Innovation in Tirol (April 2018)

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MEDIZIN

Die Kraft der Pflanzen Hermann Stuppner, Leiter der Abteilung Pharmakognosie des Instituts für Pharmazie an der Uni Innsbruck, untersucht bereits seit Jahren die heilsame Wirkung von Pflanzen. Wie das funktioniert und welche Vorteile und Eigenschaften pflanzliche Wirkstoffe aufweisen, erklärt er im Interview. Das Interview führte Kathrin Fenkiw.

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odurch unterscheiden sich pflanzliche Arznei­ mittel von synthetischen? Hermann Stuppner: In erster Linie durch ihren natürlichen Ursprung. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass es sich bei pflanzlichen Arzneimitteln, auch Phytopharmaka genannt, um Vielstoffgemische handelt. Sie enthalten also eine ganze Reihe an verschiedenen Bestandteilen. Deren Wirkung resultiert aus ihrer komplexen Interaktion mit molekularen Zielstrukturen im Körper, zum Beispiel Rezeptoren, Enzymen und Transportern. Synthetische Arzneimittel hingegen sind Reinsubstanzen und enthalten nur einen oder wenige Wirkstoffe. Auch bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen gibt es einen Unterschied: In der EU dürfen Arzneimittel, egal ob synthetisch oder pflanzlich, nur mit behördlicher Zulassung auf den Markt gebracht werden. Neben der sogenannten Vollzulassung gibt es für pflanzliche Arzneimittel aber noch zwei weitere Kategorien, die unterschiedlich streng geregelt sind.

Sind pflanzliche Wirkstoffe auf ir­ gendeine Art besser oder schlechter als synthetische? Das kann man so nicht sagen. Es gibt gewisse Krankheitsbilder, die man sehr gut mit Phytophar-

topharmaka im Allgemeinen eine gute Verträglichkeit und eine große therapeutische Breite auf. Außerdem sind sie oft risikoärmer als chemisch-synthetische Medikamente. Grundsätzlich bergen sie aber dieselben Risiken.

Hermann Stuppner

Wie viele Arzneimittel am Markt gehen auf pflanzliche Wirkstoffe zu­ rück? Von den etwa 1.500 weltweit zugelassenen Arzneistoffen sind mehr als die Hälfte pflanzlichen Ursprungs. Dabei kann es sich einerseits um reine Naturstoffe oder um sogenannte Derivate handeln, also Modifikationen aus ihnen. Andererseits können es auch synthetische Substanzen sein, für deren Entwicklung Naturstoffe als molekulare Modelle verwendet wurden und deren chemische Struktur dem Naturstoff ähnelt. Bei solchen Arzneimitteln ist der Naturstoff häufig nicht mehr als solcher erkennbar, diente aber ursprünglich als Idee.

„Bei pflanzlichen Arzneimitteln herrscht oft das Motto ‚viel hilft viel‘. Das ist fatal, schließlich kommen die stärksten Gifte aus der Natur.“ maka behandeln bzw. therapieren kann – beispielsweise Symptome eines grippalen Infektes wie Husten oder Schnupfen. Andere hingegen erfordern synthetische Arzneimittel. Allerdings weisen Phy42

Gibt es auch bei Phytopharmaka Risiken? Ja, definitiv. Dessen sind sich viele Menschen aber nicht bewusst. Bei


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