ZP 117 – Wer A sagt, muss B tun

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117 Januar / Februar 2012 10.– CHF / 8.– €

Für intelligente Optimistinnen und konstruk tive Skeptiker

Wer ‹A› sagt, muss ‹B› tun

Unsere nächste Pflicht  S 12 Oben ‹A› sagen, unten ‹B› tun  S 25 Fast bargeld­ los, aber glücklich S 28 Sie hat gelogen – wem dient die Finma? S 44 Das Trieb­ werk des Menschen  S 40 Modelle der Gesellschaft von Morgen  S 46 2012: Jetzt ist es da!  S 50 Die Bühne als Brücke vom ich zum du  S 52 Ruhe bitte S 6


Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude.

Rabindranath Tagore

Impressum Zeitpunkt 117 Januar / Februar 2012 Erscheint zweimonatlich, 21. Jahrgang Verlag / Redaktion /  Aboverwaltung Zeitpunkt Werkhofstrasse 19 CH-4500 Solothurn Aboverwaltung: Hannah Willimann Tel. 032 621 81 11, Fax 032 621 81 10 mail@zeitpunkt.ch, www.zeitpunkt.ch Postcheck-Konto: 45-1006-5 IBAN: 0900 0000 4500 1006 5 ISSN 1424-6171

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Vertrieb Deutschland Synergia Verlag und ­Mediengruppe Erbacher Strasse 107, 64287 Darmstadt Tel. (+49)6151 42 89 10 info@synergia-verlag.de Redaktion Tom Hänsel #tt (Gestaltung), Brigitte Müller BM (Produk­tion), Christoph Pfluger CP, Roland Rottenfußer RR, Mathias Stalder MS, Samanta Siegfried SAM, Dr. Peter Bosetti Ständige MitarbeiterInnen: Geni Hackmann GH †, Sagita Lehner SL, Alex von Roll AvR, Ernst Schmitter

Anzeigenberatung Mathias Stalder Zeitpunkt, Werkhofstrasse 19 CH-4500 Solothurn Tel. 032 621 81 11, Mob. 076 409 72 06 inserate@zeitpunkt.ch Abonnementspreise Der Abopreis wird von den Abonnentinnen und Abonnenten selbst bestimmt. Geschenkabos: Fr. 54.– (Schweiz), Fr. 68.– (Ausland), Einzelnummer: Fr. 10.– / Euro 8.–. Druck und Versand AVD Goldach, 9403 Goldach

Herausgeber Christoph Pfluger Bildnachweis Titelbild & S. 6: Ann-Kathrin Busse; S. 24: #tt; S. 36: Mamadou Bai, Mali; Illustrationen: #tt Beilagen Teilauflagen dieser Ausgabe enthalten Beilagen des Versandhauses Waschbär, das Jahresprogramm der Villa Unspunnen, die Initiative «Weg mit der Pauschalsteuer» der Alternativen Liste sowie in der Region Bern das Programm der Tour de Lorraine. Wir bitten um Beachtung. Papier Rebello Recycling


Editorial

Wozu wir alle Ja gesagt haben Liebe Leserinnen und Leser Die Welt der Nachkriegszeit hat uns viele Annehmlichkeiten beschert: Bewegungsfreiheit, weltweite Verbindungen mit beliebigen Menschen, ein vergleichsweise bequemes Leben und eine scheinbar sichere Zukunft. Dazu haben wir alle irgendwann mal Ja gesagt. Schon früh haben aber die ersten Mahner erkannt, dass dieser Fortschritt und ewiges Wachstum auf tönernen Füssen stehen: Autos, Atomkraftwerke, Umweltzerstörung, technische Zwänge, Schulden, Ungerechtigkeit – die Liste ist lang. Heute wissen wir, sie hatten recht – und nun müssen wir die Konsequenzen tragen. Die Pflicht steht denn auch am Anfang dieses Schwerpunktthemas. Da gibt es zunächst den kategorischen Imperativ von Kant: «Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.» Wenn wir uns klar werden, wie eng wir mit der zerstörerischen Wirtschaftsmaschine verwoben sind – vor allem durch den Gebrauch von Geld –, dann genügen Nachhaltigkeitskriterien, wie sie von den Umweltorganisationen propagiert werden, längst nicht mehr. Dann müssten wir eigentlich alle aus der Gesellschaft aussteigen. Geht nicht. Was tun? Es könne doch nicht sein, dass wir vor lauter Problemen und Rettungspflichten das Leben vergessen, meinte kürzlich eine Teilnehmerin an einer Umweltkonferenz. Da würde man entweder depressiv, diktatorisch oder versinke im Stress. Und sie zitierte Harold Whitman: «Frage nicht, was die Welt braucht. Frage dich, was dich lebendig macht und dann tu das. Was die Welt nämlich braucht, sind Menschen, die lebendig geworden sind.» Ich glaube, Whitman hat recht. Wenn wir Ja zum Leben sagen, und das tun wir doch täglich neu, dann müssen wir es nur noch leben. Mit Menschen voller Leben, die ihren Weg gehen, brauchen wir uns keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Dazu möchte dieser Zeitpunkt Mut machen.

Ich habe nicht immer das Gefühl, als sei es gerade meine Pflicht und Schuldigkeit, dem Herrgot seine ver­ pfuschte Welt einzu­ renken. Wilhelm Raabe

Ich wünsche uns allen ein spannendes, erfüllendes neues Jahr. Es wird, wie jedes zuvor, anders herauskommen als erwartet. Besser. Mit herzlichen Grüssen Christoph Pfluger, Herausgeber

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Inhalt

Schwerpunkt: wer ‹a› sagt …

32 Entscheiden & arbeiten

6 Unsere nächste Pflicht – was nach einem Jahr gescheiterter Krisengipfel und zerfetzter Rettungsschirme klar ist Christoph Pfluger 8 Man muss es nur wollen wir könnenohne Mehrkosten erneuerbar leben. Toni Gunzingers Plan B zeigt wie 11 Ein krasser Fall:  der Zins und die Kirche Christoph Pfluger 12 Oben ‹A› sagen, unten ‹B› tun  Im Neoliberalismus wird der schöne Begriff «Verantwortung» missbraucht Roland Rottenfußer 16 Auf dünnem Eis – mit Ernest Shackleton durch die Krise Sagita Lehner 18 Das Leben selbst in die Hand nehmen – vier Beispiele von Sagita Lehner, Brigitte Müller 21 Die Küche auf Rädern, und weitere Kurzmeldungen 22 Von Menschen, die B tun – unsere Medientipps

25 Fast bargeldlos, aber glücklich   Auf Vanuatu wird mit Schilfmatten, Wildschweinen und sogar mit Weisheit gezahlt Andreas Stummer 28 Sie hat gelogen   Anleger- oder Bankenschutz: Wem dient die Finanzmarktaufsicht? Stefan Schaer 32 Mit Vollgeld aus der Krise – wie Staatsschulden abgebaut und ­Finanzkrisen verhindert werden können 33 Aus Fehlern anderer lernen  und andere Kurzmeldungen

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Inhalt

52 Vollwertig Leben

64 Horizonte erweitern

37 Das Triebwerk des Menschen Fast hundert Jahre lang vergiftete eine Fiktion das gesellschaftliche Leben: der Aggressionstrieb Christoph Pfluger 40 Modelle der Gesellschaft von morgen – was die Konferenz «Die Wasser des Lebens» erreichen will Gespräch mit Sundar Dreyfus 41 wahre Werte 42 Den Regen einfangen – künstliche Seen können die Ausdehnung der Wüsten stoppen Samanta Siegdried 43 Eins in den Kochtopf, eins in den Müll … die Hälfte der Lebensmittel wird weggeworfen Roland Rottenfußer 44 Impfgegner lässt sich nicht mundtot machen   und weitere Kurzmeldungen 45 Die gute Adresse 46 Jeder Rappen ruht   und weitere Kurzmeldungen 47 Die gute Adresse für Ihr Zuhause

48 Jetzt ist es da! – Seit Jahren treibt das Jahr 2012 eine Bugwelle von Gerüchten, Ängsten und Hoffnungen vor sich her.    Roland Rottenfusser 51 Die gute Adresse zur Horizonterweiterung 52 Die Bühne als Brücke vom ich zum du Roland Rottenfußer 54 Ruhe bitte – fünfzig Gedanken jagen uns pro Minute durch den Kopf  Brigitte Müller 55 Die gute Adresse zur Horizonterweiterung 56 Frankoskop – gegen Manipulation und Entmündigung – die Ungehorsamen werden aktiv. Ernst Schmitter 58 Konferenz zum globalen Burn-out  und andere Kurzmeldungen 59 Die gute Adresse für sanften Tourismus 60 Das Restaurant im Mehr-Generationen-Haus und andere Kurzmeldungen 61 Agenda 62 K leinanzeigen 64 Leserbriefe 66 Verlagsmitteilung: 20 Jahre Zeitpunkt – was gibt es alles zu feiern?

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Wer ‹A› sagt…

Unsere nächste Pflicht Nach einem Jahr der gescheiterten Krisengipfel und zerfetzten Rettungsschirmen ist klar: Unsere Institutionen, von den Parlamenten über die Regierungen bis zur Wissenschaft und den internationalen Organisationen sind nicht in der Lage, die Schuldenkrise zu meistern. Jetzt stehen wir in der Verantwortung.      von Christoph Pfluger

I

n unserem Geldsystem können nur einzelne Akteure ihre Schulden begleichen. Im Gesamtsystem wachsen die Schulden dagegen unaufhörlich. Der Grund ist gleichzeitig einfach und doch nicht leicht zu verstehen: Weil alles Geld als Kredit im Bankensystem entsteht, können alte Verpflichtungen nur mit neuen Schulden bezahlt werden. Und weil Schulden dank Zins und Zinseszins ständig wachsen, müssen immer neue und grössere Kredite gesprochen werden – ein veritabler Teufelskreis. Zur Zeit stehen zwei verschiedene «Lösungen» zur Diskussion: • Sparen. Das versuchen die Europäer, das tut weh, und es löst das Schuldenproblem nicht. Die Last ist zu gross, und sie wächst exponentiell. Dieser Weg wird von den tendenziell reicheren Ländern favorisiert, da sie noch über ein gewisses, aber schnell schwindendes Sparpotenzial verfügen. • Geld drucken. Das praktizieren vor allem die Amerikaner und Engländer. Es verschiebt die Lösung in die Zukunft, produziert Inflation und damit eine schleichende Enteignung und wird deshalb von den reicheren Ländern abgelehnt und von den hochverschuldeten bevorzugt. Beide Wege haben ihre Verlierer: Beim Sparen bezahlen in einer ersten Phase all diejenigen, die von

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staatlichen Leistungen abhängig sind. Sobald sich als Folge in einer zweiten Phase die Wirtschaft abkühlt, gehört auch die Mittelschicht zu den Verlierern. Bei der Expansion der Geldmengen erhalten die Eigentümer von Geldvermögen immer weniger Realwert für ihr Guthaben. Dies sind vor allem die Besitzer von Spar- und Altersguthaben. Beide Wege haben aber ein- und denselben Gewinner: die Finanzwirtschaft und die hinter ihr stehenden Besitzer grosser Vermögen. Bei der Geldvermehrung gehört sie zu den Erstbezügern, die sich mit dem neuen Geld zu alten Preisen eindecken können, beim Sparen behalten ihre Papiere den Wert. Meine Prognose: Inflation. Erstens haben die Amerikaner, immer noch die stärkste Kraft in der Finanzwelt, reichlich Erfahrung, wie man Geld vermehrt und die inflationäre Last auf andere verteilt. Jüngstes Beispiel ist die konzertierte Aktion der sechs wichtigsten Zentralbanken, Dollars (natürlich auf Pump) zum Kauf notleidender europäischer Staatspapiere zur Verfügung zu stellen. Dollars in europäischen Bankenkellern sind erst eine inflationäre Gefahr für die USA, wenn sie auch dort ausgegeben werden. Zweitens birgt der Weg des Sparens enorme soziale Risiken. Wenn scheinbar stabile arabische Regimes innert Wochen dem Druck der Strasse weichen müssen, dann ist dies bei einer Verschärfung der Krise auch in den Industrieländern möglich.


Wer ‹A› sagt…

Die einzig mögliche Lösung der Krise besteht natürlich darin, die Schulden zu streichen und ein neues, nachhaltiges und gerechtes Geldsystem aufzusetzen. Die Hauptleidtragenden eines solchen Schnitts wären die zwei Prozent Superreichen mit der Hälfte des Weltvermögens. (Sie müssten alles bis auf schätzungsweise rund zehn Millionen hergeben und den Rest des Lebens mit einer Yacht auskommen.) Diese Lösung muss leider noch ausgeschlossen werden, obwohl 98 Prozent der Menschen davon profitieren würden und sie hervorragend demokratisch legitimiert wäre. Diese Machtfrage wagt im Moment noch niemand ernsthaft zu stellen.

Es gibt keine Pflicht, die so unterschätzt wird wie die, glücklich zu sein. Robert Louis Stevenson

Velcrow Rippers wunderbare Filme sind auf www.vimeo.com zu sehen.

In beiden Varianten des Krisenverlaufs müssen wir uns früher oder später die Frage stellen: Wo liegt meine Verantwortung? Wir haben Ja gesagt zu einem Geld- und Wirtschaftssystem, das uns zwar beispielloses Wachstum, aber auch eine historisch einmalige Ungleichverteilung und schier unüberwindliche Probleme beschert hat. Wenn von den Regierungen keine Lösung zu erwarten ist, woher soll sie denn kommen? Wir haben, um es philosophisch auszudrücken, den Reichtum der Erde verschwendet, weil wir ihn für uns behalten wollten, jeder für sich, anstatt ihn zu teilen. Wir haben die Erde zerstört, weil uns die riesige Fülle nicht genug war. Und wir haben uns betrogen, indem wir vor all dem die Augen verschlossen haben, vermutlich aus Bequemlichkeit, aus Angst und aus Eigennutz. Auf dieses kapitale Versagen steht die Höchststrafe: die Konsequenzen tragen. Das tönt auf den ersten Blick bedrohlich, vor allem, wenn man sich die schauerlichen Szenarien eines unvorbereiteten Crashs vor Augen hält und wenn man zu viel auf die Massenmedien schaut. Die Kameras sind immer dort, wo die Gewalt die schockierendsten

Bilder liefert, während die Mitmenschlichkeit aussen vor bleibt. Ein Beispiel: Als der Wirbelsturm Katrina New Orleans von der Aussenwelt abschnitt, wurden die Plünderungen im Stadtzentrum gefilmt, während in den Aussenquartieren eine quasi unsichtbare, selbstlose Nachbarschaftshilfe einsetzte. Einer, der seit Jahren den Blick auf die Kräfte der Liebe und des Herzens richtet, ist der mehrfach ausgezeichnete kanadische Dokumentarfilmer Velcrow Ripper. In seinem Film «Sacred Scared» besuchte er die Ground Zeros dieser Welt, in New York, Afghanistan, Hiroshima, Israel oder Palästina und traf ausserordentliche Menschen mit einer grossen Gemeinsamkeit: einer Quelle von Lebenssinn und der Bereitschaft zu handeln. Dies führte ihn zu seinem nächsten Film «Fierce Light» (leidenschaftliches Licht) über die ausserordentlichen Kräfte, die aus der Verbindung von Spiritualität und Aktivismus entstehen. In seinem neusten Film «Occupy Love», an dem er zur Zeit noch arbeitet, stellt er die Frage: Wie kann sich die wirtschaftliche und ökologische Krise zu einer grossen Liebesgeschichte entwickeln, die die Menschen einander näher bringt? Velcrow Rippers Antwort auf Repression, Gewalt und Konzernherrschaft ist der grösstmögliche Kontrast: Freiheit, Gewaltlosigkeit und Kreativität. «Dies ist der Weg, Gewalt zu transformieren und nicht ihre Sprache auf die Verursacher zurückzuschleudern.» Natürlich ist es in Ordnung, wenn wir uns im Hinblick auf eine Verschärfung der Krise möglichst unabhängig machen, aber nicht, um der Not zu entgehen, sondern besser helfen zu können. Denn die Antwort auf die Gewalt unseres Wirtschaftssystems kann es nicht sein, den Spiess umzudrehen, sondern das Herz zu öffnen. Dann macht die Krise sogar Sinn.

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Wer ‹A› sagt…

Man muss es nur wollen Wir könnten ohne Mehrkosten erneuerbar leben.   Toni Gunzingers «Plan B» zeigt, wie es geht.

I

ch habe eine geheime Liebe für Ingenieure. Sie erfüllen die Materie mit Geist – deshalb heissen sie so – und können sie einem höheren Ziel nutzbar machen. Sie können leider auch anders, aber das ist jetzt kein Thema. Denn hier geht es um meinen Lieblingsingenieur, Toni Gunzinger, und seinen Plan B. Toni Gunzinger hat vor vierzig Jahren als Radioelektriker angefangen und es mit seinem erfinderischen Geist, gepaart mit Achtsamkeit und harter Arbeit, zum Professor an der ETH Zürich und zu einem Unternehmen gebracht, das Probleme löst, vor denen andere kapitulieren. Er hat einen phänomenalen Super-Computer erfunden, das Time Magazine hält ihn für einen der hundert bedeutendsten Informatik-Fachleute unserer Zeit und in seiner Firma im Zürcher Technopark halten Philosophen und andere gescheite Köpfe regelmässig Vorträge zu den grossen Fragen des Lebens. Am 10. November war Toni Gunzinger selber an der Reihe mit dem gleichzeitig bescheidenen und etwas unverständlichen Thema «Plan B oder Faktor 10». Dahinter versteckt sich auch eine grosse Frage des Lebens, nämlich die nach der Energieversorgung. Plan A ist die Fortführung der bestehenden Politik: Ein bisschen sparen, ein bisschen umlagern, ein bisschen subventionieren – und viel Geld in die Erdölländer und

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von Christoph Pfluger

viel CO2 in die Luft verschieben. Die Folgen von Plan A sind, von den Umweltschäden einmal abgesehen, durch und durch unerfreulich: Die Energie wird knapp werden und sehr viel mehr Geld kosten, Mittel, von denen unsere Wirtschaft kaum profitiert. Wenn wir das nicht möchten – und wer kann das schon wollen? – braucht es einen Plan B, Toni Gunzingers Plan B. Seine Ziele: • Reduktion der nicht erneuerbaren Energien und des CO2-Ausstosses um einen Faktor 10 • keine Subventionen für Mobilität und Energie • keine AKWs und keine Elektrizitätsimporte • Erhalt des Lebensstandards • ökonomisch sinnvoll und profitabel • nur Verwendung bereits bestehender Technologien • in zwanzig Jahren umsetzbar • und all das soll auch noch Spass machen. Das Wichtigste vorweg: Es geht. Man muss es nur wollen. Die Festsetzung von Preisen für die Nutzung von Gemeingütern ist Toni Gunzingers erster Schritt. Gemeingüter oder «commons» gehören uns allen: Luft, Wasser, Boden, Bodenschätze, Wissen, Ruhe oder Sicherheit. Die Nutzung der Allmenden ist ein vergessenes, nachhaltiges Prinzip, das erst seit


Man muss es nur wollen

kurzem wieder in den ökonomischen Mainstream geholt wurde. Einzelne dieser Gemeingüter kosten schon heute etwas, andere sind gratis, im Durchschnitt sind sie viel zu billig. Toni Gunzinger konzentriert sich in seinem Plan B auf die Gemeingüter Luft, öffentlicher Raum, Ruhe und Sicherheit (risikoarm leben). Luft: Die geschätzte Schadensgrösse der Luftverschmutzung beträgt inkl. Kosten der Klimaveränderung rund fünf Prozent des Bruttosozialprodukts von 500 Mrd. Franken, also 25 Mrd., die auf die Verursacher umgelegt werden müssen. Heute besteht nur auf Heizöl eine CO2-Abgabe, die erst noch zehn mal zu tief liegt. Für eine korrekte Abgeltung der Nutzung des Gemeingutes Luft muss dieser Wert erhöht und auf allen fossilen Energieträgern erhoben werden.

Es gibt keine Pflicht, die nicht der Heiterkeit bedürfte, um recht erfüllt zu werden. John Milton

Öffentlicher Raum: Der grösste Verbraucher ist der Verkehr, der mit 581 km2 rund 50 Prozent mehr Fläche belegt als Wohnen, Arbeiten und Freizeit zusammen (400 km2). Diese Fläche, zum Teil an bester Lage, hat bei einem Preis von 500 Fr. pro Quadratmeter einen Wert von 290 Mrd. Franken oder 23,2 Mrd. pro Jahr bei einem Umwandlungssatz von acht Prozent. Zu diesen Kosten kommt noch der Strassenunterhalt von jährlich 14,9 Mrd., der über Steuern bezahlt wird und ebenfalls den Nutzniessern belastet werden muss. Das sind vor allem die Automobilisten. Ein Auto braucht nach Berechnungen von Heinrich Brändli von der ETH zehn mal mehr Raum als ein Fahrrad und rund fünf mal mehr als ein öffentliches Verkehrsmittel. In der Stadt Zürich beanspruchen die Autos 75 Prozent der Verkehrsfläche, erbringen aber nur 25 Prozent der Verkehrsleistung. Auch die Kosten für die Nutzung des Gemeingutes Raum sind über den Benzinpreis zu erheben. Ruhe: Lärm verursacht Kosten und senkt den Wert von Liegenschaften, an viel befahrenen Strassen um bis zu 50 Prozent. Lärmemissionen müssen deshalb abgegolten werden. Gunzinger beschränkt sich bei den Lärmkosten der Einfachheit halber auf den Wertverlust der Liegenschaften, die er im Durchschnitt auf zehn Prozent des gesamten Wertes von 2 500 Mrd., also auf 250 Mrd. schätzt. Bei einem Umwandlungssatz von acht Prozent ergibt dies 20 Mrd. Lärmkosten pro Jahr, die ebenfalls auf die Verursacher umgelegt werden. Sicherheit (risikoarm leben): Die grössten unversicherten Risiken sind die Atomkraftwerke und in zweiter Linie die Speicherseen. Ging man bei weltweit 400 AKW ursprünglich von einer Kernschmelze alle 250 Jahre aus, musste dieser Wert aufgrund der realen Erfahrungen auf zehn Jahre reduziert werden. Bei geschätzten Kosten eines Super- GAUs in der Schweiz

von 5 000 Mrd. Franken ergibt dies eine jährliche Versicherungsprämie von fünf Mrd. Franken pro AKW, die heute vom Steuerzahler getragen werden. Toni Gunzinger hält eine komplette Abwälzung dieser Kosten auf die Betreiber, bzw. die Stromkosten für unrealistisch und rechnet deshalb mit einer Prämie von fünf Mrd. für alle fünf AKW. Die geschätzten Schäden durch Stausee-Katastrophen sind mit 968 Mrd. vergleichsweise klein. Prämie: eine Mrd. pro Jahr. Zusammen ergibt dies eine Risikoabgeltung zulasten der Stromproduzenten von sechs Mrd. Die Abgeltung der Gemeingüter ist für die Wirtschaft ein Nullsummenspiel: Verschwender und Verschmutzer verlieren, Effiziente und Saubere gewinnen. Durch die Abgeltung der Gemeingüternutzung steigen die Energiepreise zum Teil erheblich: Benzin × 5, Strom × 3, öV × 2, Heizkosten × 2. Dabei kommt eine hübsche Summe zusammen (Tab. 1), die als eine Art Grundeinkommen an die Bevölkerung zurückerstattet werden kann. Die entscheidende Wirkung dieses Nullsummenspiels ist aber die Verhaltensänderung, die durch die Kostenwahrheit ausgelöst wird. Bei einer Verdreifachung des Strompreises rechnet sich die Fotovoltaik auch ohne Subventionen. Bei einer Verdreifachung der Heizkosten wird besser gedämmt und intelligenter geheizt – zum Beispiel mit Wärmepumpen oder Heizkraftwerken – und das Geld wird hier investiert statt in den Erdölländern. Bei einer Verfünffachung des Benzinpreises fallen unnötige Fahrten weg (-15 Prozent), werden kurze Strecken zu Fuss oder mit dem (Elektro-)Fahrrad zurückgelegt (-15 Prozent) und erhöht sich die durchschnittliche Fahrzeugbelegung von 1,1 auf 1,5 Personen. Dadurch wird der Automobilverkehr nahezu halbiert. Zusammen mit der bereits heute möglichen Effizienzsteigerung der Autos ergibt sich eine Reduktion des Energieverbrauchs durch den Individualverkehr um einen Faktor acht. Wichtig: Trotz höherer Treibstoffpreise sinken die Kosten für die Automobilität, Autofreiheit zahlt sich aus! (Tab. 2) Umso mehr bringt die Umlagerung bei der Heiz­ energie. Absenkung der Raumtemperatur, bessere Isolation der Gebäude, Neubauten nur im Null  Tabelle 1: Gesamtbilanz der Gemeingutabgeltung Mia CHF pro Jahr

Pro Einwohner und Jahr (CHF)

Ruhe

20

2 613

Luft

25

3 289

Raum

15

1 974

Risikoarm leben

6

789

Total Nutzungsgebühren

66

8 665

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Wer ‹A› sagt…

Tabelle 2: Durchschnittliche Automobilitätskosten

heute

neu mit altem Verhalten

Reisedistanz Auto [km]

11 800

11 800

8 525

0

0

Langsamverkehr [km]

1 000

1 000

2 770

1 000

1 000

alt Autofrei

neu Autofrei

Treibstoffverbrauch [l]

860

860

105

0

0

Treibstoffkosten [CHF]

1 544

9 993

1 220

0

0

Steuern für Automobilität [CHF]

1 483

0

0

1 483

0

0

-750

-750

0

-750

3 027

9 243

470

1 483

-750

Gemeingut [CHF] Total Nutzungsgebühren

Ener­gie-Standard reduzieren den Energieverbrauch auf einen Viertel. Der forcierte Einsatz von WärmeKraft-Maschinen bei grossen Stromverbrauchern und Wärmebezügern bringt eine weitere Verbesserung um einen Faktor 4,2. Das ergibt zusammen eine Reduktion des Heizenergieverbrauchs um das Sechzehnfache. Insgesamt erreicht Toni Gunzingers Plan B eine Reduktion des Gesamtenergieverbrauchs um einen Faktor 12 und des CO2-Ausstosses um einen Faktor 9,5. Ziel erreicht. Ein Knackpunkt in Toni Gunzingers Plan B ist das Stromnetz, das künftig 50 Prozent mehr Ener­gie transportieren muss, da wesentlich mehr erneuerbare Elektrizität in den Verkehr und die Beheizung fliesst. Von der Kapazität her ist dies möglich, aber die Lasten sind ungleich über den Tag verteilt. Zudem ist die Netzarchitektur hierarchisch: von grossen Stromproduzenten über Verteilstationen zu den Endverbrauchern. In Zukunft werden die Stromverbraucher aber auch gleichzeitig Produzenten, sogenannte «Prosumenten». Was sie einspeisen sollte auf möglichst kurzen Wegen zu den nächsten Verbrauchern geleitet werden. Gemäss Toni Gunzinger sollte ein moderater Ausbau des Netzes bei intelligenter Steuerung ge Tabelle 3: Vergleich von Plan A und Plan B Plan A

Plan B

Regeln wie bis anhin

Gemeingutabgeltung

Es werden jährlich 10 – 20 Mia CHF für nichterneuerbare Energieträger ins Ausland bezahlt.

Es werden jährlich 1 – 2 Mia CHF für nichterneuerbare Energieträger ins Ausland bezahlt.

Es wird wenig investiert im Inland.

Es werden 10 – 20 Mia CHF/a im Inland investiert.

Kein Technologievorsprung

Technologischer Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt

Die weitere globale Entwicklung wird uns zu höheren Energiepreisen zwingen.

Nimmt Preisentwicklung vorweg

Ungerecht

Gerechter

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neu mit neuem Verhalten

nügen (Stichwort «smart grid»), und die Bedürfnisse von Produzenten und Konsumenten müssen optimal aufeinander abgestimmt werden. Dieses Paradies mit selbst produzierter Energie, weniger Verkehr und geringerer Umweltbelastung ist zwar nicht gratis zu haben, aber es kostet nicht mehr, als wenn wir wie bisher weiter wursteln und unser Geld buchstäblich in die Wüste schicken. Die Schweiz könnte zum Musterland der Energiewende werden, Technologien entwickeln und Erfahrungen sammeln, für die weltweit ein grosser Bedarf besteht. Die Umsetzung kann nach Einschätzung von Toni Gunzinger in 15 bis 20 Jahren erfolgen. Voraussetzung ist ein neuer Preismechanismus mit Gemeingutabgeltung und eine frühzeitige Ankündigung der Systemveränderungen, damit sie beim nächsten Autokauf, bei einer anstehenden Renovation oder einem Neubau berücksichtigt werden können. Und: Dieses ganze Wunderland erfordert keine Subventionen, die Staatsquote sinkt. Toni Gunzingers Idee ist ein grosser Wurf, das kam auch in der Diskussion nach seinem Vortrag zum Ausdruck, an der sich einige ausgewiesene Experten beteiligten. Es geht. Aber was ist zu tun, damit es auch gewollt wird? Ein hoher Energiebeamter, der eine Antwort auf diese Frage hätte geben können, verliess nach dem Vortrag schnell den Saal. «Alles schon bekannt», meinte er auf meine Frage, warum man Toni Gunzinger nicht in die Eidg. Energiekommission berufe. Da hat er nicht ganz unrecht. Toni Gunzinger hat sein Szenario ja ausdrücklich auf die Basis bestehender, «ready-to-use»-Technologien gestellt. Aber die Verbindung mit einer gerechten, kostenneutralen Abgeltung der Gemeingüter, die ist neu und bahnbrechend. So beglückend und inspirierend der Abend mit Toni Gunzinger auch war, es bleibt eine drängende Frage: Was muss geschehen, damit wir nun B tun? Der Vortrag von Anton Gunzinger «Plan B oder Faktor 10» ist auf der Website www.scs.ch als Video abrufbar.


Wer ‹A› sagt…

Ein krasser Fall:

der Zins und die Kirche Alec Gagneux beim Verteilen von Flugblättern vor einer Kirche.

Eine bedeutende Organisation, die zu einem zentralen Thema A sagt, aber sich standhaft weigert, B zu tun, ist die Kirche. Das Zinsverbot der Bibel gilt, aber sowohl die katholische, als auch die evangelische Kirche haben keine Hemmungen, ihr Geld zinsbringend anzulegen und damit von der weltweiten Umverteilung von arm zu reich zu profitieren. Und nicht nur das: Sie weigern sich sogar, ihre Gelder bei weniger profitorientierten Banken zu deponieren. Davon kann der 52 Jahre alte MaschinenIngenieur und Entwicklungsaktivist Alec Gagneux ein Liedchen singen. Seit Jahren versucht er mit Vorstössen, Aktionen und Anträgen an Kirchgemeindeversammlungen dem Zinsverbot Nachachtung zu verschaffen – ohne Erfolg. «Wir sind uns der Mittäterschaft bewusst» Der Kontrast zwischen Wort und Tat ist krass. Niklaus Peter, Pfarrer am Zürcher Fraumünster bezeichnete in seiner letzten Bettagspredigt den Mammonismus als «stärk­ ste Form des Götzendienstes» und beklagte «das blinde Vertrauen in das Geld als jener Macht, die uns gutes Leben, Sicherheit, Erfolg und Status verleihen könne, einer Macht, in der sich all unsere Wünsche verdichten und geradezu religiöse Kraft bekommen können». Warum lese man nie von «kriminellen» Gewinnen?» Wenn es aber darum geht, den Tanz um das goldene Kalb wenigstens in der Kirche zu unterbinden, den Verkaufsstand mitten im Kirchenraum aufzuheben oder die Pensionskassengelder anders anzulegen, lehnt Niklaus Peter das Gespräch mit Alec Gag­ neux ab.

Ganz ähnlich Gina Schibler, Pfarrerin in Erlenbach, die in der Zeitung der reformierten Landeskirche schrieb: «Die biblische Skepsis gegen Verschuldung könnte unseren Blick dafür schärfen, welch erheblicher Zins­ anteil in den Preisen unserer Güter steckt. … Könnte es hilfreich sein, sich der Ansätze der drei monotheistischen Religionen zu erinnern und daraus Impulse für die Suche nach gerechten Ordnungen für die Gegenwart zu gewinnen?» Ja, es könnte sicher hilfreich sein, aber dazu müsste man selber hilfreich werden und konkrete Schritte einleiten. Rechtsgrundlagen hätte auch die reformierte Kirche, z.B. im «Accra-Dokument, das der reformierte Weltbund 2004 verabschiedet hat und in dem sich u.a. dieser schöne Satz findet: «Wir sind uns der Mittäterschaft und Mitschuld derer bewusst, die, gewollt oder ungewollt, aus dem gegenwärtigen neoliberalen Weltwirtschaftssystem Gewinn ziehen; wir erkennen, dass dies sowohl auf Kirchen wie auf Mitglieder unserer eigenen reformierten Familie zutrifft, und wir rufen deshalb zum Bekennen unserer Sünde auf.» Tempelreinigung der neuen Zeit Anstatt nur Anträge zu stellen, zu schreiben und zu diskutieren, hat Alec Gagneux eine neue Aktionsform entwickelt, die «Tempelreinigung». Sie geht auf die biblische Episode zurück, nach der Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel in Jerusalem vertrieb. Bei einer Tempelreinigung der

neuen Art steht ein Banker während des Gottesdienst auf und fordert im Mittelgang schweigend, aber hartnäckig von einem Bettler seinen Tribut. Dann erscheint Jesus und vertreibt den Banker in langsamen Bewegungen aus der Kirche. Unterwegs verliert der Banker sein Geld, über das die Kirchgänger am Ende des Gottesdienstes schreiten müssen. Eine mutige, eindrückliche Aktion, die von den Kirchenverantwortlichen kontrovers aufgenommen wird. Der Pfarrer am Fraumünster in Zürich reagierte empört auf die bliblische Störung des Gottesdienstes, «wie die Pharisäer damals auch», meint Alec Gagneux. Jürg Welter, Pfarrer am Berner Münster dagegen schrieb: «Die Osteraktion ihrer Gruppe war für mich notwendig und anregend. Sie legt den Finger auf einen wunden Punkt unseres Kircheseins. Botschaft und Tun klaffen oft schmerzlich auseinander. Wir brauchen m.E. auch eine neue Spiritualität, die uns ermutigt und befähigt, unser persönliches Leben einzuschränken und bewusst auf Möglichkeiten, die uns die­se Gesellschaft aufdrängt, zu verzichten. Sie zeigen ja einen ganzen Katalog von möglichen Massnahmen auf institutioneller Ebene an. Da gibt es in den Leitungsgremien zu tun und zu kämpfen.» Kämpfen – ja, aber humorvoll und kreativ, das will Alec Gagneux auch weiterhin. Wer mithelfen will, ist herzlich willkommen. Ein bisschen Mut und Gelassenheit muss man allerdings mitbringen. CP Kontakt: Alec Gagneux, Albulagasse 7, 5200 Brugg, Tel. 056 441 45 75. www.fairch.com.

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Wer ‹A› sagt…

Oben A sagen, unten B tun Im Neoliberalismus wird der schöne Begriff «Verantwor­ tung» missbraucht. Der Einzelne soll auf seine Kosten das Versagen der Politik korrigieren. Von «Eigenverantwortung» wird vor allem dann gesprochen, wenn sich die Instituti­ onen aus der Verantwortung zurückziehen. Trotzdem gibt es eine wirkliche Verantwortung des Bürgers: Sie besteht darin, die Macht dieser Institutionen zu brechen.   von Roland Rottenfußer

E

in bisschen Eigenverantwortung finde ich schon richtig», sagte mein Zahnarzt, als er mir die hohe Rechnung präsentierte. Meine Krankenkasse würde davon keinen Cent übernehmen. Auch der deutsche FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle fordert mehr Eigenverantwortung. Für die Pflegeversicherung solle – wie schon bei der Rente – jeder selbst vorsorgen. Auf dem Arbeitsmarkt gilt schon längst: «Fördern und Fordern». Der geringe Hartz IV-Satz soll «die Eigenverantwortung des Leistungsempfängers stärken». Das hört sich gut an. Scheinbar steht dahinter das Ideal einer autonomen Persönlichkeit. Man befreit sich aus Abhängigkeiten und trifft für sein Leben Entscheidungen. Geht es schief, trägt man dafür die Verantwortung. Ich bin gerührt, dass sich Menschen wie Brüderle und mein Zahnarzt so für meine Entwicklung zu einer reifen Persönlichkeit engagieren.

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Haben wir es uns bisher etwa zu leicht gemacht? Angela Merkel jedenfalls wirft uns vor: «Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt.» Prinz Charles setzt eins drauf: «Wir zerstören die Klimaanlage unseres Planeten.» Dirk Fleck, Autor einiger Öko-Thriller, nennt uns pauschal die «Tätergeneration». Wir würden mit unserer Art zu leben und zu wirtschaften die Lebensgrundlagen unserer Nachkommen zerstören. Das bedrückt mich umso mehr, als ich ja schon von Geburt an dem Tätervolk (Deutschland) und dem Tätergeschlecht (Männer) angehöre. Erdrückend viel Schuld für einen eigentlich ziemlich harmlos wirkenden Typen. Ich schlafe in letzter Zeit schlecht. Schuld sind immer wir Die drastische und pauschale Zuschreibung von Verantwortung an die breite Masse, an Sie und mich, ist heute gängige Rhetorik. Wenn ich eine bessere Welt will, fange ich mit der Veränderung bei mir selbst an.


Oben A sagen, unten B tun

Ich habe nicht immer das Gefühl, als sei es gerade meine Pflicht und Schuldigkeit,   dem Herrgot seine verpfuschte Welt einzurenken.   Wilhelm Raabe

Eigentlich könnte man sich ja darüber freuen, dass Verantwortung ein Zeitgeist-Thema geworden ist. Und es gibt echte Verantwortung und echte Schuld. Ich wehre mich aber entschieden gegen Übertreibungen und den Missbrauch des Begriffs «Eigenverantwortung». Beispiel Zahnarzt: Ich putze meine Zähne so gut, dass der Zahnarzt seit vielen Jahren nichts zu meckern hat. Obendrein gehe ich regelmässig zur Vorsorge. Ich bin meiner Verantwortung also beispielhaft nachgekommen. Die Prophylaxe zahle ich trotzdem aus eigener Tasche, zuzüglich Praxisgebühr. Eine Art Geldstrafe für vernünftiges Verhalten. Beispiel Glühbirnen: Es wird so getan, als ob in der Verwendung der richtigen Glühbirne der Drehund Angelpunkt für die Rettung der Welt läge. Die Wahrheit ist: Nur etwa ein Zehntel des CO2-Ausstosses entfällt überhaupt auf Privathaushalte, davon ca. ein Zwanzigstel auf Beleuchtung, also ein Zweihunderts­tel. Für den Energieexperten Hans Arpke geht die Verantwortung des Endverbrauchers in Sachen Licht gegen Null: «Glühbirnen alten Typs geben Wärme ab. Wenn sie durch temperaturneutrale Energiesparlampen ersetzt werden, könnte der Verbraucher dies im Winter kompensieren, indem er die Heizung weiter aufdreht.»

Die phönizische Schrift (ca. 1 200 Jahre vuZ.) ist das erste Alphabet im eigentlichen Sinne (d.h. ein Laut = ein Zeichen). Von ihr stammen die griechische, die hebräische und die arabische Schrift ab.

Beispiel Friedenspolitik: Hier herrscht oft eine Eigenverantwortungs-Mentalität, die zu kurz greift. Spirituelle Menschen argumentieren: «Der Friede beginnt in dir». Der Friedenspsychologe Prof. Gert Sommer mahnt politisches Engagement an: «Mit sich selbst im Frieden zu sein ist auch schön. Aber selbst wenn 99 Prozent der Weltbevölkerung mit sich im Frieden sind und 1 Prozent ist es nicht, dann reicht das völlig aus, um Kriege zu führen.»

Beispiel Fair-Trade-Produkte. Hier kann der Käufer tatsächlich etwas tun, allerdings mit Einschränkungen. Erstens wird ihm ethisch richtiges Handeln durch den Preis erschwert. Wohlmeinende zahlen eine Art Ethik-Strafgebühr. Zweitens verschleiern die Grosshändler bewusst die unfairen Herstellungsbedingungen bei den meisten Übersee-Produkten. Gleichzeitig werden die Verbraucher durch massive Werbekampagnen ständig zur Bedenkenlosigkeit verführt. Es braucht viel Zeit- und Energieaufwand, um informiert zu sein und Fehlentscheidungen auszuschliessen. Die Frage ist also: Warum kaufen mächtige Multis nicht von vornherein nur faire Produkte ein? Oder warum verbietet der Staat nicht einfach den unfairen Handel?

Die Grössenfantasien spries­sen in dem Mass, wie unsere tatsäch­ lichen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Institutionen zurück­ gedrängt werden.

«Verantwortlich» im Kleinen, machtlos im Grossen Der Endverbraucher soll also die Fehler kompensieren, die vorher von grossen, mächtigen Organisationen begangen wurden. In Anlehnung an das Thema dieses Hefts heisst das: Die sagen «A», wir sollen «B» tun. Es findet eine Art Crowdsourcing des Verantwortungsgefühls statt. Der wohlmeinende Verbraucher lädt das ganze Elend der Welt auf sein Gewissen: «Wenn ich korrekt einkaufe, gibt es keine Ausbeutung mehr.» Dies könnte ein Fehlschluss sein. Die wesentlichen Probleme können nur durch Strukturveränderung und politische Entscheidungen im Grossen gelöst werden. Naheliegend wäre es zum Beispiel, die Gewinnspanne der Aldi-Brüder (geschätzte 34 Milliarden Euro Vermögen) drastisch zu reduzieren. Das Geld könnte eingesetzt werden, um Herstellern fairere Preise zu bezahlen. Auch müsste die Gewinnabschöpfung durch Personen verhindert werden, die keine Eigenleistung erbringen.

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Wer ‹A› sagt…

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Innerhalb des alten Systems erleben wir jedoch immer wieder das alte Spiel: Arbeiter und Endverbraucher sollen das kleine Stück vom Kuchen unter sich aufteilen, das die Abzocker übrig lassen. Der österreichische Sachbuchautor Christian Felber sieht dahinter ein perfides System: «Wir werden vom eigentlichen Platz des politischen Geschehens ferngehalten und in die Supermärkte gelotst, wo wir unsere demokratische Verantwortung ausleben sollen, in einem zugewiesenen Reservat der Wahlfreiheit als Ersatz für echte Demokratie.» Felber trifft den Kern: Die Bürger werden von wichtigen Entscheidungen systematisch ausgeschlossen. Zum Beispiel durch die Verweigerung direkter Demokratie (ausser in der Schweiz) und durch Verlagerung von Entscheidungen auf die EU-Ebene. Gleichzeitig sollen wir uns «immer verantwortlicher» fühlen.

Gefährlicher «Zuständigkeits-Burnout» Das Energie- und Zeitbudget des Menschen ist begrenzt, sein Verantwortungsbereich dagegen potenziell unbegrenzt. Besonders problematisch ist der Satz: «Wer zuschaut, ist mitschuldig». Er führt, wörtlich genommen, sehr schnell zu einem «ZuständigkeitsBurnout». Natürlich darf man, wenn einer gerade ertrinkt, nicht am Ufer stehen bleiben. Wer sich allerdings für den ganzen Globus zuständig fühlt, kommt schnell an seine Grenzen. Das neoliberale Menschenbild zieht eine Negativspirale nach sich: Da sich das Kollektiv zunehmend weigert, Verantwortung für uns zu übernehmen, sind wir dauernd damit beschäftigt, für uns selbst zu sorgen. In der Folge haben wir nicht mehr die Kraft, Verantwortung für das Kollektiv zu übernehmen.

Kampfbegriff der Unverantwortlichen Mit Blick auf die von Staat und eingebetteten Medien lancierten Kampagnen kann man feststellen: Eigenverantwortung wird immer dann angemahnt, wenn uns jemand dazu zwingen will, Verschlechterungen unserer Lebenssituation hinzunehmen. Eigenverantwortung wird von denen angemahnt, die sich aus der Verantwortung zurückziehen, obwohl sie gut dafür bezahlt werden, diese zu tragen. Ein Beispiel: Bei der «Bankenrettung» 2008 wurde klar, dass Banken zwar ungeniert mit Milliardensummen zockten, aber nicht einsahen, warum sie die Verluste selbst tragen sollten. Dafür hat man ja den Steuerzahler. «Eigenverantwortung» ist heute vor allem der Kampfbegriff der Unverantwortlichen. Unsere Verantwortung steht und fällt mit unserem realen Einfluss auf das Geschehen. Der ist oft kleiner als wir denken. Deshalb greifen auch wohlmeinende Appelle aus der Aktivistenszene oft zu kurz. So lesen wir im Webmagazin «Sein», «dass ein Wandel nicht durch politischen Widerstand und Gewalt erzeugt werden kann, sondern bei jedem Einzelnen beginnt, in jeder einzelnen Entscheidung, die wir jeden Tag treffen.» Schade, dass der Autor mit der Gewalt gleich auch den Widerstand entsorgt hat. Die Machthaber können sich nur freuen, dass solche Halbwahrheiten im Volk kursieren. Sie müssen dann nur noch unseren Entscheidungsspielraum auf ein für sie ungefährliches Mass verkleinern – und genau das geschieht.

Wer Verantwortung übernimmt, ohne entsprechende Einfluss­ möglichkeiten zu haben, wird sich schnell als Versager fühlen. Schuldgefühle lähmen, machen uns klein und lassen uns glauben, wir hätten eine Besserung der Verhältnisse gar nicht verdient. Appelle an unser Verantwortungsgefühl suggerieren eine beliebige Ausweitung der Zuständigkeiten. Schwierig wird es, wenn unser Handeln massiv Herrschaftsinteressen berührt. Ein Beispiel sind die Komplementär- oder Regionalwährungen. Wenn sie dem System der Kontrolle über das Geldwesen gefährlich werden, könnten sie von heute auf morgen verboten werden. So geschah es 1932 beim berühmten Geldexperiment von Wörgl. Schuldgefühle machen klein Es stellt sich die Frage, wie es möglich war, Verantwortung so massiv auf den «einfachen Bürger» abzuwälzen. Zunächst ist der Verantwortungstransfer natürlich eine psychische Selbstentlastung der wirklich Mächtigen. Zweitens sollen die finanziellen Nachteile verantwortlichen Handelns auf uns verschoben werden. Mir erscheint aber noch ein dritter Grund wichtig: Die dunkle Schwester der Verantwortung ist


Oben A sagen, unten B tun

die Schuld. Und mit Schuldgefühlen kann man Menschen manipulieren. Wer Verantwortung übernimmt, ohne entsprechende Einflussmöglichkeiten zu haben, wird sich schnell als Versager fühlen. Schuldgefühle lähmen, machen uns klein und lassen uns glauben, wir hätten eine Besserung der Verhältnisse gar nicht verdient. Der US-amerikanische Bürgerrechtler Noam Chomsky schreibt: «Die Menschheit soll denken, sie sei wegen zu wenig Intelligenz, Kompetenz oder Bemühungen die einzig Schuldige ihres Nicht-Erfolgs. Das ‹System› wirkt also einer Rebellion der Bevölkerung entgegen, indem dem Bürger suggeriert wird, dass er an allem Übel schuld sei, und mindert damit sein Selbstwertgefühl.» Warum übernehmen viele Menschen die Verantwortung, die ihnen zugeschoben wird, scheinbar bereitwillig? Ich vermute, dahinter steht der Wunsch, sich mächtig zu fühlen. Der König im Buch «Der kleine Prinz» befiehlt allmorgendlich der Sonne, aufzugehen. Abends befiehlt er ihr dann wieder unterzugehen. Und siehe da: Sie gehorcht. Auch in der Esoterik ist es üblich, dem Individuum die Urheberschaft an allem zuzuschreiben («Ich bin Schöpfer meiner Realität»). Ich sehe darin eine Abwehr von Machtlosigkeitsgefühlen, die als unerträglich erlebt werden. Die Grössenfantasien spriessen in dem Mass, wie unsere tatsächlichen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Institutionen zurückgedrängt werden. «Ent-schuldigt euch!» Möchte ich mich etwa selbst vor Verantwortung drücken? Ich versuche, uns alle von falschen Selbstvorwürfen zu entlasten. Dafür muss ich uns aber mit einer Verantwortung belasten, die meist gar nicht als solche erkannt wird: Sie besteht darin, die bestehenden Machtstrukturen anzugreifen und zu stürzen. Die Kräfte also, die darüber entscheiden, dass unsere Steuergelder in Kriegsgerät fliessen, dass das Volk Geld nur als Schuldgeld von Privatbanken beziehen kann und diese das Geld in einem wahnwitzigen legalen Raubzug ständig von unten nach oben pumpen. Wir müssen handeln. Nicht weil wir schuld daran sind, dass die mies bezahlten Arbeiter in den Bananenplantagen an den Spritzmitteln ersticken, sondern damit eine Welt entsteht, in der dies nicht mehr geschehen kann. Zwischen «weil» und «damit» besteht ein grosser Unterschied, wie Noam Chomsky gezeigt hat: Fühlen wir uns als Versager, macht uns

das depressiv und antriebsschwach. Fühlen wir uns dagegen als wertvolle Menschen, deren Würde von Machtkartellen verletzt wurde, werden wir selbstbewusst unser Recht einfordern. Wer die Verantwortung für alles übernimmt, neigt zur Nabelschau, anstatt an der Umwälzung der Verhältnisse zu arbeiten.

Wir müssen handeln. Nicht weil wir schuld an Missständen sind, sondern damit eine Welt entsteht, in der diese nicht mehr geschehen können. Jenseits der Grössenfantasien Dies ist kein Aufruf, die «kleinen Schritte» zu einem anständigeren Leben zu unterlassen. Ich finde es wichtig, unnötige Autofahrten bleiben zu lassen und fair gehandelten Orangensaft zu kaufen. Aber diese Dinge sollten nebenbei geschehen und allmählich in Fleisch und Blut übergehen. Das Leben des politisch erwachten Menschen sollte noch Kraft für die grossen Auseinandersetzungen frei halten. Das kann bedeuten, auf die Strasse zu gehen, Plätze zu besetzen und Banken zu umzingeln. Das kann bedeuten, bei Regen und Kälte draussen zu stehen und durch die bedrohlichen Spaliere hochgerüsteter Polizisten zu marschieren. Das kann auch bedeuten, den Ungehorsam zu proben und dafür die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es so beliebt ist, zu sagen: «Ich fange lieber mit kleinen Veränderungen bei mir selbst an»? Es ist einfach bequemer, Fair-Trade-Rosen für 3 Euro zu kaufen, als auf die Strasse zu gehen und sich mit der Macht anzulegen. Das Erstere verschafft ein wohliges Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Letzteres verursacht Angst, ist riskant. Es ist oft mit Selbstzweifeln verbunden oder bedeutet zähes Ringen mit Mitstreitern um den richtigen Weg. Gerade dies wäre aber wirkliche Eigenverantwortung ohne falsche Schuldgefühle und Grössenfantasien. Ja, die Veränderung muss bei jedem Einzelnen anfangen. Aber sie darf nicht dort aufhören. Wir haben Verantwortung, aber sie besteht zunächst darin, zu erkennen, wofür wir nicht verantwortlich sind.

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Wer ‹A› sagt…

Auf dünnem Eis Mit Ernest Shackleton   durch die Krise.   von Sagita Lehner

E

r wollte zum Südpol und kehrte um. Seine gescheiterte «Endurance»-Expedition machte Ernest Shackleton zur Legende. Die Queen adelte ihn und noch heute gilt er als einer der grössten Krisenmanager aller Zeiten. Dank seinen herausragenden Qualitäten als Mensch und Führungspersönlichkeit gelang ihm das scheinbar Unmögliche. Seine Art, schwierige Situationen zu meistern, hat nichts von ihrer Aktualität eingebüsst. Das liegt daran, dass sie zu selten angewendet wird. Deshalb eine Auffrischung.

Wer ‹A› sagt, der muß nicht ‹B› sagen. Er kann auch erkennen, daß ‹A› falsch war.  Berthold Brecht

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Ernest Shackleton, der sich schon bei früheren Antarktisexpeditionen einen Namen gemacht hatte, sorgte 1913 mit einem Aufsehen erregenden Inserat für Furore: «Männer für gefährliche Reise gesucht. Geringer Lohn, bittere Kälte, monatelange völlige Dunkelheit, ständige Gefahr. Sichere Heimkehr zweifelhaft. Ehre und Ruhm im Erfolgsfalle». Fünftausend Bewerbungen gingen ein. Ein wahres Überangebot, das Shackleton jedoch nicht ausnutzte. Er wählte dreissig Männer, denen er sogar leicht übertarifliche Löhne zahlte. Seine ungewöhnlichen Bewerbungsgespräche waren unter seinen Angestellten legendär. Reginald W. James, später Physiker auf der «Endurance», erinnerte sich: «Shackleton fragte mich, ob ich gute Zähne habe, unter Krampfadern leide, Kreislaufprobleme habe und singen könne.» Obwohl Shackleton seine Männer fast zufällig auszuwählen schien, sollten sich alle seine Entscheidungen später als richtig erweisen.

Nur mit dünnen Metallplatten gegen das Packeis geschützt stach die Endurance 1914 in See. An Bord: Handverlesene Wissenschaftler, Seemänner, durchdachter Proviant und die beste verfügbare Ausrüstung. Das Ziel: Der Südpol. Die Mannschaft war in jeglicher Weise heterogen. Auf dem Schiff vermischten sich verschiedene soziale Hintergründe, Berufe und Charakteren. Shackleton setzte alles daran, die anfängliche Cliquenbildung aufzubrechen. Er achtete darauf, dass alle überall mithalfen. So fegten die Doktoren mit den Matrosen die Planken, schälten Kartoffeln und übernahmen selbstverständlich ihre Schicht am Steuer. Jeden Samstag liess Shackleton die Männer in der Messe zusammenkommen, um mit ihnen zusammen Grammofonplatten zu hören, zu musizieren und gelegentlich einen Gesangswettbewerb zu veranstalten. Auch für allabendliche Freizeitvergnügen wie eine Partie Bridge, ein Ratespiel oder eine lebhafte Diskussion war er sich nie zu fein. Vor allem aber gutem Essen mass der «Boss» besonderen Wert bei, diente es doch der Entspannung und dem Zusammenhalt der Gruppe. Nachdem er einen unfähigen Koch in Buenos Aires ausgeladen hatte, erwies sich der Bäcker Charles Green als wahrer Glücksfall. «Er konnte sättigende, warme Mahlzeiten zaubern, während er sich in einem Orkan an eisbedeckte Felsen klammerte», fand Shackleton-Expertin Stephanie Capparell die treffendste Beschreibung, denn sie zeigt was der «Boss» von seinen Männern verlangte: Alles.


Auf dünnem Eis

Doch acht Monate nach dem Beginn ihrer Reise wurde die «Endurance» vom Eis eingeschlossen. Monatelang trieb das Schiff nach Norden, bis es schliesslich dem Druck des Packeises nicht mehr gewachsen war. Als Shackleton das Schiff verloren glaubte, versammelte er seine Männer. Schlicht und vorausschauend schilderte er ihnen seinen Notfallplan: Er wollte mit der ganzen Mannschaft über das Eis nach Westen gehen. Je fünf Meilen pro Tag müssten zu schaffen sein, erklärte er ihnen. Das Schiff würden sie sich selbst überlassen. Dann gab es Abendessen. Goldmünzen und Bibel zurücklassend, retteten sich die Männer am nächsten morgen auf das Packeis. Unter dünnen Zeltplanen warteten sie vier Monate lang auf das Ende der Polarnacht. Einzige Unterhaltung: Ein gerettetes Banjo, die Tagebücher und der Klang ihrer eigenen Stimmen. Kälte und Dunkelheit mussten die Männer an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht haben. Hier bewährten sich Charakterstärke und Optimismus, die Shackleton aus fünftausend Bewerbern heraus gesiebt hatte. Obwohl er robuste Männer ausgewählt hatte, nahm er ihnen ihre Schwächen nicht übel und vermied es, sie vor den andern blosszustellen. Zitterte einer vor Kälte, liess Shackleton sofort an die ganze Mannschaft heis­ se Milch verteilen. Als das Eis endlich aufbrach, kletterten sie geschwächt und frierend in die drei Rettungsboote, die sie vom Schiff geborgen hatten. Fast eine Woche lang kämpften sie hungrig und mit vor Durst geschwollener Zunge gegen Seegang und Erschöpfung an. Als sie schliesslich das rettende Elephant Island erreichten, beschloss Shackleton den Grossteil der Mannschaft zurückzulassen, um mit fünf Männern im bewohnten Südgeorgien Hilfe zu holen.

Literatur: Margot Morrell, Stephanie Capparell: Shackletons Führungskunst. Was Manager von dem Grossen Polarforscher lernen können. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2003. 320 Seiten, Fr. 13.90 / 9,95 Euro. Caroline Alexander: Die Endurance. Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis. Berliner Taschenbuch Verlag, 2002. 223 Seiten, Fr. 21.90 / 14,95 Euro.

800 Meilen in einem Rettungsboot und eine eisbedeckte Bergkette zehrten an den Kräften der Hoffnungsträger, ehe sie eine bewohnte Walfangstation erreichten. Beim Anblick der von Entbehrung gezeichneten Männer brach einer der Walfänger in Tränen aus. Doch Shackleton wollte sofort nach Elephant Island zurückkehren, um seine Mannschaft nachzuholen. Am 30. August 1916 wasserte die «Yelcho» vor Elephant Island ein Rettungsboot. An Bord: Ernest Shackleton. «Alle wohlauf?“, soll er den am Ufer wartenden Männern zugerufen haben, denen die jubelnden Stimmen versagten. Mehrere Monate hatten sie auf der sturmumtosten Insel, unter zwei umgekippten Rettungsbooten ausgeharrt und nie aufgehört an ihre baldige Rettung zu glauben. Shackleton genoss ihr uneingeschränktes Vertrau-

en, obwohl er manchmal an sich selbst zweifelte: «Es wäre vielleicht anders gewesen, wenn sich jeder nur um sich selbst hätte sorgen müssen», heisst es in einem Tagebucheintrag, in dem sich Shackleton selbst als Geretteter sieht. «Wenn man ein Führer ist, ein Mensch, zu dem andere aufschauen, muss man immer weitergehen. Das war der Gedanke, der uns durch den Orkan segeln liess und diese Berge hinauf und hinunter trieb.» Heute gibt es nur noch wenige, die für Ihre Mit­ arbeiter durch den Orkan segeln würden. Wer jedoch die Grundregeln, auf denen die Führungsprinzipien Shackletons aufbauen, beachtet, kann etwas frischen Polarwind in seine Firma bringen: – Achten Sie darauf, dass sich alle Mitarbeiter in ihren Fähigkeiten ergänzen und eine optimistische Grundhaltung pflegen. Geben Sie den Job nur einem, der ihn auch wirklich will! – In einem Bewerbungsgespräch dürfen Sie intuitiv vorgehen und rasch auswählen. Denken Sie aber immer auch daran, wie sich der Betreffende in einer unangenehmen Situation verhalten würde. – Lösen Sie Hierarchien so weit als sinnvoll auf, ohne sich dabei anzubiedern. Fördern sie den Zusammenhalt der Gruppe durch gutes Essen, gelegentliche Feste und gemeinsame Aktivitäten. – Geben Sie niemandem eine Aufgabe, die Sie nicht auch selbst übernehmen würden. Steht etwas Unerfreuliches an: Gehen Sie mit gutem Beispiel voran! – In Not: Informieren Sie ihre Mitarbeiter rasch und ehrlich. Erklären Sie in klaren Worten, wie es nun weitergeht. Jeder einzelne sollte wissen, wie er zur Bewältigung der Krise beitragen kann. Alle schauen auf Sie, strahlen sie Zuversicht aus! – Die Qualität eines Teams zeigt sich oft erst wenn Probleme auftauchen. Deshalb sind Lob und Anerkennung gerade in Krisensituationen besonders angebracht, wenn alle über das normale Mass hinaus gefordert sind. Und wenn gar nichts mehr hilft, halten Sie es wie Shackleton, der einmal gesagt haben soll: «Besser ein lebender Esel als ein toter Löwe.» Er überwand die Vorstellung, dass nur das Erreichen eines gesteckten Zieles Erfolg bedeutet. In einer Zeit, als noch Menschen geehrt wurden, die für eine «edle Sache» ihr Leben liessen, musste eine ganze Nation erkennen, dass Umkehren manchmal die bessere Lösung ist. Gerade heute sollten wir uns auf jene zurückbesinnen, die für Erfolg nicht über Leichen gingen. Die Welt braucht keine Kapitäne, die mit ihren Schiffen untergehen, sondern Anführer, die auch mal umkehren können und die heisse Milch verteilen.

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Wer ‹A› sagt…

Das Leben selbst   Sich von den Vorstellungen der Gesellschaft zu befreien und zu tun, was man selber für richtig hält, ist nicht immer einfach. Vier Beispiele von Menschen, die versuchen, das Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Wer tut, was er kann,   tut, was er soll. Aus Wallonien

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Schule? Nein danke. «Ich habe eine Tanne gesehen mit hunderttausend Tannenzapfen», schrieb Eric in sein Waldbuch, jeder Buchstabe in einer anderen Farbe. Einmal die Woche darf der Achtjährige für eine Stunde allein in den Wald. Mit Essen, Trinken und einer Decke im Rucksack beobachtet er die Natur. Eric geht nicht in die Schule, obwohl es ihm dort gefallen hatte. Nach einem Schnuppervormittag in der örtlichen Primarschule fragte ihn seine Mutter: «Willst du gerne wieder in die Schule gehen?» Ja, er wolle, antwortete Eric - «so in einem Monat». Sarita unterrichtet Eric zuhause. Morgens ist jeweils «Schule». Dass die dreijährige Anina auch mitmachen will, ist nicht verwunderlich. «Lehrerin sein ist meine Berufung», sagt Sarita Walther. Etwas zu erklären mache ihr Freude. An der öffentlichen Schule, wo sie einst unterrichtete, scheiterte sie an der Realität des Schulalltags. Obwohl sich die junge Lehrerin voller Elan in ihre Arbeit kniete, schienen die Schüler oft nur wenig Interesse für den Stoff aufzubringen. Sarita begann am Schulsystem zu zweifeln: Warum sollte nicht jedes Kind gerade das lernen, was es momentan wirklich interessiert? Mit ihren beiden Kindern wohnt Sarita im «Eichli», einem winzigen Häuschen mitten in der Natur. Mit dem Fahrrad sind es nur vier Minuten ins nächste Dorf. «Die Leute in der Umgebung sind Erics Heimunterricht nicht abgeneigt», erzählt Sarita. Einzig, dass

der Junge zuhause vereinsamen könnte, beschäftige sie. Aber um Eric brauchen sie sich keine Sorgen zu machen. «Er ist ein aufgewecktes Kind», sagt seine Mutter. Statt wie andere Schulkinder isoliert mit Gleichaltrigen aufzuwachsen, ist Eric viel mit gemischten Altersklassen zusammen. Wie die andern Kinder in die Schule zu gehen, ist für ihn jedoch bisher kein Thema. Im Kanton Bern darf jeder sein Kind zuhause unterrichten, auch ohne Lehrerpatent. Allein in ihrem Bezirk lebten dreizehn Familien, die ihre Kinder nicht in die Schule schickten, verrät mir Sarita. Wer das genau sei, habe ihr die Schulinspektorin nicht sagen dürfen. Oft sind es religiöse Gründe, die diese Eltern bewegen, ihre Kinder daheim zu erziehen. Gerne würde Sarita Kontakt aufnehmen zu den anderen «Homeschoolern» im Emmental, «aber als Feuerlauf-Trainerin bin ich für die wahrscheinlich schon ‹des Teufels›», lacht sie. Jeden Morgen sitzen die Walthers gemeinsam am Tisch. Während Eric rechnet oder etwas mit der Lupe anschaut, malt Annina oder «will Buchstaben üben». Wenn die kleine Schwester zu laut wird oder den Unterricht stört, ermutigt Sarita Eric, sich trotzdem zu konzentrieren. «Das ist das Leben», sagt sie und Eric hat schon wieder etwas gelernt. SL Kontakt: Sarita Walther, Tel. 034 431 38 20, info@wow-events.ch


Das Leben selbst in die Hand nehmen

in die Hand nehmen

Angekommen

Es geht weiter

Christoph Walther gehört zu den Menschen, die über den Tellerrand hinaus blicken. Als «moderner Zigeuner», wie er sich selbst bezeichnet, reist er für’s Leben gern. Der 52Jährige geht da hin, wo es ihn hinzieht. So arbeitete er zum Beispiel als Cowboy im australischen Outback. Heute sitzt er etwas weniger spektakulär in einem Büro in Biel, wo er sich u.a. für das Vertragslandwirtschafts-Projekt «Terre Vision» engagiert. Nicht zufällig hat es ihn wieder in seine Heimat verschlagen. Auf seinen vielen Reisen hat er gemerkt, dass die Globalisierung die falsche Antwort auf heutige Fragen ist. «Think global, act local»: Wer etwas verändern will, der muss das auf lokaler Ebene tun. Als Christoph das erste Mal von «Terre Vision» hörte, wusste er, das ist eine gute Sache, dafür will er sich engagieren. Und weil er einer ist, der nicht nur sagt, sondern auch tut, arbeitet er jetzt für den Verein – ehrenamtlich. Es braucht nicht nur viel guten Willen, Optimismus und Motivation, um eine neue Sache zum Laufen zu bringen, sondern vor allem auch vielseitiges Wissen. Viele Vereine tun sich zum Beispiel mit der strukturellen Arbeit schwer, alles soll basisdemokratisch entschieden werden. «Das ist vom Ansatz her sicher gut, doch manchmal ist es auch nötig, dass zwei Mitglieder eine Entscheidung treffen», sagt Christoph. Dank seiner Erfahrung im Bereich Organisationsentwicklung weiss er, dass jede Idee ihr

Knapp über zwanzig, wollte sich Markus Muser eine Überdosis spritzen, als ihm ein Hund das Leben rettete. «Er leckte mir das Gesicht ab», erinnert sich Muser. Und mit liebevoll-warmem Hundespeichel im Gesicht wollte er nicht mehr sterben. Er hatte das Zeichen richtig gedeutet: Es ging weiter. Auch die Dame, die dem Hund hinterher eilte, zog aus der Situation den richtigen Schluss: Der Hund gehörte zu Markus. Er sollte ihn fünfzehn Jahre begleiten. Nach einer Therapie zog Muser ins Tessin. Er lebte alleine auf einem abgelegenen Hof mit Eseln, Schafen und Ziegen - ein Leben, von dem viele träumen. Die Sommermonate hindurch bekam Muser Hilfe von Praktikanten und solchen, die einmal eine Auszeit nötig hatten. Viele glückliche Jahre verbrachte er im Süden, bevor die Spätfolgen seiner Sucht immer lauter ihren Tribut verlangten. Körperlich ging es bergab. «Man kann aus den Drogen rauskommen, aber es bleibt etwas hängen», musste Muser schmerzhaft erkennen. Er gab den Hof auf und bekam eine Stelle in einer therapeutischen Wohngemeinschaft, wo er den Stall übernahm. Dann kam es in Musers Leben zu einer entscheidenden Wendung: Er wurde Tagesvater. Nicht für zwei Wochen, wie es damals wohl einige prophezeit hätten, sondern für ganze zehn Jahre. «Angefangen hat es mit zwei Kindern», erinnert sich Muser, «aber es

eigenes, für sie passendes System braucht, damit sie funktioniert. Terre Vision hat einen guten Start er­ wischt: Seit der Gründung im September 2011 haben sich sieben Arbeitsgruppen gebildet, bestehend aus 20 Leuten, die sich voll für das Projekt engagieren. Bereits haben sich über 20 Produzenten gemeldet, welche die Konsumenten beliefern wollen – ein tolles Echo in dieser kurzen Zeit. Christoph Walther will mit seiner Arbeit zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen, bei der die Bedürfnisse der Konsumenten nach preiswerten Bio-Nahrungsmitteln und der Produzenten nach einer stabilen Abnehmerschaft befriedigt werden. Für den Weltenbummler steht das Miteinander im Vordergrund. Und wenn er dann gegen Ende unseres Gesprächs mit Begeisterung das Projekt mit einer kräftigen Pflanze vergleicht, die schon bald Früchte trägt, die dann aussamt und neue Pflanzen an anderen Orten entstehen lässt, dann spürt man: Hier ist jemand am richtigen Ort gelandet. BM Kontakt: Terre Vision, Christoph Walther, Tel. 032 325 41 80 www.terrevision.ch

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Wer ‹A› sagt… altägyptische Hieroglyphen, (ca. 2 800 – 2 200 vuZ.); S. 19: ar, sa Beamter; S. 20: ba Ackerbau

war bald so ein Renner, dass ein Mann zuhause putzt, kocht und die Kinder betreut, dass ich Sitzungen machen musste, um die Termine zu koordinieren». Doch die Behörden begannen Muser Steine in den Weg zu legen. Für jedes neue Kind brauchte er eine Bewilligung der Gemeinde. Während Muser seine Schützlinge wickelte oder ins Bett brachte, klingelten unangekündigt Beamte, um seine Arbeit zu kontrollieren. Männer, die mit Kindern arbeiten wollten, gerieten damals noch in Generalverdacht, Pädophile zu sein. Erschwerend kam hinzu, dass man Muser ansah, dass er «von irgendwo herkam». Fast ohne Zähne und mit bunten Kleidern erregte er zusätzliches Misstrauen. Muser machte diese Situation traurig. «Am Anfang wollte ich aufhören», erinnert er sich, doch die Freude an der Arbeit hielt ihn zurück. Die vorwiegend alleinerziehenden Mütter, für die Muser arbeitete, zahlten ihm, was sie konnten. Manchmal war das nicht mehr als ein bis zwei Franken pro Stunde. Damit leistete sich Muser die Druckkosten für seine Bücher, die er im Selbstverlag herausgab. Noch heute, als IV-Rentner, gibt das Schreiben und Fotografieren Muser Halt. Zu jedem Bild verfasst er einen lyrischen Text, in dem sich seine Stimmung widerspiegelt. «Manchmal sehe ich nur den Nebel und manchmal die Sonne, die durch den Nebel scheint.» Sieben Jahre lang reihte sich wegen Abnutzungserscheinungen in Knien und Hüften eine Operation an die andere. Die Schmerzen hat Muser bis heute. Warum er trotzdem jedes Jahr um seine IV-Rente kämpfen muss erklärt er so: «Ich war fast im Rollstuhl.» Aus der Sicht der Beamten ist der immer noch stark eingeschränkte Muser folglich schon fast gesund. Doch für einen 53-jährigen Mann ohne anerkannte Ausbildung gestaltet sich die Jobsuche schwierig. Muser schaltete schon mehrere Inserate. Kinderbetreuung, Haushalt, Garten, Land-

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wirtschaft – Erfahrung hat Muser zuhauf. Doch niemand meldete sich. «Meist bin ich zuversichtlich», sagt er, «aber manchmal bin ich auch wahnsinnig traurig». In solchen Momenten hilft Muser sein Glaube an Gott. Sektiererisch ist er aber nicht: «Für mich ist ein Buddhist gleich viel wert wie ein Christ, und Probleme mit Homosexuellen habe ich auch nicht», sagt Muser. Die Kirche, der er gerne beigetreten wäre, sah das anders. Darum betet und singt Muser nun für sich alleine, bis er Menschen gefunden hat, für die Glaube und Offenheit sich nicht ausschliessen. Und wenn die noch Kinder und einen zu grossen Garten hätten… SL Kontakt: Markus Muser, Tel. 031 839 60 05

Vom Widerstand   zum Aufbau Schon der erste Kontakt mit Mathias Stalder hinterliess einen nachhaltigen Eindruck. Am 21. März 2009 zogen rund zwanzig junge Guerilla-Gärtner durch Biel, um eine seit längerem brachliegende Fläche in einen blühenden Garten zu verwandeln. Ausgeheckt und organisiert hatte die originelle Aktion Mathias Stalder. Dann erfuhr ich, dass er im Hauptberuf Anzeigen akquiriert, und ein paar Monate später rührte er auch für den Zeitpunkt die Trommel. Mathias hat ein «grosses Bedürfnis nach persönlicher und gesellschaftlicher Veränderung», wie er sagt. «Schon als Kind haben mich Ungerechtigkeiten sehr betroffen gemacht.» Einen grossen Schub ins Leben brachte dann die Entdeckung der Anarchie, «eine starke Alternative zu den Zwängen eines von der Ökonomie dominierten Lebens». Er lebte in einem besetzten Haus, gründete mit «La Blatt» eine Szenen-Zeitschrift für Hausbesetzer, engagierte sich in der Anti-WEF-Bewegung, bei den Demos gegen den G8-Gipfel in Evian und gegen die WTO. Er half bei der Kirchenbesetzung für Sans-papiers und beim Betrieb des centre social während der langen Streiks bei Swiss

Metall in Reconvilier. Aber irgendeinmal musste er «raus dem Ghetto des Protests», wie er sich ausdrückt. Guerilla-Gardening war ein erster Schritt. Am Anfang steht dabei zwar ein Akt des Ungehorsams, aber daraus entsteht ein Ort der Erholung, der Verbindung mit der Erde und eine Ernte. Dann führte er die Anarchistische Buchmesse in Biel. Sein bisher grösstes Vorhaben ist die «Vision 2035», gemeinsam in 25 Jahren die Stadt Biel nachhaltig machen. Aus den geplanten 15 Veranstaltungen wurden 30, aus der einen Zeitschrift bis jetzt fünf Ausgaben. Sieben ständige Arbeitsgruppen sind entstanden, die sich mit Vertragslandwirtschaft, Gemeinschaftsgärten, Regiogeld, einer mobilen Küche oder der Gründung einer Schule befassen. Zur Zeit wird an einem Gemeinschaftszentrum gebaut. Der Abschied fällt immer schwer. Aber wenn sich einer wie Mathias in Zukunft ganz konkret der Verwirklichung von Projekten widmen will, von denen andere nur träumen, dann lässt man ihn gerne ziehen. Der Zeitpunkt und seine «Vision 2035» sind ohnehin Teil eines grösseren Ganzen. CP Infos: www.vision2035.ch

Mathias Stalder, Anzeigeleiter beim Zeitpunkt, wechselt zu praktischeren Tätigkeiten: Der Hahn, den er hier rupft, sorgte für Klagen aus der Nachbarschaft. Geschlachtet hat er ihn nicht selber.


Wer ‹A› sagt…

Die Küche auf Rädern Seit beinahe einem Jahr rollt eine Kochstation im Anhänger eines Fahrrads durch Biel. ‹CantineMobile› heisst das Projekt und ist eine Plattform für Koch- und Essveranstaltungen. Durch die Flexibilität der Küche werden private Räume in öffentliche verwandelt und öffentliche Orte gemeinsam genutzt. So wird die Kochkiste zum Beispiel in einem Wohnzimmer, in einer Galerie oder im Freien aufgeschlagen. Auf den drei Herdplatten werden schon mal Fünf-Gang-Menüs gekocht, aus biologisch und saisonalen Zutaten, zum Preis von etwa fünfzig Franken.   Wichtig ist den Gründern des Vereins der integrierende Aspekt: «In Biel leben Menschen aus 140 Nationen, also Köche und Esser aller Couleur», erklärt Vorstandsmitglied

Andreas Reese. Dazu gäbe es in Biel viele ‹ungenutzte› Flächen. «Jetzt muss man die zwei Dinge einfach noch zusammen bringen», so Reese. Gleichzeitig werden Tischnachbarn zu Bekannten, denn gespeist wird gemeinsam, am selben Tisch.   Auf der Webseite sind die aktuellen Daten, Menüs und Orte ersichtlich. Neue Köche und Mitesser melden sich am besten per Mail, willkommen ist jede und jeder der gerne kocht und Spass am Essen hat. Ein Experiment für alle, die wissen wollen, woher ihr Essen kommt und die nicht isoliert, sondern gemeinsam speisen wollen. SAM eat@cantinemobile.ch www.cantinemobile.ch

«Moderner Robin Hood» druckt eigenes Geld Der Katalane Enric Duran ist ein Bankräuber. Entrüstung ist trotzdem unnötig, denn es handelt sich um «sozialen Bankraub». Duran nahm mit Hilfe fingierter Unterlagen bei mehreren Banken Kredite in Höhe von 492 000 Euro auf. Er dachte aber gar nicht daran, sie zurückzuzahlen, sondern finanzierte damit finanzschwache linke Projekte. Jetzt droht ihm ein Gerichtsverfahren. Aber Enric Duran bleibt gelassen, er hat längst neue Pläne. Mit Feuereifer arbeitet er am Aufbau der Cooperativa Integral Catalana (CIC). Die Kooperative druckt nicht nur (im ersten Schritt) eigenes Geld; sie will auch (im zweiten Schritt) geldfreie Wirtschaftsbeziehungen zwischen ihren Mitgliedern ermöglichen.   Duran ist ein erfahrener Aktivist und Globalisierungskritiker. Seine politische «Karriere» begann mit einer Kampagne für Schuldenerlass zugunsten des globalen Südens. Seinen «Bankraub» sieht er als bewusste politische Aktion. Finanziert wurde damit u.a. die kostenlose Aktivisten-Zeitschrift «Podem» («Wir können»). Darin skizziert er sein Programm: Wir können «ohne Banken, ohne Multis, ohne Geld, ohne politische Klasse», kurz: «ohne Kapitalismus leben». Um diese Vision zu realisieren, begründete er ein Netzwerk von Wirtschaftsbeziehungen, die sich den Marktregeln und staatlicher Kontrolle entziehen. Zu den Grundprinzipien gehören:

Die Gärten   in die Stadt bringen

Alle Mitglieder sind gleichberechtigt, und regionale Kreisläufe gehen vor. Wie es funktioniert? Landwirtschaftliche Betriebe müssen zum Beispiel 10 Prozent des Einkaufspreises in ECOcoop akzeptieren, der sozialen Währung der Kooperative. Es handelt sich um ein virtuelles Buchgeld, das nicht in Euro umgetauscht werden kann. Im Wert dieser 10 Prozent bekommen die Hersteller Leistungen aus der Angebotspalette der CIC, etwa medizinische oder juristische Beratung. Da es keine Zwischenhändler gibt, bekommen Hersteller eine faire Bezahlung, Kunden günstige Preise. Die Angebotspalette entspricht den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen, nichts wird durch Werbung gepusht. Die Kooperative verlangt für vermittelte Handelsbeziehungen nur eine kleine Gebühr.   Zweifellos hat die Wirtschaftskrise Enric Durans Vorhaben begünstigt. Die Menschen wollen sich Ansprüche in ECOcoop erwerben, die vom Finanzsystem der «Alten Welt» unabhängig sind. Angst, dass eine Gefängnisstrafe sein Unternehmen gefährden könnte, hat er nicht. Mitarbeiter werden schon angelernt, um ihn notfalls zu ersetzen. Auch Durans schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen. Der schlimmste Bankraub ist heutzutage ohnehin der Raub der Banken an den Menschen. RR Quelle: Neues Deutschland

Vor zwei Jahren entschied sich der heute 24-jährige Bastiaan Frich, nicht länger nur von seinen Visionen zu reden. «Ich sah ein, dass ich selbst den Raum schaffen muss, den ich mir wünsche», sagt Bastiaan. Mit Gleichgesinnten gründete er im April 2010 den Verein ‹Urban AgriCulture Netz Basel›.   Der Verein versteht sich als Netzwerk: Er will andere Menschen dazu ermutigen, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Bereits 22 Projekte hat der Verein realisiert, alle mit dem Ziel, mehr Grünflächen in die Stadt zu bringen und dabei vor allem den Anbau von Lebensmitteln zu fördern.   Aktuelles Beispiel ist der Gemeinschaftsgarten auf dem Landhofareal. In dieses Projekt hat Bastiaan zusammen mit seiner Kollegin Dominique Oser in sieben Monaten rund 700 freiwillige Arbeitsstunden investiert. Innert knapp zwei Monaten brachten sie eine Betonfläche zum blühen und seither kommen fünfzig Besucher regelmässig in den Garten, um zu pflanzen und zu ernten, aber auch um sich zu treffen, zu singen und zu musizieren. «Ich biete gerne Ideen, aber die Besucher müssen das Projekt selbst in die Hand nehmen», sagt Bastiaan. Genau so funktioniert der Verein: Er verbindet und bietet Fachwissen an, die Projekte existieren dann meist eigenständig.   Der Verein will sich noch mehr mit anderen Organisationen vernetzen, um Synernergieeffekte zu kreieren. Eine intensive Zusammenarbeit mit ‹Neustart Schweiz› und ‹Permakultur Schweiz› ist bereits im Gange, eine mit ‹ProSpecieRara› wird folgen.   «Es gibt immer jemand der ‹ja, aber …› sagt», so Bastiaan, aber solange man nichts ausprobiere, könne nichts Kreatives entstehen. Statt auf die Zweifel konzentriere er sich lieber auf das, was ihn erfüllt: Auf die Freude und die Dankbarkeit, die ihm durch seine Arbeit entgegenkommt. SAM UANB Transform, Dornacherstrasse 192, 4053 Basel Tel. 061 322 73 14. www.urbanagriculturebasel.ch

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Medientipps

Von Menschen, die B tun – unsere Medientipps Den eigenen Weg gehen

Behindern Öko-Verbände die Umweltpolitik?

Liest man dieser Tage die Zeitung, fühlt man sich als Einzelner angesichts der Menge an Krisen, Leid und Nöten hilflos. Doch – anderes Handeln entspringt anderem Denken. Die Welt hat ein sich veränderndes Bewusstsein dringend nötig. Und es sind nicht die Politiker oder Wirtschaftschefs, die primäre Träger von Bewusstsein sind, sondern das Individuum. «So real meine Ohnmacht angesichts des Weltgeschehens scheint, so unverzichtbar bin doch auch ich als Agentin und Agent des Wandels», ist die Kulturwissenschafterin und Autorin Hildegard Kurt überzeugt. Sie geht der Frage nach, welches die Voraussetzungen und Perspektiven auf dem Weg zu einer Lebenspraxis sind, die zukunftsfähig ist. «Resilienz», die Zähigkeit der Seele, wird ihr Leitmotiv. Sich nicht von all dem Unschönen, Ungewollten geschlagen geben und das Leben einfach hinnehmen, sondern das Gute, Würdevolle, das Schöne und das Lebenswerte darin sehen.   Kurts Erlebnisse und Erkenntnisse sind in Form eines Tagebuchs festgehalten. Ein Buch, das einfache Strategien zu einer besseren Welt liefert, die Leser aber auch gleichzeitig einlädt, ihren eigenen Weg zu einer anderen Welt zu erkunden. BM

Daniel Boese ist nicht gut zu sprechen auf traditionelle Strukturen in der Umweltbewegung. Verkrustet, konfliktscheu, zu sehr mit sich selbst beschäftigt – so lautet die Diagnose des 34-jährigen Redaktors und Sachbuchautors. «Die streiten sich hinter den Kulissen auch darüber, wer wie viel Facetime mit dem Minister bekommt. Die würden viel mehr bewegen, wenn sie eigene Kampagnen machen würden, die offen sind für Nicht-Verbandsmitglieder und die Konflikte angehen.» In seinem Buch «Wir sind jung und brauchen die Welt» beschreibt Boese auch, warum Kampagnen ausserhalb Deutschlands oft besser funktionieren. In den USA zum Beispiel konnte Druck aufgebaut werden, indem man die mächtige

Hildegard Kurt: Leicht auftreten. Unterwegs zu einer anderen Welt. Ein Tagebuch. VAS-Verlag für Akademische Schriften, 2011. 232 Seiten, Fr. 24.90 / 16,80 Euro

Kohle- und Ölindustrie direkt angriff: Man demonstrierte lokal gegen Landebahnen und Pipelines, bettete den Protest jedoch mit Hilfe der neuen Medien in einen globalen Kontext ein. In Deutschland wirke die bemühte, aber unzureichende staatliche Umweltpolitik eher einschläfernd. «Sie spiegelt eher die Interessen der alten Industrien als das, was wissenschaftlich notwendig ist.» Nötig sei «wesentlich höhere Konfliktbereitschaft», denn beim Klimaschutz ginge es ums Ganze. Man müsse der Industrie kräftige Verluste durch geringeren Strom- und Benzinverbrauch zumuten – um nicht viel mehr zu verlieren. «Wenn die Klimabewegung nicht gross wird, dann wird sie dem Anliegen leider auch nicht gerecht.» Gut so! Die Welt braucht das Engagement der Jungen. RR Daniel Boese: Wir sind jung und brauchen die Welt – Wie die Generation Facebook den Planeten rettet. Oekom Verlag, 2011. 253 Seiten, Fr. 21.90 / 14,95 Euro

Astrid Lindgren hat ihren Kindern alle Bücher von Lisa Tetzner vorgelesen. Sie auch? Lisa Tetzner (1894 – 1963) zog als junge Frau übers Land und sammelte und erzählte Märchen für jung und alt.   Bald bemerkte sie, dass man Kindern keine kunterbunte und heile Märchenwelt erfinden muss, sondern ‹einfach› die Welt kindergerecht erklären sollte. Nachdem sie in Berlin einige Jahre die erste Leiterin der Kinderstunde im Berliner Rundfunk wurde (wovon es leider keine Aufnahmen gibt) emigrierte sie 1933 mit ihrem Mann Kurt Kläber in die Schweiz. Hier begann sie zu schreiben, und ihre Ideen in die Realität zu holen.   Am bekanntesten wurde sie hier mit ihrem Jugendbuch «Die schwarzen Brüder», basierend auf einer realen Begeben­heit: Zusammen mit ihrem Mann entdeckten sie einen kleinen Artikel über Verdingkinder im Tessin und gingen der Sache nach. Doch anders als im realen Leben, gab sie ihrer Geschichte einen optimistischen Ausgang.   Weniger bekannt wurde hingegen ihr Hauptwerk «Die Kinder aus der Nr. 67». Hier beschreibt sie Entstehung und Auswirkung des Nationalsozialismus … für Kinder.

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Die Geschichte spielt sich zu grossen Teilen im Hinterhof des Hauses Nr. 67 ab, zeigt die Freundschaften der Kinder, und wie sie auseinanderbrechen. Verheimlicht nicht die Gründe und folgt den Kindern in den späteren Bänden ins Exil oder auch an die Front.   Das Besondere an diesem neunbändigen Werk ist aber auch, dass es zeitglich mit der Entstehung und der Blüte des Nationalsozialismus geschrieben wurde, der erste Band 1933! Der letzte 1944 nahm dessen Fall vorweg, und zeigt zudem eine Möglichkeit, wie es danach weiter gehen könnte. Leider wurde ihr Vorhaben von der Schweiz im allgemeinen (starke Zensur, z.B. musste sie viele Bände erheblich umschreiben, da keine Ähnlichkeiten mit lebenden Personen erscheinen durften) und dem Verlag Sauerländer im besonderen unglaublich erschwert. Letzterer verzögerte den Druck der Bücher ein ums andere Mal, immer wieder andere Gründe vorschiebend, sodass der neunte Band erst 1949 – fünf Jahre nach dessen Fertigstellung – erschien. Natürlich war zu diesem Zeitpunkt das Interesse an diesem Thema erlahmt und ihre Fiktion bereits Geschichte geworden.

In deutschen Bibliotheken wurde sie viele Jahrzehnte nicht geführt, da man «das ganze ja hinter sich» hatte.   Interessierten sei an dieser Stelle auch «Heil Hitler, ich hätt gern ’n paar Pferdeäppel…» empfohlen. Ein Kinderfilm, der, 1980 gedreht, die ersten zwei Bände zwar nur undeutlich wiedergibt, dafür aber wegen der Ausstattung, dem Kostüm und der schauspielerischen Leistung der Kinder wirklich sehenswert ist.   Auch die «rote Zora» – ein weiteres weit verbreitetes Jugendbuch – wurde, wenn nicht sogar ganz, dann mit Tetzners grosser Unterstützung geschrieben. Nachdem ihr Mann Kurt Held alias Kurt Kläber (unter Pseudonym, da er in der Schweiz als Kommunist mit Berufsverbot belegt war) bei einem Rumänienausflug auf diese Geschichte stiess und niederschrieb, musste er wohl oder übel anerkennen, dass Lisas Version die bessere war. Warum sie im Buch nicht mit erwähnt wird, wissen wohl nur die beiden. # tt Quelle: Gisela Bolius: Lisa Tetzner: Leben und Werk. dipa-Verlag, 1997. 287 Seiten, 42,00 Euro.


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entscheiden & arbeiten

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Fast bargeldlos, aber glücklich Für die Einwohner des Südsee-Paradieses Vanuatu ist   die globale Finanzkrise ein Fremdwort. Sie gelten als   die glücklichsten Menschen der Welt. Denn hier regiert nicht Geld, sondern der Handel mit Schilfmatten,   Muscheln und Wildschweinen den Alltag.   von Andreas Stummer

S

ara, ein Dorf an der Nordspitze von Pentecost, im Inselreich des Südsee-Staates Vanuatu. Jeden Morgen bei Sonnenaufgang wiederholt sich dort ein Jahrtausende altes Ritual: In der aus gefällten Baumstämmen, Astwerk und geflochtenen Schilfmatten errichteten Versammlungshalle begrüssen die Männer des Dorfes den neuen Tag. Das Trommeln auf runden Holzblöcken soll die bösen Geister der Nacht vertreiben, der Gesang die Strahlen der Sonne willkommen heissen. Pentecost ist eine der abgelegensten der 83 Inseln Vanuatus: 490 Quadratkilometer dichtester, hügeliger Regenwald und wild-schroffe Küsten. Die Heimat von 12 000 Menschen, die seit jeher im Einklang mit der Natur leben. Pentecost liegt 190 Kilometer nördlich der Hauptstadt Port Vila, wirkt aber Lichtjahre weit entfernt. Die Insel ist fast unberührt von der modernen Welt. Gekocht wird in Erd- und Steinöfen ohne Töpfe oder Pfannen. In den schilfgedeckten Hütten der Dörfer gibt es weder Elektrizität noch fliessend Wasser, doch – anders als in den Vororten Port Vilas – auch keinen Hunger, keine Armut und keine Arbeitslosigkeit. Denn auf Pentecost wurde eine fast vergessene, uralte Tradition wiederbelebt: der Handel mit überlieferten Tauschmitteln wie Muscheln, Korallen oder Wildschweinzähne.

Kapitalismus, nein danke! Mittagszeit in Sara: Selwyn Garu ist auf dem Weg zur Bank, eine Einzahlung machen: In ausgetretenen Arbeitsstiefeln, den kahlen Kopf unter einer SchmuddelBaseballkappe und mit lehmverschmiertem Overall. Selwyn hat weder Bargeld noch einen Scheck bei sich. Stattdessen trägt der Farmer eine zusammengerollte Schilfmatte unterm Arm. Sein Ziel ist die Filiale der «Tanbunia-Bank» am Ortsrand von Sara. Denn dort werden Naturprodukte eingezahlt und dafür Devisen gutgeschrieben. «In Port Vila, in der Stadt, würde mich der Mann am Bankschalter auslachen, wenn ich ihm eine Matte oder einen Sack bunter

Je weniger materiell eine Gesellschaft ist, desto zufriedener ist auch die Bevölkerung. Korallen auf den Tresen stellen würde. Auf Pentecost aber ist das alles soviel wert wie wirkliches Geld.» Kapitalismus, nein danke. Die Tanbunia-Bank akzeptiert lebende Wildschweine und ihre Stosszähne, Schilfmatten, Muscheln oder wohlgeformte Steine als Zahlungsmittel. Wie viel eine Einzahlung wert ist, entnimmt der Bankmanager einer Umrechnungs­

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Naruru Kiribati Solomon-Inseln Vanuatu Tuvalu

Australien

Samoa

Neu-Kaledonien Fidschi

Tonga Inseln

Auckland

Tasmanien Neuseeland

tabelle. Der Gegenwert wird in Vatu, der Landeswährung Vanuatus, in Selwyns Sparbuch vermerkt. Um eine Arzt-Rechnung oder die Schulgebühren seiner Kinder bezahlen zu können, braucht er offizielle Landeswährung. Dafür stellt Selwyn dann einfach einen Scheck aus. Für den jeweiligen Betrag, der in jeder herkömmlichen Bank eingelöst werden kann, bürgt Vanuatus Regierung. «Ich bin nur ein einfacher Farmer, aber ich fühle mich wie ein Millionär. Denn ich kann meiner Familie

In Vanuatu bedeutet finanziell unabhängig zu sein überhaupt kein Geld zu brauchen.

alles geben, was sie braucht. Ohne dafür einen Job in der Stadt annehmen zu müssen.» Zwölf Filialen auf Pentecost, in ganz Vanuatu sind es bald 50: Bei der Tanbunia-Bank gibt es Konten, Einlagen und Scheckbücher. Sie zahlt 15 Prozent Zinsen und vergibt Hypotheken und Kredite. Geld gegen Naturalien: Ein System, das so alt ist wie Vanuatu. Weisheit als Zahlungsmittel Chief Viraleo und Hilda Lini vom Finanzministerium kennen sich seit Jahren. Sie macht Politik, er verwaltet Tanbunia, das traditionelle Finanzsystem. Zum Hauptsitz geht es entlang eines ausgetretenen Pfades, vorbei am Gemüsegarten des Dorfes, bis vor ein massiges, einstöckiges Holzgebäude mit schweren Fensterläden: Das Fort Knox von Pentecost. Hier verwaltet Chief Viraleo die gesamten Spareinlagen der Tanbunia-Bank, hier hat er auch die Umrechnungstabelle entwickelt, nach der entschieden wird, wie viel jede Einzahlung wert ist. «Es gibt insgesamt zehn Formen traditioneller Währung in Vanuatu. Die

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unterste Stufe sind schillernde Steine, bunte Korallen oder besonders gut erhaltene Schalen seltener Meeresmuscheln. Es gibt fünf verschiedene Arten von Schilfmatten: Ob zum Gebrauch zuhause oder bei Zeremonien und Beerdigungen – jede hat einen anderen Gegenwert. Lebende Wildschweine gelten als besonders geschätztes Zahlungsmittel, aber am Wertvollsten sind die Stosszähne der Schweine. An ihnen werden alle anderen traditionellen Währungen gemessen.» Ist die Qualität eines Naturprodukts oder einer kulturell bedeutsamen Schilfmatte streng nach der Tabelle des Chiefs geschätzt wird der Gegenwert in Vatu, der offiziellen Landeswährung Vanuatus, umgerechnet. Doch die Einzahlungen, die Chief Viraleo bei der Tanbunia-Bank entgegennimmt, sind nicht nur materiell, sondern oft auch spirituell. «In unserer Gesellschaft wird jeder berücksichtigt. Selbst Weisheit wird belohnt. Wer alt ist und nicht mehr arbeiten kann, der kommt hierher und erzählt von seinen Lebenserfahrungen. Ein solches Stück Weisheit wird auch honoriert – denn ein guter Rat kann sehr wertvoll sein.» Diebstahl ist unbekannt Der Tresorraum der Tanbunia-Zentralbank liegt im Erdgeschoss direkt unter dem Büro des Chiefs. Abgestandene Luft, kaum Tageslicht – in der fast fens­ terlosen, etwa zehnmal zehn Meter grossen Kammer lagern die gesamten Sparguthaben der Bankkunden. Ein Gegenwert von umgerechnet 60 Millionen Euro. «In unserem System braucht niemand zu stehlen, denn jeder ist wohlhabend. Jeder hat, was er zum Leben braucht. Unsere Hütten stehen immer offen und auch die Zentralbank bleibt tagsüber unverschlossen, selbst wenn ich ausgehe. Es ist noch nie etwas weggekommen. Jemand wird nur zum Dieb, wenn er nichts hat. Deshalb ist das Ziel unserer Bank, dass niemand in Armut lebt.» Ein Einwohner: «Diese Bank ist sehr gut. Sie macht keinen Unterschied zwischen Leuten, die Geld haben oder keines. Jeder wird gleich behandelt. Das, was wir anbauen, züchten oder aus Muscheln und Schilfgras herstellen – das bekommt durch diese Bank einen Wert. Denn wir bekommen dafür das Geld, das wir brauchen, um etwas im Laden zu kaufen oder die Schulgebühren unserer Kinder zu zahlen.» Obwohl es überall in Vanuatu herkömmliche Geldinstitute gibt, nutzen nach Schätzung von Hilda Lini inzwischen 80 Prozent der Bevölkerung das traditionelle Banksystem. Vor allem ausserhalb der Hauptstadt Port Vila, auf den dünner besiedelten Inseln. Die Tanbunia-Traditionsbanken sind so etwas wie das Bindeglied zwischen überliefertem Brauchtum und dem unvermeidlichen Fortschritt.


Fast bargeldlos, aber glücklich

Tanbunia Zentralbank auf Pentecost

Die glücklichsten Menschen der Welt Vor drei Jahren versuchte eine britische Ideenschmiede die glücklichsten Menschen der Welt ausfindig zu machen. In einer Studie wurde untersucht, wie zufrieden die Bevölkerung eines Landes ist, was sie von ihrem Leben erwartet und wie sie mit ihrer Umwelt umgeht. Am schlechtesten schnitten die grössten Industrienationen ab: Von 178 Ländern rangierten die USA auf Platz 150, knapp vor China, Deutschland erreichte Rang 81. Spitzenreiter aber, das Land mit den glücklichsten Menschen der Welt, war Vanuatu. Die Studie ergab: Je weniger materiell eine Gesellschaft ist, desto zufriedener ist auch die Bevölkerung. Wenn Mary, eine rundliche Mittvierzigerin auf Pentecost, von der fruchtbaren Vulkanerde erzählt, die ihre Taro- und Salatpflanzen gleich hinter ihrer Hütte wachsen lässt, dann hat sie ein Lächeln so breit wie ihr Gemüsegarten. Von den Ergebnissen der britischen Glücksstudie hat sie gehört, überrascht aber ist sie nicht. Denn Wörter wie «Konsum» oder «Marktwirtschaft» kommen in der Landessprache Vanuatus gar nicht vor. «Wir sind zufriedene Menschen und glücklich mit dem, was wir haben. Was wir brauchen wächst um uns herum. Es gibt keinen Hunger. Jeder ist freundlich. Wir verlangen nicht viel und wollen nicht ständig

neue Dinge besitzen. Unser Leben dreht sich um Familie, Gemeinschaft und unsere Traditionen. Wir respektieren einander und kümmern uns um unsere Älteren. Das verstehen wir unter ‹glücklich sein›.» Geld ist entmachtet Was ist der Schlüssel zum Glück? «Sich nicht über Geld Sorgen machen zu müssen», sagt man in Vanuatu. In Deutschland würden wohl viele dieselbe Antwort geben. Gemeint ist: Möglichst viel Geld zu haben. In Vanuatu aber bedeutet finanziell unabhängig zu sein überhaupt kein Geld zu brauchen. Die Idee, natürliche und kulturell bedeutsame Wertgegenstände als offizielle Zahlungsmittel anzuerkennen, interessiert inzwischen auch die Vereinten Nationen. Keine Rohstoffe, keine Industrie und kaum Infrastruktur: Gemessen am Bruttonational-Einkommen gilt Vanuatu als eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Erde. Doch die Menschen des Südsee-Staates glauben, dass Zufriedenheit und Lebensqualität nichts mit Wirtschaftswachstum zu tun haben muss. Die Tourismusbranche bewirbt Vanuatu als «Die Inseln, auf denen die Zeit still steht». In einem aber scheinen die Menschen dort der übrigen Welt weit voraus zu sein: Im Wissen, dass Geld nicht alles im Leben ist.

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entscheiden & arbeiten

Sie hat gelogen Anleger- oder Bankenschutz – wem dient die Finanzmarktaufsicht? Die Credit Suisse hat sich im Zusammenhang mit dem Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers korrekt verhalten. Das sagt der offizielle Bericht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Ein internes Papier kommt allerdings zu anderen Schlüssen.   von Stefan Schaer

A

ls die US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 in Konkurs ging, verloren auch rund 20 000 Schweizer Anleger Geld. Einige wurden von den Banken, die ihnen die Lehman-Papiere vermittelt hatten, vollständig entschädigt, andere teilweise, viele gar nicht. Vor allem die Credit Suisse (CS), die mit Abstand grösste Vertreiberin von Lehman-Produkten in der Schweiz, stellte sich stur. Die Rückzahlungen sollten auf ein Minimum limitiert werden. Keine schöne Geste. Umso mehr, als sich die Aussagen vieler CS -Kunden in einem wesentlichen Punkt gleichen: Die Bank habe so aggressiv für die Lehman-Anlagen geworben, dass man schliesslich in den Kauf der Papiere eingewilligt habe. Der Verdacht stand deshalb von Anfang an im Raum, die CS habe in einer Zeit, in der andere Banken aufgrund der offensichtlichen Probleme bei Lehman ihre Aktivitäten reduzierten oder einstellten (bzw. das Risiko versicherten), forciert Lehman-Papiere verkauft. Und auch wenn der offizielle Bericht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) vom 2. März 2010 die CS von jeder Schuld und jedem gröberen Fehlverhalten freisprach – das schlechte Gefühl blieb.

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Verkauf von LehmanProdukten forciert Seit der «Sonntag» am 8. Oktober 2011 erstmals da­ rüber berichtete, dass die Finma in einem internen Papier zum Lehman Brothers-Konkurs zu ganz anderen Schlüssen kommt als in ihrem offiziellen Bericht, ist klar: Das schlechte Gefühl hat nicht getäuscht. Der interne Finma-Bericht zeigt, dass die CS tatsächlich zwischen Mai und August 2008 die Vermittlung von Lehman-Papieren gesteigert hat. Ein Umstand, den die Finma in ihrem offiziellen Bericht verschweigt. Die entsprechenden Informationen sind nicht mehr zu finden. Stattdessen schreibt die Aufsicht: «Die Credit Suis­ se hat sich (…) weder einseitig auf Gesellschaften der Lehman-Gruppe als Emittentinnen abgestützt, noch hat sie Produkte der Lehman-Gruppe im Jahr 2008, insbesondere unmittelbar vor dem Konkurs der Firma, ihren Kunden forciert verkauft oder aus eigenen Beständen in Kundendepots verschoben». Eine glatte Lüge. Offensichtliche Probleme bei Lehman Damit nicht genug. Aufgrund der steigenden Kosten für Kreditausfallversicherungen auf Lehman war


Sie hat gelogen

The power of truth is stranger than fiction; fiction has to make sense. Leo Rosten

der Finanzwelt seit Herbst 2007 klar, dass es um Lehman schlecht steht. So versicherte zum Beispiel die Berner Kantonalbank ihre Kunden bereits im Frühjahr 2008 gegen einen möglichen Ausfall der Lehman-Anlagen. Fakten, die selbstverständlich auch der Finma bekannt waren und im internen Bericht ausführlich zur Sprache kommen. Unter anderem ist zu lesen: «Aus den Charts kann gefolgert werden, dass der Markt im März 2008 ein erhöhtes Kreditausfallrisiko für Lehman ortete.» In ihrem offiziellen Bericht verdreht die Finma die Erkenntnisse ins Gegenteil: «Die Lehman-Gruppe verfügte bis zum Zeitpunkt der Insolvenzerklärung mit einem Kreditrating von A2 über eine gute Bonität.» Auch das ist mindestens eine massive Unterschlagung von Informationen. Verschleierung des Emittenten Auch in einem dritten wichtigen Punkt ist die Finma plötzlich anderer Meinung. Im internen Bericht kritisiert sie, dass die CS Verkaufsinformationen verwendete, auf denen allzu prominent das CS -Logo prangerte (im Fachjargon wird dieses «Verschleiern» des eigentlichen Emittenten «White Labeling» genannt). Sie schreibt: «Es stellt sich die Frage, ob Kunden ohne grosse Geschäftserfahrung vorliegend nicht in guten Treuen davon ausgehen konnten, dass es sich bei den erworbenen Produkten der Lehman um CS -Produkte handelte.» Im öffentlichen Bericht heisst es dann: «In allen Dokumenten wies die CS auf die Emittentin und das Emittentenrisiko hin, allerdings nicht sehr prominent.»

Gab es einen Deal? Vielsagend sind nicht alleine die zahlreichen Diskrepanzen zwischen den Finma-Berichten. Wichtig ist auch, dass es sich beim internen Bericht um eine Analyse zuhanden der Finma-Verwaltungsratssitzung vom 18./19. März 2009 handelt. Der Finma-Verwaltungsrat beschäftigt sich in der Regel nicht mit Sachgeschäften, er wird nur bei grundlegenden Fragen involviert. Folglich ist davon auszugehen, dass die Resultate der Finma-Untersuchung deshalb an den VR gingen (notabene mit dem Vermerk «Geschäft von grosser Tragweite»), weil die Geschäftsleitung die Erkenntnisse als problematisch betrachtete. Der Verdacht liegt nahe: Finma und CS einigten sich nach der VR-Sitzung vom 18./19. März auf ein Gegengeschäft – milderer Schlussbericht (sprich Freispruch) gegen Erweiterung des Empfängerkreises von Teilrückkaufsangeboten (sprich bessere Entschädigung der Kleinanleger). Tatsache ist: Knapp vier Wochen nach der erwähnten Sitzung erklärte die CS, sie werde den Empfängerkreis für Teilrückkaufsangebote erweitern. Anfänglich hatten nur Kunden mit 50 Prozent Lehman-Anteilen im Depot und weniger als 500 000 Franken Vermögen ein Teilrückkaufsangebot erhalten (das heisst: praktisch niemand). Mitte April 2009 wurde der benötigte Anteil Lehman-Papiere im Depot auf 20 Prozent gesenkt. Aktiver Schutz der CS Kurz: In ihrem offiziellen Bericht verdreht die Finma ihre eigenen Erkenntnisse ins Gegenteil. Sie

Die Finma Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und funktioneller, institutioneller und finanzieller Unabhängigkeit. Die Löhne der Finma-Mitarbeiter liegen deutlich über dem Niveau vergleichbarer Beamten. Finanziert wird sie vollumfänglich durch die Beaufsichtigten, mittels Gebühren und Aufsichtsabgaben. Trotzdem haben Bundesrat und eidgenössische Räte gewisse Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten. Die

Finma übt ihre Aufsichtstätigkeit zwar selbstständig und unabhängig aus, muss dem Bundesrat, dem Parlament und der Öffentlichkeit jedoch Rechenschaft ablegen. Die Oberaufsicht über die Finma nehmen im Auftrag der eidgenössischen Räte die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) wahr. Zur Klärung von Vorkommnissen von grosser Tragweite kann die Bundesversammlung auch eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) beider Räte einsetzen.

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Stefan Schaer ist Journalist in Bern und betreibt einen Blog, in dem er u.a. die Aufarbeitung der Pleite von Lehman Brothers kritisch verfolgt. Auf seiner Website sind auch die zitierten Quellen zu finden: www.stefan-schaer.ch

unterschlägt zahlreiche wichtige Informationen und nimmt die CS aus der Schusslinie. Die Finma, deren Auftrag laut Gesetz der «Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten sowie der Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte» ist, schützt die CS aktiv vor Haftungsansprüchen der Geschädigten. Sie betreibt Banken- statt Anlegerschutz. Mit Erfolg: In diversen Rechtshändeln zwischen der Grossbank und Kleinanlegern stützten und stützen sich Anwälte und Richter auf den offiziellen Finma-Bericht und die darin «bewiesene» Unschuld der CS.

Für den Aargauer FDP-Nationalrat Phillip Müller ein unhaltbarer Zustand. Er hat in der Dezembersession der eidgenössischen Räte eine Interpellation eingereicht (siehe Kurzinterview S. 31). «Die Credit Suisse wird im öffentlichen Bericht wesentlich besser beurteilt als im internen. Das wirft die Frage auf, ob die Finma den Schutz der Beaufsichtigten höher gewichtet als den Schutz der Anlegerinnen und Anleger». Ob die Politik die Finma zum reden bringen wird, bleibt abzuwarten. Bisher hat sich die Aufsichtsbehörde geweigert, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Sie schweigt beharrlich – auch eine Möglichkeit, mit Problemen umzugehen.

Rechtliche Konsequenzen Die rechtliche Stellung der geschädigten Anleger, die den Vergleich der CS bereits akzeptiert haben, ist durch die neuen Erkenntnisse nicht besser geworden. Direkt profitieren könnten in erster Linie die Kläger in den beiden laufenden Verfahren gegen die Neue Aargauer Bank. Anleger, die den Vergleich bereits abgeschlossen haben, können die Vereinbarung mit dem Argument anfechten, den Vergleich nur akzeptiert zu haben, weil sie aufgrund des offiziellen Finma-Berichts einem Grundlagenirrtum erlegen seien. Ein aufwändiges Verfahren mit Gefahren. Der Anleger riskiert, die ausbezahlte Vergleichsentschädigung an die Bank zurückerstatten zu müssen, ohne im zweiten Verfahren die geforderte Summe zu erhalten. Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht zwar die Zulässigkeit der Irrtumsanfechtung bejaht, die anschliessende Scha-

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denersatzklage aber als unbegründet abweist. Nicht zu unterschätzen ist der Effekt einer PUK mit Finma-kritischem Ausgang. Er hätte zwar nicht direkte rechtliche Folgen, könnte aber Signalwirkung haben. Signalwirkung einerseits für eine Verbesserung des Anlegerschutzes und für einen längerfristigen Umbau der Finma zu mehr Unabhängigkeit. Signalwirkung andererseits, indem der Aufwind zur Bildung einer Art Streitgenossenschaft (ähnlich der Anleger-Selbsthilfe.ch) genutzt wird. Konkret könnten alle Anleger, die Vergleiche abgeschlossen haben, gemeinsam den Prozess eines Mitglieds auf Widerruf des Vergleichs und Rückerstattung der verlorenen Gelder finanzieren. Würde der Prozess gewonnen, wäre ein Präzedenzfall geschaffen – und die Prozesslawine könnte mit berechtigten Chancen auf Erfolg losgetreten werden.


Sie hat gelogen

«Es ist nicht das erste Mal, dass die Finma Anlass zu Fragen gibt» FDP-Nationalrat Philipp Müller kritisiert die unterschiedlichen Berichte der Finma zum Lehmann-Konkurs. Er hat in der Dezembersession der eidgenössischen Räte eine Interpellation mit acht Fragen eingereicht.

Wie erklären Sie sich die grossen Differenzen zwischen internem und öffentlichem Finma-Bericht? Darüber kann ich nur spekulieren. Das genügt mir nicht. Deshalb habe ich die Interpellation eingereicht. Was versprechen Sie sich davon? Aufklärung. Ich will wissen, wie es zu den eklatanten Widersprüchen zwischen dem Bericht vom März 2009 und jenem vom März 2010 kommen konnte. Wie ist es möglich, dass das problematische Verhalten der Credit Suisse so unterschiedlich beurteilt wird? Haben Sie Reaktionen ausgelöst? Dank der Medienberichterstattung habe ich sehr viele Rückmeldungen erhalten. Auf meinem Schreibtisch stapeln sich die Mitteilungen von Geschädigten, Geschädigtenorganisationen und Rechtsanwälten. Überrascht es Sie, dass die Finma den Bericht so stark geschönt hat? Ja, es überrascht mich sehr. Zumal die Finma seit 2009 eine neue Leitung hat, auf die ich grosse Stücke halte.

Reicht eine Interpellation, um dem Problem auf den Grund zu gehen? Braucht es nicht eine Parlamentarische Untersuchungskommission (Puk)? Das kann ich erst beurteilen, wenn die Antwort auf meine Interpellation vorliegt. Wann immer möglich sollte man eine PUK vermeiden. Wie gross wäre die Chance, dass das Parlament eine PUK einsetzt? Klein. Es ist nicht anzunehmen, dass die Parlamentsmehrheit für eine PUK stimmen würde. Was wären die Konsequenzen, wenn eine PUK zum Schluss käme, dass schwere Fehler gemacht wurden? Das müsste bei der Finma personelle Folgen haben. Die juristischen Auswirkungen auf abgeschlossene Vergleiche und laufende Verfahren kann ich nicht beurteilen. Gehen Sie davon aus, dass die Finma in anderen Fällen ähnlich vorgegangen ist? Es ist nicht das erste Mal, dass die Finma Anlass zu Fragen gibt. Ich habe ihre Ar-

beit schon einige Male mit Interpellationen hinterfragt. Leider sind die Antworten des Bundesrats allesamt nicht zu meiner Zufriedenheit ausgefallen. Kann der Bundesrat seine Funktion als Kontroll­organ überhaupt wahrnehmen? Rein strukturell gesehen, ja. Ob er seine Aufgabe auch wahrnimmt, wird er mit seinen Antworten auf meine Fragen gleich selbst beantworten. Ist die Finma personell zu stark mit den Banken verbandelt? Nein, mit der neuen Besetzung der Chefetage ist sie das sicher nicht. Wie es weiter unten aussieht, kann ich nicht beurteilen. Trotzdem: Müsste die Finma nicht gezwungen werden, auf Ex-Banker in wichtigen Positionen zu verzichten? Nein. Das Bank- und Finanzgeschäft ist derart komplex, dass es nur jemand effektiv überwachen kann, der die Strukturen und die Tricks der Branche aus dem Effeff kennt.

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entscheiden & arbeiten

Mit Vollgeld aus der Krise Die private Geldschöpfung durch die Banken – lange ein blinder Fleck – wird zusehends zum Politikum. Nun hat der Verein «Monetäre Moderni­ sierung» (MoMo) ein handliches Buch herausgegeben: «Die Vollgeld-Reform – wie Staatsschulden abgebaut und ­Finanzkrisen verhindert werden kön­ nen». Darin analysieren prominente Wissenschaftler das Problem und schla­ gen eine Verfassungsreform vor. Der Grundsatz: Nur noch die Nationalbank soll Geld schöpfen können. Zunächst ein bisschen Geldgeschichte: Mit der industriellen Revolution ersetzten zu Beginn des 19. Jahrhunderts Banknoten Münzen als wichtigstes Zahlungsmittel. Sie wurden von den Banken herausgegeben – daher der Name – und untergruben nebenbei das staatliche Geldmonopol. Zudem war die Deckung der Banknoten von der Bonität des herausgebenden Instituts abhängig. Die strittige Frage nach der Geldschöpfungsautorität wurde zuerst in England mit dem «Bank Charter Act» von 1844 zugunsten der Bank of England entschieden. Nach diesem Beispiel wurden bis zum Ersten Weltkrieg in den Industrieländern die privaten Banknoten durch staatliches, mit Gold gedecktem Papiergeld ersetzt. Das staatliche Geldmonopol war allerdings nicht vollständig: Ein Drittel der Zahlungsmittel bestand schon im vorletzten Jahrhundert aus Buchgeld der Banken. Heute, mit Münzen und Noten als einzigen, dem Publikum zugängigen gesetzlichen Zahlungsmitteln, bestehen rund 85 Prozent der Geldmenge aus Buchgeld – das verfassungsmässige Geldmonopol des Staates ist de facto unterlaufen. Nicht nachhaltig: Geld als «ewige Schulden» Die Theorie der Geldschöpfung gehört nicht zum Pflichtstoff von Studenten der Nationalökonomie, es sei denn, ein Professor kümmere sich um dieses fundamentale

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Fachgebiet. Einer dieser wenigen Wissenschaftler ist Hans Christoph Binswanger, emeritierter Professor der Hochschule St. Gallen, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von MoMo und Co-Autor der «VollgeldReform». In seinem Beitrag zeigt er, dass die Banken entgegen dem Volksglauben nicht das Geld der Sparer verleihen, sondern bei jeder Kreditvergabe mittels Bilanzverlängerung neues schaffen. Die Banken machen damit, wie Binswanger unterstreicht, aus Schulden Geld. Und: «Man lässt die Schuld stehen, weil sie Geld ist.» So beruht «unser ganzes Geldsystem auf der Vermehrung ‹ewiger› Schulden.» Diese Ewigkeit, wir erfahren es mit täglich neuer Dramatik, scheint nun allerdings zu Ende zu gehen. Die Staaten sind zunehmend nicht einmal mehr in der Lage, die Zinsen auf ihren ‹ewigen› Schulden zu bezahlen. Für Binswanger ist klar: «Finanz- und Umweltkrise sind ohne Währungs- und Geldreform nicht lösbar.» Grundsatz: Geldmenge und Wirtschaftswachstum im Gleichschritt Als Lösung beschreibt Joseph Huber, Professor für Wirtschaftssoziologie an der Universität Halle, im zweiten Beitrag des Buches die «Vollgeld-Reform». Nach ihr wird die Geldschöpfungsautorität wieder in vollem Umfang an eine unabhängige

staatliche Institution zurückgegeben, im Fall der Schweiz an die Nationalbank. Die Vollgeld-Reform lehnt sich an den prominenten amerikanischen Ökonomen Irving Fisher, der in den 30er Jahren unter dem Begriff «100%-Money» eine vollständige Deckung der Konten der Bankkunden mit Zentralbankgeld forderte, um so die überschiessende Geldschöpfung der Banken unter Kontrolle zu bringen und die Guthaben der Kunden zu sichern. Auch heute hat sich die Zunahme der Geldmenge fast vollständig vom Wachstum der Realwirtschaft gelöst. Während von 1992 und 2008 das Bruttoinlandprodukt in Deutschland real um 23 Prozent stieg, wuchs die Geldmenge um 189 Prozent, «eine Zunahme, die über jedes plausible Ziel weit hinausschiesst» und zu periodischen Blasenbildungen führt, wie Huber schreibt. Geld wird im «Vollgeld»-System von der Nationalbank denn auch nach Massgabe des Wirtschaftswachstums geschöpft und dem Staat schuld- und zinsfrei zur Verfügung gestellt, der damit seine Aufgaben finanzieren oder Schulden abbauen kann. In rund 20 Jahren liessen sich die Schulden des Bundes so komplett amortisieren. Der Geldschöpfungsgewinn, die sog. Seignorage fällt damit wieder der Allgemeinheit zu, anstatt wie bisher den Banken, die auf von ihnen selbst geschöpftem Geld Zinseinkünfte generieren.


Mit Vollgeld aus der Krise

Wiederherstellung des Staatsmonopols Mit der rechtlichen Umsetzung der Vollgeld-Reform befasst sich Philippe Mastronardi, emeritierter Staatsrechtsprofessor der Hochschule St. Gallen, im dritten Beitrag. Nach Artikel 99 der Bundesverfassung steht eigentlich schon bisher die GeldschÜpfung ausschliesslich dem Bund bzw. der Nationalbank zu. Der verfassungsrechtliche Geldbegriff sei jedoch von der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ßberholt worden, schreibt Mastronardi. Und: Die Vollgeldreform zielt insoweit gar nicht auf etwas Revolutionäres, sondern schafft schlicht die geldpolitischen Voraussetzungen, um der bestehenden Rechtsordnung Geltung zu verschaffen. Mastronardi versteht den Finanzmarkt als Service public mit drei Kreisen: Die Nationalbank schÜpft als unabhängige Monetative (analog zur Legislative, Exekutive und Judikative) die

Geldmenge, die sich aus der Wirtschaftsentwicklung ergibt. Weder Regierung noch Parlament sollen beeinflussen, wieviel Geld die Nationalbank als potenzialgerecht erachtet und wieviel Seigniorage in Form neu geschÜpften Geldes sich daraus ergibt. Der Zahlungsverkehr unterliege, da systemrelevant, erhÜhter staatlicher Kontrolle, während die Versorgung der Wirtschaft mit Geld und Kredit dem freien Markt, d.h. Den Banken ßberlassen wßrde. In welcher Form die Vollgeld-Reform umgesetzt werden soll, darßber ist sich der Verein Monetäre Modernisierung noch nicht einig. Im Anhang des Buches finden sich drei ausformulierte Vorschläge fßr eine Verfassungsänderung. Die eine beschränkt sich auf die Einfßhrung des 100-Prozent-Geldes, nach der die Banken ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten zu 100 Prozent mit Nationalbankgeld decken mßssen. Sie dßrfte auf den geringsten politischen Widerstand stossen.

Aus Fehlern anderer lernen

Zehn Jahre Euro: Kaufkraft gesunken

Einen Kollektivbetrieb aufzubauen erfordert DurchhaltevermĂśgen. Viele geben nach kurzer Zeit auf. Aber warum? Was ist das Geheimnis funktionierender Kollektive? Und woran sind die anderen gescheitert?   Diesen Fragen widmet sich die neue Webseite ‚Kunst des Scheiterns›, auf der Kollektivbetriebe von ihren Erfahrungen und Fehlern berichten kĂśnnen. Jochen KĂśrtner vom GrĂźndungsteam in Hamburg erklärt: ÂŤDie meisten scheitern wegen der zu hohen AnsprĂźche an das Projekt.Âť Die Plattform will deshalb neue Initiativen ermutigen, trotzdem weiter zu machen und helfen, Anfangsfehler zu vermeiden. Wem die Tipps nicht reichen, kann sich direkt an die GrĂźnder wenden. Sie haben selbst zehnjährige Erfahrung im Aufbau und FĂźhren des Kollektivbetriebes ‚CafĂŠ Libertad› in Hamburg.   Die als Verein organisierte Plattform ‚Kunst des Scheiterns› steckt noch in den Kinderschuhen, erst zwei Kollektivbetriebe aus Berlin haben ihre Erfahrungen dokumentiert. Damit es funktioniert, braucht es mehr. Kollektive sind aufgerufen, ihre Erfahrungen zu teilen und damit andere zu inspirieren. Sam

Der Euro brachte den Deutschen eine erhĂśhte Teuerung. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Ifo-Instituts im Auftrag des Nachrichtenmagazins ÂŤFocusÂť zum zehnten Jahrestag der Euro-BargeldeinfĂźhrung am 1. Januar 2002. FOCUS lieĂ&#x; dazu durch unabhängige Marktforscher mehr als 10 000 Preise von Autos bis Zucker jeweils im September 2001 mit 2011 vergleichen.   Vor allem bei Lebensmitteln, Restaurant-Verpflegung, Arzneimitteln oder Freizeitaktivitäten notierten die Forscher drastische Preisaufschläge. Einige Sorten Obst und GemĂź-

Kunst des Scheiterns – Verein zur FÜrderung kollektiven Wirtschaftens e.V., Fettstrasse 29, D-20357 Hamburg, Tel. +49 40 432 743 96, www.kds.grupponet.org

Der zweite Vorschlag sieht ein eigentliches Vollgeld, das von der Nationalbank geschÜpft und den staatlichen Organen zinsund schuldfrei zur Verfßgung gestellt wird. Der dritte Vorschlag ergänzt das Vollgeld mit einer Finanzmarktregelung. Bis in einem Jahr will der Verein die Diskussion darßber abgeschlossen haben, mit welcher Reform eine Volksinitiative lanciert werden soll. Das vorliegende Buch soll die Debatte darßber in Gang bringen. CP

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Verein Monetäre Modernisierung (Hrsg.): Die Vollgeld-Reform – wie Staatsschulden abgebaut und ­Finanzkrisen verhindert werden kĂśnnen. Mit Beiträgen von Hans Christoph Binswanger, Joseph Huber und Philippe Mastronardi. Edition Zeitpunkt, 2012. 80 Seiten, Fr. 12.50.

se sowie PCs und Drucker verbilligten sich hingegen. Auch der Staat gehĂśrte mit stark steigenden Steuern, Abgaben und GebĂźhren zu den groĂ&#x;en Preistreibern nach der EuroEinfĂźhrung.   Das Ifo-Institut verglich auch die Kaufkraftentwicklung der ersten zehn Euro-Jahre mit den letzten zehn Jahren der D-Mark. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer hatte demzufolge nach den zehn letzten Jahren D-Mark monatlich 170 Euro mehr Kaufkraft zur VerfĂźgung, nach zehn Euro-Jahren hingegen 21 Euro weniger. CP Quelle: MMNews

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entscheiden & arbeiten

Vereint für ein neues Eigentumsrecht

Zukunftskonferenz «Politik – neu gedacht!»

NWO-Stiftung Belcampo – dies ist der Name einer neuen Schweizer Bodenrechtsstiftung. Sie ist aus der Fusion der Stiftung Belcampo und der Stiftung für natürliche Wirtschaftsordnung hervorgegangen und will das Gemeineigentum an der Lebensgrundlage Boden fördern und damit die gesellschafts- und umweltschädliche Spekulation eindämmen. Ziel des freiwirtschaftlichen Bodenrechts ist es, Grund und Boden in öffentlichem Besitz zu halten und im Baurecht abzugeben.   Die Stiftung besitzt fünf Grundstücke und tut das, was ihrer Meinung nach Gemeinden tun sollten: Boden, statt ihn versilbern, langfristig zur Nutzung abgeben und die Einnahmen daraus im Sinne des Gemeinwohls einsetzen. Mit dem Erlös aus den Baurechtszinsen unterstützt die Stiftung Bestrebungen, die einem sozialen Bodenrecht und einer umwelt- und menschengerechten Wirtschaftsweise dienen.   Auf Samstag, 28. Januar 2012, lädt die NWO-Stiftung Belcampo zur Tagung «Eigentum und Freiheit» in Bern, an der alternative Eigentumsmodelle diskutiert werden. Alexander Dill, Basel, Philippe Mastronardi und Peter Ulrich von der HSG St. Gallen, Udo Herrmannsdorfer, Dornach, Raimund Rodewald, Bern, und Ernst Waldemar Weber, Bern, werden ihre eigentumspolitischen Vorstellungen in Kurzreferaten präsentieren und in Workshops vertiefen. Die Teilnehmer erörtern das Gehörte in gemischten Gruppen. Am Schluss werden die Erkenntnisse zusammengetragen und in einem Podiumsgespräch mit den Referenten eingeordnet.

Nach Ansicht von Heidi Steiner, Katja Nock und Marc Steiner ist die Zeit reif, dass sich unterschiedliche Parteien und Parteifreie/lose zusammensetzen und eine gemeinsame Zukunft andenken. Aus diesem Anlass organisieren die drei eine Zukunftskonferenz zum Thema «Politik – neu gedacht!» als Grossgruppen-Moderation.   Zukunftskonferenzen sind ein von Marvin Weisbrod entwickeltes Dialog-, Lern-, Planungs- und Mobilisierungsinstrument, das sich zur Zeit rasch ausbreitet.

Eigentum und Freiheit, 29. Januar, Campus Muristalden. Teilnahmegebühr (inkl. Mittagessen und Getränke): 80 Franken (120 Franken für Paare). Auskunft und Anmeldung: NWO-Stiftung Belcampo, Räbacher 2, CH-8143 Stallikon www.nwo-belcampo.ch

In einer Zukunftskonferenz sitzen die Teilnehmer in Siebneroder Achtergruppen an mal gemischten und mal homogenen Tischen, sie arbeiten nacheinander an fünf Aufgaben und präsentieren und diskutieren ihre Ergebnisse im Plenum.   Eingeladen zur Zukunftskonferenz «Politik - neu gedacht!» sind politisch interessierte Menschen mit und ohne Parteibindung. CP Zukunftskonferenz «Politik – neu gedacht!», Mythenforum in 6430 Schwyz, 20. Januar 2012, 8.30 – 17.30 Uhr Eintritt: Fr. 80.–. www.promotion-consulting.ch

Die rechtliche Stellung des Menschen verbessern Der Verein confutura will die Nachteile der natürlichen Personen gegenüber den juristischen Personen durch einen Ersatz der Einkommenssteuer mildern. Konzerne geniessen gegenüber Menschen aus Fleisch und Blut eine Reihe von Vorteilen, vor allem in steuerlicher und haftungsrechtlicher Hinsicht. Während Menschen (in Anstellung) ihr Einkommen, d.h. den Umsatz versteuern müssen, ist bei Firmen nur der Gewinn abgabepflichtig. Dies hat über längere Zeit zu einer enormen Verschiebung wirtschaftlicher Macht vom Individuum zu den Konzernen geführt.

Diesen Trend will der Verein Confutura von Ruedi Walther umkehren. Er schlägt in seiner «Confutura-Formel» vor, dass natürliche Personen keine Einkommens-, Gewinn- und Vermögenssteuer mehr bezahlen, sondern stattdessen beim Tod eine «Hinterlassenschaftsabgabe» von 50 Prozent entrichten. Von der Systemänderung erwartet Ruedi Walther eine Reihe von positiven Nebeneffekten. Nun sucht er Mitstreiter, die Idee in der Öffentlichkeit zu verbreiten. CP Weitere Informationen: Verein confutura, Schlossstrasse 117, 3008 Bern, www.confutura.ch

Kartoffeln umsonst: Nichtkommerzielle Landwirtschaft Es gibt viele Wirtschaftstheorien, aber ein Grundsatz ist allen gemeinsam: Für eine Leistung darf man ein angemessene Gegenleistung erwarten: in Geld oder Tauschwert. Das klingt gerecht, hat aber den Nachteil, dass überall gezählt und geschachert wird. Geld erhält eine übermässige Bedeutung, und wer sich (vielleicht auch aus Not) etwas umsonst nimmt, wird kriminalisiert. Anders auf dem Karlshof in Brandenburg. Dort kann sich jeder beim «Kartoffelcafé» Zwölf-Kilo-Säcke abholen – umsonst, und ohne dass er seine Bedürftigkeit erklären muss. Das Ganze nennt

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sich «Nichtkommerzielle Landwirtschaft» (NKL) oder «Freie solidarische Kooperation». Das Netzwerk «Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit» (PaG) propagiert mit dieser Aktion einen «etwas anderen Umgang mit Privateigentum». In einer engen Definition von Eigentum sehen die Aktivisten nämlich eine Ursache für «Unterdrückung, Ausbeutung und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen».   Kartoffeln und Getreide anzubauen, um es zu verschenken – ist das nicht Selbstausbeutung oder einfach Dummheit? Der Bibliothekswissenschaftler

Peter Just (30) sieht sich als Wegbereiter einer neuen, bedürfnisorientierten Wirtschaftsweise: «Gratiswirtschaft». In einer Übergangsphase werden die Verschenk-Aktionen durch eine Stiftung finanziert, also durch Spenden. Längerfristig soll die Arbeit der Kartoffelanbauer schlicht dadurch ausgeglichen werden, dass die Landwirte ihre Seife, Kleidung oder Möbelstücke woanders mitnehmen – ebenfalls umsonst. Eine Utopie vorerst, aber eine schöne. RR Quelle: Der Freitag


Kurzmeldungen

Integrale Politik und Migration:   von der Abschottung zur Gastfreundschaft An ihrem ersten Parteitag von Mitte November hat sich die «Integrale Politik Schweiz» (IP) mit dem heissen Thema «Migration» befasst, an dem sich das Wesen integraler Politik beispielhaft zeigt. Während sich die konventionellen Parteien auf Flüchtlingszahlen, Asyl-Status oder Finanzfragen konzentrieren, versucht die IP aus einer «Intelligenz des Herzens» zu neuen Lösungen zu kommen. «Uns Menschen, die wir in der Schweiz Wohnsitz haben, geht es im globalen Vergleich in vielen Beziehungen ausgezeichnet», sagte Co-Präsident Gary Zemp am Parteitag. «Gerade dieser besondere Wohlstand ist aber auch eine besondere Verpflichtung, mit Freude unseren Überfluss zu teilen. Es ist nämlich kein Grundrecht, in der Schweiz geboren zu sein.» Als Folge will die IP die «angstund abschottungsgeprägte Haltung unseres Landes» in ein «Klima der Gastfreundschaft und der Freude an der Bereicherung unseres Lebens durch die Integration von Menschen aus anderen Kulturen» transformieren. Dazu gehört, Asylanten als «diejenigen von uns, die aus weniger priviligierten Ländern stammen» wahrzunehmen. Natürlich erwartet auch die IP, dass Ausländer unsere Sprache lernen und sich an die Gesetze halten, aber unter «Wahrung ihrer kulturellen, religiösen und sozialen Identität».

Konkret schlägt die IP u.a. vor: • Entkriminalisierung der Sans-papiers • Friedensförderung in der Schule • Verstärkung der Friedenspolitik; Armee soll eine «Friedensmiliz» werden • Zuteilung von Mentoren an die Asylsuchenden • eine nach Aufenthaltsdauer gestaffelte Gewährung von politischen Rechten • konkret gelebte Gastfreundschaft (dazu lanciert die IP ein Projekt) Wie die IP ihre Vorschläge in die Politik einbringen will, ist noch offen. Die Partei ist bis jetzt in den eidgenössischen und kantonalen Parlamenten nicht vertreten. CP Das Positionspapier der IP sowie die am Parteitag gehaltenen Kurzreferate sind auf der Website der IP zu finden. Die IP bietet im Rahmen ihres «Zentrums für integrale Friedensförderung» eine Lehrgang «Lernend Frieden schaffen» an, der auch Nicht-Mitgliedern offen steht und der auch die konkrete Umsetzung von Friedensprojekten beinhaltet. 1. Modul: 27. – 29. Januar 2012. Infos: www.integrale-friedensfoerderung.ch Werner Kaiser, Gründungsmitglied der IP, beschreibt in einem vor kurzem erschienenen Buch die geistigen Grundlagen der Integralen Politik auf der Basis der Arbeit des Kulturphilosophen Jean Gebser. Es will Menschen, die auf eine konstruktivere und menschenfreundlichere Politik warten, eine zukunftsoffene Perspektive anbieten. Werner Kaiser: Integrale Politik – neue Politik für eine neue Zeit. 2011. 80 Seiten. Fr. 9.90. Bezug: Integrale Politik, Breisacherstr. 43, 4057 Basel, Tel. 061 811 39 49, www.integrale-politik.ch

Widerspruch   kennt kein Alter Seit dreissig Jahren verfassen Autoren für die Zürcher Zeitschrift «WIDERSPRUCH» Beiträge zur sozialistischen Politik. In der Nummer 60 zu den Themen «Demokratie und Macht» sowie «Energiewende nach Fukushima». Die Halbjahresschrift hat den Vorteil, dass sie nicht aktuell sein muss, sondern den Leser bereits Geschehenes noch einmal Revue passieren lässt. Dies in einer Ausführlichkeit, die man bei Tageszeitungen oft vermisst. Autoren wie Daniel Vischer («Links-grüne Zukunft der Schweiz»), Therese Wüthrich («Der Skandal der Lohndiskriminierung»), Urs Marti («Kapitalismuskritik und distributive Gerechtigkeit») und P.M. (Auswege aus der Wachstumsfalle») vermitteln auf über 220 Seiten ein Stück Zeitgeschichte. Was äusserlich unspektakulär daherkommt, vermag inhaltlich umso mehr zu überzeugen. BM Widerspruch 60: Demokratie und Macht. 2011, 224 Seiten, Fr. 25.00 / 16.00 Euro.

Revolution auf Radibor Erwin Feurer ist Visionär. Bereits fortgeschrittenen Alters, möchte er nun von sechzig bis siebzig das tun, was er als wesentlich ansieht: Der fragwürdigen Entwicklung der Menschheit entgegenwirken. Im Klartext will er nichts Geringeres als «eine Weltrevolution auslösen». Künftiger Hauptsitz des Unternehmens: Schloss Radibor in der Lausitz. Ostdeutschland verkauft seine Schlösser zurzeit zu Schnäppchenpreisen. Dafür übernehme man die Bauten zugemüllt, zerfallen und teilweise zerstört. Stören tut dies den Kulturvermittler aus der Schweiz aber nicht. Er kennt sich aus mit alten Gemäuern, hat er doch als Bauunternehmer schon einigen verschlafenen Schönheiten wieder auf die Beine geholfen. Seit kurzem ist auch das dreihundertjährige Radibor wieder bewohnbar. Fertig, betont Feurer, sei es aber wohl nie.

2009 hatte Feurer den International Burnout Fund gegründet. «50 Prozent der Menschen in Europa leiden unter Ängsten, Depressionen und Schlaflosigkeit», erklärt er sein Engagement. Auch Feurer selbst schlitterte nur knapp an einem Burnout vorbei. Nun will er unter den grossen Versicherern Partner für seine «BurnoutVersicherung» finden. Diese soll den Rechtsschutz des erkrankten Arbeitnehmers übernehmen.   Aber zurück zu Schloss Radibor: «Natürlich könnte man eine solche Organisation auch von jedem Wohnzimmer aus leiten», sagt Feurer. Schloss Radibor diene mehr als Symbol und Arbeitsplatz. Ausserdem hat die «soziale und wirtschaftliche Revolution, die Radibor ins Zentrum der Weltgeschichte rücken soll» noch einen weiteren Auftrag. Feurer möchte den Ideen von

Dr. Peter Plichta eine Plattform bieten. Dieser hat eine Möglichkeit entdeckt, wie man mit Sand bzw. Silizium die Energieproduktion vom Erdöl unabhängig machen könnte. «Noch nie fühlte ich mich so glücklich wie damals, als ich das Vertrauen dieses Mannes gewonnen hatte», erinnert sich Feurer. Seither hat er viele Klinken geputzt, um der Erfindung Plichtas Gehör zu verschaffen. Ohne Erfolg. Das will Feurer nun ändern. In wenigen Jahren soll sich Radibor zu einem «Wissenschafts- und Gesundheitszentrum» entwickeln, wo revolutionären Technologien und sozialen Reformen zum Durchbruch verholfen wird. SL

www.schlossradibor.blogspot.com

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vollwertig leben

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vollwertig leben

Das Triebwerk des Menschen Fast hundert Jahre lang vergiftete eine Fiktion das gesellschaftliche Leben: der Aggressionstrieb. Jetzt wissen wir dank der Neurobiologie mit Sicher­ heit: Es gibt ihn nicht. Was uns wirklich antreibt, wie die Aggression den­ noch auf die Welt gekommen ist und welchen evolutionären Sinn sie hat, zeigt der Neurobiologe Joachim Bauer in seinem wegweisenden Buch «Schmerzgrenze».   von Christoph Pfluger

E Prof. Dr. Med Joachim Bauer ist Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut und lehrt an der Universität Freiburg i.Br. Für seine Forschungsarbeiten erhielt er 1996 den Organon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie. Von Joachim Bauer sind u.a. erschienen: Das kooperative Gen – Abschied vom Darwinismus (2008); Prinzip Menschlichkeit: Warum wir von Natur aus kooperieren (2006), Das Gedächtnis des Körpers – wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern (2002).

in unheilvoller Zwang regiert die Welt: Nur die Stärksten können überleben, sagen die Darwinisten. Weil wir einen Aggressionstrieb haben, können wir diesem Gesellschaftsprinzip gar nicht ausweichen, sagen die Nachfolger von Siegmund Freud und Konrad Lorenz. Und weil wir der Biologie nicht dauerhaft Widerstand leisten können, müssen sich die Starken zum Nutzen von uns allen auch in der Gesellschaft ungehindert entfalten können, sagen die Sozialdarwinisten und Neoliberalen. Dieses Gesellschaftsprinzip, das uns eine historisch einmalige Ungleichverteilung, ein höchst explosives Gewaltpotenzial und schier unlösbare Probleme gebracht hat, steht wissenschaftlich auf tönernen Füssen. Dies belegt Joachim Bauer, Professor für Neurobiologie an der Universität Freiburg i.Br. in seinem neusten Buch. «Schmerzgrenze – vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt» ist ein atemberaubender Streifzug durch die Erkenntnisse der Neurobiologie, die wahren Triebe des Menschen und die Mechanismen der Aggression. Dass die Vorstellung, der Mensch sei aus sich heraus aggressiv veranlagt, falsch ist, schliesst leider einen konkreten Einfluss auf die Wirklichkeit nicht aus. Wissenschaftliche Irrtümer zirkulieren nicht nur in akademischen Kreisen, sondern beeinflussen im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung auch

Wissenschaftliche Irrtümer zirku­ lieren nicht nur in akademischen Kreisen, sondern ­beeinflussen im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung auch unser Verhalten.

unser Verhalten. Bauer beschreibt eine Untersuchung, nach der sich Menschen im Alltag aggressiver verhalten, nachdem man ihnen gesagt hat, im Menschen staue sich unabhängig von den Lebensumständen Aggression auf, die regelmässig abgelassen werden müsse. Besonders tragisch ist es, wenn solche Irrtümer den Mainstream erobern und die Politik bestimmen. Wenn wir jetzt auf die Rassenkampftheorien der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blicken und denken, das haben wir hinter uns, unterliegen wir allerdings einem Irrtum. Bauer: «‹Aggressionstrieb› und ‹egostische Gene› sind Theorien, die – obwohl sachlich unhaltbar — perfekt in das derzeitige globale Wirtschaftssystem eines ungebremsten Raubtierkapitalismus passen.» In einer solchen Gesellschaft kann man letztlich nur als Egoist überleben und fördert so das Aggressionspotenzial – ohne es zu wollen. Der Ausstieg aus dem Teufelskreis dieser sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird daher täglich schwieriger. Noch ist aber nicht aller Tage Abend. Die Neurobiologie hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht, weil man den Probanden während der Versuche im Computertomographen gewissermassen ins Gehirn schauen kann. Die Wissenschaft braucht sich so nicht nur auf die Auswertung von Testresultaten zu beschränken, sondern kann während der Experimente das Gehirn beobachten. Und da ereignet sich tatsächlich höchst Spannendes. Die Frage nach den grundlegenden Trieben des Menschen ist nicht so einfach zu beantworten, wie es zunächst scheint. Freud hat den Aggressionstrieb vermutlich postuliert, weil Gewalt so häufig und gelegentlich auch aus unerfindlichen Grün-

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vollwertig leben

den vorkommt. Genausogut könnte man von einem Erwerbstrieb ausgehen, nachdem heute praktisch sämtliche Menschen nach Geld streben. Bauer schreibt dazu: «Eine definitive Klärung der widersprüchlichen Positionen zur Natur der Aggression war erst möglich, nachdem neurobiologische Untersuchungen in den letzten etwa 25 Jahren im Gehirn ein Nervenzellensystem aufgedeckt hatten, welches heute als ‹Motivationssystem› bezeichnet wird. Es ist nicht nur beim Menschen, sondern bei allen Säugetieren anzutreffen und hat seine Position im sogenannten Mittelhirn. Wie sich zeigen sollte, hat es als einziges neurobiologisches System die Möglichkeit, menschDie grundlegende Motivation be­ liche Verhaltensweisen im steht in sozialen Interaktionen, Sinne einer Triebhaftigkeit die mit gegenseitigem Vertrauen zu verstärken. Die Macht des und guter Zusammenarbeit ver­ Motivationssys­tems beruht bunden sind. Bereits freundliche darauf, dass die NervenzelBegegnungen lösen Wohlfühl­ len dieses Sys­tems Botenstoffe produzieren, ohne die botenstoffe aus, ohne die wir auf wir uns nicht wohlfühlen, ja Dauer nicht leben können. ohne die wir auf Dauer gar nicht leben könnten. … Verhaltensweisen, die eine Voraussetzung dafür sind, dass im Gehirn Motivationsbotenstoffe ausgeschüttet werden und sich ein Lebewesen wohl, fit und vital fühlt, erfüllen die Bedingung für das, was früher als ‹Trieb› bezeichnet wurde.»

Blicke in dein Inneres! Da drinnen ist eine Quelle des Guten, die niemals aufhört zu sprudeln, solange du nicht aufhörst nachzugraben. Marc Aurel

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Die erste wichtige Erkenntnis: Unprovozierte Aggression löst keine Glücksbotenstoffe aus, ist also keine spontan auftretende Grundmotivation. Nochmals Bauer: «Vergleichbar mit der Angst, handelt es sich bei der Aggression um ein reaktives Verhaltensprogramm, dessen biologische Funktion darin besteht, diejenigen äusseren Umstände zu bewältigen, die als Auslöser das Angst- und Aggressionsprogramm abgerufen haben.» Mit anderen Worten: Aggression ist eine Reaktion auf eine Störung der grundlegenden Motivation. Diese grundlegende Motivation, dies ist die zweite Erkenntnis, besteht in «sozialen Interaktionen, die mit gegenseitigem Vertrauen und guter Zusammenarbeit verbunden sind», wie Bauer schreibt. Bereits die freundliche Begegnung von Menschen löst in ihnen Wohlfühlbotenstoffe aus, ohne die wir, wie erwähnt, auf Dauer nicht leben können. Das Motivationssystem wird nicht nur aktiviert, wenn andere uns Gutes tun, sondern vielmehr, wenn wir Gutes tun. Bauer: «Das menschliche Gehirn ist, wie Experimente belegen, nicht nur auf sozialen Zusammenhang geeicht. Es besitzt einen biologisch verankerten Fairness-Messfühler und strebt im Sinne einer natürlichen, durchaus ‹triebhaften› Tendenz nach einem Mindestmass an fairer Ressourcenverteilung.» Ungerechtigkeit, auch wenn bloss andere darunter

leiden, hemmt also unser Motivationssystem in durchaus ernst zu nehmender Weise. Der biologisch eingebaute Gemeinschaftssinn lässt sich über die Evolution leicht verstehen. In den fast 200 000 Jahren bis zum Beginn der Zivilisation konnte der Mensch nur in Gruppen mit guter Zusammenarbeit überleben. Auch die Intelligenz konnte sich vermutlich nur im sozialen Kontext entwickeln. Von der Gemeinschaft ausgestossen zu werden, bedeutete für den frühen homo sapiens in der Regel den sicheren Tod. Die alten Sammlergesellschaften kannten kein Eigentum. Was gesammelt und gelegentlich gejagt wurde, musste gemeinsam verbraucht werden – Haltbarmachung im grossen Stil war unbekannt. «Niemand hungerte, wenn nicht alle hungerten», fasst Bauer zusammen. Der soziale Zusammenhalt der prähistorischen Gesellschaften wird übrigens von der Forschung an den letzten Urvölkern weitgehend bestätigt. Wenn man das auf Kooperation und Fairness ausgerichtete Motivationssystem kennt, kann man auch die Grundregeln der Aggression verstehen. Wer andere unfair behandelt, tangiert die neurobiologische Schmerzgrenze und setzt den Aggressionsapparat in Gang, der dieser Ungerechtigkeit ein Ende setzen will. Experimente haben gezeigt, dass Gewaltausübung nur in einer solchen Situation attraktiv ist. Störungen der sozialen Akzeptanz aktivieren übrigens dieselben Areale des Aggressionsapparates wie körperlicher Schmerz – ein deutlicher Hinweis auf die fundamentale Bedeutung der Gemeinschaftlichkeit. «Der Aggressionsapparat», schreibt Bauer, «erweist sich als ein Hilfssystem des Motivationssys­ tems: Bindung, Akzeptanz und Zugehörigkeit sind überlebenswichtig. Sind sie bedroht, reagieren die Alarmsysteme des menschlichen Gehirns. Als unmittelbare Folgen zeigen sich Angst und Aggression.» Die Aggression hilft uns aber nicht nur beim Überleben, inzwischen gefährdet sie es auch. Aggression ist zunächst ein Signal für eine Stö­ rung des sozialen Gewebes. Sie äussert sich in Ärger, Wut, später Hass und schliesslich in physischer Gewalt, wenn die Ursache der Störung nicht behoben wird. Schwierig wird die Situation vor allem dann, wenn die Signale nicht wahrgenommen werden. In einem solchen Fall erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Aggression zeitlich verzögert auftritt, Unbeteiligte ins Visier nimmt oder in falscher Dosis angewandt wird. Dann verliert die Aggression ihren kommunikativen Wert, verschlimmert das Problem, das sie beseitigen sollte und setzt einen unheilvollen Gewaltkreislauf in Gang.


Das Triebwerk des Menschen

Um immer gut sein zu können, ist es erforderlich, die anderen davon zu überzeugen, dass sie uns niemals ungestraft böse sein dürfen. La Rochefoucauld

Diese Verschiebung tritt vor allem bei früher oder lange andauernder sozialer Schädigung auf. Notorische jugendliche Straftäter haben fast ausnahmslos eine lieblose, von psychischer und physischer Gewalt geprägte Kindheit hinter sich. Der Aggressionssapparat ist übrigens kein simpler Reiz-Reaktionsmechanismus. Im Gegensatz zu den Reptilien durchläuft die Aggression bei den Säugetieren und den Menschen gewissermassen eine «neurobiologische Kontrollschleife» (Bauer). Im Stirnhirn werden die Folgen einer aggressiven Handlung geprüft und in der Regel gemässigt. Dieser Prozess hört aber

Störungen der sozialen Akzep­ tanz aktivieren dieselben Areale des Aggressionsapparates wie körperlicher Schmerz – ein deut­ licher Hinweis auf die funda­ mentale Bedeutung der Gemein­ schaftlichkeit. auf, sobald die aggressive Handlung ausgelöst wird. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn die Menschen vor einer aggressiven Reaktion etwas tiefer in sich hineinschauen würden. Aber allein deswegen einen Unterbruch der globalen Gewaltspirale zu erwarten, wäre verwegen. Die historischen gesellschaftlichen Kräfte sind einfach zu gewaltig. Den grossen Bruch in die Menschheitsentwick­ lung brachte die «neolithische Revolution» zwischen 9 000 und 4 000 vor unserer Zeitrechnung: Der Mensch entdeckte als Antwort auf den Ressourcenmangel den Ackerbau, wurde sesshaft und erfand das Eigentum. Die harte Feldarbeit verschob das Gleichgewicht der Geschlechter zum Mann, der zudem wissen wollte, wer die Frucht seiner Arbeit dereinst erben würde. Seither versucht die Menschheit, den sie begleitenden Mangel mit Eigentum und Eigennutz zu mildern. Die Zivilisation bedeutet gemäss Bauer für den nachneolithischen Menschen vor allem eines: «Entfremdung, Stress und eine massive Aufladung der gesellschaftlichen Situation mit Reizen, die nach dem Gesetz der Schmerzgrenze Aggression fördern. Leistungsprinzip statt einer egalitär definierten Gerechtigkeit, Konkurrenzneid statt Kooperation, Ausgrenzungserfahrung statt bedingungsloser sozialer Akzeptanz, der Mensch als Ware anstatt vorbehaltloser Daseinsberechtigung, Machtausübung statt Reziprozität.» Joachim Bauer: Schmerzgrenze – vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt. Blessing, 2011. 285 Seiten, Fr. 29.90 / 18,95 Euro

Um die aus dieser Ungleichverteilung entstehen­ de Aggression im Zaum zu halten, erfand die Menschheit die Moral, für Bauer «nicht die Ursache, sondern die Folge der menschlichen Fähigkeit zur

Kooperation». Aber sie ist, wie auch die Religion, von begrenzter Wirkung. Lärm, Zeitnot und allgemeiner Stress vermindern in Experimenten die Bereitschaft erheblich, Menschen in Not zu helfen. Und, auch das ein Resultat einer aktuellen Untersuchung: «Menschen, die sich explizit zu einem Moralsystem bekennen, zeigen regelhaft eine Tendenz, das abgegebene Bekenntnis als ‹Guthaben›, als eine Art ‹Lizenz› zu betrachten, sich daraufhin unmoralischer zu verhalten.» Wer seine gute Gesinnung zur Schau stellen kann, erliegt anderswo besonders leicht der Versuchung, sich grössere Freiheiten herauszunehmen. Nicht nur Individuen haben eine Schmerzgrenze, bei deren Überschreiten eine aggressive Reaktion eintritt, auch die Gesellschaft. Je grösser die Vermögensunterschiede, desto höher liegen die Homizidraten und desto schlechter ist die Gesundheit. Überall spüren wir die Folgen, wenn die Ökonomie die Menschlichkeit verdrängt. Als wichtigsten Ausweg aus der innergesellschaftlichen Benachteiligung bezeichnet Bauer die Bildung. Bessere Bildung ist zugleich Gewaltprävention, das sagt die empirische Forschung. Das ist leider nur im Prinzip richtig. In der Praxis dient Bildung zunehmend dazu, uns als Individuen wettbewerbsfähiger zu machen. In einer Welt knapper werdender Ressourcen wird dies nur den Konkurrenzkampf verschärfen und damit immer mehr Menschen an die Schmerzgrenze drängen. Eine gewaltfreie Welt, in der wir alle sicher leben können, ist wohl nur mit ökonomischer Gerechtigkeit zu haben. Da spielt unser Geldsystem die entscheidende Rolle. Es perpetuiert unnötigerweise den Ressourcenmangel, mit dem wir Jahrtausende lang gekämpft haben. Und solange es über den Zins die Umverteilung antreibt, wird sich die Schmerzgrenze ausdehnen und immer mehr Menschen an den Punkt treiben, wo Aggression als einzige Lösung erscheint. Geld als Symbol des Mangels ist uns schon derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass der blosse Anblick von Geldscheinen egoistischer macht, wie Experimente gezeigt haben. Die Krise des Geldes ist deshalb die grosse Chance der Gerechtigkeit und des Friedens. Auch wenn Joachim Bauers Buch in seinen Zukunftsperspektiven nicht besonders erfreulich ist, so ist es doch ein echter Glücksfall. Es zeigt überzeugend: Es gibt keine Erbsünde namens «Aggressionstrieb»; der Mensch ist biologisch auf Gerechtigkeit geeicht; und das Wohlergehen des Nächsten ist auch unser Glück. Damit sich unsere Wahrnehmung für die Wurzeln der Aggression umpolen kann, reicht die Lektüre einer Rezension allerdings nicht. Deshalb wünsche ich der «Schmerzgrenze» grösste Verbreitung. Es liest sich leicht, bringt eine Fülle anschaulicher Experimente und ist von der ersten bis zur letzten Seite spannend.

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vollwertig leben

Einzellösungen helfen in der gegenwärtigen globalen Situation nicht wei­ ter. Finanzkrise, Umweltprobleme und soziale Not sind alle miteinander verbunden. Am Kongress «Die Wasser des Lebens» von Ende November auf der Schweibenalp versuchten rund hundert Aktivisten und Experten aus zehn Ländern, eine Synthese zu finden.   Gespräch mit dem Konferenzleiter Sundar Dreyfus

Modelle der Gesellschaft von morgen Zeitpunkt: Ihr habt Euch eine sehr grosse Aufgabe gestellt, für die Bereiche Ökologie, Geld, Solidarität und Bewusstsein eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Kann man die Resultate der einwöchigen Arbeit zusammenfassen? Sundar Dreyfus: Neben dem Wissensaustausch und der engen Vernetzung, die stattgefunden haben, wollten wir natürlich weitere Resultate haben. Deshalb wählten wir eine Arbeitsstruktur, in die neben den Experten auch Vertreter von Regionen und Projekten eingebunden waren. So konnten für einige Projekte konkrete nächste Schritte vereinbart werden. Unser Ziel ist es, Modelle für ein neues Zusammenleben direkt zu unterstützen. An Ideen mangelt es in der Regel nicht, oft aber an den Ressourcen, sie umzusetzen. Welche Wege zeichnen sich ab, auch mit wenig Geld etwas zu erreichen? Green Phoenix brachte 40 Experten und 60 Aktivisten zusammen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen. Viel beschäftigte Menschen aus der Wissenschaft und der Wirtschaft sehen den Wissensaustausch und die Entwicklung gemeinsamer Projekte offenbar als so dringlich an, dass sie auf

übliche Gagen verzichten. Jetzt sind wir daran, eine Dokumentationsstelle zu schaffen über das gesammelte Wissen in modernster Ökologie, neuen Ideen für die Ökonomie, Erfahrung vom Gemeinschaftsleben und die Möglichkeiten, dies zu verbreiten. Viele Menschen sind müde, weil die erhofften Verbesserungen gesellschaftliche Veränderungen bedingen, die aber erst eintreten, wenn sich schon einiges zum Guten gewendet hat. Oder zugespitzt formuliert: Wir können die Dinge erst ändern, wenn sie anders sind. Hat die Konferenz Wege aufgezeigt, wie wir aus diesem Teufelskreis ausbrechen können? Green Phoenix ist natürlich nicht die erste Konferenz mit der einzigen Antwort auf dieses Dilemma: bei uns selber anfangen! Erst wenn ich mich entscheide, selber erste Schritte zu tun und dies in meinen Beziehungen und im Energiefluss des Geldes und in meiner Beziehung zur Natur umzusetzen, wird es Veränderung geben. Der an der Konferenz erwähnte kategorische Imperativ von Kant sagt ja auch schon aus, dass wir unseren Idealen folgen sollen, ob sie nun Anerkennung finden und von der Mehrheit verwirklicht werden oder ob wir alleine daSundar Dreyfus ist Psychiater und Mystiker. Das «Zentrum der Einheit Schweibenalp» hat er vor 32 Jahren auf dem Gelände einer ehemaligen Ferienkolonie als Begegnungsort der Religionen gegründet. In den letzten Jahren wurde es rundum erneuert und dient jetzt als Keimzelle einer globalen Kultur des Miteinanders.

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mit dastehen. Damit dieser mehr Gewicht bekommt, muss er sich zu Gemeinschaften und Netzwerken entwickeln, die eine Parallel-Realität entstehen lassen, in der ein neues Menschheitsprogramm gelebt wird, nämlich des Teilens, des Kooperierens und des Mitgefühls. Im Zentrum der Einheit ist in den letzten Jahren viel investiert worden. Ein grosser Saal ist entstanden und die Infrastruktur für die Gäste wurde erheblich verbessert. Du selbst hast deine psychiatrische Praxis aufgegeben und wohnst wieder auf der Schweibenalp. Wo sieht sich das «Zentrum der Einheit» unter den vielen Tagungsstätten? Das Zentrum der Einheit Schweibenalp möchte sich nicht mit anderen Zentren vergleichen. Die Tagungsstätte ist eine unserer Aufgaben. Wir gründen auf einer Vision und einer sich aufbauenden Gemeinschaft, die diese Vision lebt und verschiedene Projekte vorantreibt, darunter Green Phoenix und das Seminar- und Tagungszentrum auf der Schweibenalp. Solche Arbeit ist anspruchsvoll und verlangt von den Menschen einen grossen Einsatz und Hoffnungsvorschuss in die Möglichkeiten der Menschheit. Zentrum der Einheit, Schweibenalp, 3855 Brienz Tel. 033 952 20 00, www.schweibenalp.ch http://greenphoenixglobally.wordpress.com


wahre Werte

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Wo die wilde Bohne wächst Gourmetgenuss & Regenwaldschutz Der einzige Wildkaffee der Welt wächst in den Bergregenwäldern der äthiopischen Provinz Kaffa, der Urheimat des Arabica-Kaffees. Dort werden die kostbaren wilden Bohnen von den Bauern sorgfältig gepflückt, an der Sonne getrocknet und von Hand sortiert. In der Schweiz schonend geröstet, entfalten sie ihren unverkennbaren Charakter und das intensive Aroma. Kaffa Wildkaffee aus dem Regenwald ist nicht nur ein einzigartiges Geschmackserlebnis für westliche Feinschmecker und Kaffeeliebhaber, sondern auch Lebensgrundlage von über 6 000 Bauernfamilien in Kaffa.

Um den steigenden Nahrungsmittelbedarf der rasant wachsenden Bevölkerung zu decken, werden in Äthiopien immer mehr Waldflächen abgeholzt. Heute bleiben weniger als 3 Prozent intakter Bergregenwald übrig. Mit dem Regenwald geht auch die natürliche «Genbank» der Arabica-Pflanze, ein Naturschatz von unschätzbarem Wert, verloren. Dank dem von «GEO schützt den Regenwald» initialisierte Wildkaffeeprojekt erhalten die Bauern in Kaffa eine Einkommensquelle aus der schonenden Nutzung des Regenwaldes und helfen so mit, diesen langfristig zu erhalten.

Dieses Ziel verfolgt auch die UNESCO, die die Region im 2010 als Biosphärenreservat anerkannt hat. Sie zeigt damit, dass der Schutz von Ökosystemen und biologischer Vielfalt Hand in Hand gehen kann mit wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlichem Zusammenhalt. So dürfen die Bauern von Kaffa weiterhin Wildkaffee und Waldprodukte wie Gewürze und Honig sammeln, gleichzeitig verpflichten sie sich in Waldnutzungsplänen, die Abholzung einzuschränken und im Wald keine neuen Ackerflächen anzulegen. Mehr zu Kaffa Wildkaffee und weiteren Regenwaldprodukten: www.originalfood.ch

Liebe&Lebe, Beratung und Coaching in Lebensfragen Gelebte Träume Ich möchte ausbrechen aus Raum und Zeit Leben nach dem Impuls der Wirklichkeit. Befreit von starren Grenzen, mit Leichtigkeit durchs Leben tanzen. Die Hingabe an den Moment kreiert die eigene Welt, nach dem Gesetz der Freude, entsteht ein buntes Bild gelebter Träume.

Ich wünsche allen Menschen ein selbstbestimmtes und gesegnetes Jahr 2012

Liebe&Lebe, Sieglinde Lorz, Dalmazirain 26, 3005 Bern, Tel. 079 918 14 19, www.liebeundlebe.ch

Märchenhafte Goldschmiedekunst, Räume zum Verweilen Der Goldschmied Urs Brand und die Heilpraktikerin Silvia Stoll haben sich viel vorgenommen: Am 1. März 2012 wollen sie in der Oberdorfstrasse 29 in Herisau eine Oase schaffen, die es Besuchern ermöglicht, dem Trubel des Alltags zu entkommen. Die Grundidee war es, das ursprüngliche Goldschmiedehandwerk für Menschen erfahrbar zu machen und zugleich einen Ort der Ruhe und Besinnlichkeit zu schaffen. So machten sich Urs und Silvia, die beide auch ausgebildete Märchenerzähler sind, daran, Räume einzurichten, in denen sich die Zeit entschleunigt. Im Atelier wird der Gast dem Goldschmied über die Schulter schauen können, sein handwerkliches Geschick bewundern und sich für die Individualität der Schmuck-

stücke begeistern. Im 1. Stock steht die 3. MärchenLesebibliothek der Schweiz mit integriertem Café und einem Mittagstisch. Eine Vielzahl von Märchenbüchern, darunter auch Raritäten, laden künftig zum Verweilen ein. Ausserdem gibt es Wechselausstellungen rund ums Handwerk, Kulturabende und Gerichte für den kleinen Hunger zum Geniessen. Die Preise für Essen und Getränke sind nur Empfehlungen; jeder bezahlt, was er für richtig hält (siehe ZP 109, «Die grosse Befreiung»). Im Obergeschoss wird Silvia Stoll ihre Praxis eröffnen. Ihre Spezialität ist individuelle Lebensberatung mit dem Schwerpunkt Heilarbeit mit Märchen. Individuelle Goldschmiedekurse und ein Anti-Stress Wellness-Paket runden das Angebote ab.

Wer bei der Neueröffnung dabei sein will, nähere Auskünfte wünscht und den Newsletter abonnieren möchte, melde sich unter info@atelier-brand.ch oder persönlich bei: Urs Brand & Silvia Stoll, Oberdorfstrasse 29, 9100 Herisau, Tel. 071 351 70 05. Informationen unserer Inserenten

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vollwertig leben

Den Regen einfangen Künstliche Seen können die Ausdehnung der Wüsten stoppen, gemäss UNO ein der «Hauptbedrohungen der Menschheit». Wie das geht und was für wunderbare Landschaften dabei entstehen, zeigt ein beispielhaftes Projekt in Porrtugal.   von Samanta Siegfried

W

er vor fünf Jahren das Friedensforschungszentrum ‹Tamera› im Südwesten Portugals besuchte, fand ein trockenes, wüstenartiges Land vor. Grundwasser musste aus dem Boden gepumpt werden, damit etwas gedeihen konnte. Heute zeigt sich dem Besucher ein ganz anderes Bild: Nach dreissig Minuten Fahrt durch die karge Landschaft der Region Alentejo tauchen auf einmal Seen mit üppig begrünten Ufern auf. Es ist der Eingang von Tamera. Was ist geschehen? Ein Besuch des Permakultur-Experten Sepp Holzer veränderte 2007 die Annahme der Bewohner, sie befänden sich auf unfruchtbarem Boden. Im Sommer sei es trocken, doch im Winter regne es genug, um die ganze Landschaft zu begrünen, behauptete Holzer. Tatsächlich regnet es in der Gegend im Winter soviel wie in Berlin das ganze Jahr über. Holzer schlug vor, Seen zu bauen, die das Regenwasser einfangen – ein Jahr später ging es los. Im Oktober 2011 wurde bereits der fünfte und grösste See vollendet, zehn weitere sollen folgen. Die Seen bilden eine Retentions­ landschaft, sie halten Regenwasser zurück. Bernd Müller, Naturforscher und wohnhaft in Tamera, erklärt: «Was heute auf der Erde vorherrscht, ist ein halber Wasserkreislauf. Durch das landwirtschaftliche Auslaufen der Böden, das Abholzen der Wälder und das Übernutzen der Weiden wird der Humus vom Erdboden abgewaschen. Der ungeschützte Boden heizt sich auf. Ist er wärmer als der Regen, kann er diesen nicht mehr aufnehmen – das Wasser perlt ab. Dies hat Naturkatastrophen wie Erosion oder Überschwemmungen zur Folge.»

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Natürlich wäre ein grosser Wasserkreislauf. Dort funktioniert der Erdkörper als Speicherorgan: Der humusreiche Boden saugt das Regenwasser auf und lässt es in tiefere Erdschichten sickern. Die Wurzeln folgen der Feuchtigkeit, durchwurzeln und lockern die Erde, sodass sie weiterhin Regenwasser aufnehmen und speichern kann. Ein gut durchfeuchteter Erdboden ist zentral für die Trinkwasserbildung, den Schutz vor Waldbränden und für Fruchtbarkeit. Humusreicher Boden verschwindet zu­ sehends. Laut der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA ist schon fast ein Viertel des wetlweiten fruchtbaren Ackerlandes verloren gegangen – jährlich kommt etwa eine landwirtschaftliche Fläche von der Grösse der Schweiz hinzu. Arme Regionen sind besonders stark betroffen, da Landwirtschaft oft die einzige Einkommensquelle ist. Es ist ein Teufelskreis: Die Betroffenen müssen Raubbau an den Naturressourcen betreiben, von denen sie selbst abhängig sind. Um diesen Prozess einzudämmen, ist eine Abkehr von intensiven Monokulturen, vom Einsatz von Pestiziden und eine Rückkehr zur Biodiversität unabdingbar. Die Retentionslandschaften sollen genau das bewirken. Der Damm der Seen wird mit Naturmaterialen abgedichtet und das Wasser kann langsam, aber stetig versickern. Bäume und Sträucher werden wieder von unten mit Wasser versorgt – künstliche Bewässerung wird überflüssig. Heute säumen Obstbäume, Gemüse und Blumen die Ufer der Seen, durch die Praxis der Permakultur konnte sich der Boden wieder erholen und auch Tiere siedelten sich an, die sonst nur in wasserreichen Gebieten vorkommen.

Ist der Bau von Seen also die Rettung vor der Wüstenbildung? Der Bau von Retentionslandschaften ist in jeder Region möglich, ist sich Sepp Holzer sicher – immer angepasst an die geologische und klimatische Situation. «Gerade in Gebieten mit wenig Niederschlag ist es wichtig, das wenige Regenwasser einzufangen», sagt auch Leila Dregger, wohnhaft in Tamera und Mitautorin des Buches ‹Wüste oder Paradies?›. Für Bernd Müller geht es darum, sich wieder mit dem Lebendigen zu verbinden und sich bewusst zu werden, dass wir Menschen nicht die Einzigen sind, die auf diesem Planeten leben. Sepp Holzer: Wüste oder Paradies? Leopold-Stocker Verlag, 2011. 207 Seiten, Fr. 27.00 / 21,90 Euro.

Tamera Das Friedensforschungszentrum Tamera forscht an möglichen Zukunftsmodellen, die zu einer nachhaltigen und friedlichen Gesellschaft beitragen können. Wichtige Themen dabei sind: Ökologie, Ernährung, Wasser und Gemeinschaft. Mehr Infos: Tamera Peace Research Centre, Monte Cerro, 7630-392 Relíquias, Portugal, Tel. +351-283 635 306 www.tamera.org


vollwertig leben

Eins in den Kochtopf, eins in den Müll … Die Hälfte der Lebensmittel wird weggeworfen. Die Ursache ist ein ­komplexes System aus subventionierter Überproduktion, rechtlichen ­Bestimmungen, verfehlten Einkaufsgewohnheiten und schlicht mangelnde Achtung vor Nahrung.   von Roland Rottenfußer

V

alentin Thurn, Regisseur des schockierenden Dokumentarfilms «Taste the Waste» hat ausgerechnet, dass rund die Hälfte aller auf der Erde produzierten Lebensmittel im Müll landen. Allein in Deutschland sind das 20 Millionen Tonnen Lebensmittel. Das Essen, das in Europa weggeworfen wird, würde zweimal reichen, um den Welthunger zu beenden. Die Vergeudung von Lebensmitteln betrifft alle Verwertungsschritte vom Anbau bis zum Endverbrauch. Kartoffeln bleiben massenweise auf dem Acker liegen, Fallobst verschimmelt unbemerkt, jeder zwei Salatkopf wird aussortiert, bevor er in die Läden kommt. Ursache ist ein oft übertriebener Perfektionsdrang, der Trend zur makellosen Normkartoffel. Dafür sind Kunden mit verantwortlich. Hat ein Apfel die geringste Macke, bleibt er im Regal liegen – aber nur, weil die Supermärkte stets ein Überangebot feilbieten. Es sieht einfach besser aus, wenn eine Auslage lückenlos mit leuchtenden Zitronen bedeckt ist. Besonders schlimm ist die Verschwendung beim Brot: Supermarkt-Bäckereien wollen ihren Kunden bis Ladenschluss das gesamte Sortiment ofenfrisch bieten. Was nicht gekauft wird, ist für den Müll – etwa jeder fünfte Laib. In den Abfallcontainern der Supermärkte findet man ganze Paletten bester Lebensmittel mit gültigem Mindesthaltbarkeitsdatum. In den Regalen muss Platz geschaffen werden für Neues. Auch wird das Haltbarkeitsdatum systematisch zu früh angesetzt. Die Hersteller sichern sich so gegen Klagen wegen verdorbener Ware ab. Ausserdem: Umsätze werden gemacht, wenn viel gekauft, nicht wenn viel gegessen wird. Viele

Verbraucher tragen zum Skandal bei, indem sie sich wie verwöhnte Kinder benehmen: Sie möchten jederzeit auf eine grosse Auswahl von Produkten zugreifen können. «Wie soll ich heute wissen, was ich morgen essen möchte?» Also hat von man von allem etwas da, und vieles vergammelt im Kühlschrank. Und: Die Konsumenten schätzen ihre eigene Verschwendung komplett falsch ein: Obwohl sie einen Viertel aller gekauften Lebensmittel dem Müll übergeben, sind 71 Prozent der Europäer der Ansicht, sie würden nur 15 Prozent fortwerfen. 15 Prozent sagen, sie würden gar keine Lebensmittel entsorgen. Die Verschwendung ist kein Kavaliers­ delikt: Ein Drittel der Treibhausgase werden durch die Landwirtschaft ausgestossen. Auch ihr Anteil am Wasser- und Energieverbrauch ist enorm. Für Weideflächen wird Regenwald gerodet. Würden wir all das für Nahrung in Kauf nehmen, die wir wirklich brauchen, wäre es nachvollziehbar. Doch all diese Verwüstungen, um dann die Hälfte wegzuwerfen, sind absurd. «Mehr als 1zehn Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben pro Jahr an Unterernährung, Seuchen und Wasserverschmutzung» schreibt Jean Ziegler, bis vor kurzem UNO-Beauftragter für das Recht auf Nahrung. Es hat allerdings wenig Sinn, wenn der Endverbraucher sorgsam mit Lebensmitteln umgehen, die nicht gekauften Waren jedoch stattdessen auf Grossdeponien der Supermärkte landen. Neben einem Umdenken «aller» ist auch der Gesetzgeber gefragt, entsprechende Weichen zu stellen. Die deutsche Bundesregierung hat schon vor einem Jahr einen Bericht über die Lebensmittelver-

schwendung angekündigt, der aber nach wie vor auf sich warten lässt. Im Bundestag ist ein Antrag hängig, der die rechtlichen Schranken für die Weiterverwendung aus dem Verkauf genommener Lebensmittel senken und dafür Anreize schaffen will. Im weiteren sollen die Handelsnormen für Obst und Gemüse überarbeitet und Alternativen zum Mindesthaltbarkeitsdatum geschaffen werden. Film: Valentin Thurn: Taste the Waste. Lighthouse Home Entertainment. Erscheint im März 2012 auf DVD, 91 Min. Eine Kinoauswertung in der Schweiz war bei Redaktionsschluss nicht vorgesehen. Buch: Stefan Kreutzberger, Valentin Thurn: Die Essensvernichter. Kiepenhauer & Witsch, 2011. 304 Seiten, Fr. 24.90 / Euro 16,99

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Kurzmeldungen

Impfgegner lässt sich nicht mundtot machen Ein prominenter Gegner der Blauzungenimpfung ist Ende November wegen eines Tatbestandes verurteilt worden, der gar keiner mehr ist. Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte den Biobauern und grünen Zürcher Kantonsrat Urs Hans wegen Verweigerung der Blauzungenimpfung an seinen Rindern zu einer Busse von 2000 Franken. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er die öffentliche Gesundheit gefährdete. Zum Zeitpunkt der Verweigerung war die Impfung obligatorisch. Seit dem 1. Dezember 2010 ist sie freiwillig, offiziell weil die Impfrate inzwischen hoch genug sei. Der Widerstand der Bauernschaft und die verbreiteten Impfschäden dürften wohl auch eine Rolle gespielt haben. Aber: Alle Tiere von Urs Hans waren gesund. Zudem sömmerte er sie auf seiner eigenen Alp, wofür er von den Freiburger Behörden gebüsst worden war.   Wer mit Urs Hans spricht, lernt einen gut informierten, kämpferischen Landwirt kennen, der sich nicht unterkriegen lässt. «Wir Bauern mussten lernen, die Ver-

packungsbeilagen zu lesen, weil es nicht einmal die Tierärzte tun.» Zum Blauzungenimpfstoff heisst es da zum Beispiel: «Dieser Impfstoff ist nicht getestet bezüglich Trächtigkeit und Laktieren der Tiere.» Dies ist höchstwahrscheinlich gelogen. Es ist schwer vorstellbar, dass ausgerechnet die beiden wichtigsten Merkmale von Kühen bei der Prüfung des Impfstoffs vergessen gingen. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Impfschäden, über die sich die Bauern später beklagen sollten, bereits in der Prüfphase zutage traten. Wie sonst hätte das Bundesamt für Veterinärwesen auf die Idee kommen können, just vor Beginn der Blauzungenimpfung per Verordnung die im Gesetz vorgeschriebene Entschädigungspflicht für behördlich verursachte Impfschäden aufzuheben? Urs Hans zieht das Urteil ans Obergericht weiter.   Der Kampf der Bauern gegen die Zwangsimpfungen nützt nicht nur den Tieren, sondern auch den Menschen. Davon ist Daniel Trappitsch, Präsident des neugegründeten «Netzwerks Impfentscheid» (NIE) überzeugt und

verweist auf die laufende Revision des Epidemiegesetzes. Bei «besonderer Lage» und für «gefährdete Bevölkerungsgruppen, bei besonders exponierten Personen und bei Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben» soll der Bundesrat Zwangsimpfungen verfügen können. Dies tönt zwar vernünftig, hat aber zur Folge, dass auch ungeprüfte Imfpstoffe mit erheblichen Nebenwirkungen verabreicht werden, wie dies während der Kampagne gegen die Schweinegrippe der Fall war. CP

Hinhören   und hinschauen: Stimmen des Wandels

Die Miete wird   mit Hilfe bezahlt

Gemeinsam Städte und Quartiere zu ökologischen Nachbarschaften umbauen – das ist das Ziel der Transition Town Bewegung aus England, die mittlerweile auch starke Ableger u.a. in Deutschland und der Schweiz gebildet hat. Der deutsch-französische autodidaktische Filmemacher Nils Aguilar hat mit «Voices of Transition» einen Mut machenden Dokumentarfilm über die wichtigsten Protagonisten dieses agrarökologischen Wandels gestaltet. Im Film zeigen Landwirte und Wissenschaftler, Permakulturdesigner und Pioniere der Transition-Town-Bewegung aus Frankreich, Grossbritannien und Kuba, wie man den Herausforderungen des Klimawandels, der Ressourcenverknappung und drohenden Hungersnöten mit radikal neuen Wegen begegnen kann, sodass sich ungeahnte Chancen auftun sowohl für die Zukunftsfähigkeit unserer Gemeinden wie auch für eine gesteigerte Lebensqualität. CP

Viele Ältere haben den Wunsch, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Doch mit zunehmendem Alter können der Alltag, die Hausarbeit und das Einkaufen zur Belastung werden. Ganz nach dem Motto: «Gemeinsam sind wir stark», entstehen immer mehr Wohngemeinschaften mit Jung und Alt unter einem Dach. Eine klassische Win-Win-Situation: Die Senioren profitieren von der Gesellschaft und der Hilfe im Haushalt, die Studenten von den günstigen Mieten. Nicht zuletzt wird der Austausch zwischen den Generationen gefördert.   Pro Senectute hat in den Kantonen Luzern und Zürich das Projekt «Wohnen für Hilfe» lanciert. Ältere Menschen stellen jüngeren Wohnraum zur Verfügung. Besonders daran ist, dass die Miete nicht mit Geld, sondern mit Dienst- und Hilfeleistungen abgegolten wird. Dabei gilt: eine Stunde Hilfe pro Monat für einen Quadratmeter Wohnraum. Ein ähnliches Projekt läuft auch in Köln, es wird zusätzlich wissenschaftlich begleitet und untersucht die Frage, ob sich das Zusammenleben in einer solchen Wohnpartnerschaft positiv auf die Zufriedenheit und Eigenständigkeit älterer Menschen auswirkt. BM

«Voices of Transition» ist auf DVD für € 25.- erhältlich: www.milpafilms.org

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Weitere Infos: www.urshans.ch, www.bauernverstand.ch, www.blauzungenimpfung.ch, www.impfentscheid.ch

Kontakt: Pro Senectute Schweiz, Zürich. Tel: 044 283 89 89, www.pro-senectute.ch, «Wohnen für Hilfe» in Köln, www.wfhkoeln.de, Tel. +49 221 470-7933


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Kurzmeldungen

Jeder Rappen ruht «Jeder Rappen zählt» hiess es im Dezember, als Radio und Fernsehen zusammen mit der Glückskette für die grossen Schweizer Hilfswerke sammelten. So bedürftig sind sie aber gar nicht, wie Andreas Flütsch im Tages-Anzeiger zeigte. Sie horten hunderte von Millionen Franken für die Zeit möglicher Spendeneinbrüche. Die Berghilfe zum Beispiel verfügt mit 129 Millionen Franken über Reserven für mehr als fünf Jahre, die Glückskette sitzt auf 140 Millionen und die Heilsarmee auf 226 Millionen.   Um sich arm zu rechnen, werden die Reserven zweck­gebundenen Fonds zugewiesen, die aber erst viel später – oder gar nicht – gebraucht werden. So liegen bei der Glückskette noch immer 41 Millionen Franken für den Tsunami vor sieben Jahren und 9,6 Millionen für das «Unwetter Schweiz 2000». Und die Berghilfe hat 22,7 Millionen zur Seite

Der Apfel des Lebens gelegt, um Wertberichtigungen bei ihren Geldanlagen abzufedern.   Die Zertifizierungsstelle für gemeinnützige Sammel­ organisationen Zewo hält Reserven im Umfang von zwei Jahresumsätzen für gerechtfertigt – um Spendeneinbrüche aufzufangen – und sie deckt auch die fragwürdige Bilanzierungspraxis an zweckgebundene Fonds. Ein massiver Spendenrückgang ist nämlich nach eigener Einschätzung auch in Krisenzeiten nicht zu erwarten: «Die Finanzkrise hatte in der Schweiz keine negativen Auswirkungen auf die Spenden» schrieb sie über das Jahr 2009 und konstatierte ein «Wachstum auf breiter Front». Nur: Dass so viel Geld in den Kassen ruht oder in Finanzanlagen wandert, damit rechnen die Spenderinnen und Spender wohl kaum.   Was tun: Wir empfehlen kleine Hilfsorganisationen mit hohem Anteil an Freiwilligenarbeit. CP

Grünes Dorf im schwarzen Bayern Ein gemütliches 2500-Seelen-Dorf im bayerischen Allgäu: Man vermutet hier nicht unbedingt die Avantgarde einer globalen Energiewende. Und doch ist Wildpoldsried ein Vorzeigedorf geworden, hat Klimaschutz-Geschichte geschrieben: Die Gemeinde erzeugt dreimal mehr Strom als sie verbraucht – mit erneuerbarer Energie. Bürgermeister Arno Zengerle hat schon früh die Weichen in Richtung Erneuerbare gestellt und arbeitet seit 1999 am «ökologischen Profil» der Ortschaft. Allein hätte er es allerdings nicht geschafft. Frühzeitig band er wichtige Bevölkerungsgruppen mit ein und vermied so Widerstand. «Wir haben den Glücksfall, dass es viele massgebliche Personen gibt, die sich dem Thema angenommen haben. Ein Einzelner hat keine Chance», so Zengerle. Bauer Wendelin Einsiedler gewinnt Erdgas aus Kuhdung. Seine Biogas-Anlage gehört zu den wichtigsten Stromerzeugern im Dorf. «Ich bin ein Landwirt, der arbeitet mit

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der Natur», sagt er. «Und erneuerbare Energie ist Arbeiten mit der Natur, nicht gegen sie». Ein Viertel aller Dächer in Wildpoldsried ist mit Solaranlagen bedeckt – eine Anschaffung, die sich schon nach sieben Jahren auszahlt. Ausserdem gibt es neun Windräder. Wie kommt es zu einer solchen Ansammlung von gutem Willen? Ganz einfach: Um Edelmut geht es gar nicht, nur um vorausschauenden Egoismus. Bürgermeister Zengerle: «Jeder Bürger, der sich bei uns an Windkraftanlagen beteiligt oder sich an die Dorfheizung anschliesst, profitiert auch finanziell davon. Das ist für die Akzeptanz sicher ein wichtiger Punkt.» Tatsächlich gab es in Wildpoldsried schon einmal zu viel Strom, was die Netze überlastete und zu Stromausfall führte. Auch für dieses Luxusproblem fanden die Einwohner aber eine zukunftsweisende Lösung: Der überschüssige Strom soll künftig zum Aufladen von Elektroautos verwendet werden. RR Quelle: DW-TV, Deutsche Welle

Für das Leben des Menschen gibt es viele Metaphern: Der Wurm, der Adler, die Göttin, der Krieger – und der Apfel. Das Bild stammt von Carl Fingerhuth, der als Architekt auf der ganzen Welt Stadt- und Ortsplanungen umgesetzt, als Professor an verschiedenen Universitäten gelehrt und dabei immer auch einen geistigen Weg gesucht hat.   Der Apfel entsteht aus der Befruchtung einer Blüte, wächst und gedeiht. Die Sonne macht ihn auf der einen Seite rot und reif und lässt ihn auf der anderen Seite grün und knackig. Insekten suchen ihn für die Ablage ihrer Eier, Würmer ernähren sich von ihm, Vögel picken sich ihren Teil und wenn der Herbst kommt, fällt er weich und saftig zu Boden, wo er sich auflöst, seine Kerne hinterlässt und mit dem Regen langsam im Boden versickert, wo er als wässrige Essenz von den Wurzeln wieder aufgenommen wird und den nächsten Zyklus im Frühling erwartet. So verbreitet sich das Wesen des Apfels im Laufe der Zeit in viele andere Früchte und Bäume. Und wir Menschen tragen immer auch einen Teil der Andern ins uns und werden immer mehr zu einem umfassenden Apfel des Lebens.   Ein schönes Bild: Der Apfel, der über die Generationen zum Globus wird! CP


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Jetzt ist es da!

Seit Jahren treibt das Jahr 2012 eine Bugwelle von Gerüch­ ten, Ängsten und Hoffnungen vor sich her. Im Hype um das geheimnisvolle Jahr verschmelzen traditionelle und moder­ ne Mythen. Eine Übersicht   von Roland Rottenfusser

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2012, jetzt ist es da!

Der Maya-Kalender endet: Hier liegt der Ursprung des Booms um «2012». Der Maya-Kalender betrachtet Zeit nicht wie einen Pfeil aus der Vergangenheit in die Zukunft, er berechnet sie in Zyklen. Verschiedene Zyklen (Teilkalender) greifen wie Zahnräder ineinander. Bekannt sind der Tzolkin-Kalender, der Haab-Kalender und die mehr als 5000 Jahre umfassende «Lange Zählung». Am 21.12.2012 endet nicht nur ein solcher langer Zyklus, sondern auch eine 26 000 Jahre dauernde Grossepoche, die sich nach der Kreiselbewegung (Präzession) der Erdachse berechnet. Die (gedachte) Verlängerung der Achse wandert immer um das Zentrum unserer Galaxie herum. Zur Wintersonnwende 2012 wird sie zum ersten Mal seit 26 000 Jahren wieder ins «Herz der Milchstrasse» zeigen. Was das bedeuten kann, weiss niemand, weil es über das «letzte Mal» keine Aufzeichnungen gibt. Die meisten Autoren deuten das Ende des Maya-Kalenders aber nicht mehr als das Ende der Welt, sondern «nur» als einen Epochenwechsel mit drastischen Veränderungen.

Jeder Staatschef ist automatisch ein Rekordschulden-Präsident oder ein Pleiten-Premier.

Es selten schwierig, seine Pflicht zu erfüllen, wenn man sie kennt. Aber manchmal ist es ausserordentlich schwierig, sie zu erkennen. Samuel Butler

«Das Vermächtnis der Maya wird sich erfüllen.» Die Seminarleiter Leniel und Jophiel Nebrig (Selbstbeschreibung: «Mitglieder der Lichtfamilie») präsentieren auf ihrer Webseite die Essenz aus neun Prophezeiungen der Geistesgeschichte, u.a. von Nostradamus, dem Evangelisten Johannes, Pater Pio sowie aus «eigener Befragung der Akasha-Chronik». Ihr Resümee: «Die Menschheit wird zu ungeahnter Grösse reifen, und ab 2012 wird ein Goldenes Zeitalter beginnen.» Statt «Apokalypse» verwenden sie lieber den Begriff «Spirituelle Reinigung der Erde.» Auch vom Aufstieg in die 5. Dimension ist die Rede. Die Krise soll sich auf drei Tage verdichten, in denen die Erde an einen anderen Platz im Kosmos gerückt wird. Auch Überlebenstipps gibt es. Lichtarbeiter sollen während des Übergangs unbedingt in ihren Wohnungen bleiben und die Fenster abdunkeln. «Denn was sich draussen in der Zeit abspielt, übersteigt extrem unser Fassungsvermögen.» Nibiru – die Aliens kommen: Der Privatforscher Zachariah Sitchin will aus altsumerischen Schriften ein atemberaubendes Szenario herausgelesen haben: Der Wanderplanet Nibiru umrundet die Sonne in einem langen Zyklus von 3 600 Jahren. Er wird von weit entwickelten Ausserirdischen bewohnt, den Anunaki. Diese Wesen besuchten die Erde, als sich beide Planeten nahe waren. Sie liessen sich als Götter

verehren und sollen (durch Genmanipulation) die eigentlichen Schöpfer der heutigen Menschheit sein. 2012, so behaupten esoterische Forscher, nähert sich der Planet wieder der Erde, und die Aliens könnten zurückkehren. Auch Erich von Däniken leitet aus seiner Präastronautik in neuen Veröffentlichungen eine Vision von der «Rückkehr der Götter» ab. Alternativ gibt es eine Theorie, wonach ein Wanderplanet («Planet X») 2012 auf die Erde prallen und alles Leben auslöschen könnte. Polsprung: Der magnetische Pol der Erde wandert ständig, allerdings nur minimal und seit langem in die gleiche Richtung. Ursache ist wahrscheinlich die Rotation von flüssigem Eisen im Erdkern. 2012 könnte sich die Richtung dieser Wanderung umkehren und/ oder ein extremer «Sprung» ereignen. Die Neigung der Erde im Verhältnis zum Weltraum könnte sich ändern, die Jahreszeiten würden sich verschieben. Wissenschaftlich erwiesen ist die Abnahme der Stärke des Erdmagnetfelds seit 1979 um 1,7 Prozent. Da das vor Strahlen schützende Magnetfeld schon seit Jahrhunderten «schwächelt» wird auch befürchtet, dass Sonnenstürme ungehindert zur Erde vordringen. Solar Explosionen: Nicht nur «esoterisch» sind Spekulationen über verstärkte Sonneneruptionen im Jahr 2012. NASA-Wissenschaftler erforschten in den letzten Jahren verstärkte Sonnenaktivitäten und erwarten deren Höhepunkt für das kommende Jahr. Sie entwarfen auch ein Szenario der möglichen Folgen für unsere Zivilisation im Falle einer Super-Eruption. Die gravierendsten Auswirkungen eines solchen Sonnensturms beträfen das irdische Energienetz. 1859 fielen bei einem ähnlichen Vorfall alle Telegraphen-Verbindungen aus, und 1989 waren aus diesem Grund in Kanada sechs Millionen Menschen für mehr als neun Stunden ohne Strom. Noch nie waren unsere Versorgungseinrichtungen weltweit so vernetzt und damit verwundbar wie heute. Ohne Computer und funktionierende Datenleitungen bricht der Zahlungsverkehr und damit unser Geldsystem zusammen. Wenn die Stromausfälle Tage und Wochen andauern, könnte dies unsere Lebensmittel- und Wasserversorgung und vieles mehr tangieren. Dies allerdings wäre ein einmaliges, vorübergehendes Ereignis. Es gibt jedoch Entwicklungen, die unaufhaltsam auf eine Eskalation zutreiben und die auch nach dem 21.12.2012 nicht enden werden. Dazu gehören die Bevölkerungsexplosion (seit Ende 2011 leben 7 Milliarden Menschen auf der Erde) und der Klimawandel. Beispiel Finanzen: Noch brisanter dürfte die Eskalation der Schuldenkrise sein. 2012 könnte durchaus zum Jahr d es grossen Zusammenbruchs

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Wir können die Zukunft nicht immer für unsere Jugend gestalten. Aber wir können die Jungen für die Zukunft erziehen. Franklin D. Roosevelt

werden. Schulden wachsen exponenziell. Und weil auch Geld aus Schulden besteht, lässt sich damit der Schuldenberg nicht abtragen. Er wird eher früher als später das Geldsystem unter sich begraben. Da das Geldsystem von stabilen politischen Verhältnissen abhängig ist – und umgekehrt – dürften die Konsequenzen weitreichend sein.

2012 wird zum Jahr der Revolten. Die Wut wird wachsen, weil den Menschen ohne eigenes Verschulden immer mehr genommen wird. Ein Jahr der Aufstände: Als Folge dürfte 2012, noch mehr als 2011, zum Jahr der Revolten werden. Die Wut wird wachsen, weil den Menschen ohne eigenes Verschulden immer mehr genommen wird. Gleichzeitig werden die Rechtfertigungsstrategien der Machtelite zerbröckeln. Wenn Machthaber Plünderung und Umverteilung als «alternativlos» preisen, liegt es nahe, nach Alternativen zu besagten Machthabern zu suchen. Wenn alle Länder über die Schmerzgrenze hinaus sparen müssen, kann dies nicht länger als Einzelversagen interpretiert werden. Es wird immer mehr Menschen klar werden, dass ein Systemfehler vorliegt. Je weniger wir von den vorhandenen Alternativen wissen, desto mehr wird sich der Volkszorn gegen die Vertreter des etablierten Systems richten. Dann könnte der Kapitalismus sein hässliches Gesicht zeigen.

Übersichtliche, kritische Infos zu 2012-Theorien: www.2012-blog.de DVD-Tipp: João Amorim: 2012 – Time for Change. Alive Vertrieb, 2010. 80 Minuten, Fr. 29.90 / 16,99 Euro.

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Die Masken fallen: «Apokalypse» heisst vom Wortsinn her nicht «Weltuntergang», sondern «Enthüllung der Wahrheit». Somit war schon 2011 apokalyptisch: Fukushima hat die Lüge von sicheren Atomanlagen aufgedeckt. Den Banken traut sowieso keiner mehr, nachdem das Geld vieler Anlieger legal veruntreut wurde. Die Glaubwürdigkeit der tragenden Institutionen unserer Gesellschaft erodiert, und es ist kein Zufall, dass es gerade jetzt passiert. Internet, Handy und «Schwarmintelligenz» ermöglichen es heute, Missstände in Rekordzeit aufzudecken und die Informationen darüber zu verbreiten. Politiker müssen zunehmend absurde Positionen vertreten, an die sie selbst nicht mehr glauben und fliehen aus ihren Ämtern. Dies dürfte sich 2012 verstärken. Regierungen purzeln: Berlusconi und Papandreou waren erst der Anfang. Erstmals in der Geschichte wählt 2012 die Hälfte der Erdbevölkerung neue Regierungen, u.a. in den USA, in Frankreich,

in Russland, im Iran und in Tunesien. Vielfach sind Regierungswechsel wahrscheinlich. Die durch die Systemdynamik erzeugten Krisen wird eher der regierenden Partei angelastet werden, auch wenn die Opposition nicht minder verstrickt ist. Jeder Staatschef ist heute automatisch ein «Rekordschulden-Präsident» oder «Pleite-Premier». Die Intervalle zwischen den Machtwechseln dürften kürzer werden. Ende 2012 wird eine globale Politikerriege versammelt sein, in der man ausser Angela Merkel möglicherweise kaum mehr ein bekanntes Gesicht findet. Vorboten des Neuen: Unterdessen arbeitet eine wachsende Avantgarde unermüdlich an Modellprojekten einer Welt nach dem Zusammenbruch. Diese Projekte können als Rettungsboote für wenige und als Vorbilder für viele dienen. Einiges davon findet man in dem hervorragenden Dokumentarfilm «2012 – Time for Change» von João Amorim. Wissenschaftler, Künstler und Vordenker sprechen darin über den Abschied von einem materiellen Weltbild und die Geburt einer globalen, nachhaltigen Kultur. Der Geldreformer Bernard Lietaer bringt es auf den Punkt: «Spirituell sein bedeutet handeln.» Von politisch noch unklaren Protestbewegungen wie «Occupy» wird eine Suchbewegung ausgehen. Gleichzeitig werden Vertreter schon vorhandener Konzepte wie Humanwirtschaftsbewegung, Grundeinkommen oder regionale Selbstversorgung versuchen, ihre Ideen in den Protestbewegungen zu verankern. Es entsteht eine fruchtbare Mischung aus Protest, Visionen und Projekten – vielleicht der Keim einer neuen Weltordnung.

Ende 2012 wird eine globale Politikerriege versammelt sein, in der man ausser Angela Merkel kaum mehr ein bekanntes Gesicht findet. Eine letzte Prophezeiung: Vielleicht werden in einem Jahr die Katzen jammern. Stellen wir uns vor: 2012 ist vorbei, die Welt ist nicht untergegangen und auch das Goldene Zeitalter lässt weiter auf sich warten. Es hat Veränderungen gegeben, aber gibt es die nicht in jedem Jahr? Muss dann ein neues Jahr in der Zukunft ausgewählt werden, auf das wir unsere Ängste und Hoffnungen projizieren können? Vielleicht wird die Ernüchterung auch heilsam sein. Wir können dann endlich überspannte Erwartungen loslassen und tun, was zu tun ist, um eine bessere Welt zu bauen.


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Die Bühne als Brücke vom ich zum du Wenn Autisten Theater spielen, müssen sie eiserne Grenzen überwinden. Das wirkt nicht nur heilsam, sondern über­ zeugt auch das Publikum und die Kritiker, wie das Beispiel der Münchner Theatergruppe «Phoenix aus der Asche» von Anne Ziegler-Weispfennig zeigt.   von Roland Rottenfußer

A Jeder besteht aus einem Parlament innerer Stimmen. Erich Fried

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utisten und Theater – das scheint ein Widerspruch zu sein. Autisten leben abgeschlossen in ihrer eigenen, für Aussenstehende abgeschlossenen Welt. Theater dagegen, das heisst lebhafte Kommunikation: mit Gesten, Blicken und Betonung. Es bedeutet Einfühlung in das Schicksal eines Fremden (einer Bühnenfigur). Und nicht zuletzt auch Textverständnis, wozu die korrekte Interpretation von Ironie und Doppelbedeutungen zählt. Fest steht, dass die Münchner Theatergruppe «Phoe­ nix aus der Asche», bis letztes Jahr bestehend aus neun Autisten, ihren Zuschauern immer wieder unvergessliche Kulturerlebnisse bereitete. Zum Beispiel 2004 mit einer Aufführung des Stücks «Das Tagebuch der Anne Frank». Kritiker Alexander Kinsky jubelte damals: «Die Beklemmung war spürbar in jeder Nuance dieser so grausam endenden Geschichte der Anne Frank. Kluge inszenatorische Einfälle geben der grossartigen Theaterstunde Impulse.» Auch der Theaterdichter Franz Xaver Kroetz, dessen Stück «Wildwechsel» die Truppe aufführte, zeigte sich beeindruckt. «Wie diese Leute mit Sprache umgehen, wie sie den Text umsetzen, das ist faszinierend.»

Man kann es als «Theaterwunder» preisen – oder schlicht als Zeichen dafür, dass autistische Menschen chronisch unterschätzt werden. Alles begann 1998 mit einem Gespräch zwischen der Mutter eines autis­ tischen jungen Mannes und Anne Ziegler-Weispfennig. Die war nach 30 Jahren als Theaterpädagogin beim Kreisjugendring München gerade in «Rente» gegangen. Sie stand zu dieser Zeit mit einem Kästnerprogramm auf der Münchner Kleinkunstbühne «Unterton». Dessen Leiter Jörg Maurer nahm die Gruppe auf. Anne ist heute 73 Jahre alt und von ansteckender Begeisterungsfähigkeit. Sie gehörte zu den Mitbegründern der Theaterpädagogik in München, hat selbst Schauspiel- und Regieerfahrung. Annes Vater wurde als Antifaschist von den Nazis verfolgt, konnte nach Kriegsende aber seine Kulturarbeit fortsetzen. Als man ihr vor 13 Jahren anbot, mit autistischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu arbeiten, hatte sie noch keine Ahnung von dieser Behinderung. Trotzdem war sie schon nach der ersten Begegnung mit fünf autistischen, theaterbegeisterten Jugendlichen neugierig geworden. Es war sofort Sympathie im Spiel, aber auch Ängstlichkeit auf Seiten ihrer Gesprächspartner. Vielleicht war es gut, dass Anne


Die Bühne als Brücke vom ich zum du

Unter höchter Anspannung: die Künstler am Werk.

den Autisten ohne Vorinformationen begegnete. Sie versuchte, dem Handicap nicht zu viel Gewicht bei ihrer Theaterarbeit zu geben. «Mensch ist Mensch, ob er ein schiefes Bein hat oder einen Redezwang. Ich will ja auch mit meinen Ecken und Kanten angenommen werden.» Bei dieser Arbeit standen nie die Defizite im Vordergrund, sondern Interesse und Begabung der Teilnehmer. Trotzdem war es natürlich notwendig, «die autistisch bedingten Schwierigkeiten zu beachten.» Dazu gehören eine ungewöhnliche Diktion sowie Probleme, einen Text zu lernen. Anne erlaubte den Jugendlichen daher zunächst, ihre Textbücher in der Hand zu behalten. Bildliche Sprache kann von Menschen mit dieser Behinderung nicht immer verstanden werden. Einem berufstätigen Spieler sagte sein Chef wegen eines kleinen Fehlers, er werde morgen ganz schön «im Regen stehen». Der junge Mann nahm es wörtlich und dachte, er werde einen Schirm brauchen. Solche Missverständnisse musste die Spielleiterin mit Geduld und Ernsthaftigkeit ausräumen. Für Autisten ist es besonders wichtig, dass Bewegungen, Sprechen und der Umgang mit Requisiten genau erklärt wird: «Ich nehme ein Glas in die Hand, blicke zu meinem Partner und schaue ihm dabei fest in die Augen. Dann beginne ich das Spiel, immer noch das Glas in der Hand und setze es am Ende des Textes ab.» Sich auf solche Regieanweisungen zu konzentrieren, stellt für Autisten eine enorme Konzentrationsleistung dar. Die Mitglieder von «Phoenix aus der Asche» bewältigten sie am Ende aber mit Bravour. Auch der Satz eines Berichterstatters wurde drei Jahre nach Gründung der Truppe wahr: «Irgendwann schmeissen sie die Bücher auch noch weg». Sogar mit ihrer Scheu vor körperlichen Berührungen lernten die SchauspielerInnen umzugehen. Jeder Mensch erwartet von den Künsten der Einbildungskraft eine gewisse Befreiung von den Schranken des Wirklichen. Friedrich Schiller

Die Auswahl der Stücke ist bei dieser besonde­ ren Zielgruppe wichtig. Sehr lange Texte sind nicht geeignet. Durch die feinfühlige Arbeit von Anne Ziegler-Weispfennig konnten im Theater sogar Themen angesprochen werden, von denen die Teilnehmer persönlich betroffen waren. Die Auswahl des Stücks

«Das Tagebuch der Anne Frank» war zum Beispiel Anlass für lebhafte Diskussionen. Gerade für diese Aufführung erhielt die Gruppe aber den «Stern des Jahres» der Münchner Abendzeitung. Die Auszeichnung galt auch ihrem Mut, sich als Behinderte solchen Themen zu stellen. Es ist ja bekannt, dass auch Menschen mit Handicap in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet wurden. In der offen geführten Diskussion wurde die Angst vor der Auseinandersetzung mit diesem Thema abgelegt. Die Spielfreude und die Leistungsbereitschaft der Teilnehmer waren während des ganzen Prozesses spürbar. Eine enorme Leistung war es für die Autisten, in der Regel überzeugte Einzelgänger, «sich dem Partner gegenüber solidarisch zu verhalten». Etwa, indem sie pünktlich und bemüht waren, sich ihre Stellungen und Stichworte auf der Bühne zu merken. Auch menschlich machten die Mitglieder der Theatertruppe während dieser 13 Jahre einen enormen Entwicklungsprozess durch. Therapie stand aber nie im Vordergrund, ergab sich quasi nebenbei. «Es ist gut, wenn die Pädagogik in die Inszenierung eines Stücks einfliesst, nicht umgekehrt.» Gerade dadurch fühlten sich die Mitspieler ernst genommen und konnten die Arbeit sichtlich geniessen. Wie alle Schauspieler lebt auch diese Theater­ truppe für den Applaus. «Denn genau durch diese grosse Herausforderung und den mit der Premiere erlebten Erfolg wird der eigentliche therapeutische Effekt erzielt.» Und der Erfolg ist der Gruppe treu geblieben, über dreizehn Jahre und in etwa 35 Aufführungen. Manchem Besucher dämmerte es, dass die Autisten dem Theater eine ganz eigene, faszinierende Färbung mitgaben. Friedrich Ani, Autor des von den «Phönixen» aufgeführten Stücks «Wie Licht schmeckt», staunte jedenfalls: «Es ist, als tauche plötzlich eine grosse, unbekannte Wahrheit hinter meinen Worten auf.» Nun ist zu hoffen, dass eine noch unbekannte Nachfolge auch für Anne Ziegler-Weispfennig auftaucht, die ihre Regiearbeit niederlegt, um wieder selber auf der Bühne zu stehen.

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ruhe Bitte Fünfzig Gedanken jagen uns pro Minute durch den Kopf. Bei einem solchen Bombardement für Stille zu sorgen, ist alles andere als einfach.   von Brigitte Müller Wenn ich eine Treppe hinaufgehe, zähle ich manchmal im Kopf die Schritte mit. Begegnet mir an der Tramstation eine schicke junge Mutter mit einem dieser modernen, monströsen Kinderwagen, denke ich: «Wie praktisch.» In meinem Kopf geht es oft recht laut zu und her. Früher gab es manchmal diese Augenblicke, nach denen meine innere Stimme sagte: «Hey, gerade habe ich ja an überhaupt nichts gedacht!» Was ich als eine Art Hirnstillstand deutete, faszinierte mich. Ein Gefühl, als ob die Zeit stehenbleibt. Aller Anfang ist schwer So richtig klar, wie viel Lärm dauernd in meinem Kopf herrscht – und wie wenig bewusst ich mir dessen bin – wurde mir an einem Sonntag vor ein paar Jahren. Um sechs Uhr morgens sass ich auf dem Boden, die Beine bequem im Schneidersitz verknotet, die Augen geschlossen. «Konzentriert euch auf eure Atmung. Nehmt jeden Atemzug bewusst wahr. Und lasst alle Gedanken, die aufkommen, vorbeiziehen», hörte ich die weibliche Stimme von vorne sagen. Es war das erste Wochenende meiner Ausbildung zur Yogalehrerin, die ganze Gruppe übte sich im Meditieren. Wie Sphinxen sassen alle mit geradem Rücken da, die Hände auf die Knie gelegt, die Bilder in sich gekehrter Gurus und Yoginis in unserem Kopf, die wir

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fleissig imitierten. Ab und zu hörte man ein Magenknurren, ansonsten Stille. Nur nicht in meinem Kopf. «Ist mein Bauch entspannt? Er fühlt sich nicht entspannt an. Einatmen. Ausatmen. Ich muss noch Milch einkaufen. Muss ich mir nachher ins Handy schreiben. Ich vergesse in letzter Zeit so viel. Obwohl, wenn ich es dann…» Ruhe da oben! Das hat doch jetzt gar nichts zu suchen hier. Kino im Kopf Hätten Sie mich vor jenem Morgen gebeten, mal für 20 Sekunden an nichts anderes als die Atmung zu denken, ich hätte gelächelt und mich gefragt, wo dabei die Herausforderung sein soll. Wie gesagt, vor besagtem Morgen. Seither übe ich mich ernüchtert mehr oder weniger regelmässig darin, bewusst die Bewegungen meiner Gedanken wahrzunehmen. Mich hinzusetzen für einige Minuten, am liebsten nach dem Yoga, wenn mein Körper vorbereitet ist auf die Meditation. Und einfach mal nur zu beobachten, was da an Gedanken und Emotionen hochkommt. Nicht immer Erleuchtungsmaterial, kann ich Ihnen verraten. Manchmal funktioniert das Meditieren ganz gut und ich schaffe es, mich für eine Weile auf eine Sache zu konzentrieren. Am besten funktioniert es mit der Atmung, indem ich jeden Atemzug bewusst wahrnehme. Es ist

wie Kino im Kopf, aber mit einer weissen Leinwand. Kommt ein anderer Gedanke dazwischen, lasse ich ihn auf der Leinwand wie eine Wolke weiterziehen. Und kehre so schnell wie möglich zur Atmung zurück. Aber es gibt auch Tage, da sitze ich ein paar Minuten, und schon plagt mich mein Rücken. Gedanken schiessen wie Pfeile hin und her. Es tut fast weh, diese Autobahn im Kopf. Manchmal schaffe ich, daraus eine ruhige Landstrasse zu machen. Manchmal stehe ich auch auf und lasse es für heute gut sein. endlich ruhe Heute versuche ich immer wieder bewusst, den Lärm im Kopf abzustellen. Indem ich mich einer Sache voll und ganz widme. Dem Artikel, den ich gerade schreibe. Dem schmutzigen Geschirr, das ich abwasche. Oder in dem ich einfach zwischendurch eine Minute lang bewusst atme. Das funktioniert am besten für mich. Ausserdem versuche ich, nicht zu werten, sondern mit einem positiven Grundgefühl an Menschen und Dinge heranzugehen. Je ruhiger es im Kopf wird, desto mehr bin ich im Hier und Jetzt. Und desto besser geht es mir. Dann lasse ich die Treppe einfach Treppe sein und helfe der jungen Mutter, Baby und Wagen ins Tram zu verfrachten.


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Horizonte erweitern

FranKoskop Gegen Manipulation und Entmündigung –   die Ungehorsamen werden aktiv.

Wie sollen seriöse Medien über umstrittene Themen berichten? Das Schlüsselwort heisst «ausgewogen». Das ist nur scheinbar hilfreich. Was heisst «ausgewogen»? Ist das politisch halb rechts, halb links? Zur Hälfte gegen Rassismus und zur Hälfte dafür? Und wie ist das bei wissenschaftlichen Fragen? Ist das Thema «Schädlichkeit des Rauchens» ausgewogen abgedeckt, wenn diese Schädlichkeit in der Hälfte aller Beiträge aufgezeigt und in der anderen Hälfte geleugnet wird? Diese Fragen stellen sich im Zusammenhang mit dem Buch «TV Lobotomie» von Michel Desmurget (éd. Max Milo, Paris). Der Autor ist Forschungsleiter im staatlichen medizinischen Forschungsinstitut INSERM. Er hat mehr als 4 000 wissenschaftliche Artikel zur Frage der Schädlichkeit des Fernsehens studiert und dabei unter anderem Folgendes festgestellt: Für einen Dreijährigen, den man täglich zwei Stunden vor den Fernseher setzt, verdreifacht sich die Wahrscheinlichkeit, dass er später übergewichtig wird. Eine Fünfzehnjährige, die regelmässig Serien wie Desperate Housewives sieht, verdreifacht damit ihre «Chance» auf eine frühzeitige unerwünschte Schwangerschaft. Ein Mann, der zwischen vierzig und sechzig täglich eine Stunde lang fernsieht, vergrössert sein Alzheimerrisiko um dreissig Prozent. Desmurgets Bilanz: Die Wissenschaftler auf der ganzen Welt sind sich praktisch darin einig, dass das Fernsehen in unserer Gesellschaft Verwüstungen anrichtet, und zwar zum Teil sogar unabhängig von den gezeigten Inhalten. Aber da die Medien, und insbesondere das Fernsehen, über diese Erkenntnisse «ausgewogen» informieren, wissen und glauben das die meisten Leute nicht. *** Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen Einsichten und dem folgenden Ratschlag, der sich an Unternehmer richtet? «Zielen Sie auf die Kleinen. Bereiten Sie ihre Zielscheibe vor. Markieren Sie sie

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von Ernst Schmitter

möglichst früh. Nur Kinder lernen gut. […] Die Zigaretten- und Süssgetränkehersteller wissen, dass ein Kind desto abhängiger wird, je früher es probiert. Die Neurowissenschaften haben den Unternehmen gezeigt, welches das ideale Alter ist, wo man bestimmte Dinge am leichtesten lernt.» Das Zitat entstammt dem Buch «Le neuromarketing en action – parler et vendre au cerveau» von Patrick Georges und Michel Badoc (éd. Eyrolles, Paris 2010). Wenn Sie überzeugt sind, dass Ihr Einkaufsverhalten vor allem vernunftgesteuert ist, sollten Sie dieses Buch nicht lesen. Es könnte Ihre Überzeugung ins Wanken bringen. Zum Beispiel haben die Neurowissenschaftler verstanden, dass wir uns besonders gern zu einem Kauf entscheiden, wenn wir uns dabei wohlfühlen. Kunden, die beim Kauf ein gutes Gewissen haben, sind deshalb sehr umsatzfördernd. Darum – und nicht nur aus ethischen Gründen – spielt der Handel mit fairen Produkten bei Grossverteilern eine immer grössere Rolle. *** In Frankreich gibt es mehr als eine Million Personen, deren DNA von der Polizei fichiert wurde. Wie ist so etwas möglich? Ganz einfach. Die Polizei hat sich für jede dieser Personen einmal interessiert und machte beim Verhör rasch einen Mundabstrich. Auch wenn sie später nicht gerichtlich verurteilt wurden, ist ihre DNA jetzt in einer zentralen Datenbank gespeichert. Gegen diese Praxis haben sich mit vielen anderen 34 «Faucheurs volontaires» gewehrt. Das sind Leute, die die Gentechnik in der Landwirtschaft bekämpfen, indem sie solche Kulturen zerstören und die darauf folgenden Gerichtsverfahren zur Information der Öffentlichkeit nutzen. Bei jedem von ihnen sollte im Laufe der polizeilichen Untersuchungen ein Mundabstrich gemacht werden. Das haben sie alle verweigert, womit sie sich strafbar machten. Aber unversehens sind nicht mehr sie die Angeklagten, sondern der französische Staat. Die 34 haben vor dem europä-


Frankoskop

ischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt. Das könnte für Frankreich peinliche Folgen haben. Das französische Aussenministerium hat ihnen darum einen vertraulichen Vorschlag zur gütlichen Einigung gemacht: Sie sollten ihre Klage zurückziehen und dafür vom Staat je 1 500 Euro erhalten. Das war wohl eine Fehleinschätzung des Gegners. Die 34 haben einstimmig abgelehnt. *** In Frankreich wie anderswo erstarkt gegenwärtig eine Protestbewegung gegen die wachsende Manipulation und Entmündigung, die uns von Wirtschaft, Politik und Medien zugemutet werden. Es ist die Bewegung der Gehorsamsverweigerer. In Grigny, einem Städtchen südlich von Lyon, fand im Oktober ein Forum des Ungehorsams statt. 600 Leute hörten sich die Kurzvorträge von Referentinnen und Referenten aus ganz Frankreich an. Diese berichteten von ihrem Widerstand gegen staatliche Willkür und gegen die Ansprüche der globalisierten Totalwirtschaft. Lehrer, Journalistinnen, Juristen, Landwirte, Sozialarbeiter, Wissenschaftler, DNA-Verweigerer tauschten ihre Erfahrungen aus und machten sich gegenseitig Mut. An den Bücherständen und an der Bar wurde in einer eigens für den Tag geschaffenen Währung bezahlt, dem Grigneuro. Im Vorfeld hatte die politische Polizei die Organisatoren gebeten, das Treffen abzusagen. Ohne Erfolg. Der Erfolg des Forums war hingegen so gross, dass das zweite schon angesagt ist, für September 2012, wieder in Grigny. *** Dank dem Hinweis eines aufmerksamen Lesers bin ich auf die Association Réséda in Argenteuil gestossen. Das ist eine Gruppe unabhängiger französischer

Indian. Spiritualität und schamanisches Heilen

Vernon Foster & Carlos Sauer 28. – 30. März 2012

Craniosacral Balancing Kavi Gemin & Bhadrena Tschumi Gemin Seminar 1 / Trainingsbeginn 11. – 18. Februar 2012

Verbindung mit der Familienseele

Francesca Mason Boring Systemaufstellungen 11. – 13. Mai 2012

Tanzend tausend Tode sterben Andreas Tröndle 5-Rhythmen-Workshop 26. – 29. Januar 2012

The Art of Being

Journalisten, die die Berichterstattung der Mainstream-Medien über die Banken- und Finanzkrise nicht mehr ertrugen. Sie haben ein Video produziert, in dem sie ohne Tabu über diese Krise und ihre Ursachen informieren. «Zeitpunkt»-Leserinnen und -Leser dürften beim Betrachten des Videos den Eindruck haben, ein französischer Geni Hackmann habe das Drehbuch geschrieben. Sehenswert! Gute Französischkenntnisse sind zum Verständnis nötig. www.youtube.com/user/M0neylefilm *** «Leben wir einfach, damit andere einfach nur leben können!» Dieses Gandhi-Zitat dient dem französischen Wachstumsverweigerer Clément Wittmann als Motto. Der 51-jährige Wittmann möchte 2012 Präsidentschaftskandidat werden. Sie haben richtig gelesen: Er hofft nicht, Präsident zu werden; aber er möchte kandidieren. Allein dazu braucht er bis Ende März die Unterstützung von 500 gewählten Politikern und Politikerinnen in Form ihrer Unterschriften. Er ist seit Mai 2011 per Velo unterwegs und besucht auf seiner Sammeltour etwa zehn Gemeindepräsidenten täglich. Er und seine Freunde fordern unter anderem die Einführung eines legalen Höchsteinkommens, den Austritt Frankreichs aus der EU, die Abschaffung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, den Atomausstieg für Frankreich. Wen wundert es, dass kein nennenswertes Medium ihm bisher Beachtung geschenkt hat! Von seinem Ziel der 500 Unterschriften ist er noch weit entfernt. Bescheiden, mutig, charmant, gibt Wittmann trotzdem nicht auf. Er hat nämlich eine heimliche Verbündete, die für ihn und sein Programm arbeitet: die Zeit. Kürzlich war er bei allen schweizerischen Décroissance-Gruppen zu Besuch. www.clementwittmann2012.fr

Erwartungen in Beziehungen – vom Frust zum Frieden Sneha Ziegler Lanz & Alexander Lanz Learning Love 2. – 4. März 2012

Wer bin ich wirklich?

Alan Lowen Body, Heart & Soul 1 25. Mai – 1. Juni 2012

Klaus Konstantin & Ursula Maria Auktor Tagesworkshops 31.3./1.4. 2012 Intensivworkshop 13. – 17. Mai 2012

Trance und Heilung

Making Love

Paul Carter Einführungsseminar 11. – 13. Mai 2012

Puja & Raja Richardson Tantra-Meditationsretreats für Paare Daten siehe www.waldhaus.ch

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Kurzmeldungen

Konferenz zum globalen Burn-out Die Welt ist im Umbruch. Immer mehr Menschen wird klar: So kann es nicht weitergehen. Eine dreitägige Konferenz bildet ein Forum für den Austausch zu Fragen wie: Wie begegnen wir als Individuen und Gesellschaften den sozialen Herausforderungen unserer Zeit? Wie unterstützen wir individuelle Veränderungsprozesse und Innovation in der Gesellschaft in Organisationen und Unternehmen?   Die Vision der dritten IAPOP-Konferenz (International Society for Process-oriented Psychology): zukunftsfähige Methoden zur Arbeit mit Spannungsfeldern zusammenbringen. In erfahrungsorientierten Workshops gilt es, neue Synergien zu finden. Die

Wir sind der Prozess

Er kann reden

Stellen Sie sich ein Orchester vor, das ohne Dirigent musiziert. Es gibt keine erste und zweite Geige: Jeder Musiker bringt seine Fähigkeiten und Kreativität ein, wobei er auf das hört, was die anderen einbringen. So entsteht ein einzigartiger Klangkörper, aus dem Hier & Jetzt. Die Musikgruppe «Spira Mirabilis» führte am WeltbürgerSymposium 2011 in der Villa Unspunnen vor, was die Teilnehmer und Referenten bewegte: «Prior Unity», die Einheit, die wir Menschen bilden und die schon immer bestanden hat. Die Referentinnen und Referenten schufen mit ihren Vorträgen zu Themen wie Gemeingütern, Lösungsfindung und globaler Spiritualität ein tieferes Verständnis für die Wichtigkeit globaler Kooperation. In der Gemeinschaft tragen wir Verantwortung für unsere (Um)Welt, denn jede Aktion hat Auswirkung auf das Ganze, wie uns die Quantenphysik lehrt. Was an diesem Symposium vor allem in Worte gefasst wurde, soll bei der «Prior Unity Summer School 2012» konkretisiert werden. BM

Georg Paulmichl ist Dichter. «Dichter sein ist ein feiner Beruf», sagt er selbst. «In der Werkstatt sind alles Behinderte. Ich bin nicht behindert, ich kann reden.» Wenn Georg Paulmichl nicht normal ist, dann ist er vor allem eines: Nicht normal gut! Über Jahre diktierte er seinem Betreuer Texte und sagte dabei herrliche Dinge wie: «Zuerst bin ich nicht auf der Welt gewesen. Da bin ich mit den Mücken geflogen.» Oder scharfsinnig: «Um Lehrer zu werden, muss man erst die Fahrschule machen, dann die Stirn runzeln.» Was, wenn ein «Behinderter» besser schreibt als ein «normaler» Autor? Wäre dann «so einer» nicht auch ein besserer Politiker, Philosoph oder Pfarrer?   Paulmichel jedenfalls macht sich über alles seine Gedanken. Sogar die kleine Schweiz hat er mit einem Text bedacht, darin steht u.a.: «Über der Schweiz kreisen die Adler, die Elstern und die Geier.» 1984 wurden die Texte des damals 24-jährigen Paulmichl in

Prior Unity Summer School 2012 vom 2. bis 8. Juli 2012 mit Annette Kaiser, Leo Burke und Monica Sharma. Villa Unspunnen, Wilderswil, Tel. 033 821 04 45, www.villaunspunnen.ch

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Referenten, darunter Wolf Büntig, Anna Gamma, Max Schupbach, Andi Gross und Sumaya Farhat-Naser kommen aus der Psychologie, der Friedens- und Konfliktarbeit, der Politik und Wirtschaft.   Den Teilnehmer erwartet ein Einblick in die Methoden zur Arbeit mit sozialen Spannungsfeldern, praktische Werkzeuge zur Arbeit mit Konflikten und Beziehungssituationen, Zukunftsstrategien zum Umgang mit Herausforderungen unserer Zeit sowie Reflexion der eigenen Arbeit und Standpunkte. BM IAPOP-Konferenz: 28. bis 30. April 2012 im Volkshaus Zürich Kontakt: Institut für Prozessarbeit, Binzstrasse 9, Zürich, Tel. 044 451 20 70; www.iapop-conference.org

der österreichischen Behindertenzeitschrift «los» veröffentlicht. Es folgte ein Buch mit dem Titel «strammgefegt», das neben Texten auch Bilder des jungen Künstlers enthielt. Obwohl es in keiner Buchhandlung zu kaufen war, ist es restlos vergriffen. Sollten Sie Ihre Familie heuer wieder mit Weihnachtsgeschichten gelangweilt haben, lesen sie doch nächstes Jahr einmal den Text «Georg ist ein Christ», in dem Ochse und Esel dem Christkind «die Windel warmhalten». SL

Georg Paulmichl: Verkürzte Landschaft. Texte & Bilder. Haymon-Verlag 1990, 98 Seiten, Fr. 35.90 / 19,90 Euro.

Für Könige und Krieger Muss spirituelle Musik immer entspannend und weich sein? Nein, hat ein Musiker gefunden und als Antwort das Projekt Viatores geboren. Entstanden ist «Donnerseele»: Eine CD, die «wie ein reinigendes Gewitter» wirken soll und ein Buch, das sich den einzelnen männlichen Archetypen widmet. Mit Trommeln, Handclaps, Rasseln und anderen Instrumenten sowie Schamanengesang

und Mantras werden der Liebhaber, Krieger, Magier, Jäger, Sammler, Grüne Mann, König, der Narr und der Weise hervorgelockt. Damit steht einem Ausflug in die männliche Spiritualität nichts mehr im Weg. BM Viatores: Donnerseele. Eine Trommelreise zu den männlichen Archetypen. Buch (48 S.) & CD (69 min). Arun Verlag 2011, Fr. 29.90 / 19,95 Euro. Viatores live: http://bit.ly/sNGyMf


Horizonte erweitern

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Eine spezielle Atmosphäre erwartet Sie in zwei typischen, stilvoll renovierten Tessinerhäusern aus dem 18. Jh. Hier entspannen Sie sich in gepflegten Räumen (15 individuelle Zimmer, nach Trauben oder Kräutern benannt), in hellen Loggias oder an offenen Kaminen. Eine herrliche Terrasse lädt zum Verweilen ein. Das reichhaltige Frühstück – selbstgebackenes Brot, Zopf und andere Leckereien – wird in der Tessinerküche serviert. Gelegen am Fusse des Mte. Lema (Gondelbahn), inmitten eines wildromantischen Wandergebietes, bieten sich Ihnen vielfältige Freizeitmöglichkeiten.

La Gomera Travel Service Las Cabezadas No. 3 E-38820 Hermigua Tel. und Fax +34 922 14 41 00 info@travel-gomera.com www.travel-gomera.com

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Religion und Kultur Seit 50 Jahren organisieren wir Pilgerfahrten und Kultur-Reisen. Wir sind der einzige Anbieter von Direktflügen Zürich-Lourdes-Zürich. Mit Begleitung von Redemptoristen-Patres. Unsere Reisepalette bietet u.a. Malta, Jordanien, Heiliges Land, Rom, Türkei, Portugal. Alles auf kirchlicher, gemischter oder rein kultureller Basis. orbis-Spezialität: Organisation von Pfarrei-Reisen.

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Kurzmeldungen

Das Restaurant im Mehr-GenerationenHaus

Geschichten aus dem Leben

In Winterthur ist ein Mehrgenerationenhaus im Aufbau. Ab 2013 sollen im Neuhegi-Quartier auf ungefähr 15 000 Quadratmetern Menschen unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Lebensformen vertreten sein. ‹Die Giesserei – das Mehr-Generationen-Haus›, ist ein Projekt der Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen, Gesewo.   Neben Wohnungen, Geschäftsräumen, Ateliers, einer Werkstatt und einer Kinderkrippe darf auch ein Restaurant nicht fehlen, das neben biologischem Essen auch Kultur anbietet. Für den Betrieb des Restaurants wurde die Genossenschaft ‹Arbeiten in der Giesserei› gegründet, die noch Mitglieder sucht. «Wer Hunger hat nach Fair-Trade- und saisonaler Bioküche, zubereitet und serviert von einem Gastgeberkollektiv, der kann sich als Genossenschaftler an seiner künftigen ‹Lieblingsbeiz› beteiligen», steht auf der Webseite, wo auch weitere Informationen zum Projekt zu finden sind. SAM

So vielfältig wie die Menschen selber sind auch ihre Geschichten. Die persönlichen Erzählungen sind es, die uns einander näher bringen. Erzählabende, wie sie früher in den Wohnzimmern regelmässig stattfanden, kennen viele nur noch vom Hören sagen. Mit dem Erzählcafé in Zürich wurde eine Plattform für Geschichten aus dem Leben geschaffen. Die Idee der Erzählcafés stammt aus Berlin und wurde nach dem Mauerfall ins Leben gerufen. Nach der Teilung war es wichtig, dass sich die Ost- und Westberliner wieder kennenlernten. Die dazu veranstalteten Treffen waren so erfolgreich, dass sie mittlerweile in ganz Europa nachgeahmt werden und so die vergessene Erzählkultur wieder aufleben lassen.

Genossenschaft ‹Arbeiten in der Giesserei›, Etzbergstrasse 19a, 8405 Winterthur, Tel. 052 235 03 13, www.genossenschaftgiesserei.ch

Einmal im Monat findet im Zentrum Karl der Grosse in Zürich ein Erzählabend statt, geleitet von den Schauspielern Denise Meili und Mathias Kippe. Vorgegeben sind das Thema und die Tradition, wonach der Überraschungsgast den Abend mit einer passenden Geschichte eröffnet. Zum Beispiel zum Thema «Abschied» oder «Erste Liebe». Auf diese erste Erzählung folgen oft einige Sekunden Schweigen, jeder Gast tut sich anfangs etwas schwer damit, einfach zu erzählen. Doch bald ist die Ruhe durchbrochen, der Erzählabend nimmt seinen Lauf. Jedes mal anders, unvorhersehbar, so wie auch die Geschichte jedes Einzelnen. BM Erzählcafé, immer am letzten Dienstag im Monat um 18.30 Uhr im Zentrum Karl der Grosse, Zürich. www.erzählcafé.ch 31. Januar 2012, Thema «Fotos»; 29. Februar 2012, Thema «Waschtag»

Am Krisenherd: Ferien für Gelangweilte

Macht Sinn:   Die Sinn-Stiftung

Nach Jahren in der Versenkung war der Irak dieses Jahr wieder an der Tourismusmesse in Berlin. Wo die meisten nur noch weg wollen, wollen tatsächlich einige hin. Auch ein Schweizer Reiseveranstalter hat Lunte gerochen und bietet einen 45-tägigen Trip durch Irak, Iran und Afghanistan an. Man muss sich etwas einfallen lassen, will man der begüterten Klientel, die schon überall war, noch etwas bieten. Derzeit besonders beliebt: «Terrortourismus», wie es Freizeitforscher Horst Opaschewski nennt, also Reisen in Gebiete, welche die meisten von uns nur aus der Tagesschau kennen. Wer dort hinfährt ist entweder Journalist, Arzt oder ein Wahnsinniger. Da es gerade von Letzteren immer mehr gibt, schrieb Rosie Garthwaites das «Handbuch für die gefährlichsten Orte der Welt». Wer also seine Ferien in Caracas (tausende Entführungen jährlich) überleben möchte, tut gut daran, ihre Tipps zu befolgen, denn die Journalistin weiss wovon sie spricht. Mit

Viele Erwachsene haben sich daran gewöhnt, «in den Stollen» arbeiten zu gehen. Acht-Stunden-Tage am Bildschirm sind längst keine Ausnahme mehr. Statt ihre wenige Freizeit im Wald oder in den Bergen zu verbringen, surfen sie im Internet oder grasen die Geschäfte nach neuen Gadgets ab.   Vergessen, was einem gut tut, ist zu einer Zivilisationskrankheit geworden. Bei Kindern nennt man es das Natur-Defizit-Syndrom. Eine Entfremdung vom Natürlichen – von sich selbst. Das «Netzwerk Aktivhöfe» der Sinn-Stiftung steuert diesem Trend entgegen: Hier können die Kinder erleben, was es heisst, Regen auf der Haut zu spüren, ein Kälbli zu streicheln oder auf einen Baum zu klettern. Einbezogen in tägliche Arbeiten lernen die Kinder, sich selbst als einen Teil der Gemeinschaft wahrzunehmen und Verantwortung zu übernehmen. Während sie eine anfangs fremde Lebenswelt entdecken, nähern sie sich in Wirklichkeit ihrem eigenen gesunden Kern. In Deutschland gibt es rund 20 «Aktivhöfe», vier davon werden von der Sinn-Stiftung selber betrieben. SL

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militärischer Grundausbildung folgte sie der britischen Armee nach Basra, wo sie für die Nachrichtenagentur Reuters arbeitete. Heute produziert sie in Katar das englischsprachige Programm von Al Jazeera. Für ihr Buch hat sie die Erfahrung von 30 Berufskollegen, medizinischem Personal und Mitarbeitern von NGOs in Krisengebieten zusammengetragen. Gegen DritteWelt-Abenteuertourismus hat Garthwaite übrigens nichts einzuwenden, dieser käme ja der lokalen Wirtschaft zugute. Was in einer «Notfalltasche» sein sollte, weshalb man in einem «Schrottflieger» am besten möglichst weit hinten sitzt und warum sich Reisende nachts in ein Tuch einwickeln sollten, können Sie im Buch nachlesen. 30 Prozent des Buchhonorars will die Autorin an «Ärzte ohne Grenzen» spenden. SL Rosie Garthwaite: Handbuch für die gefährlichsten Orte der Welt. Bloomsbury Verlag 2011, 320 Seiten, Fr. 30.00 / 19,90 Euro. Quelle: BaZ

Sinn-Stiftung, Alte Spellerstr. 33, D-33758 Schloß HolteStukenbrock, Tel. +49 89 72 62 67 66. www.sinn-stiftung.eu


Horizonte erweitern

Agenda 21. Januar 2012

WACHSTUMSWAHNSINNLOSWERDEN

Tour de Lorraine 1. Block Workshop 13.30 – 15.30 Uhr 2. Block Workshop 15.45 – 17.30 Uhr Progr, Waisenhausplatz 30, 3011 Bern Eintritt: Kollekte / Abendprogramm: Fr. 25.www.tourdelorraine.ch

28. Janurar 2012

EnergieGenossenschaft Schweiz

Gründungsveranstaltung 14.00 Uhr an der Kirchgasse 15 in Olten

28. Januar 2012

Eigentum & Freiheit Eine Tagung für kritische Geister.

9 bis 17 Uhr, Campus Muristalden, Bern Referenten: Philippe Mastronardi/Peter Ulrich, Alexander Dill, Raimund Rodewald, Udo Herrmannstorfer, Ernst Waldemar Weber. Workshops, Diskussion, Podiumsgespräch. Infos/Anmeldung: www.nwo-belcampo.ch. NWO-Stiftung Belcampo, Räbacher 2, 8143 Stallikon. Veranstalter: NWO-Stiftung Belcampo.

9. bis 11. März 2012

Forum Regiotop2: Regionale Selbst­ versorgung Ilfiszentrum, Langnau Mit Nils Aguilar, Willi Krafft, Anton Küchler, Michael Pfeuti, Elsi Reimann und Bernd Senf. Veranstalter: Verein Regiogeld, Bärau. www.regiogeld.ch Weitere Infos: www.regiotop2.ch

1. – 4. März 2012

Lebenskraft 2012 – Wege in die Neue Zeit

Messe und Kongress für Bewusstsein, Gesundheit und Spiritualität Kongresshaus Zürich www.lebenskraft.ch

Eine wachsende Bewegung setzt sich für eine bedarfsorientierte, solidarische Ökonomie ein. Mit zahlreichen Workshops, Film- und Diskussionsveranstaltungen will die 12. Ausgabe der Tour de Lorraine dafür eine Plattform bieten. Eine breite Vielfalt an Workshops wird angeboten: «Die hohe Qualität der 2000Watt Lebensweise» mit Vertretern der AG Nachbarschaften von Neustart Schweiz, «Ende des Wachstumsträgers Erdöl – was nun?» von Décroissance Bern, «Die Folge-

erscheinungen des Geldsystems» von ATTAC Deutschland, über «bazore – Zeit tauschen in Bern», «Landwirtschaft als Care-Arbeit» von WoZ-Redakteurin Bettina Dyttrich sowie «Die Weltwirtschaftskrise: Konsequenzen und Perspektiven» gehalten von dem Autor und Historiker Karl-Heinz Roth, um nur einige zu nennen. Das Reitschule Kino zeigt unter anderem die Schweizer Premiere des Filmes «Die Ökonomie des Glücks». Wie gewohnt steigt am Samstag Abend das grosse Fest in diversen Lokalen dies- und jenseits der Lorrainebrücke mit vielen Konzerten und DJs.

Die Arbeitsgruppe «Statuten final» lädt Sie zur Gründungsversammlung der Energie Genossenschaft Schweiz ein. Die Genossenschaft hilft aktiv mit, den Anteil an erneuerbarer Energie in der Schweiz zu vergrössern und dies auf Kosten der fossilen / atomaren Energie, jedoch nicht, um den Energiekonsum noch mehr zu steigern. Eigentum und Freiheit Die Welt ist aus den Fugen. Kaum ist eine Krise halbwegs bewältigt, bricht die nächste aus. Staaten und Banken taumeln zwischen Prosperität und Pleite. Die sozialen Gegensätze verschärfen sich. Das gefährdet den Bürgerfrieden und die Existenz. Höchste Zeit, sich grundsätzliche Gedanken zur Zukunft zu machen.

Die NWO-Stiftung Belcampo – eben aus der Fusion zweier bodenreformerischer Stiftungen entstanden – lädt Interessierte zum Nachdenken über mögliche neue Eigentumsordnungen ein. Einen ganzen Samstag lang setzen sich kritische Geister mit diesem Themenkreis auseinander. Es ist den Veranstaltern gelungen, dafür Referenten zu gewinnen, die Workshops leiten. Die Tagung findet am 28. Januar 2012 im Campus Muristalden Bern statt.

Im Forum regiotop vom Mai 2008 ging es darum, die Fehler im Finanzsystem und der Politik bekannt zu machen und Alternativen aufzuzeigen. Im Forum regiotop2 wird der Fokus konkreter: Wie kann eine Gemeinde einen Selbstversorgungsgrad und eine Elastizität entwickeln, die eine gesunde Stabilität und Unabhängigkeit – auch in Krisen – gewährleisten? Schwerpunktthemen des Forums sind Geld, Lebensmittel und Energie sowie der Open Source-Ansatz zur Realisierung eines derartigen Wandels.

Jedermann/Jedefrau ist herzlich willkommen. Es werden keine Eintrittspreise erhoben, obwohl auch dieser Anlass natürlich einiges kostet, vorfinanziert durch das Organisationsteam. Freiwilliger Austritt: Jedermann/ Jedefrau entscheidet beim Verlassen des Forums selber über die finanzielle Beteiligung. Auch die Referenten werden nach dem Motto bezahlt: «Was brauche ich, damit ich diese Leistung erbringen kann und will?»

Neben der Ausstellung mit 150 Ausstellern werden viele kostenfreie Vorträge angeboten über Ernährung, Gesundheit, Körpertherapien und Spiritualität wie auch HealingEvents. Dem Thema 2012 widmen sich an der Lebenskraft hochkarätige Referenten wie Dieter Broers, Dr. Michael König und Karin Tag.

Weisheitslehrer, Wissenschaftler, Schamanen und Heiler bieten während 4 Tagen ein Feuerwerk an Veranstaltungen – Schwerpunkte sind Bewusstsein, Lichtkörper, Heilung, Lichte Welten. Öffnungszeiten: Do 17-21 h, Fr 11-21 h, Sa 11-21 h, So 11-17 h

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Leserbriefe

Leserbriefe@zeitpunkt.ch Immer eine Freude Es ist immer eine Freude, wenn der neue Zeitpunkt im Briefkasten ist: interessant, provokativ, spannend und ermutigend. Danke! Eva-Maria Conod, Zürich Enorme Sprengkraft Was ist wirklich? ZP 116 Die neue Ausgabe hat eine solche Sprengkraft für mich, es ist nicht zu sagen. Vieles, an dem ich seit Jahren herum denke, findet hier seine Antworten. Alles beginnt sich zusammenzureimen. Wenn sich die Wirklichkeit den Möglichkeiten fügt, dann kann man über Wasser gehen, oder? Dann ist Heilung kein Irgendetwas, sondern einfach logisch. Wie radikal, wie kräftigend, wie erfreuend! Es ist nicht zu sagen, wie glücklich ich bin! Petra Schelling, Bern Das Problem verfehlt Denkverbote auflösen, ZP 116 Ich muss mich über die unkritische Berichterstattung über EcoPop wundern. Wenn überhaupt, müsste man zur Senkung des globalen Bevölkerungswachstums doch eher Leute in die Schweiz reinholen, wo sie Zugang zu Mitteln der Familienplanung haben. Das ist keine langfristige Lösung, aber es ist besser, als wenn keiner käme und das Problem noch weiter weg erscheint, als es das sowieso schon tut. Die Migration ist die Verteilung von Menschen und Werten vom Ort A nach Ort B. Dadurch entsteht keine höhere Umweltbelastung. Wenn wir weniger Umweltschäden wollen, brauchen wir mehr Menschen, die auf ihre Umwelt achten und müssen grüne

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Technologie für mehr Menschen verfügbar machen – und wenn es dafür nötig ist, dass sie in die Schweiz kommen. Wenn wir weniger Bevölkerungswachstum wollen, brauchen wir mehr Menschen, die ihre Familienplanung bedacht und mit den nötigen Mitteln vornehmen (können) und müssen diese Mittel und das Wissen für mehr Menschen verfügbar machen – und wenn es dafür nötig ist, dass sie in die Schweiz kommen. Neben Kritik muss ich auch Lob aussprechen: Der Artikel zur ‹Illusion des Geldes› ist sehr gelungen und hat mir ein zustimmendes Lächeln auf die Lippen gezaubert. Dieses Lächeln, wenn einer etwas geschrieben hat, dass man schon die ganze Zeit gedacht hat, aber nicht konkret formulieren konnte. Michael Waßmann, Landsberg D Perfide Verblendung Denkverbote auflösen, ZP 116 Ich bin, gelinde gesagt, empört über das Interview mit Alec Gagneux zur EcoPopInitiative. In einer Zeitschrift, die sich gerne in die alternativ-anarchistisch-konstruktivradikal-skeptisch-gerechte Ecke stellt, ist für mich eine derart perfide Verklärung einer Initiative, welche die Brutalität unserer Kultur zementiert, unverdaulich. Das hat nichts mit ‹Meinungsvielfalt›, ‹Ideenoffenheit› oder ‹Denkverbot› zu tun, sondern ist schlicht und einfach eine perfide Verblendung. Enttäuschend. Johannes Bühler, Thunstetten Geld verschenken – eine alte Tradition Die Illusion des Geldes, ZP 116 Ihr Tipp, Geld zu verschenken besitzt eine über zweitausendjährige Tradition. Im Thomas-Evangelium heisst es: «Wenn ihr Geld habt, verleiht es nicht gegen Zinsen, sondern gebt es dem, der es nicht zurückgeben wird.» Die ‹frommen› Christen delegierten das Geldverleihen gegen Zinsen dann einfach an die Juden und brachten letztere dafür auch noch um. Aber das spricht ja

nicht gegen das Geld-verschenken. Christine Steiger, Esslingen Gott als geheimnisvoller Prozess Was ist wirklich? ZP 116 In einem Punkt stimme ich mit Marcel Geisser in dem Artikel: ‹Eine beständige und absolute Wahrheit› überein: Wahrheiten sind durchsichtig wie Glas; veränderlich und immer wieder neu. Doch dass es keine ewige Seele gibt, das ist nicht richtig. Der Begriff Seele kommt aus dem griechischen von ‹Psyche› und seine Grundbedeutung ist ‹Hauch, Energie›. Wenn sich unter Seele allerdings nur eine menschliche Eigenschaft vorgestellt werden kann, lässt das nur einen falschen Schluss zu. Auch ‹Gott› ist keine Person, sondern ein geheimnisvoller Prozess Erst wenn man sich von der Vorstellung trennt, dass ein Mann die Welt geschaffen hat, wird auch die faszinierende Botschaft verstanden werden, die uns Hochkulturen lange vor der neuen Zeitrechnung in Bauten, Symbolen, Hieroglyphen, Runen, Glyphen usw. hinterlassen haben. Renate Humbel, Fahrwangen Verrücktheiten werden mit der Zeit langweilig Nachruf auf Geni Hackmann, ZP 116 Das ist aber schade, dass Sie den Geni Hackmann zu Grabe tragen. Ich gehöre tatsächlich zu jenen Leuten, die immer zuerst die letzten Seite aufgeschlagen haben. Aber ich habe auch Verständnis für diesen Schritt. Auch für mich wurden die Verrücktheiten der Geldpolitik und -wirtschaft, die mich früher so fasziniert und entsetzt haben, mit der Zeit langweilig. Aristoteles hat nicht geglaubt, dass es Veränderung von Veränderung gibt, nur Veränderung von Dingen. Wir erleben heute, wie sich alles verschiebt, alles verändert, und wir fürchten uns, dass es sich bald überschlagen könnte. Johannes Mahler, Rüti/ZH


Leserbriefe

Als nächstes die Währungsreform Die Illusion des Geldes, ZP 116 Eine der besten Zeitpunkt-Ausgaben, vor allem die Illusion des Geldes. Während die Steuerzahler Milliarden in dieses total kranke Bankensystem pumpen, müssen die Banker ihrerseits in den allermeisten Fällen keinen Rappen zurückzahlen, wenn sie uns Bankkunden «Buchverluste» und «Währungsverluste» einfahren. Das ganze System ist auf einem Mega-Betrug aufgebaut. Ich denke, dass eine Währungsreform das nächste ist. Leider beschränkt auch der Zeitpunkt fast alle Zusatzinformationen auf die Angabe von www-Adressen. Ich habe keinen PC, und will auch keinen. Beatrice Imhof, Aeschi Ein Geni-Streich… … das mit dem Hackmann. Rose Marie Gasser Rist Waffenexport ist illegal Es wird in den Medien darüber berichtet, wie viele Tote die Aufstände seit Beginn der Unruhen in Nordafrika und im Pulver-

fass des Nahen Ostens gefordert haben. Erwähnen müsste man auch, dass dennoch die Kriegsmateriallieferungen sowohl an Bahrein wie an Saudi-Arabien in diesem Jahr fortgesetzt wurden. Vom Januar bis September 2011 wurden von der Schweiz nach Saudi-Arabien für 20 186 472 Franken Rüstungsgüter exportiert, nach Bahrein für 159 476 652 Franken. Waffenexporte an Staaten wie Bahrein und Saudi-Arabien, die eine Demokratiebewegung mit Waffengewalt niederschlagen, sind illegal. Das ist genau so illegal, wie wenn ich einige Revolver an Kriminellen verkaufe. 70 Experten in Völkerrecht und Strafrecht stellten vor zwei Jahren fest, dass ein Kriegsmaterialexportverbot, wie es in der Kriegsmaterialverordnung festgeschrieben ist, für Länder besteht, die «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt» sind. Saudi-Arabien, Bahrain, den Emiraten, Pakistan und den Nato Staaten die in Afghanistan Krieg führen, dürften daher keine Waffen verkauft werden. Heinrich Frei, Zürich

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Verlosung von 5 × 2 Tickets für Kodo,   die Trommelkünstler aus Japan Kodo, die Pioniere der japanischen Trommelkunst kommen vom 22. Februar bis 3. März in die Schweiz. Im Rahmen ihrer «One Earth Tour», mit der sie seit 1981 weltweit gastieren, treten die Künstler im KKL in Luzern und im Auditorium Stravinski in Montreux auf. Kodo bedeutet «Herzschlag» und «Kinder der Trommel». Die Männer und Frauen von Kodo leben gemeinsam auf der Insel Sado im japanischen Meer. Vor vierzig Jahren hat sich eine kleine Gruppe von Künstlern mit dem Ziel zusammengetan, ihre traditionellen Wurzeln und Werte zu erforschen. Sie liessen die Geschäftigkeit der Grossstädte hinter sich und reisten in den Norden Japans. Auf der Insel Sado – früher Exil für in Ungnade gefallene Aristokraten, Schriftsteller und Künstler – fanden sie ein verlassenes Schulhaus. Hier fingen sie an, das älteste Instrument der Welt zu spielen: die Trommel (taiko). Das Spielen der Taiko, die zwischen 20 und über 100 Zentimeter Durchmesser hat, wurde zur Lebenseinstellung und ethischen Lebensform, getragen von Respekt für Tradition und einem Leben in Einklang mit der Natur.

Um ihre Ausdauer zu trainieren, rannten die Künstler grosse Distanzen durch Bambuswälder und Reisfelder. Der kreative Lebensstil inspirierte weitere Menschen, nach Sado zu ziehen. Die Künstlergemeinschaft vergrösserte sich im Laufe der Jahre, man baute ein eigenes Dorf, Kodo Village. Seit 1981 nennt sich die Gruppe Kodo. Der Name ergibt sich aus der Verbindung der japanischen Schriftzeichen ko (Trommel) und do (Kindheit). Es steht für die Verpflichtung zur Einfachheit und Rückkehr zu den Wurzeln und kann als Herzschlag verstanden werden, als Urrhythmus des Lebens. Der Zeitpunkt verlost 5 × 2 Tickets für die Premiere am Mittwoch, 22. Februar 2012 im KKL Luzern, Beginn um 19.30 Uhr. Senden Sie uns bis 20. Januar 2012 eine Postkarte oder eine E-Mail an mail@zeitpunkt.ch mit Ihrer Adresse und Telefonnummer. Die Gewinner werden benachrichtigt. Mehr Informationen: www.kodo.ch Zeitpunkt 117 65


20 Jahre Zeitpunkt

20 Jahre Zeitpunkt – was gibt es alles zu feiern? An dieser Stelle erschien bis vor kurzem eine Rubrik, die es schon vor zwanzig Jahren im allerersten Zeitpunkt gab, die «brennenden Bärte». Die Kolumne meines geliebten Freundes und alter egos Geni Hackmann war mein Lieblingsgefäss. Sie verstehen, dass ich trotz Jubiläum nicht in Feierlaune bin, wenn ich mich jetzt statt seiner an dieser prominenten Stelle an Sie wenden darf. Aus der Hackmann-Fankurve kam der Vorschlag, ihn doch zu channeln. Ein Pseudonym, das aus dem Jenseits weiterschreibt – das ist vielleicht orginell, aber doch zu kompliziert, um von neuen Lesern verstanden zu werden. Nichtsdestotrotz haben wir einen Probetext in Auftrag gegeben und der beginnt so: «Irgendwo muss noch Klartext stehen in diesem Heft, hat der Chef gesagt. Deshalb wurde mir nahegelegt, doch einer Idee eines Fan-Lesers nachzukommen und mich channeln zu lassen. Für alle, der Esoterik grundsätzlich abgeneigten Menschen: Channeln ist die Übertragung von Informationen aus dem Jenseits. Wie das geschehen soll, ist umstritten. Ich kann Ihnen allerdings versichern: ich schreibe selbst, die Tastatur bedient ein anderer. Vermutlich hat man mich sterben lassen, weil ich den Klartext-Faktor so hoch hätte schrauben müssen, dass meine Texte nicht mehr in diese Gutmenschen-Postille gepasst hätten. Diese unglaubliche Angst vor Buchstaben! Diese Sucht nach Seelenbalsam!» So weit Geni Hackmann. Falls wir eine respektable Zahl von Zuschriften Der erhalten, die eine Fortsetzung wünun kt p t i e schen, werden wir den Antrag an der Z e n äc h s t nächsten Redaktionssitzung wohlwol. n e h ac Selber m , Dinge selber lend behandeln und weiterleiten. nde en de s iele Gr ü g v e t w ib r g u Es ht n u ns Und jetzt zur Verlagsmitteilung, hen. Nic machen ir z u m ac w – f ühls r. Wir e e als die dieser Text ursprünglich ge­ G ig n g e n t ä gu bh und ihr uch una r a plant war. Sie können sich vorstellen, e it h c m a a m d er ng nen Selb m se t z u h dass ich als chronisch unzufriedener U I r n u e z ll s te ? e bis chichte s der Ide Mensch kein Zeitpunkt-Jubiläum feie n G o r v e g Ih r We g t n ac h n ern kann. Aber es sind jetzt Leute ie li S K n . e r vo eld Da n n m u nt e r r auf der Redaktion, die durchaus a u n a J am 15. .ch. t ein gutes Fest auf die Beine stellen k n u sich bis p n@zeit können. Vorgesehen ist ein Wochenredaktio ende mit Workshops, Open Space,

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einer Vollversammlung, Musik und Tanz und gutem Essen – mit originellen Beiträgen aus dem Leserkreis, interessanten Begegnungen, guter Stimmung und möglichst kostenlos. Falls Sie einen Workshop anbieten können, senden Sie bitte eine kurze Mail an redaktion@ zeitpunkt.ch und reservieren Sie sich vor allem das Wochenende vom 23./24. Juni. Den geeigneten Ort haben wir noch nicht gefunden. Das Fest ist jedoch nur der kleinere Teil des Jubi­ läumsjahres. Mit 20 Jahren ist der Zeitpunkt endlich erwachsen und das bedeutet vor allem Arbeit. Unter anderem möchten wir das Informationsangebot ausbauen und vor allem vertiefen. Um unsere Präsenz in den wachsenden Wäldern, d.h. bei den vielen Projekten einer neuen Kultur der Kreativität und der Kooperation zu verbessern, suchen wir Leserinnen und Leser, die gerne für den Zeitpunkt schreiben. Dazu bieten wir am 25. Februar 2012 in Solothurn einen Workshop «Die Nachricht, Grundlage der journalistischen Arbeit». Der Ausbildungstag ist kostenlos, wir erwarten auch nicht unbedingt eine Mitarbeit beim Zeitpunkt. Aber Sie müssen sich vorbereiten. Im weiteren suchen wir einen Webmaster (ca. 30 Prozent) für die ZeitpunktWebsite, die wir zu einem besseren Nachrichtenportal und zu einem Vernetzungsinstrument ausbauen möchten. Anforderung: Internet-know-how, Sprachsicherheit, Humor. Und schliesslich bieten wir noch eine Stelle für ein Redaktionspraktikum (ca. 30 Prozent). Hier sind die Anforderungen weniger spezifisch, aber auf jeden Fall hoch. Sie sehen, es wird weniger gefeiert, als vielmehr gearbeitet. Das macht mindestens so viel Spass. Noch eine Personalie: Mathias Stalder bricht Ende Januar zu neuen Ufern auf (siehe S. 20) und übergibt seinen Posten als Anzeigenleiter an Cecile Knüsel, die von der WoZ zu uns stösst. Ich danke Mathias für seine tolle Arbeit und wünsche Cecile viel Freude in unserem Bonsai-Konzern. Der Zeitpunkt wird dadurch weiblicher. Das ist in diesen Zeiten sicher kein Nachteil. Christoph Pfluger, Herausgeber Die Nachricht, Grundlage der journalistischen Arbeit. Praxis-Workshop für Menschen, die für den Zeitpunkt schreiben möchten. Solothurn, 25. Februar 2012. Kostenlos. Leitung: Christoph Pfluger. Anmeldung bis 31. Januar 2012. Zeitpunkt Jubiläumsfest: 23./24. Juni 2012. Ort noch unbestimmt.


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