Jugendzeitung YAEZ

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Wenn es um den Glauben geht, gibt es viele Meinungen. Deshalb am besten auf das eigene Gefühl hören.

Erleuchtung nicht ausgeschlossen Wenn es darum geht, ob und woran wir glauben, lassen wir uns nicht reinreden. So wie Julian, Tabea und Jasmin: Sie folgen ihrer Intuition und entscheiden selbst, welcher Weg der richtige für sie ist. Text und Interviews: Kira Brück Fotos: jan kopetzky und Benedikt Müller

Jeden Abend vorm Einschlafen kurz beten, nur an Weihnachten in der Kirche vorbeischau­ en, an Wiedergeburt glauben – so geht Glaube heute. Oder auch ganz anders. Und das ist großartig so! Vorbei sind die Zeiten, in denen man von den Eltern diktiert bekam, wen man anzubeten hat. Jugendliche lassen sich heute nicht mehr zur Konfirmation oder Firmung zwingen, sie hinterfragen die Autoritäten und glauben, was sie wollen. Und sie mixen sich aus verschiedenen Religionen das zusammen, was für sie am meisten Sinn ergibt. Beispielsweise die Sache mit der Wiedergeburt – die gehört nämlich gar nicht zum Christentum, sondern stammt aus dem Buddhismus. »Junge Menschen fordern sehr stark eine religiöse Selbstbestimmung ein. Sie wollen Dinge infrage stellen dürfen und überlegen sich ganz pragmatisch: Was tut mir gut? Sie wollen nur glauben, was sie selbst auch plausibel fin-

den«, sagt Religionswissenschaftlerin Verena Maske von der Universität Marburg. Ihre Forschungen haben ergeben, dass es zwar keinen Werteverlust gibt – dass man aber trotzdem einen klaren Wandel in der Beziehung zu Religionen festmachen kann. »Früher gab es klare Autoritäten und Institutionen, die man nicht infrage gestellt hat. Religion war eine Art Dach, das die gesamte Gesellschaft überdeckt hat. Heute ist sie lediglich ein Sinnangebot unter vielen. Man kann auf sie zurückgreifen, muss man aber nicht«, erklärt Verena Maske. Der 16-jährige Julian beschreibt es so: »Ich glaube wie viele meiner Freunde an Gott. Aber wir erwarten alle keine Erleuchtung.« Diese entspannte Haltung zum Glauben ist heute ganz normal. Alles kann, nichts muss. Und keiner braucht irgendetwas kategorisch auszuschließen. Verena Maske ist davon überzeugt, dass wir uns durchaus für Glauben, Religion und Spiritualität begeistern

können – uns aber auch ganz bewusst mit Zweifeln auseinandersetzen. Was aber definitiv nicht gefragt ist: sich etwas vorschreiben lassen. Egal ob von den Eltern, Lehrern oder einer Institution. Wer heute 17 ist, hat das Glück, nicht nur mit dem katholischen und evangelischen Glauben konfrontiert zu werden. In vielen Schulen gibt es ein offenes, multikulturelles Klima: Muslime, Christen, Buddhisten, Juden und Atheisten sitzen in einem Klassenzimmer, haben dieselben Gedanken und Zweifel. Und so kommt es vor, dass man sich gute Ansätze aus einer anderen Religion herauspickt und für sich übernimmt. Dafür sollten wir den vielen Migranten danken, die ihren Glauben mit nach Deutschland brachten – und die uns heute zeigen, dass man nicht nur zwischen katholisch und evangelisch wählen kann. So wie die 18-jährige Jasmin, die es toll findet, mit unterschiedlichsten Nationen und Religi-


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