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Der große Graben Wer nicht zur „Grundversorgung“ beiträgt, der verzweifelt

Der große Graben

Der Wille, gemeinsam durch die Krise zu kommen, hat Ecken und Kanten. Jene, die nicht zur Grundversorgung beitragen, verzweifeln.

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••• Von Christian Novacek

Bereits 73% aller Verkaufsflächen in Österreich sind ungenutzt. Laut Berater RegioPlan sind das von 14,2 Mio. m² Verkaufsfläche etwa 10,3 Mio. m². Der Stillstand hat einen handfesten Grund: Die Flächen dürfen nicht betreten werden!

Den täglichen Umsatzentgang im stationären Handel beziffert RegioPlan auf 130 Mio. € (brutto). Zum Rückgang aufgrund geschlossener Geschäfte kommt noch jener, den der lahmgelegte Tourismus verursacht. Errechnet aus den branchenrelevanten Konsumausgaben pro Nächtigung und der durchschnittlichen Nächtigungszahl im März, ergibt sich ein zusätzlicher Umsatzentgang von täglich 9,5 Mio. €.

Shutdown kocht hoch Die Last des Shutdowns für den Handel ist dabei nicht gleichmäßig verteilt. Denn während der Lebensmittelhandel in seiner Versorgungsrolle reüssieren kann, kämpfen 40.000 Betriebe um ihre Existenz. Gräben, die bis dato achselzuckend zur Kenntnis genommen waren, vertiefen sich jetzt. Speziell der Fachhandel fühlt sich gedisst.

So meint etwa Holger Schwarting, Vorstand von Sport 2000: „Betriebsschließungen sind in Anbetracht der aktuellen Situation verständlich und umzusetzen. Nicht verständlich ist, warum Handelsbetriebe, die von den Schließungen ausgenommen sind, um Lebensmittel zu verkaufen, aktiv Non-FoodWarengruppen anbieten und sogar bewerben. Dies schädigt und gefährdet österreichische Klein- und Mittelbetriebe in ihrem Kerngeschäft, die momentan aufgrund der Verordnung geschlossen haben müssen. Hier fordern wir Klarheit durch die Politik und eine entsprechende Umsetzung.“ Gerade diese Umsetzung dürfte jedoch schwer sein. Denn erstens wird die Politik nicht ernsthaft Druck gegenüber dem LEH aufbauen – nicht zuletzt ist sie auf die Kooperationsbereitschaft der Lebensmittelketten angewiesen. Hinzu kommt, dass gerade der LEH flott und konstruktiv agiert hat. Schutzwände aus Plexiglas, Abstandsmarkierungen und zuletzt die Ausgabe der Schutzmasken – von mangelnder Kooperationsgemeinschaft keine Spur. Ergo wird teilen, die nicht der Grundversorgung dienen, würde ggf. sogar zur Verunsicherung der Konsumenten beitragen – sind sie doch sonst jedenfalls verfügbar. Entsprechend argumentiert Spar-Sprecherin Nicole Berkmann, wenn sie auf die Unmöglichkeit verweist, „Mauern in den Filialen“ zu errichten.

Dazu kommt, dass der stets bereite Helfer in Sachen NonFood ausgerechnet Amazon wäre. Und gerade diesem Onlineriesen, der hierzulande nicht zu

Maskerade Einkaufen mit Maske wäre vor Monaten genauso undenkbar gewesen wie maskierte Bankbesuche. Covid-19 hat das verändert.

© APA/Helmut Fohringer

man auf jemanden, der sowieso „am längeren Ast“ sitzt, kaum hinprügeln.

Non-Food im Visier Zweitens ist es eine Frage der Machbarkeit. Zwar gestalten Großhändler wie Metro derzeit die Non-Food-Abteilungen eher unzugänglich, andererseits machen sie mehr Geschäft dadurch, dass sie für den Endverbraucher geöffnet haben.

Befremdlich wäre das Szenario versiegelter Non-Food-Abteilungen im Verbrauchermarkt: Das Abriegeln von Sortimentsden sprudelnden Steuerquellen zählt, will man es halt auch nicht in den Rachen werfen. Ergo: Die Zeiten bleiben hart, die Gräben offen und viele Blumen werden wahrscheinlich ohne allzuviel Freude zu spenden verwelken.

Trost spendet die Prognose lt. RegioPlan. Demnach sei nicht der gesamte entgangene Umsatz verloren; es darf angenommen werden, dass etwa ein Drittel der Ausgaben der Wohnbevölkerung auf die Zeit nach dem Ausnahmezustand aufgeschoben wird. Verwelkte Blumen wird man dann allerdings nicht kaufen.

Sag es einfach durch die Blume

Christian Novacek

Ganz super ist es nicht, wenn die Supermärkte jetzt Blumen verkaufen. Klar entspricht es der Jahreszeit und klar, das haben sie voriges Jahr genauso gemacht. Aber während vor der Krise Blumenhändler noch mit einem ärgerlichen Schulterzucken hingenommen haben, dass der LEH ihnen einen USP abgräbt, hat die Situation heute einen nicht gerade wohlduftenden Beiklang. Denn während der LEH im Blumenmeer schwelgt, verwelken die selbigen beim Blumenhändler. Als gerecht kann so etwas niemand empfinden. Ergo bin ich ausnahmsweise nicht der Meinung des Handelsverbands, dass der LEH für die Bereitstellung von Masken entschädigt werden soll. Weil, spitzgerade aus der Blume gesprochen, mit Maske kann er sich am Duft eines Geschäfts, das anderen jetzt schmerzhaft fehlt, nicht berauschen.

73%

Geschlossen Betroffen von der Geschäftsschließung sind jene, die nicht zur Grundversorgung beitragen – gesamt 73% der Handelsflächen. Besonders hart trifft es jetzt die Blumenhändler.

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