Text Kaiserslautern

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Spielfeld ohne Begrenzungen „Begreifen und Erleben: die Schönheit der Inszenierung hält Vergangenheit und Zukunft gefangen. In einer zeitlosen Gegenwart. Endlose Telefonate, Faxe und Briefwechsel mit Behörden und Ämtern, Vereinen und Handwerkern, Kunsthistorikern und Journalisten – und nicht zuletzt mit manchem antriebsschwachen Kollegen.“ So beschrieb Walter Jung, unser Vorsitzender, bereits vor 15 Jahren die Tätigkeiten bezüglich der PlakatWandKunst-Aktion. Telefonate, Faxe, Briefwechsel:- und malen tun wir auch noch... und bis auf die fehlenden E-Mails trifft das auch immer noch bestens auf unsere Mehrkampfexistenzen zu. So ein Projekt verlangt jedesmal viel Einsatz an allen Fronten, vor allem an denen, an denen ein Künstler nicht besonders gerne kämpft, wie Bürokratie und Organisation. Zum Glück gab es diesmal bei diesen zwei Punkten überhaupt keine Probleme. Denn uns wurde diese ganze unangenehme Arbeit


abgenommen. Dieses Mal sind wir nämlich die „Eingeladenen“. Wir sind die Gäste. Es wurde sich um uns gekümmert, und wir mussten gar nicht so aktiv werden. Ein seltener Luxus. Deshalb gilt unser herzlicher Dank den Kollegen der KWG (Künstlerwerkgemeinschaft) für die großartige Organisation. Insbesondere der Künstlerin Veronika Olma, die als Initiatorin und Kontaktperson mit sehr viel Engagement sehr viel ehrenamtliche Arbeit leisten musste. Vor knapp einem Jahr war Sie eingeladener Gast bei einer PlakatWandKunst-Ausstellung in Rastatt, und dabei kam dann die Idee auf, hier in Kaiserslautern gemeinsam mit der KWG eine ähnliche Ausstellung zu realisieren. Und Dank der finanziellen Untertützung durch zahlreiche Sponsoren ist es nun wieder einmal geschafft. Denn dummerweise kostet so eine Veranstaltung nicht nur Engagement und Einsatzwille, sondern auch eine ganze Menge Geld. Was vor nunmehr bereits 25 Jahren mit einer Idee der


Künstlerin Angela Junk-Eichhorn in Karlsruhe-Neureut begann, nämlich Kunst gegen Werbung im Öffentlichen Raum antreten zu lassen, ist wirtschaftlich ein Aberwitz geblieben, technisch von überschaubarer Qualität, leidenschaftlich von hohem Einsatz − und Werbung gibt es immer noch. Kein Wunder also, dass sich die Sache verselbständigt hat. Sich loslöste vom Anspruch „im Kontext zur Werbung stehen zu wollen“. Heute steht die künstlerische Plakatwand für sich selbst. Heute wirbt sie für sich. Für die Kunst. Für die Öffentlichkeit von Kunst. Für den Dialog und die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Deshalb wurden wir knapp zwei Dutzend aufrechten, vielleicht auch „altmodischen“ Maler aus Karlsruhe und Umgebung, die wir uns bis heute an der Aktion beteiligen oder beteiligt haben, immer wieder eingeladen an ferne Orte wie Nancy, Strasburg und Paris, nach Luxemburg, Oxford, Nottingham oder Kehl.... und jetzt eben auch Kaiserslautern. Die Kunst geht auf Reisen.


Sie versteckt sich nicht. Deshalb sind wir hier. Hier auf diesem „weiten Feld“, zwischen Uni und Trippstadter Straße. „Pictura est laicorum litteratura“ Das Bild ist die Literatur des Laien. Mit diesem lateinischen Satz führt der Autor und Historiker Umberto Eco in die frühmittelalterliche Welt der Kommunikation ein. Man denke dabei auch an die Ikonografie von kirchlichen Wandgemälden. Das war ebenfalls öffentlich und konnte von jedem gelesen werden. Das war Auseinandersetzung pur. Großes Kino sozusagen. Zwar manipulativ, aber immerhin... Eine Möglichkeit für jedermann, sich ein Bild zu machen, sich fortzubilden. „Bild“ung entwickelt sich also auch aus Bildern. Wie das Wort schon selbst belegt. Bilder sind Sprache, sind Schrift. Aus Ihnen entstand sogar erst die Schrift. Seien es Hieroglyphen oder Runen.


Es gilt: Am Anfang war das Bild!

Und „plakative“ Bilder sind somit zunächst einmal scheinbar allgemein verständliche Botschaften. So sollte man meinen. Das stimmt aber nicht immer und vor allem nicht mehr heute. Denn die Kunst hat sich bekanntlich im Laufe des letzten Jahrhunderts befreit - befreit vom Dogma des Erkennbaren, des Sinnvollen, des Rationalen... Der Grund dafür lag in Fortschritt und Technik, im Voranschreiten der industriellen Revolution, in der Erfindung der Fotografie. Die Kunst musste sich einer neuen Sprache bemächtigen, einer Sprache, in der es stellenweise keine Worte mehr gab. Dieses Vokabular musste sie erst entwickeln.. In Form von Bildern. Bildersprache. Dadurch ist sie aber für viele zur Fremdsprache geworden. Völlig unverständlich und unlesbar. Aber wie bereits gesagt: Das Bild ist die Literatur des Laien.


Da gibt es nun mal keine Wörter oder erkennbare grammatikalische Regeln. Die Sprache der Kunst begründet sich als autarker Pol im Kontext zur Logik und Rationalität der industriellen Gesellschaft. Und wie heisst es immer noch so schön: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Hinsehen ist erlaubt. Bilder betören die Sinne, festigen Glaube und Liebe – zu was auch immer. Dies gilt in der Werbung wie in der Kirche oder sonstwo. Deshalb müssen künstlerisch gestaltete Plakatwände auch nicht „plakativ“ sein, sondern können sich frei bewegen, Möglichkeiten zeigen, widersprüchlich sein und sich selbst in Frage stellen. Das einzige, was sie wirklich suchen und wollen ist der Dialog durch ihre Präsentation in der Öffentlichkeit. Sie stehen „plakativ“ für die unendlichen Möglichkeiten der Kunst. Dafür werben sie. Dafür wurden sie hier aufgestellt. Oder um es mit dem bekannten Werbefachmann, Künstler und


Fotograf Charles Wilp zu sagen: Alles ist in Afri-Cola ! Alles ist in Plakat Wand Kunst ! Das klingt gut. Verspielt und offen. So wie „Dies ist ein weites Feld“. Ein Spielfeld ohne Begrenzungen. Zwei Mannschaften wurden aufgestellt. Auf der einen Seite die KWG-Kaiserslautern und auf der anderen Seite die PlakatWandKunst-Karlsruhe. Ein Pfalz-Baden-Derby. Doch anders als im Fussball spielen sie nicht gegeneinander, sondern miteinander. Und in diesem Spiel ist auch alles erlaubt. Es gibt keine Spielregeln und nur eine Vorgabe: und die heisst 2.60 m x 3.60 m . Das ist das Spielbrett für jeden Mitspieler. Als besondere Herausforderung, und damit auch alle Teilnehmer auf dem Platz sind, haben sich innerhalb der Mannschaften nochmals Teams gebildet, und zahlreiche Künstler haben diesmal paarweise eine Plakatwand gestaltet.


Teamwork. Im Kleinen wie im Großen. Es gibt keine Verlierer. Die Kunst gewinnt sowieso. Und so vereinigen sich hier Können und Glück. Der Künstler ist zweifelsohne ein Spieler, ein Glücksritter, und er spielt mit hohem Einsatz und Risiko. Er würfelt Farben und Gedanken durcheinander und setzt alles auf eine Karte. Und jeder spielt sein eigenes Spiel nach seinen eigenen Regeln. Die Bilder werden als Einsatz oder Spielfiguren geschickt gezogen und platziert. Und am Schluss heißt es: Rien ne va plus. Nichts geht mehr. Die Einsätze sind gemacht. Die Figuren sind gesetzt. Und so stehen sie hier: hier auf der Spielwiese in der Uni Kaiserslautern und an der Trippstadter Straße..


Bunt zusammengew端rfelt. Von Taktik keine Spur. Riskantes Spiel mit offenen Karten. Jetzt sind sie am Zug, verehrtes Publikum. Faites-vos jeux !

Andreas Lau Mai 2013


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