals zur Dokumentation der schulischen Arbeit herausgegeben wurden, zeigen die Organisation und den Studienalltag der Werkkunstschule Düsseldorf in den 1950er-Jahren. Die konkurrierende Koexistenz von auftragsgebundener Gebrauchsgraphik und freier künstlerischer Arbeit ist dabei nicht zu übersehen. Bei einem näheren Blick auf die Abteilung »Gebrauchsgraphik« sind in jenen Jahren vor allem die beiden Dozenten Werner Brand und Hans Georg Lenzen als prägende Persönlichkeiten zu erkennen.

1954 Achim Bargatzki Kieler Woche 1954 Plakat 1956 Helge Rehmann Koloderma (Studienarbeit) Verpackung 162

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1956 Barry le Blond Fantasie Briefpapier (Studienarbeit) Verpackung 1960 Heinz Kampmann, Kurt Wolff Jahresbericht der Werkkunstschule D端sseldorf Brosch端re 1953 G端nter B旦cker NWDR-Fernsehen (Studienarbeit) Logo 163


Werner Brand (* 1902), der die Fachabteilung bis Anfang der 1960er-Jahre leitet, studiert vor dem Zweiten Weltkrieg an verschiedenen Hochschulen in Dortmund, Kassel, Berlin und Magdeburg und verkörpert mit seinen eigenen Arbeiten, aber auch mit seiner Lehre, ganz klar die konservative Gebrauchsgraphik der Nachkriegsjahre. Der Entwurf von Markenzeichen, Plakaten, Verpackungen und Buchumschlägen steht auf seinem Lehrplan als Dozent an der Düsseldorfer Werkkunstschule. Wobei neben der gestalterischen Idee, die technische Umsetzung, zum Beispiel als mehrfarbige Lithografie, immer gleichbedeutender Teil der Studienarbeit war. Neben fiktiven Semesterprojekten, wie der Neugestaltung von Zeitschriftenumschlägen oder Theaterplakaten, hat die Beteiligung der Studierenden an öffentlichen Wettbewerben und Ausschreibungen zur Findung von Gestaltungsentwürfen stets eine herausgehobene Bedeutung in der Lehre. Mit dem ersten Platz beim damals noch für jeden offenen Plakatwettbewerb der Kieler Woche gelingt dem Studenten Achim Bargatzki (* 1929) ein besonderer Coup: Sein Plakatentwurf setzt sich 1954 gegen hunderte andere Entwürfe – auch gegen die zahlreicher Dozenten – durch. Dieser besondere Erfolg sorgt nicht nur für einige Aufmerksamkeit an der Werkkunstschule, sondern bringt dem damals 25-Jährigen im Anschluss an sein Studium einen schnellen und erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben, wie sich Bargatzki heute rückblickend erinnert.

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1957 Werner Brand Arbeitsbericht der Werkkunstschule D端sseldorf Brosch端re ca. 1955 bis 1957 Werner Brand Verschiedene Markenzeichen Logos 165


Die zweite prägende Figur in der GebrauchsgraphikAbteilung der Düsseldorfer Werkkunstschule ist der junge Illustrator Hans Georg Lenzen (* 1921), der sein eigenes Studium (an der Düsseldorfer Kunstakademie) erst kurz zuvor abgeschlossen hat. Er prägt zwischen 1952 und 1962 die illustrative Lehre in Düsseldorf und feiert in dieser Zeit auch zahlreiche Erfolge mit Buch­ illustrationen für Verlage im gesamten Bundesgebiet. Nach einer zweijährigen Gastprofessur in den USA wird er 1965 Direktor der inzwischen in Peter-BehrensWerkkunstschule umbenannten Schule und setzt seine Lehrtätigkeit als Professor für Illustration in den 1970er- und 1980er-Jahren an der Fachhochschule Düsseldorf (≥ S. 254) bis zu seiner Emeritierung fort.

»Sehenlernen ist das Erste und Wichtigste; Sehen- und Staunenlernen als Voraussetzung für die Bildung einer vertieften Erlebnis- und Gestaltungsoptik. Damit werden alle weiteren grundlegenden Erfahrungen eingeleitet. In Anlehnung an die vom Bauhaus erarbeiteten Grundlagenforschungen werden Beschaffenheit und Gesetzmäßigkeit des Maßes, der Fläche, des Raumes, der Farbe und der Materialien in Spiel und Unterweisung erlebt und erkannt. Am kritischen Verhalten gegenüber der Umwelt und der eigenen Person bilden sich Urteilskraft und Qualitätsanspruch. So kann der bequeme Irrweg des modischen ›Irgendwie‹ und, andererseits, die Gefahr gleichmacherischer Kollektivtendenzen durchschaut und vermieden werden. Fleiß und Geduld führen zum beglückenden Erlebnis kontemplativen Schauens und Tuns, das besonders angesichts der zivilisatorischen Hetzjagd als Sinn­ erfüllung und menschliche Würde erfahren wird. Der Zuwachs an Handfertigkeit, Erlebnisfähigkeit und Urteilskraft weitet den Horizont und führt zur Erweiterung und Intensivierung des Bewußtseins. So wird (…) gestalterische Erziehung in diesem Zusammenhang als Weg zur Persönlichkeitsbildung verstanden.« Hans Georg Lenzen · 1957 166

1950 –


1959 Hans Georg Lenzen Vignetten zu einem Buch 端ber Mixrezepte Illustrationen 1959 Heinrich Alborn Illustration zu einem Text von Bertolt Brecht (Studienarbeit) Illustration 167


Karl-Heinz Gramm wird 1912 in Rostock geboren, absolviert ein Studium an der Höheren Reichswerbefachschule in Berlin und ist bereits in den 1930er-Jahren in der Reklamewirtschaft tätig. Am 1. Juni 1946 – noch vor der offiziellen Währungsreform – gründet er in Lübeck Werbe-Gramm. Das Unternehmen wird nach amerikanischem Vorbild zur Full-Service-Werbeagentur aufgebaut und zieht 1951 nach Düsseldorf. Gramm wird zum Spezialisten für Markenartikelwerbung. Die von der Agentur betreute Zigarettenmarke HB wird zur Nummer Eins am damals – mit über 200 Konkurrenzmarken – hart umkämpften deutschen Zigarettenmarkt. Einen Großteil seiner Popularität erhält HB durch die 1957 von WerbeGramm erdachte Figur des HB-Männchens Bruno, das bis heute einer der beliebtesten Werbecharaktere ist. Die Werbefilme selbst werden zwar in Hamburg hergestellt – bei Kruse-Film und unter der Leitung des Zeichners Roland Töpfer (1929-1999) –, Ideen und Texte kommen jedoch aus Düsseldorf. Bis 1984 wurden über 400 Kurzfilme hergestellt. Zwischenzeitlich erreichte die Figur und ihre Marke einen Bekanntheitsgrad von 96%. Parallel wurde aber auch Markenartikelwerbung für Unternehmen wie Blendax, Dallmayr, Knorr, Miele oder UHU entwickelt. 1965 stirbt Karl-Heinz Gramm überraschend. Die Agentur wird nun von Hans Christoph Kleinau und Theo Breidenbach fortgeführt. Gramms Witwe verkauft ihre Anteile am Unternehmen an die amerikanische Agenturgruppe Grey. Bald heißt die Agentur Gramm & Grey, dann verschwindet der Name Gramm zunächst aus der Agenturlandschaft. 1982 wird eine zweite Gramm Werbeagentur gegründet, die nicht nur den bekannten Namen, sondern auch die Maxime des Urvaters vertritt: »Gramm gibt Markenwert mehr Gewicht.«

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1960 –


Ab 1957 Werbe-Gramm, Kruse-Film (Roland Töpfer · CD) Frohen Herzens genießen (HB-Männchen) Werbespots Ab 1963 Werbe-Gramm Frohen Herzens genießen Anzeige · Plakat Ab 1974 Werbe-Gramm Gut gelaunt genießen Anzeige 213


Michael Engelmann wird 1928 als Sohn des jüdischen Seidenfabrikanten Walter Engelmann und der Schauspielerin Sonik Rainer in Prag geboren. 1940 flieht die Familie aus dem Sudetenland, ein Jahr später emigriert er in die USA und arbeitet als Kellner, Liftboy und Steward in New York. 1946 ist er für ein Jahr bei der US-Army und im österreichischen Linz stationiert. Zurück in New York beginnt er zunächst eine Schauspielausbildung, findet dann jedoch eine Anstellung bei einer Grafikagentur, wo er als Autodidakt seine Laufbahn beginnt. 1949 kehrt Engelmann zurück nach Europa, ist in den ersten Jahren in Amsterdam, Brüssel, München und Mailand tätig. 1953 kommt er zum ersten Mal nach Düsseldorf und entwirft in seinem Atelier u. a. Plakate für Henkel und Volkswagen. Nach einer Zwischenstation in Basel bei Geigy ist er für einige Jahre in München ansässig. Hier beginnt 1955 die Arbeit für Roth-Händle. Seine außergewöhnlichen Fotoplakate für die Zigarettenmarke werden international wahrgenommen und machen ihn zu einem der wichtigsten Gestalter seiner Zeit. An einem festen Ort bleibt Engelmann nur kurz; bis 1964 pendelt er zwischen München und New York, ist aber auch im Rheinland aktiv, wo er für die Kölner Westag Werbeagentur Arbeiten für Renault Deutschland ausführt. 1964 zieht er nach Düsseldorf, richtet ein Atelier auf der Kaiserswerther Straße ein und gründet mit zwei Partnern eine eigene Werbeagentur. Er ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er 1966 mit nur 37 Jahren stirbt. Er hinterlässt ein umfangreiches und bedeutendes Werk, das 1983 durch die Fachhochschule Düsseldorf erstmals aufgearbeitet wird. 2004 widmen ihm u. a. die Kunstbibliothek Berlin und das Museum für Gestaltung ausführliche Einzelausstellungen, die seine Relevanz in der internationalen Designgeschichte noch einmal unterstreichen.

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1960 –


1965 Michael Engelmann Kieler Woche 65 Plakat 1965 Michael Engelmann Gebrauchsgrafik, 5/1965 Magazinumschlag 1964 Michael Engelmann Vorsicht Mr. Dodd Filmvorspann 215


»Seine Option für die Fotografie bedeutete Ersatz der malerischen, grafischen Entwurfstechniken durch ein Bündnis mit neuer Technik; mit optischem Gerät, Beleuchtungs- und Aufnahmetechnik, Laborarbeit etc. Er führte einen neuen Grad der Objektivität in die populäre Bildsprache der Plakatwerbung ein, die er durch spannungsreiche Objektadditionen zu relativieren verstand. Dabei hat er die subjektive Wahrnehmung nicht eingeengt, sondern mit modernistischen Bildelementen neu aufgelöst. Nicht durch spielerische Paraphrasen der Botschaft, sondern durch Komposition aktueller Sachmotive stellte er anregende Beziehungen her.« Dieter Fuder · 1983

1955 bis 1966 Michael Engelmann Roth-Händle naturrein Plakat-Kampagne 216

1960 –


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Mit zahlreichen kleinen und großen Kreativ­büros ist Düsseldorf einer der wichtigsten Standorte für Kommunikationsdesign und Werbung in Deutschland und Europa. Gleichzeitig kann die Stadt auf eine eindrucksvolle Historie im Bereich der Gestaltung zurückblicken. Die Geschichte des Düsseldorfer Design beginnt um die Jahrhundertwende und ist in der Frühzeit eng mit der Kunstgewerbeschule und der wegweisenden Gestalterpersönlichkeit Peter Behrens verbunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert sich die Designstadt Düsseldorf neu und entwickelt sich parallel zur Metropole der Werbung in Deutschland. Ideenstadt Düsseldorf dokumentiert rund 100 Jahre Design und Werbung in, aus und für Düsseldorf. Beginnend bei den Pinoieren, die viele Grundlagen heutiger Kreativberufe entwickelten, wird eine visuelle Geschichte ausgebreitet, die bis in die Gegenwart reicht. In einer Chronik mit über 1.200 Abbildungen werden nicht nur unterschiedliche ästhetische Stilrichtungen sichtbar, es offenbaren sich auch gesellschaftliche, kulturelle und technologische Entwicklungen. In diesem Rahmen werden ausgewählte Persönlichkeiten, Unternehmen und Themen vorgestellt und die Entstehungsgeschichte vieler Design- und Werbeklassiker nachgezeichnet. Ein umfangreicher Anhang gibt abschließend Einblick in das Schaffen der aktuellen Düsseldorfer Kreativszene und die vielfältigen Tätigkeitfelder des Kommunikationsdesign.

Ein Projekt des labor visuell am Fachbereich Design der Fachhochschule Düsseldorf

39,90 Euro

Droste Verlag


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