Youngspeech Magazin #10 (2015)

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! JU BI LA TE

Ausgabe Juli 2o15

#10

Ausdrucksstark! Volker Bruch im Interview

Paule heißt er…

…Fußballer-Fragen

Alkohol & Anekdoten Feiern mit uns und in Magdeburg

KSK-Einsatz Lexy & K-Paul All Inklusion

Hypezig!

Vleischige Vreude! Mondmusik

Leipzig im Wandel

Alle mit dabei!

Szenemagazin Halle/Saale Magdeburg


2015 by Robert Thiele

Impressum Chefredaktion: Andreas Lilienthal V.i.S.d.P.

Stellvertretende Chefredaktion: Christian Geipel Art Director:

Jörn Rohrberg // http://www.mfjweb.de

Produktionsleitung: Andreas Lilienthal, Jörn Rohrberg Covergrafik: Robert Thiele // fb.com/thielebobarts

Redaktion: Christian Geipel, Dominik Grittner, Sophie Hubbe, Laura Kapitza, Marcus Lahn, René Lehmann, Lisa Schliep, Maria Urban, Julia Wartmann, Hans-Ulrich Werchan

Herausgeber: Youngspeech Media e.V. Gräfestraße 21 06110 Halle (Saale) info@youngspeech.de

Fotoredaktion: Sebastian Ahrens, Nilz Böhme, BERGBRAND (bergbrand.de ), Fabian Bennecke , Marcus Lahn, F.C. Hansa Rostock, Juliane Schulze, Heike Steinweg Grafiken: Jörn Rohrberg, Maria Urban

Anzeigenredaktion: anzeigen@youngspeech.de Youngspeech Medienverlag GbR Magdeburg & Halle (Saale)

Lektorat: Annekathrin Rücker

Druck: WIRmachenDRUCK GmbH Mühlbachstr. 7 71522 Backnang


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Editorial

10 10 10 10 10 10 10 10 Geschätzte Youngspeech-Leser, vielleicht war es nicht die klügste Idee, im Jahr 2009 ein neues Magazin an den Start zu bringen. Aus einer Schnapslaune heraus sicherten wir uns die Domain Youngspeech.de und waren fortan gezwungen, dem Namen mit Inhalten gerecht zu werden. Als wir den Weg zur Printausgabe wagten, lautete die magische Formel längst webbasierter Content. Doch auch das war uns ziemlich egal, wir wollten etwas ausprobieren und uns austoben. Der Plan stand fest und viele prognostizierten uns eine kurze und grausame Leidenszeit im harten Großstadtdschungel. Wir waren genügsam, wir brauchten nicht viel … ein paar Redakteure, einen Grafiker und jemanden der die Anzeigenpartner von unserer Qualität überzeugt. Schnell merkten wir, was wir eigentlich brauchen: Einen Schleifer. Ein brutaler Hund, für unsere Schreiber und natürlich unsere Kunden. Einer, der pünktlich vor jedem Druckschluss an der Haustür klingelt und breitbeinig wartet bis die Tür aufgeht und sich nicht davon irritieren lässt, dass sein Gegenüber von seinem Anblick plötzlich zusammenzuckt, weil es in ein emotionsloses, bis zum Anschlag mit Adrenalin gefülltes Gesicht blickt, das von Hals bis Stirn mit einem stolzen, selbst gestochenen Spinnen- oder Tribal-Tattoo im grandiosen Ostschick verziert ist. Einer, der dennoch sehr charmant und jovial auftritt, wortgewandt daherkommt und sich durchaus zu benehmen weiß. Der das Fingerbrechen noch nach alter Schule gelernt hat. „Einen recht schönen guten Tag der Herr. Ich bitte Sie meine Störung zu so später Stunde zu entschuldigen. Aber ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass Sie Ihrem Auftraggeber dem Szenemagazin von Welt, bereits letzte Woche Ihren Artikel senden wollten. Und hatten diesen gestern sogar noch einmal zugesagt. Nun der Herr, gestern ist seit fünf Minuten Vorbei! Wie wollen wir diese Situation lösen, die für mich sicherlich genauso unangenehm ist wie für Sie. Ich würde vorschlagen, Sie bitten mich einmal unauffällig herein.“

Und dann? Ja dann, dann würde ich zwei Minuten später eine Mail mit dem noch fehlenden Text bekommen und mich freuen und gleichzeitig wundern, warum der Redakteur mir in Zukunft Texte zukommen lässt, an die ich noch gar nicht gedacht hatte. Aber mir wäre es egal. Ich wäre glücklich und die Welt wäre voller Zuckerwatte. Aber was rede ich so düster … hey wir haben JUBILÄUM … BÄÄÄÄÄÄÄMMMMM. Fünf Jahre Youngspeech und 10 wertvolle Ausgaben für die Nachwelt, also zumindest für den verschwindend geringen Teil, der in 20 Jahren noch fließend lesen kann. Wir wollen feiern und wir wollen Kaviar vom Balkon schmeißen, damit der Pöbel ausrutscht und wir wir wir wollen … oh ich hyperventiliere. So, nun wieder zum Wesentlichen. In dieser Ausgabe gibt es neue Artikel, neue Interviewgäste, neue Kolumnen, neue Vorzeichen. Da muss man knallhart sein, sonst knirscht das Getriebe. UND DU – JA, DU! – DU WEISST GENAU, WER GEMEINT IST! GANZ GENAU! … DIR wünsch ich jedenfalls viel Spaß beim Lesen!

10 10 10 Andreas Lilienthal, Chefredakteur andreas.lilienthal@youngspeech.de


Inhalt #10

Lexy & K-Paul 5

Wem gehört die Kunst? 6

4

Hungerhilfe. . . . . . . . . . Küchenspezialkräfte

10 Rezensionen . . . . Part 1

5

Interview . . . . . . . . . . . . Lexy & K-Paul

12 Interview . . . . . . . Volker Bruch

6

Kulturindustrie . . . . . . Wem gehört die Kunst?

18 Rezensionen . . . . Part 2

9

Kommentar . . . . . . . . . . Hypezig!

19

Magdeburg . . . . . Wie feiert Magdeburg?


Noch mehr Kultur:

youngspeech.de

Volker Bruch 12

Inklusion 26

22

Interview . . . . . . . . . . . Stefan »Paule« Beinlich

28

24

Gesellschaft . . . . . . . Inklusion

26

Tippster . . . . . . . . . . . Mias Tipps

27 Short . . . . . . . . . . . . . . Welche Farbe hat die Nacht?

One last thing …


Hungerhilfe

Das Kocheinsatzkommando für die

egane Hungerbekämpfung

Die KSK - Küchenspezialkräfte bringen mit ihrem veganen „Heutzutage kann man in jedem Supermarkt Soja- oder ReisCateringangebot frischen Wind in die Magdeburger Vegan- milch besorgen, die die Milch ganz einfach ersetzt. Statt Eier verwenden wir Apfelmus, Banane oder Sojamehl.“ Szene. Mit Ideen, Leidenschaft und einer großen Portion Spaß beweisen sie, dass veganes Catering möglich und verdammt Besonders beim veganen Kochen sind einige Herausforderunlecker ist. gen zu meistern. So wollen die KSK-Jungs laut ihrer Internetseite saisonal, regional und Bio kochen und dabei auf Produkte Schokobiskuit gefüllt mit Mispeln in Schokomousse, darauf verzichten, die Tierversuche und -experimente unterstützen. Zitronenkuchen mit Crème brûlée und ein Ingwerbiskuit mit Himbeeren als Haube – mit dieser dreistöckigen Tortenkrea- Auch werden recyclebare Verpackungen bei den Caterings verwendet. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, bauen tion haben die KSKsKarl, Sushi und Kuschi unsere Herzen in Windeseile erobert. Sie sind das vegane Einsatzkommando, sie auf Kontakte und Kooperationen mit Bioläden und interkulturellen Gärten in Magdeburg. Gegen einen das mit Ideenreichtum und Spaß vegane günstigen Preis oder Spende erhalten Gerichte kreiert. Mit ihrer Kochleidendie Köche Gemüse und Obst der Saischaft zeigen sie, dass veganes Essen son, die zu 100 Prozent Biolecker und vielfältig sein kann. produkte sind. Die drei Magdeburger gründeten Auch zu anderen vegaihr veganes Catering Ende nen Köchen pflegen letzten Jahres und haben die Kochakrobaten sich in der kurzen Zeit ihres ein friedliches MiteiBestehens sich einen Namen nander statt einem in der sachsen-anhaltischen Konkurrenzkampf, wie Hauptstadt gemacht. So Kuschi erklärt: „Viele bieten sie wöchentlich freuen sich, dass es uns einen veganen Mittagstisch gibt und wir finden es im Moonlight an, präsentierschön, dass in Magdeten ihre Kochkünste bei verburg viel passiert in der schiedenen Veranstaltungen veganen Szene. Uns ist es in der Otto-von-Guericke-Uniwichtig, dass die Menschen gut versität und verköstigen die angeund fair veganes Essen anbieten. Da reisten Künstler mit ihren speziellen ist es uns egal, wer es macht.“ Wünschen in der Factory. Ob Spargelsüppchen, Omas deftiger Kesselgulasch oder Wraps mit veganer Barbecuesoße – die Ideen gehen den Köchen nicht aus. Ihre Inspirationen suchen sie sich, indem sie mit den Resten im Kühlschrank oder neu entdeckten Lebensmittel aus dem Supermarkt experimentieren. Auch werden Fleischgerichte kurzerhand in vegane Leckerbissen verwandelt oder sich Kochshows im Internet angeschaut, wie Kuschi verrät. So lassen sich auch Desserts, Kuchen und Co. zu veganen Süßspeisen zaubern. „Es ist einfacher als die meisten denken, vegan zu backen“, erklärt Sushi.

4 Youngspeech

Für die Zukunft sind schon viele Aktionen und Veranstaltungen geplant. So werden sie beim Festival “Die neue Sinnlichkeit“ in der ehemaligen JVA Magdeburg ihre Kochkünste zum Besten geben oder die Aerosol Arena kulinarisch versorgen. Auch bei diversen Festivals wollen sie einen Stand für hungrige Besucher anbieten. Selbst mit der Idee eines Kochduells liebäugeln die Jungs, aber bis es soweit ist, werden sie dafür sorgen, dass ihr bei jeder Veranstaltung nicht hungrig auf die Tanzfläche gehen müsst. » Text: Laura Kapitza » Fotos: Juliane Schulze


Interview

Das Berliner DJ-Duo Lexy & K-Paul ist dem einen oder anderen bereits seit dem Ende der 90er bekannt. Heutzutage, das kann man wohl sagen, zählen sie zu den Legenden der Berliner Elektroszene. Sie füllen Clubs und Festivals und begeistern das Publikum mit ihren Beats. Mit „Gassenhauer“ präsentieren Lexy & K-Paul eine „Best Of” Zusammenstellung der etwas anderen Art. Wir trafen das musikalische Duo und plauderten mit ihnen über die glorreiche Vergangenheit und ihrer Zukunft auf dem Mond.

Bei Euren Touren ist Magdeburg stets ein fester Bestandteil. Was gefällt Euch an dieser Stadt besonders? Da K-Paul ja einige Verwandte in Sachsen Anhalt hat, freuen wir uns immer auf Ausflüge ins SachsenAnhaltinische und manchmal, wenn es die Zeit erlaubt, kehren wir auch noch zu einem Teller K r a u t ro u l a d e n Interview: Andreas Lilienthal bei K-Pauls Oma » Foto: Lexy & K-Paul ein.

Zwischen Gassenhauern und Mondcafé

Auf eurem neuen Album habt ihr auf der einen Seite die Reworks Eurer bekannten Hits von „Greatest DJ“, „Freak“ bis hin zum „Fernsehturm“ gepackt! Auf der zweiten Seite wartet ihr mit den Originalen dieser Werke auf, die es seit Jahren nicht mehr käuflich zu erwerben gab. Kann man das Album also als Reminiszenz an die Vergangenheit deuten? Das Album ist schon eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit, doch durch die Neubearbeitung versuchen wir auch die alten Werke in die Gegenwart zu transportieren, wir hoffen das ist uns gelungen. Wieder gibt’s ein Doppel-Album von Lexy & K-Paul. Warum immer die doppelte Dosis? Doppelt hält besser! Ne Spaß...diesmal war die Doppel CD deswegen logisch, weil wir die alten und die neuen Sachen auf zwei getrennten CDs präsentieren wollten. Das ganze Material hätte ja auch nicht auf eine CD gepasst. Ihr habt als DJs schon alles erreicht, was man erreichen kann. Ihr habt die glorreichen 90er als Musiker mitgemacht. Ihr habt die größten Gigs gespielt, die besten Festivals geentert. Gibt es da überhaupt noch eine Steigerung? Wir denken über solche Sachen eigentlich nicht nach und nehmen alles wie es kommt und machen immer unser eigenes Ding. Und das seit mittlerweile schon fast 16 Jahren. Wir freuen uns dabei über jeden schönen und unvergesslichen Moment!

»

Wie sieht eigentlich Eure auftrittsfreie Zeit aus, wenn ihr auf Tour seid? Wenn es die Zeit erlaubt versuchen wir Sport zu treiben, Lexy liebt das Joggen und Schwimmen, K-Paul ist dem Fußball und Tennis verfallen. Ansonsten ist auch gegen ein feines Essen am Abend nichts einzuwenden, da man dort vielleicht noch einige neue Ideen finden oder bequatschen kann. Musik bedeutet stetig Entwicklung, was denkt ihr in welche Richtung wird sich die Elektroszene in den nächsten 20 Jahren entwickeln? Bei der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit kann man da nur schwer Prognosen abgeben, schon gar nicht für die nächsten 20 Jahre. Vielleicht heißt ja dann Elektro schon ganz anders, zum Beispiel „MarsMusik“ oder so! Und werden Lexy & K-Paul dann noch an den Plattentellern stehen? Nein wir sind dann wahrscheinlich schon auf dem Mond und winken gen Mars! Was habt ihr für Pläne, wenn ihr euch einmal zur Ruhe setzen werdet? Lexy betreibt unser Mondcafé und K-Paul trainiert die erste Mond Fußballmannschaft und nebenher schweben wir durch die Galaxie. Youngspeech 5


Kulturindustrie

WEM GEHÖRT DIE KUNST? Ein Gespräch über die Bedeutung von Selbst- und Fremdinszenierung, die Akzeptanz von Kultur und ein Dasein als Künstler. »» Interview: Julia Wartmann »» Fotos: Nilz Böhme, Heike Steinweg

Dass Richard O’Brien Anfang der siebziger Jahre mit der Zeile »It's just a jump to the left, and then a step to the right ...« eine Ära des Erfolges, eine Ära Tanzwütiger, eine Ära grölendem Publikums einleiten würde, kann er nicht im Entferntesten geahnt haben. Nein, Erfolg kann man nicht planen. 6 Youngspeech

Auch nicht mit einer Mischung aus trashigem Horror, Transvestiten und Rock’n’Roll. Dennoch ist »The Rocky Horror Show« zu einem weltweit erfolgreichen Phänomen geworden. In Magdeburg begann zuletzt die zweite Erfolgswelle. Auf ihr schwamm Michèle Fichtner als Janet Weiss.


Der Magdeburger Dom schlägt neun. Die Sonnenstrahlen ver-

neueste Schöpfung vorstellen – das Retortenwesen »Rocky".

sinken langsam neben der Bühne, als Michèle Fichtner auf sie

Rund 23.000 Zuschauer zählte das Horror-Rocktheater bereits.

tritt. Hinter ihr ein gruseliges Schloss. Die junge Düsseldorferin

Die Zuschauer erleben hier eine Stimmung, die ihresgleichen

mit Wurzeln in Gesang, Schauspiel und Tanz spielt aktuell die

in Deutschland sucht, vermutet Michèle: »Diese Location ist

Rolle der Janet Weiss im Musical »Rocky Horror Show«, dem

etwas ganz Besonderes. Du siehst den Dom, der Mond scheint

Erfolgsmusical des britischen Schauspielers und Komponisten

dahinter und du denkst: ‚Es ist so krass!’. Das Stück wurde in

Richard O’Brien. Ihre künstlerische Erfolgsgeschichte beginnt

der klassischen Filmvariante schon relativ oft gespielt, aber

im Kindesalter: »Meine Eltern erzählten mir, ich hätte schon

Ulrich Wiggers hat es geschafft, dem gesamten Stück, jeder

gesungen, bevor ich gesprochen habe. Wir saßen im Auto, ich

einzelnen Szene, einen Sinn zu geben.«

habe vor mich hingesummt und dann war das ‚Kommt ein Vöglein geflogen’. Und meine Eltern dachten, das kann doch nicht

»There’s No Business Like Show Business«.

sein. Sie kann doch nicht so ein Lied schon kennen.« Mit 18 Jah-

Die Rolle des Künstlers.

ren ist sie bereits Preisträgerin in der Sparte »Musical« beim Jugend musiziert-Bundeswettbewerb. Das war 2006. Heute ist Michèle Fichtner nicht nur weiterhin aktive Musikerin und Musical-Darstellerin, sondern auch Schauspielerin in Fernsehen und Theater. In ihrer aktuellen Rolle im DomplatzOpenAir gerät die frisch verlobte Janet in die Fänge von Frank’n’Furter, einem Transvestiten vom Planeten Transsexual in der Galaxie Transylvania. Er möchte seinen Mitbewohnern im Schloss seine

Als Oscar Hammerstein, der Autor des musikgeschichtlich ersten Musicals »Show Boat«, gefragt wurde, was ein Musical sei, wusste er keine konkrete Antwort zu geben. Stattdessen verwies er auf seinen vielleicht wichtigsten Baustein: Musik. Besonders macht die Sparte jedoch das künstlerische Dreieck aus Schauspiel, Tanz und Musik: »Ich finde es toll, dass man sich noch anders ausdrücken kann als allein mit der Stimme.«

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… Kulturindustrie

Als Musical-Darstellerin weiß sich Michèle früh zu inszenie-

Der Künstler zwischen Selbst- und Fremdinszenierung

ren: »Deine Energie, deine Präsenz, deine Ausstrahlung. Für mich ist das neben dem Spiel sehr wichtig.« Das ultimative

Längst ist die Fremddarstellung, das Handwerk von Schau-

Erfolgsversprechen für ein Bestehen in der vielumworbenen

spielern, Tänzern, Musikern, nicht mehr nur noch in der Kunst

Branche gibt es allerdings nicht. Michèle rät vor allem dazu,

anzutreffen. Der Künstler wird vielmehr auch über sein priva-

authentisch zu sein. »Es ist schön, wenn man Momente hat, in

tes Erscheinen im Internet in der Öffentlichkeit wahrgenom-

denen man die Person spürt. Und ich finde es wichtig zu atmen.

men. Jrene Rolli vermutete im Jahr 2011, dass der Unterschied

Das hört sich sehr banal an, aber wenn ich aufhöre zu atmen,

zwischen einem Künstler und anderen in der Art und Weise

dann spürst du das. Wenn

liegen möge, wie sie ihr

Menschen singen und sie

Ich öffentlich zelebrie-

atmen schlecht, dann wirst

ren. So geschickt und

du unruhig.«

professionell

würden

sie oft weit bessere Das Musical, als spezifi-

Resultate

sche Form des Musikthe-

als die dem modernen

aters, erfreut sich seit

Exhibitionismus frönen-

über 20 Jahren besonde-

den Personen. Michèle

rer Beliebtheit. Durchweg

bestätigt diesen Ansatz:

alle

Schichten

»Natürlich bin das nicht

und Generationen nutzen

eins zu eins ich, aber es

sozialen

erreichen

die Form der kulturellen Unterhaltung. Allein in der Spielzeit

ist ein Teil von mir. Und es ist das, was ich mit anderen auch

2012/13 besuchten insgesamt 1,4 Mio. Menschen ein Musical

teilen möchte. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, mein gan-

in Deutschland. Michèle begründet diese Faszination an der

zes Leben online zu stellen. Aber mir macht es Spaß und ich

Kultur mit dem Aspekt des Erlebens ohne Zeitversatz: »Mich

freue mich, wenn mir die Leute antworten.«

berührt Kultur anders als Fernsehen. Das Tolle sind die LiveMomente. Man weiß nicht, was passieren kann.« In Magdeburg

Eine weitere Herausforderung erlebt die studierte Schau-

sah sie beispielsweise das Stück »Werther«, eine One-Man-

spielerin in der Vielfalt der Charaktere, die sie einnimmt:

Performance. »Der Hauptdarsteller hat eine Kamera, ein Mik-

»Jede Rolle und jede Inszenierung ist eine neue Herausfor-

rofon und etwas Licht. Hinter ihm ist ein Bildschirm. Unbeab-

derung und neuer Spaß. Diese Rolle hier habe ich schon ein-

sichtigt riss er aus der Kamera, die ein Bild im Hintergrund

mal gespielt und sie ist jedes Mal anders angelegt. Obwohl

projiziert, ein Kabel heraus. Die Vorstellung konnte nicht wei-

es der gleiche Text ist, fragt man sich: ‚Wie könnte es hier

tergehen. Also lehnte er sich nach vorn an sein Mikrofon und

gemeint sein?’ Es ist ein anderer Subtext.« Neben dem Beruf

sagte: ‚Entschuldigung, bitte mal ein Mitarbeiter der Tontech-

der Künstlerin stehe aber vor allem das Finden der eigenen

nikabteilung!’. Er hat die Situation total charmant gelöst. Das

Identität im Mittelpunkt. »Es ist eine Herausforderung zu wis-

sind sehr schöne Momente.«

sen, wo man in sich selbst zuhause ist. Für mich ist das eine große Aufgabe. Es ist aber auch spannend – sehr spannend sogar – man lernt viel über sich. Aber die Herausforderung ist, seinen Platz zu finden und sich selbst kennenzulernen.«

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Kommentar

Leipzig goes Hypezig Im Osten was Neues

Sachsens Großstadt Leipzig blüht wie noch nie Spricht man von der Lebensqualität eines Ortes vereint das unzählige Wohlfühlfaktoren. Alles existentielle Dinge, die die Attraktivität (d)eines Lebensraumes stärken können. Natürlich – oder vielleicht auch Gott sei Dank- ist dabei jedem etwas anderes wichtig. Sicher ist, dass das »good life« stark mit der Umgebung verknüpft ist, in der Tag für Tag gelebt, gelacht, gefeiert und gearbeitet wird. Eine deutsche Metropole sorgt seit einiger Zeit anscheinend für die idealen Grundbedingungen. Die elftgrößte Stadt Deutschlands feiert in diesem Jahr 1000- jähriges Bestehen und ist im Moment so jung wie noch nie. Die Sachsenmetropole Leipzig wird in der Presse momentan in Watte gebauscht, die Superlative kennen kein Ende. Gut. Besser. Hypezig. Was hat die Stadt, was andere nicht haben – ein Lagebericht. »Was schreibt die Welt über die Heldenstadt? Was kann sie gerade am besten? Warum sollen alle Hipster hier leben?“, schrieb André Herrmann, Slammer, Autor, Kolumnist und Erfinder des Trendwortes »Hypezig“, in seinem 2012 ins Leben gerufenen Blog »Hypezig – Bitte bliebt doch in Berlin“. Wie der Titel es bereits verrät, passte dem Tausendsassa die Hysterie um seine Studienstadt schon damals nicht. Hermann hat zwar vorerst kapituliert, sein Blog ist seit etwa einem Jahr offline. Die Botschaft ist aber unmissverständlich: Wir wollen kein zweites Berlin! Denn mit dem guten Ruf kommen auch die Probleme, davon kann die Hauptstadt ein Lied singen. Hohe Mieten, volle Straßen, überfüllte Clubs, platzende Hörsäle, wenig Kohle. Berlins Ex-Bürgermeister Klaus Wowereit idealisierte das 2003 noch mit den Worten »Berlin ist arm, aber sexy“. Arm ist Leipzig nicht (mehr), sexy dafür allemal. Gerade junge Menschen folgen dem Ruf der ostdeutschen Perle. 2013 wurden im Einwohnerregister deutlich mehr Zuzüge als Wegzüge verzeichnet. Die Wirtschaft floriert. Das Stadtbild wird immer dichter. Leipzig ist zu einem regelrechten Selbstläufer avanciert. Eine Entwicklung, die erstmal zu begrüßen ist, verzeichnete die Stadt noch vor der Jahrtausendwende einen immensen Rückgang der Bevölkerungszahlen.

»Es gab viele Investitionen in den Wohnungsmarkt, in die Infrastrukturen, auch in die Industrie und ins Gewerbe. In den letzten zehn Jahren sind 40.000 neue Arbeitsplätze in Leipzig entstanden. Und natürlich spielt auch die Attraktivität der Stadt im Generellen eine Rolle.“, so Dieter Rink, Umweltforschungszentrum Leipzig. Aber was genau macht die Stadt so attraktiv? Mit dem Waldstraßenviertel hat Leipzig zum Beispiel das größte zusammenhängende Gründerzeitviertel Deutschlands vorzuzeigen - traumhaft schön und albtraumhaft teuer. Läuft man durch die Innenstadt präsentiert diese sich im schmuckhistorischen Kleid, die Passagen und Höfe versprühen ihren Extra-Charme. Nur einen Katzensprung entfernt, stolpert man in die Südvorstadt und dort von einer Bar in die nächste. Second Hand, Vegan-Kultur und Independent-Kino lassen sicher weitere Herzen höher schlagen. Überall entstehen neue Szenen, in allen Himmelsrichtungen wird gebaut, saniert und investiert. Nebenbei hat die Stadt noch eine der ältesten Universitäten des Landes am Start. Viele junge Menschen bedeuten viel Kultur und Feierei. Die Veranstaltungen überschlagen sich in der Messestadt. Es ist spürbar, dass die Stadt blüht und das macht Spaß. Sicher fürchten die, die »zuerst da waren“ eine Überanspruchung ihrer Stadt bis hin zum Kollaps. Das klassische Platzen aus allen Nähten. Getreu dem Motto »Schön, dass Leipzig boomt, aber doch bitte nicht noch mehr Fremde“, ungeachtet dessen, das viele von ihnen ja auch mal Fremde waren. Leipzig bekommt Aufwind und mit dem Status wachsen ja bekanntlich die Möglichkeiten. Sicher lauert der Verschleiß an jeder Ecke. Berlin sei bereits »out“ titelten die New York Times und der Rolling Stone im letzten Jahr. Sein Image habe die Stadt aufgefressen, sogar von einer »Sinnkrise“ ist die Rede. Vielleicht fürchtet André Herrmann ja deshalb den Hype um sein Leipzig. Denn ein Image erlegt auch immer Verpflichtungen und Ansprüche auf. Dass Leipzig nicht Berlin ist, ist klar. Doch der Nimbus einer Stadt fordert nicht selten seine Opfer. Und die glorifizierte Lebensqualität, nach der sich alle verzehren, sinkt.

» Text: Lisa Schliep Youngspeech 9


Rezensionen - Bücher

Egmont Graphic Novel; 208 Seiten; 29,99 Euro

Egmont Graphic Novel; 208 Seiten; 29,99 Euro

Verlag Antje Kunstmann; 616 Seiten; 19,95 Euro

Das Nao in Brown Glyn Dillon

Besondere Jahre: Ein Abschied in Bildern Joyce Farmer

Das kolumnistische Manifest: Das Beste aus 1001 Kolumnen Axel Hacke

Gelassenheit versucht auch die Hauptheldin des Comics »Das Nao in Brown« zu entwickeln. Die junge Künstlerin, halb englisch, halb japanisch, kämpft mit beängstigenden Fantasien und sucht gleichzeitig einen Platz im Leben und die große Liebe. Die Geschichte entwickelt von Beginn an einen Sog, der neugierig macht. Auch die immer wieder eingestreute Märchenerzählung ist skurril und spannend. Je nach Haltung des Lesers kann das Ende als Plädoyer für Selbstfindung durch Meditation gelesen werden, oder als esoterisches Geschwurbel. Leider gehen in der Übersetzung die Wortspiele mit dem Namen Brown etwas verloren. Die Gestaltung der Panels lebt von lebendiger Linienführung und sehr schönen, zuweilen kräftigen Farbstimmungen. Dass die Zeichnungen mit Hand aquarelliert sind, gibt ihnen einen Charme, der immer wieder zum längeren Betrachten einlädt. Die skizzenhafte Ausführung ist warmherzig und passt gut zur Persönlichkeit der Heldin. Glyn Dillons intimer, aus vielfältigen eigenen Erfahrungen schöpfender Comic über gescheiterte erste Dates, die Entwicklung persönlicher Nähe und neurotische Zwangsstörungen, weiß durchaus zu gefallen. » Hans-Ulrich Werchan

In ihrer ersten Graphic Novel überhaupt erzählt die Amerikanerin Joyce Farmer eine Geschichte von Liebe, Altern, Verfall und Tod. Die Protagonisten sind Lars und Rachel, ein altes Ehepaar in Rente, die ihre Zeit mit Lesen, Puppenkleider Nähen, Kochen und Briefmarken Sortieren verbringen – solange es ihnen gut geht. Die Geschichte verzichtet auf Pathos und dramaturgische Effekte. Ein Abschied in Bildern – man spürt die persönliche Betroffenheit der Autorin und den Versuch, den Tod der eigenen Eltern künstlerisch zu verarbeiten. Die Zeichnungen präsentieren sich stilistisch relativ homogen. Die Gleichförmigkeit der Formate, Bildausschnitte und Kompositionen entspricht der lakonischen Erzählweise. Die in kräftigen Federstrichen ausgeführten Schwarz-Weiß-Zeichnungen erinnern an den Stil Robert Crumbs, der tatsächlich Weggefährte der Autorin war. Insgesamt eine eher traurige Geschichte in ruhigen Bildern, die von der Zuneigung der Dargestellten zueinander erzählt und zu Gelassenheit gegenüber dem unvermeidlichen Verlust geliebter Menschen ermutigt. Man tut, was man kann, das Leben geht weiter …

10 Youngspeech

» Hans-Ulrich Werchan

»Nach dem Lesen soll man ein Gefühl von Leichtigkeit haben, das Gefühl, der Schwere der Welt was abgetrotzt zu haben«, beschreibt der Kolumnist Axel Hacke die perfekte Kolumne. Und er muss ja wissen, wovon er redet. Denn seit 25 Jahren erscheint jede Woche am Freitag auf der letzten Seite des »Süddeutschen-Magazins« seine allseits beliebte Kolumne. Jetzt hat der Autor endlich eine Auswahl davon in einem Buch verpackt, kommentiert und geordnet. Jeder, der seine Kolumnen kennt, weiß, Axel Hacke ist nicht nur ein brillanter Stilist, wenn er in ausschweifenden Formulierungen die ganze Komik banaler Dinge aufdeckt, sondern auch ein Freund der gepflegten Sprache. Es ist seine feine Beobachtungsgabe, die jede noch so banale Story zu einem grandiosen Schauspiel werden lässt. Sein Buch ist ein Manifest des Alltags, wie man ihn zwar kennt, aber so wahrlich noch nicht gesehen hat. Ein Manifest der Sprache, die hier in ihrer schönsten Form bejubelt wird. Schlicht ein Manifest des Besten aus aller Welt. » Andreas Lilienthal


Ankerherz Verlag; 288 Seiten; 29,90 Euro

Bilderkrieger Michael Kamber

Wilhelm Fink; 407 Seiten; 52,00 Euro

Brandstätter Verlag; 270 Seiten; 24,90 Euro

Populärkultur. Audiovisuelle Massenmedien und Avantgarde 1919-1933 Jessica Nitsche & Nadine Werner (Hrsg.)

Die Stadt Rainer Metzger

Kriegsfotografen zeigen das Grauen, das uns oft verborgen bleibt. US-Fotograf Michael Kamber, selbst vielfach ausgezeichneter und langjähriger Kriegsfotograf, hat 20 seiner Kollegen interviewt und daraus ein beeindruckendes und zugleich beklemmendes Buch gemacht. Es zeigt die Bilder, die »dir den Morgen versauen« - wie einer der Fotografen seinen Job schildert. Die Fotografen erzählen ihre Story und geben einen intimen Einblick in ihre Arbeit und ihr Seelenleben. Gleichzeitig beantwortet das Buch Fragen wie: Wie viel Schmerz kann dem empathischen Betrachter zugemutet werden? Besteht das Risiko, dass er zum Voyeur mutiert? Wäre es nicht ethischer, die Fotografen würden helfen statt abdrücken? Ein faszinierendes und eindringliches Werk, das die grausame Wirklichkeit mit all ihren Facetten zeigt.

Der Band entstand aus der Tagung Populärkultur. Audiovisuelle Massenmedien und Avantgarde in der Weimarer Moderne an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. und liefert eine aufschlussreiche Bestandsaufnahme der Medien, die zunächst einen allgemeinen Einblick in die avantgardistisch-künstlerische Praxis im frühen 20. Jahrhundert geben. Doch er spiegelt gleichzeitig auch den Bewusstseins- und Wertwandel in der Weimarer Republik wieder. Insgesamt gibt der von Jessica Nitsche und Nadine Werner herausgegebene Band ein beträchtliches Spektrum zum Teil sehr überzeugender und lehrreicher Analysen wieder. Er überzeugt durch die Aktualität und der Wiedergabe aus derzeitiger medienwissenschaftlicher Perspektive.

Ein Ort allergrößter Lebendigkeit. Eine stetige Veränderung, Verdichtung und Überlagerung. All das fasziniert uns an Städten. Egal ob Megacitys oder eine Nummer kleiner. Rainer Metzger schafft es in seinem Werk auf gerade einmal 270 Seiten eine komplette Kulturgeschichte der Stadt zu erzählen. In atemberaubender Geschwindigkeit jagt er um die Welt und durch die Jahrhunderte. Dabei folgt er historischen Persönlichkeiten in ihre Metropolen: Mit Sokrates schlendert er durch das antike Athen, in Nürnberg trifft er Albrecht Dürer, und in die Weltmetropole Berlin um 1930 taucht er zusammen mit der Dichterin Mascha Kaléko ein. Er entdeckt die Städte nicht nur, sondern gibt deren Entstehungskultur wieder. Eine eindrucksvolle Arbeit, die jeder lieben wird, der gern auf Erkundungstour geht und Städte liebt.

» Andreas Lilienthal

» Andreas Lilienthal

» Andreas Lilienthal Youngspeech 11


Interview

Eine Figur, die ausschlieĂ&#x;lich gut ist, ist wirklich fad Interview mit Schauspieler Volker Bruch

12 Youngspeech


Es gibt durchaus Schauspieler, die fallen einem erst beim zweiten Mal auf. Oder beim dritten Mal. Doch Volker Bruch ist einer der Wenigen, der einen bereits beim ersten Mal in seinen Bann zieht. Der Mime mit dem intensiven Blick und dem markanten Äußeren ist spätestens seit seiner Rolle im Fernsehmehrteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ (2013) in den Olymp der deutschen Schauspielriege aufgestiegen. Er überzeugt durch sein differenziertes, hochgradig intensives Spiel. Wir trafen den charismatischen Münchner und reflektierten mit ihm über seine Karriere, den Erfolgsdruck und die Leidenschaft für undurchschaubare Rollen. In den letzten Monaten schwimmst du ja regelrecht auf einer Welle des Erfolgs, doch gab es in deiner Karriere auch schon Momente, in denen der Druck so hoch war, dass du dir gewünscht hättest, einen anderen Beruf gewählt zu haben? Man muss dazu sagen, dass die öffentliche Wahrnehmung ein bisschen fernab der Realität ist. Wenn der Erfolg bzw. Misserfolg der Filme einsetzt, ist die Arbeit am Film ja meistens schon komplett beendet und auch ich habe mit dem Projekt dann meistens schon abgeschlossen. Zwischen den Projekten bin ich jedoch relativ entspannt. Druck verspüre ich eigentlich nicht. Das Geheimnis ist, nicht gleich durchzudrehen, wenn man mal ein paar Wochen nicht dreht. Man muss auch entspannen können. Und wenn ich mir schon einmal gewünscht hätte, einen anderen Beruf zu haben, dann hätte ich wahrscheinlich den falschen Beruf ergriffen.

Was sind für dich Kriterien, einen Film anzunehmen oder eben auch abzulehnen? Zuallererst lese ich mir ganz genau das Drehbuch durch. Es muss spannend sein und mich in irgendeiner Art in seinen Bann ziehen. Natürlich gibt es auch noch andere Kriterien. Beispielsweise schaue ich mir auch an, welche Schauspielkollegen mitspielen oder an welchen Orten gedreht wird.

Vor dem Dreh zu „Unsere Mütter, unsere Väter“ wurdet ihr in ein Bootcamp nach Litauen mit einem amerikanischen Ausbilder geschickt. Hast du neben den Erfahrungen für den anstehenden Dreh auch eine persönliche Quintessenz aus diesem Camp gezogen? Für mich war es hauptsächlich eine sportliche Herausforderung und natürlich die optimale Vorbereitung auf den Dreh. Doch ich bin Perfektionist und wollte natürlich meine beste Leistung abrufen. Glaub mir, das war gar nicht so leicht und sicherlich eine Grenzerfahrung für mich.

Wenn ich mir deine Filmografie so anschaue, stelle ich fest, dass du in sehr vielen Filmen mit historischem Hintergrund mitgespielt hast. Besteht vielleicht sogar eine Affinität zur Geschichte oder ist es nur ein Faible für historische Filme? Stimmt, jetzt, wo du es sagst, es gibt da doch eine Häufung an Filmen mit historischem Hintergrund. Na ja, ich muss es gestehen, es macht Spaß sich zu verkleiden und in eine Welt einzutauchen, die es so nicht mehr gibt. Das hat einen ganz besonderen Reiz. Aber als persönliches Faible würde ich es nicht bezeichnen. Bisher waren es eben die spannenderen Projekte.

Welche Beziehung hast du ganz speziell zu der Zeit gefunden, in der „Unsere Mütter, unsere Väter“ spielt? Ich habe mich im Vorfeld natürlich sehr mit der Zeit auseinandergesetzt. Auch im späteren Verlauf und besonders durch die enorme Resonanz des Films habe ich mich immer wieder mit der Geschichte und deren Charakteren beschäftigt. Insbesondere die Berührungspunkte mit dem Vorbild meiner Rolle als Wilhelm Winter haben sich im Laufe der Zeit vermehrt. Doch ich finde es schwierig, sich dieser Zeit wirklich anzunähern. Denn, was wir im Film projizieren ist nur eine Vorstellung dieser Zeit und hat mit der Realität sehr wenig zu tun. Wir können sie nachbilden, versuchen erlebbar zu machen aber wir haben nicht in der Zeit gelebt.

War für dich der Film nach Beendigung des Drehs auch abgeschlossen oder hat er dich noch weiter beschäftigt? Allein durch den unglaublichen Erfolg von „Unsere Mütter, unsere Väter“ kam ich nicht nur mit dem Film, sondern mit dem ganzen Team immer wieder in Kontakt. Aber man muss versuchen, nach dem Dreh mit der Rolle und seiner Geschichte abzuschließen, sonst fällt es einem schwer, sich auf neue Rollen einzulassen. Schließlich ist kein Film wie der andere.

Seit einigen Jahren spricht man von der Renaissance des deutschen Films. Was macht deiner Meinung nach diesen Erfolg aus? Es hat sich wahnsinnig viel entwickelt. Wir haben tolle Schauspieler und einen tollen Nachwuchs und grandiose Regisseure. Außerdem haben wir endlich ein Standing im internationalen Film. Der deutsche Film versucht nicht mehr nur Mainstream zu sein, sondern geht seinen eigenen Weg und das tut ihm gut. Jedoch sollten wir im Genrebereich noch mutiger werden und uns noch mehr trauen. Es gibt internationale Pendants, die in jenen Bereichen noch einen Ticken besser sind.

weiter auf Seite 16 »»» Youngspeech 13


Licht & Schatten

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»»Foto: F abian Benecke


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…Interview Ein anderes Münchner Original ist vor wenigen Monaten verstorben: Helmut Dietl. Kennst du seine Filme und hättest du gern einmal unter seiner Regie gespielt? Natürlich kenne ich seine Filme und Serien. Er war ein großer Meister seines Faches. Aber wir sind uns leider nie begegnet. Als Jugendlicher habe ich besonders seine Werke als Magie des Fernsehens wahrgenommen. Und ich denke, das sind bestimmt Momente, die einen für das spätere Wirken auch beeinflussen.

Zieht es dich als Schauspieler in die USA? Ich habe diesen Schritt nicht vor. Das wäre momentan auch eher utopisch. Ich habe das Glück, immer mal wieder Rollen in großen internationalen Produktionen zu bekommen. So durfte ich beispielsweise schon einen Film mit Charlotte Gainsbourg drehen oder bei „Der Vorleser“ mitspielen. Das sind kleine Sachen, die wahnsinnigen Spaß machen.

Du sagtest einmal, du spielst gern den Bösewicht. Als Guter ist man oft nur die langweiligste Figur? Die Aussage ist vielleicht etwas zu undifferenziert. Denn insbesondere die Ambivalenz der Rolle interessiert mich sehr. Wenn ich eine Figur lese, die ausschließlich gut ist, ist es wirklich fad. Weil wir die Figur sofort verstanden haben und sie dementsprechend nicht mehr überraschen kann. Ich mag Rollen, die bis zum Ende schwer zu verstehen sind und mit ihren Handlungen den Zuschauer jederzeit überraschen können.

Was war als Kind dein Lieblingsfilm? „Der mit dem Wolf tanzt“ – als ich 12 Jahre alt war, hat mich der Film hypnotisiert. Ich weiß noch, dass ich aufgrund der Altersbeschränkung nicht alleine in den Film durfte und mein Vater dann mit mir gegangen ist.

Du bist ja ein waschechter Münchner. Verrätst du uns deinen Lieblingsplatz? München hat viele sehenswerte und interessante Ecken. Doch Schwabing ist mein Favorit. Ich habe selbst sehr lang dort gewohnt und selten habe ich einen Stadtteil kennengelernt, der so viel zu bieten hat.

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In deinen Rollen spielen die Punkte Abenteuer und Freundschaft stets eine große Rolle. Doch wie hältst du es beispielsweise mit dem Abenteuer im Privaten? Das hält sich die Waage. Ich bin eigentlich sehr gemütlich unterwegs. Aber beides lässt sich gut miteinander vereinbaren.

Und mit der Freundschaft? Die Freundschaft ist ein Thema, das im Film widergespiegelt werden muss. Eines der zentralen Elemente der Emotion. Und natürlich ist Freundschaft auch im Privaten ein zentrales und elementares Thema.

Du bist nach dem Abitur mit einem Freund nach Venedig gelaufen. Immerhin mehr als 500 km. Warum gerade Venedig und warum tut man sich das an? Wir saßen abends zusammen, hatten über Hannibal gesprochen und überlegt, ob sich das machen lässt. Da wir gerade keine Elefanten parat hatten, hatten wir uns überlegt, zu Fuß nach Venedig zu laufen. Es war eine fantastische Reise, die ich sicherlich nie vergessen werde.


Du bist seit einigen Jahren mit deiner Schauspielkollegin Miriam Stein liiert. Ist es schwieriger oder eher einfacher mit einer Person zusammenzuspielen, die einem auch privat sehr nah steht? Für uns war es toll. Mit ihr zu drehen ist ein großes Glück. Weil es toll ist, mit jemandem zu spielen, der einfach gut ist. Und sie ist nun mal eine fantastische Schauspielerin. Doch wenn die Klappe fällt, zählt die Rolle und da sind private Vorgeschichten nicht mehr interessant.

Gerade hat auf dem Filmfest in München dein neuer Film „Outside the Box“ Premiere gefeiert. Was hat dich an dem Projekt so fasziniert bzw. gereizt? Man muss immer schauen, dass man sich breit gefächert aufstellt. Nicht immer nur das Gleiche machen. Quasi die Herausforderung „im Gegenteil“. Outside the Box ist ein tolles Projekt mit tollen Leuten. Und Philip Koch ist ein toller Regisseur.

Schlummert ein verstecktes Talent in dir, das du gern mal rauslassen würdest? Es gibt viele Dinge, die ich im Leben einfach gemacht habe, weil ich es mal ausprobieren wollte, um zu sehen, wie es ist. Zum Beispiel habe ich kürzlich bei einem Musikvideo von Wyn Davies Regie geführt, in dem auch Heike Makatsch und Rolf Eden mitspielen. Ich bin der Meinung, man sollte einfach jede Chance ergreifen, die sich einem bietet.

»» Text: Andreas Lilienthal »» Bilder: Agentur Bergbrand (bergbrand.de) Youngspeech 17


Rezensionen – Pt. 2

Ankerherz Verlag; 224 Seiten; 14,99 Euro

Colt

Seavers,

Alf

und

Philip Laubach-Kiani (Hrsg.)

ich

Ein Buch voller Liebeserklärungen an die Serien-Helden der 80er. Knight Rider, Alf oder auch Macgyver: Wer kennt sie nicht, die Helden unserer Kindheit! Die Anthologie »Colt Seavers, Alf und ich« beherbergt 20 persönliche Erinnerungen an prägende Fernseh-Ikonen der 80er Jahre. Man merkt, dass dem Ankerverlag seine Werke sehr zu Herzen liegen. Die Werke erscheinen jung und frisch ohne überladen zu wirken. Die anekdotischen Texte haben sehr viel Charme beherbergen so manches Kleinod erzählerischer Erinnerungen. Grafik, Illustration und Text bilden eine perfekte Einheit in schlichter aber einprägsamer Farbgebung. Ein liebevoll gestaltetes Buch, das den Leser einerseits teilhaben lässt an prägenden Seherfahrungen und damit andererseits wieder mitnimmt in die schöne bunte Serienwelt von damals.

Atlantik Verlag; 240 Seiten; 20,00 Euro

Verlag Die Werkstatt; 592 Seiten; 19,90 Euro

Liebe mit zwei Unbekannten Antoine Laurain

Der Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte Bernd-M. Beyer

Liebe mit zwei Unbekannten ist Antoine Laurains fünfter Roman und gleichzeitig wahrscheinlich einer der charmantesten Liebesromane dieses Jahres. Ein originelle Geschichte über eine geraubte Handtasche, ein rotes Notizbuch und die Angst vor Ventilatoren. Ein Buch über die Zufälle im Leben und die Tatsache, dass das Schicksal doch beeinflusst werden kann! Faszinierend ist, dass die Handlung dabei kein bisschen kitschig oder rührselig ist. Man entdeckt keine verbrauchten Klischees. Es ist einfach nur schön und klug geschrieben. Ein Chapeau an die Autorin und die Liebe. Der Roman war bereits in Frankreich ein Bestseller, wurde dann in 14 Sprachen übersetzt. Auch in Deutschland zählt er mittlerweile zu den großen Literaturgewinnern des Jahres. Aber ich möchte nicht zu viel verraten, denn diesen Roman sollte man unbedingt selber lesen.

Die wenigsten Fußballfans werden ihn kennen, doch eigentlich müsse er für sie einer Gottheit gleichen. Walther Bensemann war einer DER deutschen Fußballpioniere. Schon als Schüler wurde er mit dem aus England kommenden Fußballfieber infiziert und gründete schließlich 1889 in Karlsruhe den International Football Club, den ersten süddeutschen Fußballverein überhaupt. 1920 gründete er mit dem Kicker-Sportmagazin eine weitere Fußballinstitution und musste später als streitbarer jüdischer Kosmopolit vor den Nazis ins Exil fliehen. Ein sehr lesenswerter biografischer Roman eines großen Pioniers. Dem Autor Bernd-M. Beyer gelingt es, die vielschichtige und umtriebige Person Bensemanns samt seiner seine Verdienste um den deutschen Fußball historisch korrekt und zugleich auf fesselnde Weise zu schildern.

» Texte: Andreas Lilienthal 18 Youngspeech


Magdeburg

Wie feiert Magdeburg? Jeder, der Magdeburg von seiner feierwütigen Seite kennenlernen durfte, weiß, dass die Beschuldigungen – wir könnten nicht feiern – eindeutig nicht stimmen! Seit nun mehr über 60 Jahren hat Magdeburg eine reiche Hochschulkultur und dementsprechend auch eine rege Studenten- und damit verbunden natürlich auch eine ausgeprägte Feierkultur.

Wo zu DDR-Zeiten noch hauptsächlich in (Hoch-)Schulclubs wie dem Pferdestall oder dem Bauclub der »Bär steppte«, findet sich in der Landeshauptstadt nun seit einigen Jahren, auch oder gerade durch den Einfluss der »Alteingesessenen«, wie etwa der Baracke oder der Kiste, eine sehr vielfältige und bunte Partykultur. Ob Gothic, Raver oder Rocker, Standardtänzer, Hip Hopper oder einfach stinknormaler Partygänger: In Magdeburg wird wirklich jedem, in den etwa 20 Clubs und mindestens ebenso vielen Bars und Musikkneipen, etwas Besonderes geboten. Vor allem im Sommer zeugen die zahlreichen Freiluftveranstaltungen von der Kreativität und Hingabe der Bewohner dieser wunderbaren Stadt. Kunst, Musik und Erholung locken dann die Menschen in die vielen Parks. Straßenkünstler säumen die Wege dorthin. Sie spielen die Melodien, die den Sommer in Magdeburg prägen.

Ob in einem verlassenen Krankenhaus oder einem alten Industriekomplex. Kunst hat in Magdeburg auch immer etwas Skurriles. Und eins darf dabei natürlich nie fehlen: ordentlich Wumms! Ob in einer alten Justizvollzugsanstalt, auf der »Insel« oder inmitten eines brach liegenden Industriegeländes. Die DJs der Clubs legen nahezu jeden Abend irgendwo auf. Doch auch Freunde der handgemachten Musik kommen voll auf ihre Kosten. Von Singer-/ Songwritern, über Akustiksets unter der Sternbrücke bis hin zu feinen Rock-Punk- und Core-Open-Airs ist über den Sommer verteilt einiges los in Magdeburg.

» Text: René Lehmann » Fotos: Thomas Schmidt - Diskothek Musikexpress Youngspeech 19


…Feiern in Magdeburg

Zehn Ausgaben von Youngspeech! Mensch das hätte sich auch niemand träumen lassen. Wir feiern und das Magdeburg dafür der absolut perfekte Ort ist beweisen euch unsere kleinen Anekdoten!

Datsche Wenn im Sommer die Kunstkantine ihre Pforten schließt, zieht es mich in ihren Garten hinterm Haus – die Datsche. Von Kinoabenden, Openair-Konzerten, Elektropartys bis zum gemütlichen Sonnen auf der Wiese, wird hier jeder fündig. Ein Höhepunkt ist der dortige Beat Börjer, der mir schon so manchen Katersonntag gerettet hat. So lassen sich beim TischtennisSpielen, Hollywood-Schaukeln oder in der Hängematte-Liegen traumhafte Stunden im schönen Buckau verbringen. Für Kinder gibt es in der Datsche ebenfalls vieles zu erkunden, ob das Kletterschiff oder der als »Bottich« betitelte Pool. Auch Kleinfamilien können hier also sonnige Stunden verbringen.

Sinnlichkeit

Meeting of Styles Altes Theater

SC Baracke e.V. Flowerpower

Dom HBF

SC Kiste e.V.

Streetfood Open-Air KuKa / Datsche*

Kunstkantine Eigentlich war ich nie der Mensch, der vor 0 Uhr zu einer Party loszieht. Vom Anstehen vorm Club ganz zu schweigen. Die Realität schreibt nun eine ganz andere Geschichte. Spätestens Donnerstagabend werden Flyer besorgt, damit ich mich samstags pünktlich 22 Uhr vor der Kunstkantine befinde. Es ist die Vorfreude auf die von tausenden Diskokugeln geschmückten Räume, die vor Bass vibrierenden Boxen und die vielen glitzernden und tanzenden Menschen, die mich jeden Monat von Neuem in die Kellerräume der Kunstkantine treiben. In der Tat muss man es mögen, sich zwischen schwitzenden Menschen zur Bar vorzukämpfen, von spontanen Konfettiregen überrascht zu werden und bis in die frühen Morgenstunden zu lauten Beats zu tanzen. Ich für meinen Teil liebe es und nehme in Kauf, dass mittlerweile drei paar Schuhe nur noch für diese Abende tauglich sind, ein Leben bei Tageslicht ist ihnen nicht mehr vergönnt. 20 Youngspeech


Die Highlights in diesem Sommer Sinnlichkeit Skurril und irgendwie anders. So etwa kann die Kunstszene in Magdeburg beschrieben werden. Definitiv etwas »anderes« bietet nun seit etlichen Jahren der Kultur Anker e.V. mit der Veranstaltungsreihe »Kabinett der Künste« mit jährlich wechselnden, spektakulären Ausstellungen nach dem Motto: »Man nehme einen leerstehenden, grotesken Ort und verwandle ihn für einige Wochen in das kulturelle Zentrum Magdeburgs«.

Wo im letzten Jahr ein heruntergekommener Büro- und Industriekomlpex und im Jahr davor das verlassene Städtische Klinikum den Rahmen der Veranstaltung boten, soll in diesem Sommer an ganzen 16 Wochenenden die ehemalige Justizvollzugsanstalt Magdeburgs zu einem Ort werden, der alle Sinne verzaubert.

Wir sind gespannt und berichten euch von den zahlreichen Workshops, Konzerten, Theater- und Literaturvorstellungen und natürlich den über 250 Künstlern aus aller Welt.

1st Streetfood Meeting of Styles Open Air Einmal in wenigen Stunden um die ganze Welt reisen und dabei viele neue Kulturen kennenlernen? Unmöglich? Nicht ganz! Zumindest eure Geschmacksknospen können eine solche Reise am 8. August unternehmen, beim ersten Streetfood Open Air in Magdeburg.

Doch nicht nur internationale Spezialitäten stehen dabei auf dem Programm. Auch die regionale Küche wird eine besondere Rolle spielen.

»Ausgefallene und handgemachte Snacks erwarten euch neben frischen Drinks und einer entspannten Atmosphäre mit vielen Sitzmöglichkeiten.«

Wir machen schon mal den Gürtel auf und freuen uns euch von diesem Gaumenschmaus berichten zu können. Meeting of Styles

Ihr wolltet schon immer mal Wände bemalen oder den weltbesten Writern dabei zusehen? Dann ist das Meeting of Styles in der Aerosol-Arena genau das Richtige für euch. Mit dem Motto »Mind above Matter« macht das Internationale Meeting in diesem Jahr auch wieder Halt in Magdeburg.

Mit der Spraydose und fetten Beats bewaffnet wollen die Veranstalter und Künstler in diesem Jahr dem Konsum den Kampf ansagen: »Material wealth do not last forever, but that which probably lasts forever is the wealth of intelligence and creativity.«

Natürlich wird es in diesem Jahr auch wieder eine spektakuläre After-Show-Party mit international bekannten Hip-HopActs geben.

Also packt eure Spraydosen ein und ab in die Aerosol-Arena!

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Interview

Der Mann, den sie Paule nannten Interview mit Ex-Nationalspieler Stefan Beinlich

Er war wahrlich ein Weltklasse-Fußballer und hat in seiner Karriere gegen die größten und bekanntesten Fußballikonen der Welt gespielt. Angefangen bei Bergmann-Borsig landete er schon als 19-Jähriger im Fußballhimmel bei Aston Villa. Stefan Beinlich, auch besser bekannt als „Paule“ Beinlich besitzt auch heute nach so vielen Jahren bei Fans einen Kultstatus. Nach seiner aktiven Karriere blieb er als Funktionär, dem Fußballgeschäft erhalten und wurde Manager vom FC Hansa Rostock. Doch mit seinem Rücktritt im Jahr 2013 kehrte er seinem Lieblingssport und bis dahin eindeutigem Lebensmittelpunkt endgültig den Rücken. Doch geblieben ist sein Spitzname, mit dem er die einzigartige Karriere machte. Wir trafen Stefan Beinlich und sprachen mit ihm über seinen FC Hansa, die Entwicklung im heutigen Profi-Fußball und seine Affinität zur Leichtathletik. Wie kamst du eigentlich zu deinem legendären Spitznamen? In der Junioren-Mannschaft des BFC Dynamo 1980 gab es mehrere Stefans und Steffens. Also entschied der Trainer kurzerhand, mich fortan nur noch „Paule“ zu nennen. So hieß keiner - vor allem nicht in der DDR. Und das hat sich dann halt durch meine Karriere wie ein roter Faden gezogen.

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Du sagtest einmal, dass du die Nacht der Nächte, nämlich den Mauerfall glatt verschlafen hast. Deine Eltern hätten dich nicht einmal geweckt. Zu jener Zeit hast du im Juniorenteam von Bergmann-Borsig in der Kreisklasse gespielt. Hättest du dir damals überhaupt eine Profikarriere im Westen vorstellen können? Daran war damals wirklich nicht zu denken. Ich spielte mit dem Juniorenteam von Bergmann Borsig in der Juniorenliga und hatte weiß Gott andere Dinge im Kopf als eine Profikarriere. Als gerade einmal 19-Jähriger bist du dann bereits 1991 nach England gegangen zu Aston Villa. Inwieweit hat dich diese Zeit damals für deine weitere Karriere geprägt? Es war für mich im Nachhinein meine Lehrzeit. Die höchstwahrscheinlich wichtigste Zeit auf dem Weg bis zum Nationalspieler. Und ich denke, jeder kleine Junge, der sich für Fußball interessiert, möchte irgendwann einmal in England spielen! Obwohl du eigentlich Berliner und viel rumgekommen bist, hast du in Rostock deine neue Heimat gefunden. Für den FC Hansa hast du zweimal gespielt und sogar als Sportdirektor gearbeitet. Was fasziniert dich so an diesem Verein? Das liegt an meiner ersten Zeit in Rostock von 1994-1997. Wir haben uns sofort in Rostock heimisch gefühlt und sportlich waren es sehr erfolgreiche Jahre. Der Verein sowie das Team haben es mir sehr leicht gemacht sich wohlzufühlen. Rostock ist eine tolle Stadt an der Ostseeküste mit hoher Lebensqualität. Wiederkehrendes Verletzungspech zur falschen Zeit verhinderte, dass du „nur“ fünf Länderspiele absolvierten. Ärgert man sich im Nachhinein ein bisschen oder überwiegt der Stolz, den Adler überhaupt auf der Brust getragen zu haben? Es überwiegt natürlich der Stolz. Ich kann mich glücklich schätzen mein Hobby zum Beruf gemacht und bis zum 36. Lebensjahr Profifußball gespielt zu haben. Was gibt es Schöneres!!!??? Mit dem HSV schafftest du Sie 2008 sogar die ChampionsLeague-Qualifikation. Wie sehr schmerzt es du, wenn du momentan den Weg des HSV verfolgst? Ich habe dem HSV die Daumen für den Klassenerhalt gedrückt. Gott sei Dank haben sie ihn geschafft. Ich hoffe, dass der Weg der nächsten Jahre wieder Richtung Platz 1-6 geht. Es wird aber ein harter und langer Weg. Es sind zu viele Dinge falsch gemacht worden. Ein Neuanfang muss unbedingt her, sonst wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern.

56 Tore in 288 Bundesligaspielen. Was war für dich das schönste Spiel bzw. das schönste Tor, das du niemals vergessen wirst? Das kann ich wirklich nicht beantworten. Es gab zu viele schöne Momente. Die alle aufzuzählen würde den Rahmen des Magazins sprengen. Die Traditionsmannschaften stecken in der zweiten und dritten Liga fest. Wie bewertest du momentan den Fußball im „Osten“? Es gibt im „Osten“ wie im „Westen“ Traditionsvereine die ums Überleben kämpfen. Die Probleme sind vielfältig. Doch ich habe nicht genügend Einblick und bin selbst zu weit weg von diesen Dingen, um die Probleme mit all seinen Gründen analysieren zu können. Ich würde mich jedoch riesig freuen, wenn der FC Hansa Rostock wieder in die 2. Bundesliga aufsteigt und sich da erst einmal etabliert. Hat sich das Fußballgeschäft seit deiner aktiven Karriere geändert? Und wo steuert er deiner Meinung nach hin? Wo der Fußball hinsteuert will und kann ich nicht beurteilen. Er ist auf alle Fälle schneller und athletischer geworden. Was ich hoffe und fordere, das gilt aber nicht nur für den Fußball: respektvoller Umgang miteinander! Daran hapert es heutzutage in vielen Bereichen. Momentan bist du Geschäftsführer des Leichtathletikvereins 1. LAV Rostock? Wie bist du dazu gekommen? Dadurch, dass meine beiden großen Töchter beim 1. LAV Rostock trainieren und leider der ehemalige Geschäftsführer schwer erkrankte, sprach mich der Vorstandsvorsitzende Ralf Skopnik an, ob ich mir nicht vorstellen könnte, den Verein zu unterstützen. Ich konnte und bin jetzt seit mehr als zwei Jahren dabei. Auf was hast du in Zukunft Lust? Werden wir dich noch einmal im Fußballgeschäft sehen? Ich fühle mich mit meinen Aufgaben und Tätigkeiten rundum wohl an der Küste. Was das Fußballgeschäft betrifft könnte ich mir vorstellen im Hintergrund eines Vereins im sportlichen Bereich (Taktik, Spielphilosophien, Neuverpflichtungen, Trainingsinhalte etc.) tätig zu sein. Wir suchen übrigens noch einen Sportkolumnisten! Mario Basler, Thomas Berthold und Thomas Strunz haben es vorgemacht, wenn du also nach einer neuen Herausforderung suchst, wir nehmen dich gern in unserer Redaktionsfamilie auf! Vielen Dank für das Angebot. Vielleicht schreibe ich ja wirklich irgendwann einmal Kolumnen. Aber momentan haben Sie schon genügend Fachkompetenz in Ihren Reihen. »» Text: Andreas Lilienthal »» Bilder: Fotos FC Hansa Rostock, Sebastian Ahrens Youngspeech 23


Inklusion

Inklusion – das Wort ist momentan in aller Munde. An allen Ecken und Enden entstehen Projekte, Initiativen und Ideen, um Inklusion mit Leben zu füllen. Was heißt es aber »inklusiv«zu sein und wie entwickelt Inklusion unsere Gesellschaft und damit auch uns selbst weiter?

Ein Stück dieses Weges mitzugestalten, hat sich auch die Freiwilligenagentur Magdeburg zur Aufgabe gemacht. Seit Anfang 2014 wird hier das Projekt »Jugend kann! Jugend macht! – Gemeinsames Engagement von Jugendlichen mit und ohne Beeinträchtigungen« umgesetzt. Als engagementfördernde Einrichtung unterstützt die Freiwilligenagentur Jugendliche bei ihrem gemeinsamen Engagement. Dazu wurde zunächst Inklusion heißt wörtlich übersetzt Zugehörigkeit und stellt in ein Jugendteam zusammengestellt. Interessierte Jugendliche Aussicht, dass alle Menschen – ganz gleich wie verschieden verschiedener Einrichtungen und Schulen in Magdeburg sie auch sein mögen – ob mit oder ohne Behinderung – an der Gesellschaft und dem Leben darin teilhaben können. fanden sich zusammen – ganz gleich ob mit oder ohne Dabei geht es durchaus sowohl um Freizeitgestaltung, als Beeinträchtigung. Sie lernten sich bei gemeinsamen Teamauch das Berufsleben, das eigene Stadtviertel oder die Events kennen und begaben sich im vergangenen Herbst auf eine Engagement-Tour durch Magdeburg, um EngagementAusbildung in der Schule. Wie verschieden die Menschen einer Gesellschaft auch sind, sie sind alle willkommen Angebote in verschiedenen Einrichtungen kennenzulernen. und die Barrieren in den Köpfen werden durch Offenheit, Dabei trafen sie beispielsweise das Team der Aerosol-Arena und kamen mit den jungen Projektmachern über ihr Engagement ins Toleranz und ein gemeinsames Miteinander ersetzt. Nach Gespräch. Das Jugendteam war allerdings auch auf dem Werk4der UN-Behindertenrechtskonvention ist Inklusion ein Menschenrecht. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat Gelände in Magdeburg aktiv und packte beim Freiwilligentag diese Konvention unterzeichnet und sich somit zur Umsetzung vor Ort kräftig mit an. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner verpflichtet. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. des Altenpflegeheims »Krähenstieg« freuten sich über einen gemeinsamen Spielenachmittag mit den Jugendlichen.

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Inklusion par excellence

Schnell wurde den jungen Engagierten bewusst, dass ihre scheinbare Unterschiedlichkeit eigentlich keine Rolle spielt und sie als Team funktionieren. Das war schließlich auch der Anlass für die Organisation eigener Aktionstage. So organisierte das Jugendteam anlässlich des 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, ein inklusives Hockey-Turnier an der Schule »Am Wasserfall« in Magdeburg. Dabei spielten Schülerinnen und Schüler verschiedener Magdeburger Schulen in gemischten Teams. Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung kamen in den direkten Kontakt miteinander und ein faires Spiel hat gezeigt, dass Barrieren an diesem Tag keine Rolle spielten. Um auch in der breiten Öffentlichkeit ein Zeichen für Inklusion zu setzen, beteiligte sich das Jugendteam am Aktionstag zur Inklusionsfackel in Magdeburg. Am 13. Juni machte die Inklusionsfackel Station in Magdeburg und wurde auf dem Gelände des SCM Bootshauses weitergegeben. Anlässlich dieses Tages gestalteten die Jugendlichen eine Fotoaktion, bei der sich bis dahin unbekannte Menschen miteinander fotografieren lassen konnten, um so ein Zeichen für Inklusion zu setzen. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher des Aktionstages nutzten dieses Angebot. Neben dem Engagement in verschiedenen Projekten und bei eigenen Aktionstagen möchte das Jugendteam die breite Öffentlichkeit nun mit einer eigenen Kampagne erreichen. Durch CityLight Plakate und Postkarten in Magdeburg soll die Diskussion über Inklusion angeregt werden. Inklusion kann nur gelingen, wenn möglichst viele daran beteiligt werden. Gemeinsam mit dem Magdeburger Cartoonisten Phil Hubbe gestalteten die Jugendlichen Cartoons, die ihr Engagement verdeutlichen – von der Putzaktion auf dem Spielplatz, über den Spielenachmittag im Altenheim bis hin zum inklusiven Hockey-Turnier. Das vierte Motiv fällt dabei aus der Reihe – macht es doch auf ein Problem aufmerksam.

Obwohl die Jugendlichen ihre Freizeit gemeinsam verbringen können oder auch gemeinsame Interessen haben, stehen immer wieder Barrieren zwischen den Jugendlichen mit und ohne Beeinträchtigung. Sei es in der schulischen Ausbildung, denn noch sind viele Schulen nicht auf Inklusion eingestellt oder auch auf dem Weg ins Berufsleben. Während Jugendlichen ohne Beeinträchtigung die große Auswahl der Berufswelt meist offensteht, können Jugendliche mit Beeinträchtigung oftmals nicht frei wählen. Ihr Weg ist meist vorgezeichnet und so bleibt, trotz möglicher Talente und Fähigkeiten, keine Wahl. Sie fallen durch das Raster mangels möglicher Angebote. Daran wird deutlich, dass viele Unternehmen und Behörden noch nicht auf Inklusion eingestellt sind – ein Thema, welches aber in Zukunft eine immer größere Rolle spielen wird. Mit Hilfe der Kampagne möchten die Jugendlichen auf Engagement aufmerksam machen und zeigen, welches Potenzial in ihnen steckt. Im Idealfall regt die Kampagne natürlich weitere Jugendliche zu eigenem Engagement an und gibt Denkanstöße – nicht nur zum Thema Engagement, sondern vor allem auch zur Inklusion – einem Thema, das auch in naher Zukunft für Gespräche sorgen wird. Weitere Informationen zum Projekt und zur Kampagne: www.jugendkann-jugendmacht.de

»» Text & Fotos: Marcus Lahn

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Tippster

MIAS TIPPS Hallo liebe Youngspeech Leser, nun ist es soweit, Youngspeech feiert seinen ersten runden Geburtstag und wir freuen uns, dieses besondere Ereignis mit euch zusammen zu feiern. Wir haben viele tolle Menschen, Orte und Ereignisse mit euch geteilt und sind froh, dass ihr uns weiterhin treu seid. Geburtstage sind auch immer ein Moment über das Vergangene und das Zukünftige nachzudenken. Natürlich verbindet man diese Gedanken dann mit Orten, die man sehr schätzt bzw. die Lust aufs Kennenlernen machen. Ich habe mich ein wenig für euch in Halle und Magdeburg umgeschaut und schöne neue und alte Perlen unserer Heimatstädte gefunden. Wie wäre es mal wieder, ein entspanntes, kühles Bier in der Strandbar an der Magdeburger Elbe zu trinken. Seit 2003 ist sie schon fast ein Urgestein in Magdeburg und eröffnete damals als eines der ersten drei Citybeachkonzepte Deutschlands. Ich erinnere mich immer gerne an meinen ersten Besuch in der Strandbar. Damals stand die Magdeburger Band »Begbie« auf der Bühne und es war eins meiner ersten Semester in Magdeburg. In der Saalestadt Halle ist für mich der KaffeeSchuppen eine der geschichtlich und kulinarisch interessantesten Bars. Am 31.08.1989 als Jazzkaffee gegründet, wirkt diese Bar mit ihrem irisch rustikalen Ambiente so herzlich wie auch vertraut. Oma’s DDR Soljanka, Bauernfrühstück und rote Faßbrause gehören genauso wie kühles Bier und handgemachte irische Musik zu einem entspannten Abend in dieser Eckkneipe. Aber nicht nur die uns so lang lieb gewordenen Bars und Spelunken sollten eure Aufmerksamkeit erhalten, denn es gibt eine neue Lady in der Stadt. Ihr Name ist Magdalena und sie kommt im Gewand eines 20er Jahre Gentleman Club daher. Wer also schauen möchte, wie der große Gatsby einst zu leben wusste, braucht nun nicht mehr auf eine Einladung zu hoffen, sondern besucht diese Bar einfach selber am Hasselbachplatz in Magdeburg. Habt ihr euch schon einmal eine Kirche von innen angesehen? Ich meine ganz in Ruhe und das in den Abendstunden? Falls ihr dazu mal Lust habt empfehle ich euch die Hallesche Nacht der Kirchen am 15. August 2015. Bereits zum fünfzehnten Mal lädt die christliche Gemeinde in Halle alle Interessierten zu einem der ältesten ökumenischen Sommerfeste Mitteldeutschlands ein. Bei gutem Essen und Gesprächen über Gott und die Welt kann man sich in aller Ruhe über 40 Kirchen und Gemeinden in und um Halle ansehen. Es gibt natürlich noch so viele andere tolle Orte und Ereignisse die wir mit unseren Heimatstädten verbinden. Also wie wäre es, wenn ihr diesen Sommer nutzt und all diese mal wieder besucht. Man weiß ja nie, was einem Neues begegnet und in diesem Sinne wünsche ich euch viel Spaß beim Entdecken unserer zukünftigen und vergangenen Schätze und wer weiß, vielleicht bin ich ja dann auch mit dabei.

» Bis demnächst, eure Mia 26 Youngspeech


short

WELCHE FARBE HAT DIE NACHT ? Wenn ich tanze, dann schaue ich immer nur zum DJ. Ich will mich komplett auf die Musik konzentrieren. Die Leute links und rechts von mir schauen sich stets um. Als würden sie Girls oder Boys abchecken, als würden sie irgendetwas suchen. Kein Wunder, dass sie keinen entspannten Abend haben.

An der Bar trinke ich eine Whisky-Cola. Bestes Getränk. Manchmal denke ich, in meinem Bauch sitzt ein schwarzes Loch. Ein Loch, das gefüttert werden muss. Whisky-Cola ist schwarz. Schwarz zu schwarz. Schwarz wie die Nacht. Keine Ahnung, ob das Loch dadurch wächst oder schrumpft. Auf jeden Fall fühlt sich gut an, was damit passiert.

Ich bin von der Studentenpresse hier. Vor dem DJ hat eine Band gespielt, über die sollte ich berichten, aber so früh gehe ich nicht feiern. Es reicht, wenn ich ein paar Konzertberichte aus dem Netz suche und zu einem neuen Bericht zusammenkloppe. Wichtig ist, dass ich umsonst in den Laden kam. Wichtig ist, dass ich Nina treffe.

Maik begegnet mir an der Bar. Er hat soeben seine Klausur in Linguistik II verkackt. »Dabei saß ich wochenlang von morgens bis abends in der Bibo«, sagt er. Er wird sich heute betrinken.

Nina ist meine Kollegin, schreibt bessere Artikel als ich, das muss ich ihr lassen. Wenn sie lacht, dann sieht sie dabei ehrlich aus. Das ist mir sonst bei keinem auf der Uni aufgefallen.

Später treffen wir Tino auf der Tanzfläche. Tino kommt auf das Ende der neuen Staffel von Game of Thrones nicht klar. »Das habe ich nicht kommen sehen«, sagt er. Tino schaut jede Folge live, also um vier Uhr in der Früh. Postet dann bei Facebook oder Twitter Kommentare darüber. Ich glaube, er tut das nur, um cool zu sein. Er wird sich heute betrinken.

Als ich ankomme, meckert Nina. Sie musste lange auf mich warten. Dabei war sie fünf Minuten vor mir da und hat die Band ebenfalls verpasst. Ich glaub, Nina mag mich und will es mir auf die Art zeigen.

Vor dem Eingang treffe ich Hassan auf eine Zigarette. Seine Augenringe sind tief, sein Onkel und seine Tante wurden gerade aus dem Asylheim abgeschoben. »Dabei habe ich ihnen genau gesagt, wie sie es tun sollen.« Auch er wird sich heute betrinken.

Sie legt mir das Pressebändchen ums Handgelenk. Es ist die einzige Berührung, die wir heute Nacht haben werden und ich genieße es.

Während er mir das erzählt, schaue ich in den Himmel. Ich bin schon etwas betrunken. Welche Farbe hat die Nacht?, frage ich mich.

»Sieht cool aus«, sage ich. »Was soll daran cool sein?«, sagt sie. »Es ist schwarz.« »Es ist ein Band. Es ist komplett schwarz. Wie die Nacht.« »Die Nacht ist nicht schwarz«, sage ich. »Was?« »Ich lese gerade ein Buch, da steht etwas anderes drin.« »Achja. Was?« Flashback: Vor der Party. Ich sitze in meiner Studentenbude und lese ein Buch von einem Schriftsteller, dessen Namen ich längst vergessen habe. Irgendetwas Südamerikanisches. Er schreibt: »Wie alle anderen auch, dachte Laura, die Nacht würde die Farbe schwarz tragen, ein unerbittliches schwarz, das nur Trauer und Dunkelheit bedeutete. Doch wenn sie genau hingesehen hätte, wüsste Laura, dass die Nacht ...« Und an dieser Stelle machte es KLING, eine neue FacebookNachricht ploppte auf, Maik schrieb: Geht das heut klar mit der Akkreditierung? Und nun im Gespräch mit Nina wird mir klar: Ich habe den Satz über die Nacht nie zu Ende gelesen. »Welche Farbe hat denn nun die Nacht?«, fragt Nina. »Ich ... habs vergessen.« Nina verzieht das Gesicht und schaut zu Boden. Was für ein Idiot, sagt ihr Blick. Sie schnürt das Bändchen um mein Handgelenk, fertig – Zeit, getrennte Wege zu gehen.

Weiß, denke ich. Weiß. Die Sterne leuchten weiß. Durch die Nacht sind wir erst in der Lage, sie zu sehen. Die Nacht ist weiß. Die Antwort gefällt mir. Das muss ich Nina sagen. Also suche ich Nina. Nach einer Weile finde ich sie: Sie hockt mit der Band zusammen, die heute Abend spielte. Nina sagt dem Sänger, dass sie den Sound fantastisch fand. Dabei hat sie die Band genauso verpasst wie ich. Nina trinkt Whisky-Cola. Irgendwie enttäuscht mich das. Das Verlangen, mit Nina zu reden, das Verlangen nach Nina überhaupt, lässt nach. Den Rest der Nacht stehe ich vor dem DJ-Pult, tanze, trinke Whisky-Cola, konzentriere mich nur auf die Musik, schaue nicht nach links und rechts. Ich tanze und tanze, bis das schwarze Loch Ruhe gibt. Gehe irgendwann im Morgengrauen, wenn der Himmel dunkelblau ist, nach Hause.

Dominik Grittner ≡ freier Journalist (Youngspeech, Dates, Pressestelle OvGU) ≡ freier Schriftsteller (veröffentlicht Kurzgeschichten) ≡ Blogger bei BetamindMusic ≡ Student der Dramaturgie und Drehbuchschreiben an der Filmhochschule Potsdam/Babelsberg

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One last thing…

Outro

Ce-le-brate Good Times ... ... Come On! Whoop Whoop ... Es ist also vollbracht. Jubiläum ... Ausgabe 10! Das mag jetzt

An dieser Stelle halten wir kurz inne und gedenken einiger

im ersten Augenblick nicht besonders mächtig klingen. Bei

Dinge/Ereignisse die keine 4 Jahre überdauerten:

anderen Publikationen vergeht schließlich kein Jahr bis diese Zahl erreicht ist. Bedenkt man aber, dass wir im mehr oder minder steten Vierteljahresrhythmus erscheinen, heißt das

• Die Produktion der SEGA Dreamcast wurde nach ca. 2½ Jahren eingestellt.

im Umkehrschluss, dass es die Youngspeech seit nunmehr fast vier Jahren gibt, nämlich seit 2011! Vier Jahre in denen unsere Redakteure unermüdlich durch die Lande streiften,

• Die unglückselige Regentschaft von Markus Lanz bei Wetten, dass..? dauerte nur etwas mehr als 2 Jahre.

um euch von Festivals, Events und allerhand interessanten Persönlichkeiten

zu

berichten.

Die

ein

oder

andere

• Christian Wulff war nur etwa 20 Monate Bundespräsident.

selbstinszenierte, Aufmerksamkeit generierende Kontroverse begleitete

uns

dabei.

Stichwort:

Doppelpenetration

• Die Titanic hielt stolze 12 Tage.

(#DoppelpenetrationGATE). Aber auch hier war der eigentliche Kerngedanke ehrlicher, aufrichtiger Altruismus. Es gibt Kreaturen, die sich von derartigen Diskursen ernähren und

• Die Ehe von Britney und dem Typen, dessen Namen keiner mehr kennt, hielt 55 Stunden.

auch die sollen bei uns natürlich nicht zu kurz kommen. • Luke Skywalker genoss nur wenige Sekunden das Familienleben, bevor ihm aus disziplinarischen Gründen die rechte Hand amputiert wurde. Vier Jahre sind also keine üble Leistung. Noch 20 Ausgaben und wir haben das 1000-jährige Reich geknackt. Danke für euer Interesse an 10 Ausgaben Youngspeech! Vielen Dank für's Lesen und bis zur nächsten Ausgabe!

Mia

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» Es feiert nun ausschweifend, Christian Geipel

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