Hartberg-Fürstenfeld November 2016

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Meine Steirische

„Die Spaltung war immer schon da“ Von Hubert Heine

Im Brotberuf ist Gerhard Kothgasser Bezirksanwalt am Bezirksgericht Fürstenfeld. In seiner Freizeit leitet der Grüne der ersten Stunde als Bezirkssprecher die Geschicke der Ökopartei. „Meine Steirische“ traf den leidenschaftlichen Fotografen, Skilangläufer und Alpinisten zum Interview und sprach mit ihm über die Rolle als Grün-Politiker in der Oststeiermark, Morddrohungen im Präsidentschaftswahlkampf und die Spaltung in der Gesellschaft.

Meine Steirische: Am 4. Dezember startet der nächste Anlauf zur BPWahl. Hält der Termin? Wenn ja, wer gewinnt? Gerhard Kothgasser: Ich denke, der Termin hält. Sie werden wohl genau darauf achten, dass dieses Mal alles passt. Für mich ist klar, dass Alexander van der Bellen gewinnt, er ist einfach der besser Kandidat. Ob die Wahl aber auch rechtskräftig ist, da bin ich mir nicht so sicher. Meine Steirische: Warum? Gerhard Kothgasser: Die FPÖ wird jede Möglichkeit nutzen, um wieder anzufechten. Meine Steirische: Nach wiederholten Morddrohungen erhalten beide Kandidaten Polizeischutz. Ein geistig verwirrter Mann mit Hakenkreuz-Tattoo auf der Brust wurde jetzt ausgeforscht und verhaftet. Was geschieht da gerade in unserer Gesellschaft? Gerhard Kothgasser: Das ist leider eine schlimme Entwicklung, die sich auch in der Asyldiskussion mit all ihren Drohungen zeigt. Die Hemmschwelle ist gesunken. Früher musste einem der Satz über die Lippen gehen, heute rinnt er anonym durch die Finger in die Tastatur. Wie man sieht, muss die Exekutive diese Drohungen sehr ernst nehmen. 8 8

Meine Steirische: Nach der letzten Stichwahl wurde viel über die Spaltung in der Gesellschaft diskutiert. Wie nehmen Sie diese wahr? Gerhard Kothgasser: Die Spaltung war immer schon da, sie zeigt sich jetzt nur viel stärker. Nicht nur wir Grüne, sondern auch viele Mitarbeiter von diversen Hilfsorganisationen werden leider als Gutmenschen beschimpft. Meine Steirische: Sie sind von Anfang an bei den Grünen und waren vor 30 Jahren sogar Gründungsmitglied. Wie geht es einem Grün-Politiker in der schwarzen Oststeiermark? Gerhard Kothgasser: Die Situation hat sich wesentlich verbessert. Heute fällt es einem leichter, sich als Grüner zu outen. In den 80er Jahren hat man sich im Wirtshaus zu später Stunde oft noch Watschen abgeholt. Meine Eltern wurden sogar öffentlich beschimpft, welchen Rabensohn sie da groß gezogen haben. Auch mein Bruder wurde bei Bewerbungen abgelehnt mit dem Verweis auf die „grüne Verwandtschaft“. Meine Steirische: Wie sieht es heute im politischen Alltag aus? Gerhard Kothgasser: Wenn man Politik ernst nimmt und nicht Eigeninteressen in den Vordergrund stellt, ist es in jeder Partei schwierig. Unser Image als Wirtschaftsschädlinge und Arbeitsplatzvernichter hängt uns seit den Protestbewegungen in den 80ern mit dem Nein

zur Atomkraftwerk in Zwentendorf und der Besetzung in der Hainburger Au bis heute nach. Da hat die Regierung starke Propaganda gegen uns betrieben. Heute funktioniert grüne Politik in vielen Regierungskoalitionen. Nur am Land lassen sich Themen wie Homosexualität oder Cannabisfreigabe nicht einmal diskutieren. Meine Steirische: Vom Grundverständnis her, müsste nicht jeder Bauer ein Biobauer sein in Bezug auf Umweltschutz, Verzicht auf Spritzmittel, artgerechte Tierhaltung, etc.? Gerhard Kothgasser: Das ist leider ein absolutes Wunschdenken. Die Landwirtschaft wird von Kammer und Bauernbund sehr stark dominiert, da steht die konventionelle und industrielle Landwirtschaft ganz klar im Vordergrund. Biobauern sind zumeist Einzelkämpfer. Leider laufen immer noch viele Kampagnen gegen Biobauern und Grüne. Meine Steirische: Welche „grünen Ziele“ gibt es für die Zukunft? Gerhard Kothgasser: In Hartberg möchten wir bei der nächsten Wahl von der Oppositions- auf die Regierungsbank, vielleicht den Bürgermeister stellen oder zumindest maßgeblich darüber mitbestimmen. Auf Bezirksebene planen wir wie in Weiz, dort gibt es mittlerweile Grüne Kandidaten in 25 Gemeinden, mehr und bessere Strukturen schaffen.


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