DINGS. Aus den Sammlungen Hofer/Kaplan/Petrowitsch/Strobl/Thümmel/Wolf

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DINGS. Aus den Sammlungen Hofer / Kaplan / Petrowitsch / Strobl / Th端mmel / Wolf 1


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DINGS.



DINGS. Aus den Sammlungen Hofer / Kaplan / Petrowitsch / Strobl / Th체mmel / Wolf

Herausgegeben von Anita Hofer und Bernhard Wolf

Mit Textbeitr채gen von Kerstin Barnick-Braun, Christian Fleck, August Ruhs

luxus edition



Bernhard Wolf

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Vorwort

Christian Fleck

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Sammler und Sammlungen

Kerstin Barnick-Braun

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Notizen zum Sammeln als künstlerische Strategie Zur Ausstellung “Dings. Aus den Sammlungen Hofer / Kaplan / Petrowitsch / Strobl / Thümmel / Wolf”

August Ruhs

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Sublime Gier Beitrag zu einer Psychoanalyse des Sammelns

Sammlung Erika Thümmel

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Erika Thümmel im Gespräch

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Sammlung Helmut Kaplan

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Helmut Kaplan im Gespräch

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Sammlung Edda Strobl

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Edda Strobl im Gespräch

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Sammlung Michael Petrowitsch

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Michael Petrowitsch im Gespräch

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Sammlung Anita Hofer

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Anita Hofer im Gespräch

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Sammlung Bernhard Wolf

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Bernhard Wolf im Gespräch

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Lotos und Druckanzug

Die Befriedung der Dinge

Spuren fremden Lebens

Glück, Mutter, Langeweile

Strukturen, Sätze und Geräusche

Befreiung vom guten Geschmack Biografien der SammlerInnen Biografien der AutorInnen


“Vom Beginn der Moderne bis heute werden wir von der Idee beherrscht, dass es so etwas wie Zeichen der Zeit gibt, die wir suchen können und auch sicher sind zu finden. Aus dieser merkwürdigen ideologischen Fiktion oder Konstruktion heraus wird gesammelt. Das ist faszinierend, weil dieses Sammeln an sich Kunstwerk ist: Gesamtkunstwerk – im Unterschied zum Sammeln aus einer psychologischen, obsessiven Realität heraus, die vielleicht interessant, aber keine Kunst ist.” Boris Groys, Logik der Sammlung


Bernhard Wolf Die Welt als Wunschprojektion und Substitut Gartengasse, Ecke Leonhardstraße, 1991. Ein kryptisches, schwarzes Plakat verkündet in weißen Lettern die rätselhafte Losung: “Immer”, ergänzt durch einfache grafische Symbole. Einige Zeit später folgten Begriffe wie “Oft”, “Damals”, “Selten” an verschiedenen Stellen in Graz. Wer um alles in der Welt wollte hier was mitteilen? Es war mindestens so erfreulich einem Rätsel auf der Spur zu sein, als auch, dass die enervierende Werbesoße im öffentlichen Raum mit einem Lichtblick durchkreuzt wurde. Das Glück wuchs weiter als ich die anonyme Künstlerin kurz später kennen lernte. Matta Wagnest tauschte sogar eine Ausgabe ihrer Serie “Zur Zeit” mit meinen damaligen Elaboraten. Dies muss wohl der Grundstein zu meiner Kunstsammlung gewesen sein. Dies, und nicht wie nahe liegend das frühe Haben Wollen des roten und blauen Albums der Beatles, oder ein wenig weiter in der Pop/Punk Sozialisation die explosionsartige Begeisterung für die Sex Pistols und den synthetischen Geruch sämtlicher Schallplatten von Virgin Records. Nein, es begann alles später, mit einer wachsenden Zuneigung zu kleinen magischen Momenten im Alltag, vermischt mit den rätselhaften Verlockungen der Kunst, manifestiert in Objekten, Zeichnungen oder Irgendwas. So entstand sukzessive ein persönliches Koordinatensystem des Erforschens und Sammelns, Wunderkammer und Privatuniversum zugleich. Alle sechs im vorliegenden Katalog vertretenen SammlerInnen teilen diesen Ansatz, wenngleich sie sich dabei unterschiedlicher Strategien bedienen, die in den beiliegenden Interviews ausführlich besprochen werden. Große internationale Sammlungen bestimmen einen wachsenden Bereich im Kunstbetrieb. Das kann man nun gut oder schlecht finden. Fest steht aber, dass damit Konturen erzeugt werden und Qualität festgeschrieben wird. Wir wenden unseren Blick auf ähnliche private Leidenschaften. Eine individuelle Geschichtsschreibung in nächster Nähe, die ihre Kriterien normalerweise nicht mit der Öffentlichkeit verhandelt. Die hier präsentierten Sammlungen haben den gemeinsamen Bezugspunkt Graz, inklusive internationaler Verflechtungen im Zeitfenster der 1980er, 1990er Jahre bis ins neue Jahrtausend. Sie sind bestückt mit Werken befreundeter KünstlerInnnen, Fundstücken von der Straße, der einen oder anderen kostspieligen Akquisition, persönlichen Erinnerungen, Kinderzeichnungen. Was im Laufe der Zeit Eingang in eine Sammlung findet erzählt auch über die Persönlichkeit der/des Sammelnden, über die Versuche, sein/ihr Universum der Gegenstände entstehen zu lassen. Bringen wir sie also ans Licht, die versammelten Pretiosen – als Pendeln zwischen privater Mythologie, Obsession und konsensfähigem Ausdruck ihrer Zeit. Oder sehen wir sie als das, was sie auch sein können: zeitgenössische Kunstsammlungen aus Graz.

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Christian Fleck Sammler und Sammlungen Meine Großmutter war eine passionierte Sammlerin. Als nach ihrem Tod ihre Wohnung zu räumen war, stieß ich unter anderem auf eine einige hundert Stück umfassende Sammlung – alter Papiersackerln, fein säuberlich gefaltet und übereinander gestapelt. In Erinnerung ist mir ein zufällig obenauf liegendes braunes Exemplar mit dem Aufdruck “Richtig wirtschaften=besser leben KONSUM”. Trotz des beeindrukkenden Umfangs ihrer Sammlung und des, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, zeitgeschichtlich bedeutsamen Inhalts – als meine Großmutter in den 80er Jahren verstarb, war der Konsum allerdings noch nicht Gegenstand nostalgischer Verehrung und ob er es je noch werden wird, ist heute ungewisser denn je – überantworteten wir ihre Sammlung herzlos einer anderen, professionellen Sammlerin: der Altpapierverwertung. Warum schafften es Omas Papiersackerl nicht, als Sammlung der Nachwelt erhalten zu bleiben? Warum war ich damals nicht weitsichtig genug vorherzusehen, dass zwanzig Jahre später die Sammlung es sogar geschafft hätte, ausgestellt zu werden? Beim erfolgreichen Projekt des Kulturhauptstadtjahres 2003 hätten die Besucher die Sammlung meiner Großmutter ebenso andächtig besichtigt wie alle anderen zum Berg der Erinnerung aufgetürmten Überbleibsel. Warum daraus nichts wurde und warum das auch in Ordnung geht, soll im folgenden behandelt werden. Der bloße Umstand, dass jemand etwas sammelt, reicht offenkundig nicht, um in den Augen relevanter anderer daraus eine Sammlung werden zu lassen. Das hängt wesentlich damit zusammen, dass in unserer Kultur Sammlungen zusätzliche Bedingungen erfüllen müssen, um ihre Urheber den Schritt vom Messie zum Sammler bewältigen zu lassen. An allererster Stelle geht es wohl darum, dass das, was gesammelt wird, Raritäten sein müssen. Natürlich stimmt es, dass, vergeht nur genug Zeit, auch Massenprodukte den Status von Raritäten gewinnen können. Werfen nur ausreichend viele Leute alles weg, ist jener der erfolgreiche und unter bestimmten Bedingungen sozial anerkannte Sammler, der vielleicht sogar aus psychischem Zwang zum Wegwerfen unfähig ist. Egal, ob es sich um alte Autos oder Weinflaschen, die ersten Mickey Mouse Hefte, Porzellanbehälter für pharmazeutische Produkte oder Eintrittskarten für Popkonzerte handelt, ein halbes Leben später kann das alles den Status einer Rarität gewonnen haben und mag erfolgreich ausgestellt werden. Bemerkenswert ist, was dem Zahn der Zeit entgeht und welche Objekte ihm zum

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Opfer fallen: Ein paar Kilometer nördlich von Graz findet man ein ganzes Tal vollgestopft mit alten Bauernhäusern, während das vermutlich allerletzte Konsumvereinshaus, deren es in der Zwischenkriegszeit in Österreich wohl hunderte seriell gestaltete gegeben hat, in einem Ortsteil von Gramatneusiedl langsam verfällt, obwohl es mehr als einen Grund gäbe, dieses Gebäude zu restaurieren, steht es doch immer noch dort, wo vor 73 Jahren eine Gruppe von jungen Sozialforschern eine Studie durchführten, die diesen Ortsteil seither weltweit zum Synonym der Lebensverhältnisse von Langzeitarbeitslosen werden hat lassen: Marienthal. Doch in Niederösterreich fehlt eine Person wie Hanns Koren, der seine professionellen und persönlichen Vorlieben für das bäuerliche Leben als Politiker erfolgreich in eine Sammlung mit dem Namen Freilichtmuseum Stübing transformieren konnte. Dieses Beispiel ist aus einem weiteren Grund instruktiv: Während es sich in Großbritannien der dortige National Trust zur Aufgabe gemacht hat, sich intensiv auch der Bewahrung und Rekonstruktion von Artefakten des Industriezeitalters zu widmen, ist eine der Industrial Heritage vergleichbare Initiative in Österreich undenkbar, wo trotz zeitweiliger sozialdemokratischer Hegemonie eine Pflege der Tradition der eigenen sozialen Gruppe und ihrer Lebens- und Arbeitsverhältnisse jenseits der Bewahrung von hochkulturell akzeptablen Elementen wie Büchern und Gesängen nie erwogen wurde. Das scheinbar schlichte Kriterium Rarität allein genügt nicht, um Sammler und Sammlungen entstehen zu lassen. Welche alltäglichen Produkte für wert befunden werden, aufbewahrt oder rekonstruiert zu werden, hängt auch davon ab, ob man die Überbleibsel als bewahrens- und erinnernswerten Teil unseres kulturellen Erbes betrachtet. Die von Konservativen gerne beschworene Geschichtsvergessenheit ist nirgendwo deutlicher ausgeprägt als bei jenen, die sich als die Fürsprecher der sozial Benachteiligten gerieren. Es scheint als genierten sich Sozialdemokraten, dem Alltag der Vorfahren derer, in deren Namen sie gerne sprechen oder sich wählen lassen, auch nur minimale Anerkennung zukommen zu lassen. Diejenigen, die eine Präferenz für hochkulturelle Produkte haben, führen dafür üblicherweise ins Treffen, es ginge nicht nur um rare alltägliche Gegenstände, sondern darum, dass das Bewahrenswerte eine spezifische Bearbeitung erfahren haben müsse. Die quintessentielle Sammlung umfasst gestaltete Raritäten. Beim Wort Sammlung geht unser aller erste Assoziation unweigerlich in die Richtung, an eine Kollektion von Bildern, Grafiken und Plastiken zu denken. Solche Artefakte eignen sich deswegen besonders gut für die Anerkennung als Teile einer Sammlung, weil 12

ihr Raritätscharakter im dem Moment, in dem sie geschaffen wurden, fixiert wurde.


Grosse Kunstwerke sind Unikate. Während das bis vor hundert Jahren unbestreitbar zutreffend war, erlebten wir seither eine bemerkenswerte Aufweichung dieses Kunst definierenden Merkmals. Serielle Kunstwerke, Fotografien und Drucke, aber auch die Deklaration von überaus alltäglichen Gegenständen zu Kunstwerken konnten Zweifel daran schüren, dass gestaltete Einmaligkeit eine Voraussetzung dafür sei, um ein bestimmtes Objekt zum Kunstwerk zu erklären. Sind aber dann kommunale Bedürfnisanstalten Sammlungen, nur weil Marcel Duchamps 1917 ein Urinal in seine Sammlung von ready-mades aufnahm? Nein, sie sind es nicht, weil das Alltäglichste erst dann zum Kunstwerk wird, wenn es von jemandem, der dazu autorisiert ist, in diesen hohen Status gehoben wird und alle anderen, vor allem die Kenner, diese Definition akzeptieren. Wer also seine private Sammlung zur Kunstsammlung erklären will, muss als Sammler akzeptiert sein. Da die Welt der Kunst mittlerweile, wie der Rest menschlicher Vergemeinschaftung, stark geschichtet ist, kann man durchaus, sagen wir, in Donnersbachwald seine Jagdtrophäen als Sammlung artifizieller Produkte ausgegeben und mit dieser Verkündigung lokal Anerkennung finden. Zu einem Austauschprogramm mit dem MoMa wird es dennoch nicht kommen. Das ist das Schicksal derer, denen die Welt(kunst-)geschichte eine Rolle an der Peripherie zugewiesen hat. Ihre Kumpels mögen noch die Ansammlung des allerletzten Ramschs für eine ausstellenswerte Sammlung von Artefakten halten, jenseits der Grenzen ihrer kleinen Welt schert sich aber auch niemand darum, ob die Donnersbachwalder Krickel-Sammlung ins Weltkulturerbe aufgenommen werden wird. Nicht jeder Sammler wird als solcher akzeptiert und dabei spielt es nicht nur eine Rolle, ob das, was gesammelt wird, auch teuer erworben wurde. Der französische Milliardär François Pinault, Besitzer unter anderem von Gucci und dem Chateau Latour, musste das jüngst erleben, als seine im Palazzo Grassi erstmals der Öffentlichkeit vorgestellte Sammlung von vielen Afficinados als lieblos zusammengekauft abqualifiziert wurde. Sammlungen bedürfen eines inneren Zusammenhalts und das Wissen darüber, was als solcher gilt, kann man offenkundig nicht kaufen. Im 20. Jahrhundert hat sich in der Welt der Kunst viel, ja fast alles geändert. Jenen, die beklagen, dass nichts mehr so sei wie früher, mag es als Trost erscheinen, dass man zwar Trash zur Kunst erklären kann, dass die Verherrlichung des Nicht-Artifiziellen zum Programm erhoben werden konnte, dass aber eine Sache so traditionell gehandhabt wird wie ehedem: Nicht jeder Messie darf sich Sammler nennen und selbst Stinkreiche, die es sich leisten können, nicht nur Papiersackerln zu stapeln, sondern Kunstwerke irgendwo zu deponieren, brauchen ein Publikum, das ihnen zubilligt, dass es sich um eine Sammlung handelt. 13


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Kerstin Barnick-Braun Notizen zum Sammeln als künstlerische Strategie Zur Ausstellung “Dings. Aus den Sammlungen Hofer / Kaplan / Petrowitsch / Strobl / Thümmel / Wolf”

Die Sammlungen, welche die Ausstellung vereinigt, besitzen allesamt privaten Charakter. Ihre Bestandteile wurden von Grazer KünstlerInnen nicht mit dem Ziel zusammengetragen, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden. Gleichwohl dienen sie auch als Fundus und Archiv für die eigene künstlerische Arbeit und gewähren damit Einblicke in die künstlerische Praxis. In den Sammlungen kann man so unterschiedliche Objekte wie Stofftiere, Lampen oder Porzellanfiguren, eine Baumrinde und einen getrockneten Frosch, Geräusche, Fotografien von Narben, abgeschnittene Haare und Nägel oder Werke von befreundeten KünstlerInnen entdecken. Sie alle wurden ausgewählt, arrangiert, in den eigenen vier Wänden zur Schau gestellt, verpackt, gespeichert, eingelagert, weil sie die Aufmerksamkeit der Sammelnden erregt haben, sie inspirieren oder aus anderen Gründen ansprechen. Darüber hinaus fanden jene Dinge Eingang in die Kollektionen, die den KünstlerInnen einfach zufielen, als Geschenk oder in Form eines Honorars. Was hat Sammeln mit Kunst zu tun? Wie unterscheidet sich künstlerisches Sammeln vom gewöhnlichen Hobby oder dem institutionalisierten, wissenschaftlichen Sammeln? Warum sammeln KünstlerInnen überhaupt? Ende der 1990er Jahre konstatierten die Organisatoren der Ausstellung “Deep Storage. Arsenale der Erinnerung”1, dass “Sammeln, Speichern und Archivieren in der Gegenwartskunst Konjunktur” haben. Das Sammeln von und künstlerische Arbeiten mit Alltagsgegenständen gehört seit den 1960er Jahren zu den folgenreichsten und fruchtbarsten Methoden. KünstlerInnen von Rauschenberg, Oldenburg, Beuys und Warhol über Darboven, Boltanski oder Lawler zu KünstlerInnen der jüngeren Generation wie Bott, Hoderlein, Mundt erwecken dabei den Anschein, Sammler zu sein. Im allgemeinen – und das gilt auch für die im Folgenden vorgestellten Grazer KünstlerInnen – verstehen sie sich jedoch nicht als solche. Ein Blick auf die Merkmale einer Sammlung im herkömmlichen Sinn verdeutlicht, warum dies so ist. Demnach zeichnet sich die Handlung des Sammelns durch Systematik, Zielgerichtetheit, Intentionalität und den Anspruch auf Vollständigkeit aus. Laut Wikipedia bezeichnet “der Begriff Sammeln die systematische Suche, Beschaffung und Aufbewahrung einer abgegrenzten Art oder Kategorie von Dingen oder Informationen.” “Wer forschend sucht”, schreibt der Philosoph Manfred Sommer in seinem Buch “Sammeln”, “lässt es nicht darauf ankommen, zufällig irgendwo auf

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irgend etwas Sehenswertes zu stoßen. Vielmehr hat er vorweg schon ein Konzept von dem, was er in Erfahrung bringen möchte; und sorgfältig plant er die Schritte, die nun zu tun sind. Er weiß bereits, wonach er sucht, und entfaltet wohlüberlegte Aktivitäten, um es zu finden.”2 Im weitesten Sinn jedoch ist die Sammlung einfach das Resultat eines Zusammenbringens von Dingen, die vorher verstreut waren. Und dieser vermag auch das künstlerische Sammeln einzuschließen, das im allgemeinen offener, weniger zielgerichtet, reflektierter verläuft. Die Sammlungen, die uns hier beschäftigen, lassen sich eher als assoziativ-unsystematische Ansammlungen von Gegenständen beschreiben, die sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger zufällig und ohne dass die Sammelnden irgendeiner Ordnung oder einem bestimmten Ziel folgten, angehäuft haben: als eine Art von “Sammelsurium”, durcheinander gesammelte oder aufgehobene Sachen unterschiedlichster Art3. Ganz im Gegensatz zum Verhalten von methodischen SammlerInnen entspricht dasjenige von KünstlerInnen also eher dem des Flaneurs, des lustwandelnden Spaziergängers, der mancherlei erlebt, ohne dabei seine ziellose Aktivität einem bestimmten Zweck zu unterwerfen. “Der Flaneur vereint [...]: die absichtslos-beiläufige und die ungebunden-neugierige Weise, Erlebnisse zu haben. Er geht umher – in einer Schleife –, als ob er etwas herholen wollte, hegt aber nicht die geringste Absicht, irgendetwas zu besorgen: Mit leeren Händen kommt er zurück; sein Gang ist müßig. Und er schaut umher, ohne auf etwas Bestimmtes aus zu sein; alles Überraschende, Sonderliche, Ungewöhnliche ist ihm gleichermaßen willkommen. Der Flaneur ist Passant und Voyeur. Und das ‘Moderne’ an ihm: Er führt die Beiläufigkeit und Zufälligkeit, mit der Wahrnehmungen sich einfinden, selbst handelnd herbei: Alles kommt auf ihn zu, alles geschieht ihm – aber nur, weil er es mit Willen und Bewusstsein auf sich zukommen und mit sich geschehen lässt. Lassen: das ist es, was er tut. [...] Absichtlich macht der Flaneur sich zum ambulanten Ort kontingenter Erlebnisse.”4 Flaneur wie KünstlerIn treibt die freie Neugierde an, welche freilich gelegentliche Forschungsinteressen nicht ausschließt. Erfahrungen und Dinge sammeln beide gleichsam im Vorübergehen. Und dieses Sammeln lässt sich durch seine besondere Aufmerksamkeit gegenüber der Welt in ihrer phänomenalen Fülle als ästhetisches bezeichnen. Voraussetzung für das ästhetische Sammeln ist eine spezifische Wahrnehmungsweise, die nicht die Verfassung der Welt eruieren möchte, sondern sich vorbehaltlos ihrer Gegenwart hingibt. Die ästhetische Wahrnehmung setzt zweierlei voraus: Zeit für den Augenblick und demjenigen, was den Sinnen und der Imagination in einem bestimmten Moment begegnet; sowie eine von jeder Berechnung entbundene 16

Perspektive auf die Dinge. Sie nimmt auf die Frage der Nützlichkeit und Brauchbarkeit


dessen, was man weiß oder in Erfahrung bringen will, keine Rücksicht. Der Begriff “ästhetisch”, abgeleitet vom griechischen “aisthesis”: sinnliche Wahrnehmung, bezieht sich auf jene Zweckfreiheit einer spezifischen Anschauungsweise, die im Bild des Flaneurs so anschaulich zum Ausdruck kommt. Eine ästhetische Sammlung unterliegt also primär keinem bestimmten Plan, entsteht nicht nach einer im Vorhinein festgelegten Ordnung und besteht aus Objekten, welche – im weitesten Sinne des Wortes – sehenswert sind. Das Eigenartige/Eigensinnige am Sammeln von KünstlerInnen liegt jedoch nicht nur in der Art, wie sie sammeln, sondern auch darin, was sie sammeln. Ganz entgegen dem kulturellen Sammlungsanspruch, der nur das landläufig Wertvolle, Besondere bewahren möchte, wenden sie sich bereits seit Beginn des vorigen Jahrhunderts immer wieder dem Alltäglichen, Banalen, Ausgesonderten, Unbeachteten, Vernachlässigten, Lächerlichen, Flüchtigen zu. So beginnen Expressionisten und später Surrealisten, Objekte heimischer Volkskunst sowie solche außereuropäischer Kulturen zu sammeln und lassen sich von ihnen formal wie inhaltlich anregen. Die Objekte gelten ihnen als Beweis für die Möglichkeit einer ursprünglichen, unverfälschten menschlichen Ausdruckskraft. Darüber hinaus üben Werke psychisch Kranker eine große Anziehungskraft aus. Nach dem zweiten Weltkrieg, in welchem viele KünstlerInnen selbst als “Irrsinnige” und “Psychopathen” diffamiert werden, sammeln unter anderen Jean Dubuffet und Arnulf Rainer Bilder von Insassen psychiatrischer Anstalten. Außergewöhnliche Materialien wecken ebenfalls das Interesse von KünstlerInnen, wie die von Marcel Duchamp 1919 konservierte “Pariser Luft” oder die von Piero Manzoni 1961 in Konservendosen aufbewahrten eigenen Exkremente. Ganz gewöhnliche, oft industriell gefertigte Alltagsgegenstände finden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts als formale Bestandteile in der kubistischen und dadaistischen Collage Verwendung, werden als ready-made bei Duchamp unverändert zum Kunstwerk erklärt und setzen sich schließlich als künstlerische Gestaltungselemente in den 1960er Jahren durch. VertreterInnen der englischen und amerikanischen Pop Art sowie des Nouveau Réalisme in Europa sammeln Gebrauchsobjekte und Abfall, die als ”reale Materie” für Unmittelbarkeit und Authentizität stehen. Mit der Zeit werden Abfallprodukte zu einem vertrauten Werkstoff, das Sammeln von gewöhnlichen Dingen zu einer geläufigen Methode. Dabei entwickeln KünstlerInnen bis heute mannigfache Verfahren, die sich theoretisch kaum vereinheitlichen lassen und dennoch – genauso wie die in dieser Ausstellung vertretenen Sammlungen, von denen drei Strategien vorgestellt werden – wesentliche Aspekte des geläufigen Sammelns berühren und verdeutlichen. Anita Hofer, die grundsätzlich darauf achtet, nicht allzu viele Dinge um sich herum anzuhäufen, sammelt Gegenstände bzw. Materialien, die Zeugnis ablegen von Prozessen/Ereignissen und von den meisten Menschen kaum oder gar nicht wahrge-

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nommen werden. Einige dieser Ereignisse haben manifeste, buchstäblich mit Händen zu greifende Spuren hinterlassen: wie das Stück Rinde, das sich irgendwann von einem Baumstamm gelöst hat, oder der in der Mittagshitze auf den Strassen von Marrakesch in einer charakteristisch-bizarren Körperhaltung vertrocknete Frosch. Andere Spuren wiederum benötigen, um sammelbar zu sein, einen dinglichen Träger, ein Medium, das reproduziert, speichert, aufzeichnet, dokumentiert: wie die – fotografisch festgehaltene – Narbe an einem menschlichen Körper und das – mit einem Tonband aufgenommene – Geräusch von Schritten in einer Abflughalle. Die Sammlerin solch ausgewählter Einzelstücke ist sich darüber im Klaren, dass man “üblicherweise unter dem Begriff Sammeln etwas anderes versteht”5: als Sammeln von Gleichem, wie Uhren oder Briefmarken, als Variation eines Themas. Ganz offensichtlich aber entspricht die Heterogenität der von Anita Hofer versammelten Objekte nicht einer vordergründig abgegrenzten Kategorie von Dingen. Das, was sie dennoch miteinander verbindet, ist ihre ästhetische, der bewussten Anschauung erfahrbare, strukturelle Qualität. Es sind die Oberflächenstukturen der organischen Sammelstükke (der Rinde, des Frosches, der Narbe), genauso wie die Musikalität und Rhythmik der konservierten Geräusche, welche die Künstlerin faszinieren und zum Sammeln motivieren. Die Einzelgegenstände erfahren durch ihre Aufnahme in die Sammlung Veränderungen auf zweifache Weise: Durch die Lösung aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen verwandeln sie sich einerseits in nunmehr funktionslose, isolierte Teile – ein Vorgang, der dem (ästhetisch) Wahrnehmenden den Blick auf ihre rein formalen Qualitäten ermöglicht bzw. erleichtert. Andererseits wird aus dem Unbeachteten, dem ganz und gar nicht Seltenen, dem Wertlosen etwas Besonderes. Indem sie sich die Dinge “aneignet”, verwandelt Anita Hofer das Gesehene, Gesammelte, Aufbewahrte zu Kunst. “Denn das, was Kunst ist, soll nicht von aussen definiert werden. Ich erkläre es dazu.”6 Sammeln zeigt sich als Handlung, um etwas sichtbar zu machen, herauszuheben, als ästhetisches (sehenswertes) Phänomen präsent zu haben. Sammeln kann sich aber auch ganz ausdrücklich dem Bewahren von Dingen vor dem Vergessen oder Verschwinden widmen. Edda Strobl sammelt neben “nützlichen Dingen”, wie Büchern, Fotos, Zeitschriften und Kataloge, “unnütze Dinge”7, Gegenstände aus der Warenwelt, die ihre Funktion bereits eingebüßt haben, die von ihrer früheren BesitzerInnen ausgesondert und weggeworfen wurden. Unter ihnen befinden sich verschiedene Schachteln und Lampen, ein Globus, ein Porzellanesel. Sie zeugen durch Abnützungserscheinungen von frühe18

rem Gebrauch, sind ramponiert und hässlich, haben ausgedient. Gerade aus diesem


Grund finden sie Aufnahme in die Sammlung Strobls, die Mitleid mit den Dingen empfindet und ihnen gleichsam Schutz gewährt. Die Sammlung wird zum Zufluchtsort. Denn einmal als Müll bezeichnet und so behandelt, sind die Sachen bestimmt für den Abtransport zu Mülldeponien, wo Gegenstände nur deshalb zusammengetragen und aufbewahrt werden, um dauerhaft zu verschwinden. Die Deponie ist also der äußerste Gegensatz zur ästhetischen Kollektion, welche auf die permanente Anwesenheit und Verfügbarkeit von Dingen zielt. Indem sich die Künstlerin in die Perspektive von Objekten begibt, unbelebten Gegenständen einen subjektiven Sinn zuschreibt, wird eine magische Dingwelt sichtbar, die vielfältige und unbemerkte Übergänge und Wechselspiele zwischen Objekt und Subjekt andeutet. Plötzlich erscheint es möglich, dass die Grenze zwischen leblos und lebendig, aktiv und passiv, artifiziell und natürlich unscharf und brüchig ist. Denn wenn menschliche Benutzung deutlich sichtbare Spuren an den Dingen hinterlässt, warum sollten die Dinge nicht ebenso auf ihre BenutzerInnen Einfluss ausüben, die sich doch alltäglich mit ihnen umgeben? Dass es so ist, führt uns die folgende Installation buchstäblich vor Augen und Ohren. In einer Vitrine ausgestellt ist ein Stofftier (eine Katze) aus der frühesten Kindheit Strobls, jener Zeit, in der die Objektwelt noch ganz selbstverständlich belebt war. Umhüllt von Stoff – eine von der Künstlerin selbst ausgeführte Konservierungsmaßnahme, um das abgenutzte Spielzeug vor dem Zerfall zu bewahren – verwandelt es sich in eine fremdartige Mumie und wird zu einem archäologischen Schatz, zu einem geheimnisvollen Fetisch, einer wertvollen Reliquie im Andenken an die Kindheit. Gleichzeitig steht dem Betrachter ein Text zur Verfügung, in welchem Strobl die Geschichte von der Katze, die sprechen konnte, erzählt. Über Lautsprecher schließlich ist die “Sprache der Dinge” zu hören, jene Geräusche, die im Versuch der Künstlerin, über Berührungen mit den Dingen zu kommunizieren, entstanden sind. Sammlungen können Vergangenes erinnern und bewahren, aber auch Vorräte für die Zukunft anlegen. Helmut Kaplan trägt Dinge zusammen, die “auf etwas warten”8, die zu einem unbestimmbaren Zeitpunkt ihre Bedeutung offenbaren und interessant werden könnten: darunter Objekte mit bestimmten äußerlichen Merkmalen wie dünn und lang9, die eigenen Haare und Nägel, Einladungskarten zu diversen kulturellen Veranstaltungen. Diese “Ansammlungen von Material”10 sind entgegen dem traditionellen Sammlungsbegriff ohne Anspruch auf Vollständigkeit entstanden und ihre Leerstellen weniger als Lücken, denn als offene Verzahnungsmöglichkeiten des Gesam– melten zu begreifen. Ausgangspunkt seiner Beschäftigung mit Alltagsgegenständen ist die merkwürdige “Unruhe”11, die von ihnen ausgeht. Offenbar besitzen Dinge unterschiedliche Qualität,

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die dazu führt, dass einen manches anspricht und berührt, anderes wiederum gar nicht. Liegt dies am Ding selbst oder handelt es sich um eine Projektion der Betrachter? Um diese Fragen beantworten zu können, beginnt Kaplan Ende der 1980er Jahre, alle Dinge in seinem Besitz (darunter auch Sammelstücke) zeichnerisch abzubilden. Im (Ab-)Bild, das eine Abstraktion vom physischen Ding und seiner Materialität bedeutet, sollen die Gegenstände auf eine formale Ebene gebracht und dadurch vergleichbar, klassifizierbar gemacht werden. In einer daran anschließenden Versuchsreihe widmet sich Kaplan explizit der Sammlung von Gegenständen. Assoziativ und ohne an eine thematische Vorgabe gebunden zu sein, sucht er Dinge auf Flohmärkten, in Altwarengeschäften oder Müllcontainern, kombiniert und arrangiert sie schließlich an den Wänden seiner Wohnung: Musikinstrumente, Holzstücke, getrocknete Blumen, Bilder. Die Sammlung präsentiert sich als formales Arrangement, deren Bestandteile abgehoben sind von früherer Funktionalität und Verwendungszusammenhang, als eigene Welt gesetzt im vorläufigen, subjektiv motivierten Zusammenschluss völlig unterschiedlicher Gegenstände. Das langsame, prozessuale Anwachsen der Sammlung führt Kaplan wiederum zum Problem notwendiger Ordnungs- und Differenzierungsschritte. Die verfremdende Situierung und Kombination der Dinge im neuen, selbstgewählten Zusammenhang sprengt längst die Geschlossenheit scheinbar kohärenter Beziehungen nach herkömmlichen Maßstäben. Auf der Suche nach Kriterien, die erneut übergeordnete Inhalte und Zusammenhänge aufzuzeigen imstande sind, stößt er auf den Begriff der Entropie, Maß für die Unordnung in einem System, welcher ihm – seinem Verständnis nach – Entscheidungsfreiheit zugesteht und begründet. Denn wenn alle Vorgänge des Lebens irreversibel nach Erhöhung der Entropie streben und allein die Zufuhr von Energie diesen Prozess verhindern kann, dann hat man die Wahl, worin man etwas investiert, dann können Ordnungssystem und Ordnungsgrad von jedem/jeder Einzelnen selbst bestimmt werden. Für Kaplan bedeutet diese Überlegung die Legitimation für einen spielerischen Zugang zum kreativen Arbeiten, bei dem er die Bedingungen und Regeln selbst festlegt. Erkenntnis und Wissen, wie es in den Sammlungen zum Ausdruck kommt, basieren solchermaßen auf einer privaten Übereinkunft, die stets neu und anders getroffen werden kann. Die Sammlungen selbst aber erzeugen auf diese Weise dynamische, veränderliche Ordnungen, Momentaufnahmen sowohl des Inhalts als auch der Form. Das, was zunächst irritiert haben mag, die Art des künstlerischen Sammelns als scheinbar zielloses, unlogisches Anhäufen von Gegenständen, lässt sich nicht nur als ästhetisches, sondern auch als schöpferisches Sammeln begreifen. Im Aufeinandertreffen von disparaten, inkommensurabel erscheinenden Elementen, die in eine uner20

wartete Beziehung treten, kann jenseits der gewohnten, alltäglichen Kombinationen


Neues entstehen – eine Methode, die auf die Surrealisten zurückgeht und als CollagePrinzip die künstlerische Praxis bis heute entscheidend geprägt hat. Die schöpferischen Sammlungen sind immer in Bewegung, schon alleine dadurch, dass sie sich erweitern und vergrößern, aber auch wieder schrumpfen. Helmut Kaplan ”dünnt” seine Sammlungen des öfteren “aus”12; Anita Hofer verschenkt Teile ihrer Sammlung, wenn sie keine Bedeutung mehr für sie haben; Edda Strobl versucht Dinge “sinnvoll wieder loszuwerden”13, indem sie sie in künstlerische Objekte verwandelt. Jede Sammlung bedeutet (individuelle) Ordnung. An einem bestimmten Punkt kann sie jedoch zurückschlagen – weil sie zu viel Platz beansprucht, sich jedem Ordnungsversuch widersetzt, unüberschaubar geworden ist. Am Ende ist die Sammlung mitunter nur mehr Müll, den man schwer wieder los wird.

1 Deep Storage. Arsenale der Erinnerung. Ausstellung im Haus der Kunst, München 1997 u.a.. Katalog hg. von Ingrid Schaffner und Matthias Winzen, München/New York: Prestel 1997 2 Manfred Sommer: Sammeln. Ein philosophischer Versuch, Frankfurt / Main: Suhrkamp 1999, S.325 3 Die Künstler selber sprechen von “Zeug”. 4 Sommer, a.a.O., S.328 5 Anita Hofer in einem Gespräch am 2. Juni 2006 6 ebd. 7 Edda Strobl in einem Gespräch am 2. Juni 2006 8 Helmut Kaplan in einem Gespräch am 12. Juni 2006 9 Die Sammlung verschiedener Fundstücke, wie Stangen, Stäbe udgl. trägt den Titel ”divers & lang”. 10 Kaplan, a.a.O. 11 ebd. 12 ebd. 13 Strobl, a.a.O.

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August Ruhs Sublime Gier Beitrag zu einer Psychoanalyse des Sammelns; zur Aktualität des Kunstsammelns (H. 18-20, 1996, S. 108-114)

Trotz leicht rückläufiger Tendenz nimmt in unserem Kulturleben die Beschäftigung mit bildender Kunst eine mindestens seit den achziger Jahren festzustellende zentrale Stellung ein. Diese Entwicklung steht in offensichtlichem Zusammenhang mit der gegenwärtigen Vorherrschaft imaginärer gegenüber symbolischer Medien und Kommunikationsformen und bedeutet – zumindest vorübergehend – einen Triumph des Bildes über die Sprache. Dabei kommt dem Ausstellungs-, Museums- und Galerienbetrieb in seiner gesellschaftlichen Relevanz und in seiner Auswirkung auf den Alltag bisweilen der Status einer Ersatzreligion zu, welche eine über das traditionelle Bildungsbürgertum und über die Intellektuellenschicht bereits hinausragende Gemeinde zu beinahe regelmäßig stattfindenden und bedingt ritualisiert verlaufenden Kontemplationsveranstaltungen vor sublimen Bildern, Gegenständen und Installationen zu versammeln imstande ist. Längst schon ist dabei ein auf lokale Ereignisse begrenzter kulturgeographischer Raum mit Vernissagen- und Atelierbesuchen und sonntäglichen Museumsgängen aufgebrochen. Innerhalb eines regen und weltweiten Kulturtourismus organisieren Reisebüros und Kulturvereine veritable Pilgerreisen zu den diversen Großausstellungen, Gesamtschauen, Biennalen und Kunstmessen, deren Bedeutung in der Regel durch Prestigebauten einer hochspezialisierten Ausstellungsarchitektur erhöht wird. Denn während früher das Renommee eines Architekten durch den Bau einer Kirche gekrönt wurde, so bietet heutzutage vor allem ein Museumsbau die Möglichkeit, in die Geschichte der Baukunst einzugehen. Wer aber weite Reisen scheut und sich in virtuellen Realitäten zu bewegen weiß, der kann über Internet und CD-ROM vom Wohnzimmer aus am globalen Kunstgenuss teilnehmen und – warum nicht? – in absehbarer Zeit vielleicht schon sein Kunstobjekt über telekommunikative Auktionen erwerben. Denn im Zuge der allgemeinen Wertsteigerung von Kunst ist auch der entsprechende Markt enorm angewachsen, wobei Bilder und Kunstgegenstände Prestigeobjekte und Kapitalanlagen ersten Ranges darstellen, wie Sensationsmeldungen über sich ständig überbietende Höchstpreise in den großen Versteigerungshäusern zur Genüge beweisen. Bedingt durch allgemeine Privatisierungs- und Entstaatlichungstendenzen in unseren Gesellschaften wechselt auch die Kultur- und Kunstpflege in zunehmendem Maße von der öffentlichen zur privaten Hand hinüber, so dass den individuellen Sammlern und Mäzenen (heutzutage als Sponsoren bezeichnet) wieder erhöhte Bedeutung zukommt. Dies führt unter anderem bekanntlich dazu, dass neue Museumsstrukturen wachsen oder zumindest diskutiert werden, unter welchen das sogenannte Sammlermuseum mit seiner Verbindung von öffentlichen Infrastrukturen und privaten Inhaltgebern (nicht unbedingt zum

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Schaden Letzterer) als das museale Modell der Zukunft (bei bereits laufender Realisierung) propagiert wird. Selbstverständlich lässt sich das Sammeln, Konservieren, Ordnen und Ausstellen von Kunstgegenständen jeglicher Art nicht allein in ökonomischen, historischen oder soziologischen Diskursen einfangen, sondern impliziert auch immer psychologische Aspekte, welche durch die beschriebenen Privatisierungstendenzen im Kunstbetrieb wieder deutlicher in Erscheinung treten. Dies soll uns Anlass sein, die Frage nach den bewussten und unbewussten Hintergründen der Sammelleidenschaft erneut aufzugreifen, von welcher nicht zuletzt der Begründer der Psychoanalyse selbst in nicht unbedeutendem Ausmaß ergriffen war. Die Psychoanalyse kann ihren Einsatz zunächst einmal ins Spiel bringen, indem sie die Motivfrage stellt. Dabei liegt es nahe, jeden Versuch, eine solche Wahrheit ans Licht treten zu lassen, mit einem Blick in die Tiefe zu verbinden, hat doch Freud selbst mit der Archäologiemetaphorik seines Unternehmens und mit der Ankündigung, in eine Unterwelt hinabzusteigen, als er die Arbeit an seiner Traumdeutung in Angriff nahm, einiges zu dieser Auffassung beigetragen. Die Kennzeichnung der Psychoanalyse mit dem letztlich unglücklich gewählten Begriff “Tiefenpsychologie”, der auf den Vorschlag des Schweizer Psychiaters Eugen Bleuler zurückgeht und den Freud vielleicht allzu leichtfertig übernommen hat, legt schließlich fast endgültig den psychoanalytischen Erkenntnisweg auf den Status einer Art Höhlenforschung fest. Dadurch kann auch ihre entmystifizierende Funktion sehr schnell in ihre eigene Mystifikation umschlagen (s. dazu Ruhs 1986). Tatsächlich scheint die Psychoanalyse, theoretisch und methodisch, bezüglich ihrer Objekte weniger auf Tiefe als auf Heterotopie zu stoßen. Denn das Denken in Tiefendimensionen, die Reflexion über die Tiefe, über einen Nationalcharakter immer wieder dem deutschen Denken als Merkmal zugeschrieben, war kritischen Geistern immer schon suspekt. Von Nietzsche als reaktiv bezeichnet (Kindler 1973, 171), von Adorno mit einer tiefsten Ranküne des Glücks und mit einer Diffamierung der Sinne in Zusammenhang gebracht (ebd.) und von Sonnemann (1963, 29) als Spektakel fundamental-ontologischer Abwärtsbewegungen desavouiert, verführt es den Blick nicht selten dazu, in Abgründen etwas zu suchen, wo es nichts zu finden gibt, außer dort vielleicht einem Unbewussten zu begegnen, das mit jenem Freuds nur wenig gemeinsam hat. Ein solches Unbewusstes, das jenem gleichkommt, das der österreichische Maler Arnulf Rainer einmal als “einen Sumpf mit wenigen Blüten” gekennzeichnet hat, ist in seiner Dürftigkeit eben zu unterscheiden von einem Reich des Unbewussten, das wie eine Sprache funktioniert und einer strengen Logik gehorcht. Denn wie heißt es diesbezüglich so treffend im 23. Gesang von Dantes Inferno: “‘Vielleicht hast Du nicht gewusst, dass ich Logiker bin?’ sagt ihm ein schwarzer Dämon?” Wer also in verborgenen Tiefen nach dem eigenen Fremden gräbt, lässt allzu leicht außer acht, dass es eine Wiederkehr des Verdrängten gibt, ja dass wir sogar, wenn es diese nicht gäbe, 24

keinerlei Kenntnis hätten vom Unbewussten, von der Verdrängung und vom Ver-


drängten. Denn “wessen Lippen schweigen, der schwatzt mit den Fingerspitzen; aus allen Poren dringt Verrat” (Freud 1905, 147). Das Unbewusste ist nach Lacan (1973, 98 f.) “das Kapitel in meiner Geschichte, das weiß geblieben ist oder besetzt gehalten wird von einer Lüge. Es ist das zensierte Kapitel. Doch seine Wahrheit kann wiedergefunden werden. Zumeist steht sie schon anderswo geschrieben – etwa auf Denkmälern: das ist mein Leib, d.h. der hysterische Kern der Neurose, in dem das hysterische Symptom eine sprachliche Struktur aufweist und sich wie eine Inschrift entziffern lässt, die, nachdem sie einmal aufgezeichnet worden ist, ohne großen Verlust zerstört werden kann; – in Archivdokumenten: das sind Erinnerungen an meine Kindheit, schwer zugänglich wie solche Dokumente, so lange ich ihre Herkunft nicht kenne; – in der semantischen Entwicklung: sie entspricht dem Vorrat und der Verwendung des Vokabulars, das mir eigen ist, sowie meinem Lebensstil und meinem Charakter; – ebenso in der Tradition, ja sogar in den Legenden, die in heroisierter Form meine Geschichte lenken; – endlich in den Spuren, dessen Sinn meine Exegese wiederherstellt und die unausweichlich von den Entstellungen hinterlassen werden, die notwendig sind, um das gefälschte Kapitel in Übereinstimmung zu bringen mit den anderen, die es umgeben”. Von einer solchen Metaphorik geleitet, fällt es nicht allzu schwer, den Menschen selbst als die privateste Form aller Bibliotheken, Archive, Museen und Sammlungen zu betrachten, wobei er genauso darauf bedacht ist, sein geheimes Wissen und seine intimen Objekte in sich wie einen Schatz zu hüten, wie er sich dazu gedrängt fühlt, sie zu veräußerlichen, sie zu zeigen, sie auszustellen. Oder vielmehr drängen diese Schätze selbst aufgrund ihrer libidinösen Besetzung, sich dem Auge als dem Leitorgan des Begehrens darzustellen, damit das Unsichtbare endlich sichtbar werde. Sammelleidenschaften von Psychiatern Nicht zuletzt in der professionellen Familie der Seelenkundigen selbst ist ein Hang zur sonderbaren Tätigkeit des Sammelns feststellbar. Da fällt zunächst der Pariser Psychiater Clerambault auf, dessen an den Fetischismus angrenzende Textilleidenschaft zu einer Sammlung von zigtausenden Photographien nordafrikanischer weiblicher Gewandstudien geführt hat und der Dokumente von nicht weniger als 15.000 Häftlingen angehäuft hat, die er in seinem Polizeiasyl zur Begutachtung vorgeführt bekam. In einer solchen Bemühung äußert sich aber mehr als nur die skurrile Passion eines kuriosen Sammlersubjekts. Denn es ist eine ganze Tradition dahinter zu finden, die

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hier an einem Einzelnen nur auffälliger und sinnfälliger in Erscheinung tritt. Denken wir doch an die vielen Generationen von Psychiatern, insbesondere innerhalb der Psychiatrie des 19. Jahrhunderts, deren hauptsächliche und beinahe liebevolle berufliche Tätigkeit im Sammeln, Klassifizieren, Aufbewahren und Ausstellen von sonderbaren Menschen aufgegangen ist. Sicherlich lässt sich darin eine Form des Bemühens erkennen, einer Bedrohung durch die unsichtbaren Repräsentationen des eigenen Abstrusen, des eigenen Wahnsinns entgegenzuwirken. Nicht allzu weit davon entfernt, aber doch einerseits einen Wendepunkt in der Auffassung von Seele, Krankheit und Tod darstellend und andererseits zu jener Sammeltätigkeit hinüberleitend, die uns hier besonders interessiert, situiert sich Sigmund Freuds Sammelleidenschaft, die, wie überhaupt sein ganzer Bezug zur Kunst, mehr oder weniger ärztlich ist. Als Kunstliebhaber richtet Freud seinen Geschmack und seine Leidenschaftlichkeit auf Werke und Objekte, die eine außerhalb jeder intellektuellen Strömung stehende Grundhaltung des Mediziners reflektieren (s. dazu und zum folgenden Spector 1973, Ruhs 1989). Freuds Kunstsammlung, beinahe museal, war – wie die vieler seiner zeitgenössischen ärztlichen Kollegen – konservativ, weil sie auf Konservierung aus war. Der Tod und seine Überwindung bestimmten als zentrale Thematik die Auswahl der Bilder, der Statuen und der archäologischen Bruchstücke. Im Phantasma von der Aufhebung des Todes, aus dem der Medizinerberuf einen wesentlichen Teil seiner Neigung ableitet, vereinigt sich ein Wunsch nach Unsterblichkeit mit einem Begehren des Todes, beides dialektisch verbundener Niederschlag einer nie ganz gelungenen Kastration und eines immer nur unvollständig gelösten Ödipuskomplexes. Als werdender Arzt nähert sich Freud dem Lebendigen von dessen äußerster Grenze her, vom Tod also und seinen leblosen Körpern, zunächst mehr phylogenetisch als ontogenetisch. Vom Studium des Bauplans und der Strukturveränderungen niederer Tiere über neurologische Phänomene sensiblen und motorischen Teiltotseins gelangt er schließlich zum hypnotisierten und hysterischen Subjekt, dessen seltsames existentielles Auseinanderklaffen eine gewohnte Ordnung von Sein und Nichtsein oder von Bewusstsein, Traum, Schlaf und Tod in Frage stellt. In der Materialisierung des Todes als toter Körper ist die Zeit im Raum der reinen Anschauung nicht mehr als Geschichte, sondern vielmehr als Geschichtetes aufgehoben. Einer solchen Naturgeschichte kann nur eine Kunstgeschichte parallel laufen, die Archäologie ist. Möglicherweise ausgehend von Philippsons bebilderter israelitischer Bibel, die er im siebenten Lebensjahr von seinem Vater geschenkt erhielt und die nicht nur die Geschichte seiner Ahnen illustrierte, sondern auch über zahlreiche Darstellungen des ägyptischen Totenkultes verfügte, setzt sich in Freud ein Hang zur Bewahrung des 26

Vergangenen und zur Aufhebung des Absterbenden fest, der über die Sorge des


Mediziners um den ihm anvertrauten Kranken und Sterbenden weit hinausreicht und in eine Sammelleidenschaft einmündet, die hinsichtlich der Liebe zu den gesammelten Objekten seinem Ärztlichen ein anagrammatisches Gegenstück des Zärtlichen gegenüberstellt. Und Freud bekennt in einem Brief an Stefan Zweig vom 7. Februar 1931, “dass ich bei aller gerühmten Anspruchslosigkeit viele Opfer für meine Sammlung griechischer, römischer und ägyptischer Antiquitäten gebracht und eigentlich mehr Archäologie als Psychologie gelesen habe, dass ich bis zum Krieg und nachher wenigstens einmal im Jahr für Tage oder Wochen in Rom sein musste ...” (zit. nach Spector 1972, 21) So manifestiert sich der Tod und seine Überwindung in den Kunstgegenständen, mit welchen Freud sich in seinem Arbeits- und Wohnbereich umgibt, in zweifacher Form: zum einen verweisen Inhalt bzw. Funktion der Bilder und Objekte meist direkt und ohne symbolisierende oder abstrahierende Umschweife auf den Sachverhalt. Ob es sich um Rembrandts “Anatomie”, Bilder aus Kaulbachs Totentanzfolge, einen “Albtraum” nach Füssli, um Darstellungen biblischer Wunderheilungen und Totenerweckungen wie “Die Heilung des Äneas” oder “Die Auferstehung der Tabitha” handelt oder aber um die Sarkophagteilstücke und die zahlreichen Grabfiguren, da erscheint immer wieder die Wucht des Todes herabgemildert durch die Erotik des Schlafes und des Traumes, da wird immer wieder seine Absolutheit relativiert durch Möglichkeit und Verheißung von Sterben im Leben und Leben im Tod, ganz shakespearehaft: To die, to sleep, no more. Da insistiert das Aufschieben des Endes, die Strategie der Mumifizierung und die Angstlust in den Gedankenspielen von den Übergängen, wenn für Freud die Krone des Unheimlichen darin besteht, scheintot begraben zu sein. Andererseits ist Freuds bis zur Obsession reichende Neigung zur Verlebendigung des Toten Anlass dafür, sich nur jenen Kunstgegenständen und kulturellen Bereichen zuzuwenden, die in der Tat der Vergangenheit angehören, so dass sich, wie Anna Freud einmal bemerkte, in seiner Sammlung eigentlich nichts befand, was nach der Renaissance entstanden war. Nur weil die Renaissance das klassische Ideal von Monumentalität, Stille, Ernst und Geheimnis weiterführt, nur weil sie die Kontinuität des Altertums gewährleistet und damit Ewigkeitsanspruch erheben darf, vermag sie einen Freud zu begeistern, der jeder ihr nachfolgenden Kunstrichtung Skepsis, Nichtbeachtung oder Missfallen entgegenbringt und der Kunst seiner Zeit genauso ablehnend gegenübersteht wie den zeitgenössischen technischen Neuerungen, etwa dem Telephon, dem Radio oder der Schreibmaschine. Denn das Zeitgenössische lebt und kann noch nicht den Beweis antreten, unsterblich zu sein. So werden Michelangelo und Leonardo tote Väter, die durch Ruhm Unsterblichkeit erlangt haben und mit denen es sich zu identifizieren gilt, um selbst ewiges Leben zu erreichen.

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Es hat sich vieles schreiben lassen über Freuds innige Verbundenheit mit den steinernen Statuen seiner Sammlung, und die Art und Weise, sie zu verlebendigen und sie als lebende Mitmenschen zu betrachten, reicht weit ins Anekdotische hinein. “Da hatte er”, so die Haushälterin der Familie Freud, Paula Fichtl, “die Figur eines sitzenden Chinesen in der Nähe seines Schreibtisches. Dieses Stück war bevorzugt in der Reihe seiner Lieblinge und wurde von ihm oft mitten auf den Schreibtisch gesetzt, wo er ihm ‘Guten Morgen’ sagte, ehe er an die Arbeit ging.” (zit. nach Spector 1972, 26) Hatte Freud ein neues, ihm kostbares Stück erworben, so wurde es, wie Jones (1982, 461) berichtet, nicht ohne weiteres seiner Sammlung einverleibt. Eine soeben erworbene Statuette setzte er auf den Mittagstisch vor seinen Teller, und während der ganzen Mahlzeit betrachtete er sie schweigend und beinahe meditierend, ohne an jedweder Tischkonversation teilzunehmen. Benachbart zu seiner Statuettensammlung lag seine Passion, Pilze zu sammeln. Und sein ältester Sohn Martin (M. Freud 1975, 69) erinnert sich, dass der Angriff auf die Pilze nie ohne besondere Umstände geschah. “Vater war dabei immer auf Anerkennung aus.” (ebd.) Wenn er seine kleine Truppe in den Wald führte, wurde ihr völliges Stillschweigen auferlegt, so als ob es darum ginge, die Pilze nicht zu verscheuchen. Das Suchen gestaltete er beinahe militärisch strategisch, und wenn Freud eines seiner geschätztesten Exemplare, natürlich den Steinpilz, gefunden hatte, so pflegte er ihn mit seinem Hut zu bedecken, woraufhin die Mitglieder der kleinen Infanterie zu seinem Platz eilen mussten, um das Fundstück zu bewundern. Freuds Sammelleidenschaft, ob sie sich nun in Kunstgegenständen, in Pilzen oder in der Kollektion jüdischer Witze und Anekdoten niederschlug, ist möglicherweise, wie uns gewisse Biographen nahe legen, auf eine Sublimierung zurückzuführen, womit er don-juaneske Strebungen als Erbe und als Schuld eines angeblich liederlichen Vaters zu überwinden trachtete (s. dazu Balmary 1979). Wie es auch immer entstanden sein mag, so steht fest, dass das Sammeln für Freud die Leidenschaft seines Lebens war. Und nach Max Schur habe er es “eine Sucht” genannt, “die an Stärke nur von seiner Nikotinsucht übertroffen werde” (zit. nach Engelmann 1977, 10). Zur Triebdynamik des Sammelns An diesem Punkt angelangt, stellt sich jene über den besonderen Fall hinausgehende Frage, welcher Hans-Jürgen Döpp (1980) in seinem Beitrag zur Sammelleidenschaft bevorzugt nachgeht: Was sind eigentlich, über die individuellen und bewusst vorgebrachten Motive hinausgehend, die geheimnisvollen Beweggründe jener Leiden28

schaft, die man das Sammeln nennt, was sind die Wurzeln jener dunklen Erregung,


die viele Menschen dazu veranlasst “Jäger in den Jagdgründen des Inventars” zu werden wie es Walter Benjamin (1966, 322) formuliert hat. Gibt es so etwas wie einen “Sammeltrieb”, der bei manchem in besonderer Weise angelegt wäre, oder gibt es eine besondere individuelle Entwicklungsgeschichte, die zu dem führen könnte, was man eine Sammlerpersönlichkeit nennt? Eine Persönlichkeit wie die des Hofrates Baumgartner in Viktor Fleischers Novelle “Der Sammler”, welche A. Winterstein (1921) zu seinem nach wie vor faszinierenden Beitrag zur Psychoanalyse der bis in die Paranoia hineinreichenden Sammelleidenschaft angeregt hat? Der gegenüber Fleischer berühmtere Balzac (zit. nach Döpp 1980, 382) beschreibt in “Vetter Pons” die leidenschaftliche Sammelwut eines Musikers, der mit seiner bescheidenen Rente kostbare Gemälde, Miniaturen und Gläser erwirbt. Eine solche Figur ist nicht selten, es sind Menschen, so Balzac, “die sehr dürftig gekleidet sind ... Sie sehen aus, als wenn sie auf nichts hielten und sich um nichts kümmerten; sie achten weder auf die Frauen noch auf die Auslagen. Sie gehen wie im Traum vor sich hin, ihre Taschen sind leer, ihr Blick ist gedankenlos, und man fragt sich, zu welcher Sorte von Parisern sie eigentlich gehören. – Diese Leute sind Millionäre. Sammler sind es; die leidenschaftlichsten Menschen, die es auf der Welt gibt.” Diese Leidenschaft, die nicht oder nicht mehr den Menschen, sondern den Dingen gilt, scheint in einer besonderen Ebene der Lusterfahrung begründet zu sein und ist offensichtlich mit einer Abkehr oder mit einem Rückzug erotischer Besetzungen verbunden. So bemerkt Lichtwark, der 1952 die psychologische Frage des Sammelns aufgegriffen hat: “Das Glück des Sammlers wächst mit den Jahren, wo Seele und Körper für andere Freuden stumpfer werden. Wer sich ein inhaltsreiches Alter schaffen will, beginne früh oder zur rechten Zeit zu sammeln. In Hinblick auf die möglichen Freuden des Alters ist ein rechtzeitiger Beginn der Sammeltätigkeit die weitsichtigste Lebenspolitik.” (ebd. 383) In einer Sprache, die nicht mehr ganz die aktuellste ist, weil ihre Begriffe wie abgegriffenes Geld beinahe schon als Banalitäten zirkulieren und die ihre enttabuisierende Sprengkraft längst nicht mehr besitzt, hat man die “Lust am Sammeln” in eine Entstehungsgeschichte eingeschrieben, die die Leidenschaft des Sammlers mit der frühkindlichen Lustgewinnung aus und an einer bestimmten Körperzone verbindet. Somit sind unter dieser Perspektive das heimliche Genießen im Sammeln und das verborgene Begehren des Sammlers an zeit- und bewusstseinsferne Reminiszenzen einer Triebdynamik auf dem Felde der Analerotik gebunden. Triebschicksal und Sublimierung einer Lust, die an der Leitfunktion der Defäkation und am Paradeobjekt des Exkrements orientiert das Subjekt erstmals und nachhaltig in die Erlebniskategorien des Besitzens und des Habens, des Gebens und des Zurückhaltens, der Unterwerfung und der Verweigerung einführen. Indem das Subjekt hier einen Teil seines Körpers

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verliert, der im analen Modus die Kastrationserfahrung antizipiert, konfiguriert sich ein Objekt, in dem zugleich das Wertvollste und das Wertloseste eine innige Verbindung eingehen. Auf dem Boden dieses Sachverhaltes, wo ein sehnsüchtig erwartetes Ding, ein erstes materialisiertes Geschenk kurzerhand dem Abfall überantwortet und der Nutzlosigkeit preisgegeben wird, hat Freud die bekannte Gleichung Geld = Kot aufstellen können. Aber abgesehen von der so begründeten erotischen Bedeutung des Geldes als Tauschwert ohne Gebrauchswert und der daraus abzuleitenden Tendenz zum Sammeln analoger Objekte entstehen im analen Komplex “in gleicher Weise einige der wertvollsten wie einige der ungünstigsten Eigenschaften des Menschen” (Döpp 1980, 386). Und wer im Anschluss an Fleischer oder Balzac Freude an der Aufstellung von Menschentypologien empfindet, kann in der Persönlichkeit des Sammlers auch diese anderen Charakterzüge vorfinden, die über die berühmte Trias Starrsinn, Geiz und Pedanterie hinausgehen. So etwa Donath, wenn er über den Berliner Sammler Dr. von P. als “eins von den echtesten und stärksten Sammlertemperamenten, die wir in der Geschichte des Kunstsammelns kennen”, berichtet. “Er scheute keine Mittel, das Kunstwerk, auf das er sich versteifte, in seine Hand zu bekommen, doch er gab nur dann die großen Summen, wenn er von der Qualität der Dinge, die er kaufen wollte, fest überzeugt war ... Er ist eine Herrennatur gewesen. Er vertrug keinerlei Einwände und wurde oft fahl im Gesicht, wenn man ihm widersprach. Ein ‘aber’ gab es da nicht. Und wenn man mit Beweisen kam, führte er so kalt und ernst seine Gegenbeweise, dass man schwieg. Er war überhaupt einer der ernstesten Sammler, denen ich je begegnet bin.” (zit. nach Döpp 1980, 386) Wenn Ferenczi (1970, 199) die Fäkalien als die ersten Ersparnisse des werdenden Menschen betrachtet, die als solche “in steter unbewusster Wechselbeziehung zu jeder körperlichen Tätigkeit oder geistigen Strebung, die etwas mit Sammeln, Zusammenscharren und Sparen zu tun hat”, bleiben, so ist damit auf einen Prozess hingewiesen, der nicht nur die Ausdehnung des symbolischen Interesses am Geld auf allerlei Dinge, die irgendwie Wert oder Besitz bedeuten, im Auge hat, sondern der das Ästhetentum in einen engen Bezug zur Analerotik rückt. Das erotische Vergnügen an der Ästhetik erhält durch die Neigung zum Sammeln eine besondere narzißtische Zufuhr, indem dem einmaligen Besitzer eines wertvollen Objekts das Erlebnis der Einzigartigkeit verliehen wird. Bei Tätigkeiten, die in den Stand einer bisweilen in die Sucht hineinreichenden Leidenschaft erhoben sind, ist die Maßlosigkeit eine stets drohende Gefahr. Und diese Übertreibung stellt Marx (nach Döpp 1980, 389) im Bilde des Schatzbildners dar, bei dem der Geldfetisch selbst die Funktion des Lustobjekts übernimmt. “Um das Gold als Geld festzuhalten, und daher als Element der Schatzbildung, muss es verhindert werden zu zirkulieren, oder als Kaufmittel sich in Genussmittel auflösen. Der Schatzbildner opfert daher dem Goldfetisch seine Fleischeslust. Er macht ernst mit dem Evangelium der Entsagung ... Arbeitsamkeit, 30

Sparsamkeit und Geiz bilden daher seine Kardinaltugenden.”


Den möglichen Zusammenhang zwischen dem analen Charakter und dem Sozialcharakter in der bürgerlichen Gesellschaft betonend, stellt Döpp (ebd.) fest, dass mit der Entwicklung des bürgerlichen Charakters im 14. Jahrhundert im Italien der Renaissance eine Kunstsammeltätigkeit zu blühen beginnt, die im 17. Jahrhundert in allen Ländern Europas eine Hochblüte erreichen wird. Mit der Sammelleidenschaft geht aber stets auch eine Leidenschaft nach Erkenntnis einher, die, wenn sie auch nicht so sehr auf die Motive des Besitzens und Sammelns zielt, doch auf die Erforschung dessen drängt, was man gesammelt hat und besitzt. So wird der Sammler nach Freud (1931, 510) zum “eigentlichen, vorwiegend konservativen Träger der Kultur”, was in einer postindustriellen Konsumgesellschaft, in der das Problem der Entsorgung des Objekts der Frage der Sorge um das Objekt den Rang abgelaufen hat, durchaus von einiger Relevanz ist. Darüber hinaus entwertet der geheime anale Wunsch keineswegs den kulturellen Wert des Sammelns. So gelingt es auch dem Sammler, so wie jedem, dem das Schicksal die Gabe der Sublimierung verliehen hat, aus einem unedlen Motiv heraus eine hohe kulturelle Leistung hervorgehen zu lassen. In diesem Sinn schreibt Walter Benjamin (1966, 335) über den großen Sammler Eduard Fuchs: “Wie der Alchimist mit seinem niederen Wunsch, Gold zu machen, die Durchforschung der Chemikalien verbindet, in denen die Planeten und Elemente zu Bildern des spiritualen Menschen zusammentreten, so unternahm dieser Sammler, indem er den niederen Wunsch des Besitzes befriedigte, die Durchforschung einer Kunst, in deren Schöpfungen die Produktivkräfte und die Massen zu Bildern des geschichtlichen Menschen zusammentreten.” Sammeln und Seinsverfehlung, Tod und Museum Der klassische, an der Triebdynamik orientierte Blick der Psychoanalyse, der hier kursorisch auf das Phänomen des Sammelns fallengelassen worden ist, ist selbstverständlich nicht ihr einziger Zugang zur Bedeutungsfrage kultureller Erscheinungen. Innerhalb einer Theorie, in welcher sich an die Stelle des positiven Triebs die Negativität des Mangels setzt (was vor allem für die strukturale Psychoanalyse Lacans gilt), erscheinen alle Anstrengungen des Menschen als Diskurse und Dispositive, mit deren Hilfe er seine grundsätzliche Seinsverfehlung zu überwinden trachtet. In dieser Perspektive spricht sicherlich einiges dafür, dass die Sammelleidenschaft in einen Diskurs eingeschrieben ist, den Lacan (1991) als den “Diskurs der Universität” bezeichnet und formuliert hat. In diesem Diskurs und in den von ihm eingerichteten Dispositiven, in pathologischer Ausprägung offenbar mit dem Zwangsneurotischen identisch, zeigt sich das Streben des Menschen, über die Kategorien des Habens und des Besitzens

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zu einer letztlich unerreichbaren Universalität zu gelangen und im steten Zählen, Messen, Sammeln die Folgen einer nie ganz gelungenen Kastration zu überwinden. Wenn es plausibel ist, dass die Sprache das Unsichtbare hervorbringt, weil sie es den Subjekten ermöglicht, ihre Phantasmen auszutauschen, woraus sich ergibt, dass das, was man sieht, nur ein kleiner Teil dessen ist, was es gibt, so ist es auch plausibel, Gegenstände zusammenzutragen, die das Unsichtbare repräsentieren. In einer Umkehr der Struktur, wonach, um mit Hegel zu sprechen, das Wort der Mord am Ding ist, ist es schließlich das Ding, das dem Flüchtigen des von der Sprache gehobenen Unsichtbaren Materialisierung und Dauerhaftigkeit verleiht. Damit ist auch die Einheit eines Universums gewährleistet, das sich stets aufteilt in die Welt der Rede und des Blicks, des Unsichtbaren und des Sichtbaren, des Lebendigen und des Toten. So ist es verständlich, dass der Mensch seit jener Zeit, in der er Mensch geworden ist, was mit seiner Geburt an die Sprache verknüpft ist, die Kommunikation zwischen diesen Welten dadurch aufrechtzuerhalten versucht, dass er, wie uns Pomian (1988) in seiner Reflexion der Kulturgeschichte des Sammelns und des Museums nahe legt, immer wieder nach Zusammenstellungen natürlicher oder künstlicher Gegenstände trachtet, die zeitweise oder endgültig aus dem Kreislauf ökonomischer Aktivitäten herausgehalten werden, damit sie an einem abgeschlossenen, eigens zu diesem Zweck eingerichteten Ort, der ihrem besonderen Schutz dient, ausgestellt und angesehen werden können. Und dies, wie uns das Studium alter und fremder Kulturen mit Nachdrücklichkeit zeigt, in beiden Richtungen: Sowohl für den Blick der Welt der Sichtbaren als auch für die Augen des Reiches der Unsichtbaren. Damit werden auch seit mindestens 40.000 Jahren Gebrauchsgegenstände und Werkzeuge, die als technische Hilfsmittel nach Leroi-Gourhan (1975) zunächst nicht viel anderes als bloß zoologische Fakten darstellen würden, in den Stand von Semiophoren erhoben. Die seltsamen Gegenstände aus jener Zeit, die als eine Art ursprünglichster Sammlung in der Höhle von Hyène in Arcy-sur-Cure gefunden wurden und die noch nicht Kunstwerke, aber auch nicht mehr Gebrauchsgegenstände sind, markieren möglicherweise den eigentlichen Beginn dessen, was sich als menschliche Kultur bezeichnet. In den Stand von Semiophoren erhoben, entbehren Gegenstände jeder Nützlichkeit und gehen nur noch in ihrer Funktion der Bedeutung und des Wertes auf. Freilich nicht als Gebrauchswert, in den sie mitunter verwandelt werden, sondern als Tauschwert, der auf sozialer Ebene den Preis für die Sichtbarmachung des Unsichtbaren darstellt (Pomian 1975, 46 f.). Um noch einmal von der Ebene des Phylogenetischen und des Sozialen auf jenen Bereich kurz hinüberzuwechseln, der das Ontogenetische und das Individuelle und 32

damit die psychischen Motive dieses Begehrens (zu sammeln und auszustellen)


betrifft: Anders als in den Schriften der Bibliotheken und Archive, in welchen sich ein Wissen sammelt, ordnet und aufbewahrt, stellen sich für den Menschen in den musealen Objekten Begegnungsmöglichkeiten mit dem Körper und seinen Teilen und damit auch mit seinem eigenen Tod her. Denn es ist zu allererst das buchstäblich “Gegenständige” des Objekts, mit dessen Hilfe sich der Mensch im “Spiegelstadium” seiner Entwicklung als Subjekt konstituiert und dem er seine primäre Identität einer geschlossen erscheinenden Körperhaftigkeit verdankt. Erst danach erlangt er eine zweite und vielleicht stabilere Identität in den Netzen der symbolischen Ordnung und in den ihn tragenden Signifikanten der Sprache. Denn genauso wie es ohne Subjekt kein Objekt gibt, schwindet mit dem Objekt auch das Subjekt. Deshalb tragen die Gegenstände, die den Menschen umgeben, für immer die Marken eines Subjektivierungsprozesses, was ihnen bisweilen Seele und animistische Kraft verleiht, was sie aber vor allem in den Stand von Objekten der Liebe und der Leidenschaft erhebt. Als Sammlungs- und Museumsobjekte sind sie Produkte der Sublimierung von Triebstrebungen vielfacher erogener Zonen – und nicht nur einer einzigen analen – und sie bedeuten Idealisierungsarbeit am Ding, weshalb sie sich von der Pornographie des Fetischs entfernt haben und in das Feld des Erotischen eingetreten sind. Im Suchen, Sammeln und Zählen von Dingen offenbart sich daher immer auch ein menschliches Streben, ein ursprüngliches, aber unmögliches Objekt wiederzufinden und den Ur-Sachen seiner Geschichte zu begegnen. Im Klassifizieren und Ordnen erfreut sich die Sprache, die nicht nur das Begehren trägt, sondern die tatsächlich das Begehren ist, am Gleiten der Signifikate unter den Signifikanten und lässt das Subjekt teilhaben am Prozess einer Begegnung, in der die Welt der Dinge durch die Ordnung der Wörter geschaffen wird. Hingegen stellt das Konservieren von Gegenständen nicht nur einen Überwindungsversuch des Todes der Körper dar, sondern bedeutet auch Trauerarbeit angesichts der Unausweichlichkeit des Vergehens und Verlöschens. Im Ausstellen schließlich äußert sich ein besonderes menschliches Begehren, das, weil es an das Auge gebunden ist, stets den Blick sucht. Denn das ursprüngliche und eigentliche Objekt des Schautriebes ist der Blick des Anderen. Deshalb werden wir im Museum auch von den Gegenständen angeblickt, und unser Genießen dabei ist umso stärker, je mehr diese Gegenstände funkeln.

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Künstler und Sammler Es bleiben aus gegebenem Anlass noch einige Bemerkungen übrig über das die Kunst betreffende Sammlersubjekt in seiner gesellschaftlichen Relevanz, über die sammelnde Hand, die sich wie alles Gesellschaftliche in den demokratischen Systemen als öffentliche und als private Hand manifestieren. Möglicherweise ist diese Frage der institutionellen Verteilung nur von sekundärer Bedeutung, so lange die Kunst sich jedweder Vereinnahmung erwehren kann und sich in dieser Hinsicht auch unbewusster Tendenzen zu einer Unterwerfung bewusst wird. Sicherlich muss man es dem das Begehren ausbeutenden Künstler überlassen, wie er sich mit den beiden Seiten seiner Pächtergemeinschaft, dem Verwalter und dem Förderer einerseits und dem Konsumenten andererseits, arrangiert. Der Künstler wird sich der jeweiligen Vorund Nachteile bewusst sein, wenn er zwischen der Pflicht des Staates und der Neigung des Privaten bezüglich seines Anteils an der Kulturproduktion wählen kann. Er kennt die Gefahren der Staatskunst, die im Extremfall die Kunst zur Illustration herrschender Ideologien bis hinein in die Apologetik rechts- oder linksfaschistischer Totalitarismen missbraucht, und er kennt die Versuchung, sein Schaffen der Glorifizierung des privaten Sammlers zu widmen, was sein kreatives Potential in die Herstellung von Gönnerportraits und Mäzenatenkonterfeis fließen lässt. So gilt sicher auch für die Kunst, was man über die Psychoanalyse einmal gesagt hat, dass es nämlich durchaus nicht egal sei, auf welcher Seite der Straße sie auf den Strich gehe. Zu bedenken ist auf jeden Fall die Gefahr, dass jede Kunst, so lange sie weder von der einen noch von der anderen Seite gesammelt und konserviert wird, sondern, auf ihren reinen Tauschwert reduziert, nur noch zirkuliert, den Charakter eines Geldscheines annehmen kann. Dieser ist, wie schon gesagt, in seinem eigentlichen Wert eine qualité négligeable. Wenn es für die Kunst auch nicht so offensichtlich ist, wodurch sich die Psychoanalyse definiert, nämlich etwas von allen für alle zu sein, so wird der Künstler in seinem Schaffen doch auch an seine Konsumentenseite denken müssen. Ist diese doch ein Empfänger, die ihre eigene Botschaft vom Künstler als Sender in umgekehrter Form wieder zurückerstattet erhält. Wenn auch diese Frage der allgemeinen Zugänglichkeit noch gut gelöst ist, ist jeder Partei das ihr Zustehende gegeben: der Zeit ihre Kunst, dem Sammler seine Leidenschaft und der Kunst ihre Freiheit. Zusammenfassung In Zusammenhang mit einem gesamtgesellschaftlichen Mentalitätswandel im Sinne eines “imaginary turn” hat die viel zitierte gegenwärtige Bilderflut auch zu einer zentralen Stellung der bildenden Kunst im Kulturleben geführt. Mit gleichzeitigen politischen Veränderungen im Sinne von (Re-)Privatisierungstendenzen tritt dabei auch der private Sammler und Kunstsponsor (vormals Mäzen) stärker in Erscheinung, was mit spür34

baren Veränderungen der Ausstellungs- und Museumskultur einhergeht.


Dies gibt einerseits Anlass zu einer erneuten Reflexion über die bewussten und unbewussten Motive menschlicher Sammelleidenschaft und führt andererseits zur Entwicklung von Ansätzen zu einer psychoanalytisch orientierten Kulturgeschichte des Sammelns, Ordnens, Konservierens und Ausstellens jener seltsamen Gegenstände, welche als “Semiophoren” offenbar jeder Nützlichkeit und jeden ursprünglichen Gebrauchswertes entbehren.

Literatur BALMARY, M. (1979): L'homme aux statues. Freud et la faute cachée du père. Paris BENJAMIN, W. (1966): Eduard Fuchs, der Sammler und Historiker. In: Angelus Novus. Frankfurt/Main DÖPP, H.-J. (1980): Die erotischen Wurzeln der Sammelleidenschaft. Psychoanalyse, 1. Jg., Heft 4 ENGELMANN, E. (1977): Berggasse 19 - Sigmund Freuds Wiener Domizil. StuttgartZürich,Frankfurt/Main FREUD, M. (1975): Freud, mon père. Paris FREUD, S. (1905): Bruchstücke einer Hysterie-Analyse. Studienausgabe, Band VI FREUD, S. (1919): Das Unheimliche. Gesammelte Werke, Band XII FREUD, S. (1931): Über libidinöse Typen. Gesammelte Werke, Band XIV JONES, E. (1982): Das Leben und Werk von Sigmund Freud. Band II. Bern-Stuttgart-Wien KINDLER, Th. W. (1973): Philosophische Terminologie. Band 1, Frankfurt/Main LACAN, J. (1973): Schriften I. Olten LACAN, J. (1991): L'envers de la psychanalyse. Le Séminaire, livre XVII, Paris LEROI-GOURHAN, A. (1975): Prähistorische Kunst. Die Ursprünge der Kunst in Europa. FreiburgBasel-Wien POMIAN, K. (1988): Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln. Berlin RUHS, A. (1986): Der Mythos von der Tiefe. RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse, 1. Jg., Nr. 3, Oktober RUHS, A. (1989): ... und schaue ihr in den Hals. In: Wunderblock. Eine Geschichte der modernen Seele (J. Clair et al., Hg.), S. 709-715, Wien SONNEMANN, U. (1963): Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten. Deutsche Reflexionen. Reinbek SPECTOR, J. (1973): Freud und die Ästhetik. Psychoanalyse, Literatur und Kunst. München WINTERSTEIN, A. (1921): Der Sammler. Imago, S. 180-194

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Für verdeckte Widerstandsaktivitäten der Frauen mit ein wenig versteckter Rückendeckung Stützform für Guerilla Maske, Kunststoff, 15x24x10


Für die molestia – die “Last der Arbeit” der einen, aus der manchmal/vielleicht ein opus – ein “Werk” der anderen entsteht Produziert von “kibri – West Germany” vermutlich für Modelleisenbahnen, handkoloriert von einem unbekannten, empfindsamen Auge. Gefunden in einem Lager und an Geldes statt als Bezahlung erbeten. Schotterwerk “J. Steiner”, Hartplastik, 15x10x12

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Memento mori wie es in jeden Haushalt gehört – zur unabdingbaren steten Erinnerung an den Fluss der Dinge und des Lebens. Als Basis zwei Spielfelder eines mir unbekannten Spieles – so wie die Regeln vieler Spiele, in die ich verwoben bin, mir nicht bekannt sind. Keltischer Totenschädel, jüdische Kopfbedeckung, Rosen, 35x35x35


Unser wichtigstes Haustier, gemästet in der Hoffnung auf ein üppiges Leben irgendwann oder immer. Handgemachtes, verschweißtes und lackiertes, gusseisernes Schwein, welches mir im Dezember 2005 auf einer verregneten Straße Berlins begegnete und seither im Wohnzimmer wohnt. Gusseisernes Sparschwein, 46x23x18

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Seriell gefertigtes Kunstgewerbe im Dienste der Macht KÜnig Georg II von Griechenland (1947-1964), Laubsägearbeit, 37x50 42


Schmerzvolle k端nstlerische Einzelanfertigung Dornenkrone eines Gekreuzigten, Akazienzweig, 9x9x4 43


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Druckanzug, in dieser Form getragen von allen Überschallflugzeug-Piloten des Warschauer Paktes als SU Armee-Uniform. Symbol für das Streben der Menschen weg von der Erde hinauf ins Universum und zugleich nach Überlegenheit und Macht über den Nächsten – und in diesem Streben eine formale Angleichung an die uns überlegenen Insekten. MIG Druckanzug “WKK4p” mit Helm, 50x160x30


Zierlichkeit als Maßstab, Passivität als Ziel, Verkrüppelung als erotisches Schönheitsideal In der chinesischen Oberschicht wurden Mädchen ab dem dritten bis zum achten Lebensjahr schmerzvoll die Füße geschnürt: Vier kleine Zehen unter den Fuß, große Zehe nach vorne. Ideal war der “Goldener Lotos”, ein 7,5 cm langer Fuß bei erwachsenen Frauen. Im 19. Jh. besaßen die Frauen hunderte Paare von Lotosschuhen, bestickten sie kunstvoll mit Symbolen für Fruchtbarkeit, langes Leben, Glück und eine harmonische Ehe. Ab der Republikgründung kamen sie aus der Mode, ab 1949 waren sie von Mao verboten. Chinesische Lotosschuhe, Shanghai Mitte 19. Jh., Seide bestickt, 8,5x7x17

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rotweiĂ&#x;roter elephant + hase von Karl GrĂźnling Aquarell und Collage auf Schiffskarte, 1988, 43x52x2


In Hommage an Bernhard Rudofskys “Architektur ohne Architekten” durch den Zufall geschaffene Kunstwerke Verpackungsmüll im Bachbett geformt, durch den Verfall zu Schönheit gelangt. Vier Körper, Polystyrolverpackung bearbeitet durch Bachbett, vorderes Objekt 10x10x10

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Selbstportrait Moritz 2002 Bleistift, Papier, Lรถtzinn, 6x9x5


Architekturmodell von Helene mit Resten eines zerplatzten Halloween-Luftballons Zahnstocher, Papier, Pattex 25x20x25

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Lotos und Druckanzug Wir leben in einer Überfülle von Dingen. Du hast beruflich als Restauratorin viel mit Objekten zu tun. Was für einen Grund gibt es auch privat Sachen anzusammeln? Ich finde die Überfülle an Dingen, die uns alle umgeben, furchtbar. Eine Konsequenz daraus ist, dass ich mir sehr genau überlege, ob ich eine Sache wirklich will. Ich umkreise das Ding, es geht in meinem Kopf herum, bleibt oft liegen, verstaubt, während ich mich frage: “Soll ich es aufnehmen, brauche ich es?”. Was ich zusammentrage ist eine Zufallssammlung, in der Dinge kommen und gehen. Ich verfolge kein systematisches Sammlungsprinzip, sondern habe Einzelstücke, die für etwas Bestimmtes stehen. Welche Eigenschaften braucht ein Ding, damit du sagst, ok, das beherberge ich? Es dreht sich fast immer um Objekte, die symbolhaft für etwas stehen, das ich für wichtig erachte, das mich beschäftigt. Ich will diese Welt verstehen und dazu dienen mir auch Dinge. Dinge als Zeugnisse. Man könnte auch von menschlichen Universalien, Belegen ihrer Geschichte und ihren kuriosen Gelüsten sprechen, irgend so etwas. Es gibt Dinge, die mich überraschend auf etwas aufmerksam machen und solche, von denen ich weiß und auf die ich dann endlich irgendwann treffe. Die werden sofort aufgenommen. Ich finde es zum Beispiel bemerkenswert, wie sich Frauen durch abstruses Schuhwerk ihrer Standfestigkeit berauben. Oder um gefallen zu wollen im Schönheitswahn körperlich verstümmeln und ihrer Kraft berauben. Das ist ein weitverbreitetes Phänomen mit einer langen Kultur, welches bis in die Gegenwart hinein wunderbar gedeiht. Und ich wusste seit meiner Schulzeit von diesen völlig perversen chinesischen Lotosschuhen für auf sieben bis acht Zentimeter zusammengeschnürte Frauenfüße. Das ist zeichenhaft genau dafür: für die Schönheit furchtbare Schmerzen in Kauf zu nehmen, nicht mehr richtig gehen zu können und als Resultat teilweise getragen werden zu müssen. Als ich nun in China war und solche Schuhe gesehen habe, war klar, dass ich sie kaufe. Wofür stehen der Totenschädel und der Kampfpilotenanzug in deiner Sammlung? Der Totenschädel ist für mich ein banales “Memento mori”. Ich kann eigentlich kaum verstehen, wie ein Haushalt ohne so ein Objekt auskommt. Wobei ich die naheliegende Symbolik, die Erinnerung daran, dass wir alle einmal sterben müssen, wenig interessant finde. Das dürfte klar sein. Sondern eher, dass man sich bei allem, was man angeht, überlegen kann, für welche Zeitspanne dieses Tun Relevanz hat. Wie wirken sich längerfristig Handlungen auf uns, die Umwelt, die Gesellschaft aus? Mementos mori – die verschiedensten – erinnern an diesen Fluss. Der MIG Pilotenanzug spricht mich zuerstmal ästhetisch an. Ein kurioses Bild – ein Mensch in einem wulstigen Anzug, der sich aufbläst und Insektenform annimmt. 50

Gleichzeitig steht er für die Lust der Menschen, den Erdball zu verlassen, gedanklich


oder auch körperlich, Neues auszuprobieren, für das Spielerische. Der Kampfaspekt dabei ist mir unangenehm und stört ein wenig, man muss ihn aber wohl auch zur Kenntnis nehmen. Sollen deine Sammlungsobjekte ein Abbild der Welt in ihrer Fülle sein, oder versuchst du deine Welt, dein Weltbild, zu beschreiben? Mich interessiert meine Welt nicht so sehr, sondern die Welt als solche, die Vielfalt, das Denkmögliche. Ich finde die Welt wichtiger als mich selbst und möchte mich möglichst nicht widerspiegeln. Aber meine Welt ist natürlich immer der Ausgangspunkt, anders geht es ja nicht, leider nicht. Wenn ich zum Beispiel aus einer Kultur ein Ding habe, das für etwas Bemerkenswertes steht, korreliert das natürlich mit meiner Weltsicht und meinem Wissensstand, aber es stellt auch immer eine Erweiterung dar. Die Vollständigkeit als Prinzip des Sammelns, alles aus einem Sammlungsgebiet besitzen zu wollen, ist nicht mein Zugang. Das lehne ich sogar ab. Erstens glaube ich nicht so recht an die Vollständigkeit, und zweitens wird dieser Bereich in Museen, wo dieser Ansatz in einem systematischen Kontext noch einen gewissen Sinn macht, von ausreichend anderen Menschen professionell abgedeckt. Welche Rolle spielt die bildende Kunst in deiner Sammlung? Eine beiläufige. Es gibt für mich sehr gute Künstler und Künstlerinnen, deren Werke ich sehr mag. Wobei dies meist Werke von eher Unbekannten sind, die sich am Kunstmarkt selten wiederfinden. Wirkliche Inspiration ging oft davon aus, dass ich mit diesen Menschen auch bekannt oder befreundet war und in die Prozesse dahinter Einblick nehmen konnte. Darüber hinaus sind auf der Erkenntnisebene für mich meistens die Nebengleise der Kunst spannender als das, was offizielle Weihen erfährt. Oft handelt es sich ohnehin um einen biographischen oder geographischen Zufall, wer am Markt hochgespült wird. Bleiben deine Sammlungsobjekte in ihrer Bedeutung konstant oder durchlaufen sie im Laufe der Zeit verschiedene Stadien? Die Dinge können sich verändern. Manches entlarvt sich mit der Zeit als hohl, nicht als das, wofür ich es gehalten habe. Manches wird unwichtig. Die Sachen verkommen dann, verludern, verdrecken, und landen schlussendlich im Garten, im Müll, oder am Dachboden. Manche Sachen bleiben aber wertvoll, als Erkenntnis- beziehungsweise als Erinnerungsanker. Mich interessiert dabei sehr die Dinge auf ihre Halbwertszeit hin zu untersuchen und dadurch zu erkennen, wie historische Tiefe erzeugt wird. Diese hängt einerseits natürlich von der Haltbarkeit des Materials ab, andererseits spielen kulturelle Größen wie Akzeptanz oder zeitweilige Ablehnung eine entscheidende Rolle. Der Marktwert oder das Besitzenwollen spielen für mich dabei keine Rolle, wie es mir überhaupt rätselhaft ist, dass materieller Besitz für Menschen, die nicht gerade an der Armutsgrenze um Existenzielles kämpfen, einen Lebenswert darstellen kann.

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Inhalator Fundst端ck 1987, Metall, 25x40x20 Staubsauger Volks-Staubsauger/Elektro-Hansa Austria/220 Volt 200 Watt/Nr. 23796 Fundst端ck 1987, Metall, 45x18x17, Schlauch 176x3x3, Aufsatz 58x20x7


Inhalator 1989, Tempera, Tusche, Dispersion auf Karton, 56x58,5 Staubsauger 1989, Tempera, Tusche, Dispersion auf Karton, 41x58

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Modell des menschlichen Universums #5, 30.11.1991 Drei Zettel, Vorder- und R端ckseite Tusche, Bleistift, Kugelschreiber, Stempel, jeweils 16,5x20,5

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Divers und lang, 1989-1992 Holz, Metall, Havannaband, Tixo, Papier, 280x7x5


FOND: Diverse Unterlagen, Kassab端cher, Originale 1996-2006, 40x6x35 FOND: Negative, Kataloge, Entw端rfe, diverse Unterlagen 1996-2006, 36x17,5x30

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FOND: Konzepte, Jahresberichte, BTZ-Originale 1996-2006, 34x6x28 FOND: Kunstpostkarten 1996-2006, 14x11x15


Zwei Exponate aus der Bernhard Wolf Sammlung, in Luftpolsterfolie verpackt und beschriftet 1993-2005, “Spirituelle Extravaganz” 41x56x4, “Selbstportrait” 47x62x6

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K端nstlerkartei Fundst端ck 1992, 14,8x10,5


Staub 1994-2006, 42x20x10

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Haare und Nägel, 1991-2006: “Alte Zwänge”, Jänner 1999, 9x13x4 7x10,5x2,5 8x13,5x3,5 23x30x10,5

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Die Befriedung der Dinge

Was macht den Unterschied zwischen Dingen, die du sammelst und solchen, die du links liegen lässt? Ich würde mich nicht als Sammler im engeren Sinn bezeichnen, sondern ich hantiere mit Materalien. Für mich steht der Sammlungsbegriff nicht im Vordergrund, sondern der Begriff Repräsentation. Repräsentation der Welt und damit verbunden auch die Unsicherheit darüber, ob man etwas im Moment beurteilen kann. Im Idealfall taugt ein Ding auch noch nach Jahren als Repräsentation einer aktuellen Fragestellung, wenn es auch nicht mehr deinem früheren Zugang entspricht. Ich kann das besser mit einer Geschichte erzählen. Anfang der 90er Jahre habe ich am Projekt “Fragmentarisches Modell des menschliche Universums” gearbeitet. Ich habe untersucht warum mich gewisse Dinge anziehen und andere nicht. War es die Form, das Alter der Objekte, das Material, die Oberfläche oder etwas inhärent Angelagertes? Ich habe versucht jedem Reiz ohne Vorbehalt nachzugeben, die Dinge zu untersuchen und die Sache eskalieren zu lassen. Aus dieser Zeit stammen auch die Listen im Katalog. Irgendwann ist das System gekippt und es kam unweigerlich zu einer Selektion, weil die Wohnung einfach zu voll war. Viele Sachen haben sich dann ausgeschlossen und sind weggefallen, einige habe ich noch immer. Was übrig blieb hat sich um ein paar Materialien gegliedert, die bis zu einem gewissen Grad ausgedünnt und ausdifferenziert sind. Dennoch könnte ich aber immer noch nicht genau sagen, worum es mir nun tatsächlich ging. Auf mehreren Projektmappen taucht die Beschriftung auf: “Ehrlich, ich wußte nicht wirklich was ich tat, aber ich versuchte, es ordentlich zu machen.” Ich kann nur Entscheidungen treffen, wie zum Beispiel die Schachtel mit Staub war mit Gegenständen gefüllt, die mir irgendwann zu kitschig waren. Da finde ich jetzt die leere Schachtel mit den Staubschatten besser. Anderes, wie das FOND1 Material, ist mir einfach geblieben, trotz meiner jahrelangen Weigerung das Konvolut zu verwahren. Wegwerfen konnte ich es nicht, es gehörte nicht mir. Dann ist das Material aber selbst in einen Prozess getreten, der es zu einer schönen Metapher für den FOND formte. Jetzt gibt es zwanzig bis dreissig Objekte dieser Kategorie. Es hat dabei aber keine anfängliche Entscheidung von mir gegeben. Geht es dir mehr um das Besitzen oder um den symbolischen Gehalt von Dingen? Der Besitz ist meistens die Voraussetzung der Verfügbarkeit, aber jetzt geht es mir um das symbolische Potential. Im Prinzip ist das Sammeln ein Projektionsvorgang der unabhängig vom gesammelten Gegenstand ist. Es geht nur oberflächlich um das Objekt. Sammeln dreht sich hauptsächlich um das Reinprojizieren in Dinge. I-Ging, kabbalisti66

sche Interpretationen und Artverwandtes funktionieren wahrscheinlich ähnlich. Das


Objekt ist nicht als Objekt wichtig, sondern als Projektionsfläche. Wobei sich da natürlich eher Gegenstände anbieten, die man nicht auf Anhieb versteht, die irgendwie unabgeschlossen sind. Ich sehe das weniger mystisch, sondern eher als Effekt der Wahrnehmung. Wie sieht der emotionale Gehalt bei dieser Beschäftigung aus, tendiert er eher Richtung Lustgewinn oder Belastung? Richtung Belastung, wenn Dinge anstehen. Wenn ich mich damit auseinandersetzen kann, ist es klar ein Lustgewinn. Mir geht es mehr um das Erledigen selbst als Reaktion auf die Beunruhigung, die von den Dingen ausgeht. Die Sammlungskategorien sind dann eigentlich nichts weiter als persönliche Befriedungssysteme in mehreren Phasen. Anfangs steht der Reiz, schön, gefällt mir, dann schleppst du das Jahre mit, in Schachteln, und es taucht immer wieder auf, thematisiert sich, bis es dir gelingt die Beschäftigung mit dem Ding selbst zu erledigen. “Nicht-Sammler sind auf jeden Fall bessere Nachbarn, Elternteile, Demokraten”, behauptet Michael Petrowitsch und meint damit, dass jedwedes Sammeln einen stark neurotischen Kern hat. Siehst du das auch so? Nein. Natürlich ist Sammeln in gewisser Weise neurotisch, aber ich bin überzeugt, dass die Neurose der Kern der Kultur ist und dass so Komplexität entsteht. Sammeln ist ein grundlegendes Thema der Kultur, und in dem Moment, als Jäger und Sammler besitzen wollten, traten sie als Gesellschaft in das Symboluniversum der Gegenstände ein. Insofern kann man von der Wiege der Zivilisation sprechen und von einem neurotischen Kern des Phänomens, auf dem unsere Kultur aufbaut. Für die Motivation braucht es die Neurose. Die Aussage von Petrowitsch bezieht sich auf eine soziale Bewertung, die festlegt was eher erwünscht und was nicht erwünscht ist, was cool ist und was nicht, et cetera. Im sozialen Gefüge werden gewisse Dinge als neurotisch bewertet, während andere hochneurotische Verhaltensweisen als normaler Alltag zwischen Autofetischismus und Fussballmanie praktiziert werden.

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Grazer KünstlerInnen-Gruppierung, deren aktivste Zeit Mitte der 1990er Jahre war

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Stofftier “Der gestiefelte Kater“ Geschenk meiner Eltern1963, Füße nachgenäht von Adelheid Strobl 1965, Pullunder und Schlafsack gestrickt von Edda Strobl 1972 bzw. 1976, jeweils 7x16x3


Alter Ego als Kind mit Katzen Foto fr端hes 20. Jahrhundert, Geschenk von Bernhard Wolf 2006 schwarz-weiss Foto, 9x14

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God Bless Our Camper Porzellanteller, made in Japan, gefunden in British Columbia, Canada, 20x20x2 Elektroschaltung mit Erdwespennestern gefunden am Freiheitsplatz, Graz, 1993, 15x8x4


Ausgestopftes Entenk체cken in Korb Fundort: M체llsack des Altwarenh채ndlers Zingerle, 1992, 10x10x10 Ozelotfell Geschenk von Ingeborg Strobl 1992, 60x20

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Zeichnungen und Anleitung zur Herstellung von Stofftieren aus dem Nachlass einer Handarbeitslehrerin, Fundort: M체llsack des Altwarenh채ndlers Zingerle, 40x25 H. Wagner, Cryptogamen-Herbarium 1876-82, Fundort nicht mehr in Erinnerung, 1990er Jahre, 33x24


Globus einer Fluggesellschaft, Fundort nicht mehr in Erinnerung, Blech, Kunststoff, 18x26x18

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“Superhallo” Seifenkissen Fundort: Kastner&Öhler, Graz, in den 1990ern Karton, 15x14x6


Esel mit bleckenden Z채hnen Fundort: London 1996 Keramik glasiert, 10x30x30

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Zigarettenpackung KOSMOS aus Russland Geschenk von Bernhard Wolf, Karton, 7x10x2,5 Gl端cksbringer japanische Winkekatze Maneki Neko, Geschenk aus New York von Karin Buol, Keramik bemalt, 5x7x3


Drei lustige Schwestern aus einem Familienalbum, Fundort: BAN, Graz, 2005, schwarz-weiss Foto, 21x18 79


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Juri Gagarin - Erster Mensch im Weltraum Fundort nicht mehr in Erinnerung, schwarz-weiss Foto, 19x14


Der Fleischwolf meiner Grossmutter Margarete Litscher in meinem Besitz seit 2005, Gusseisen, 30x27x9

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Spuren fremden Lebens Was ist das wichtigste Kriterium, das ein Ding haben muss, damit du es sammelst? Es muss mit mir kommunizieren. Es muss dasitzen und sagen: “Bitte nimm mich mit“. Solche Dinge haben Persönlichkeit und Seele. Vielleicht rührt das daher, dass mein erstes Sammelobjekt ein Stofftier war, ein gestiefelter Kater, den ich 1963 von meiner Mutter bekommen habe. Dieser Kater hat mit mir, als ich Kind war, gesprochen. Ich habe ihn tatsächlich gehört. Du sammelst vor allem Dinge, die andere wegwerfen? Ja. Viele Dinge sammle ich, weil ich eine Form von Mitleid mit ihnen empfinde, und dann nehme ich sie mit. Lange Zeit habe ich Pelze angeschleppt, weil es mir leid tat, wenn jemand tote Tiere wegwirft. Es war fast so etwas wie Trauerarbeit leisten. Andere Dinge wiederum erzählen einfach eine Geschichte. Hast du Einteilungen in deiner Tätigkeit als Sammlerin? Ich habe mehrere Einteilungen. Einerseits für gesammelte Sachen und dann diverse Strategien, wie man Dinge wieder auf die richtige Art los wird. Bei den gesammelten Dingen gibt es Kategorien, wie zum Beispiel die der nützlichen Dinge. Dinge zur Inspiration für eigene Arbeiten. Dann interessieren mich etwa alltägliche Gebrauchsgegenstände, Konsumprodukte, Werbemittel. Und Flachware privater Natur – wie Briefe, Photos, amtliche Schreiben, Lebensmittelmarken und dergleichen. Das sind für mich Spuren fremden Lebens, in denen man lesen kann wie in einem Buch. Und dann sammle ich noch die Gruppe der unnützen Dinge. Das sind die Sachen, die ich eigentlich gar nicht haben muss, die mir aber echt Leid tun. Was wäre so ein “unnützes Ding”? Alles was nichts anderes tut als herumstehen, meist dreidimensional. Diese Dinge tauchen bisweilen, sofern nicht weggesperrt in irgendwelchen Schachteln, als Arrangements in meiner Wohnung auf. Entsprechen deine gesammelten Sachen auch Koordinaten deines Weltbildes? Wenn man sich mit gestrandetem und scheinbar wertlosem Gut umgibt, sagt das natürlich etwas über die Person, die diese Dinge sammelt, aus. Eine Sammlung spiegelt doch immer eine Lebenseinstellung und eine Weltauffassung wieder. Ich halte es zum Beispiel schlecht aus, wenn Gegenstände zu neu sind. Neu Gekauftes thematisiert sich auf eine irritierende Weise, wie zum Beispiel durch einen unangenehmen Industriegeruch oder durch das Wissen um die Verletzlichkeit des Makellosen. Neues muss man sich erst aneignen. Ich mag lieber Dinge, die schon Spuren von anderen haben, die sind robuster. Deshalb wohne ich auch gerne in alten Wohnungen und belasse einige Dinge von vorher, weil man eigenlich immer auf 82

Geschichte aufbaut. Auf seine eigene und auf fremde Geschichte.


Wie sieht das korrekte Loswerden von Dingen aus? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Sammlungsobjekt loszuwerden. Eine Möglichkeit besteht darin, es Kunst werden zu lassen, wie das Spurenprojekt 1989. Die Wohnung war voll mit Müll und Schrott. Ich habe die Sachen zu Objekten zusammengebastelt und in der freien Wildbahn ausgesetzt. In der Mur, an Hauswänden, auf Reisen. Das Spurenprojekt ist ein Erlebnis/eine Aktion beim Aussetzen. Eine Fotodokumentation ersetzt dann das Objekt. Eine weitere Möglichkeit ist das Verlieren oder Vergessen. Oder, wenn Dinge von jemand anderem zerstört werden. Eines schönen Tages kam ich drauf, dass Mäuse Fotos in einer Sammelkiste zerfuzelt hatten. Zuerst habe ich mich geärgert und dann gedacht: super. Eine Schachtel weniger, und Mäusen kann man nicht wirklich böse sein. Eine Zwischenstufe – ein unechter Ablösungsprozess – ist Dinge loszuwerden, ohne sie wegzuschmeißen. Das ist zum Beispiel das Unterstellen von Schachteln an anderen Orten, bei meiner Großmutter, am Dachboden, bei Freundinnen. Das ist so, als ob die Dinge auf Sommerfrische wären oder in permanenten Ferien. Ich schaue dann immer gerne nach, wo ich was eingelagert habe. Mir reicht meistens schon die Vorstellung von dem Ding, wofür es als Zeichen steht. Ich muss das Ding nicht materiell um mich haben. Was allerdings wirklich zur Sammlung der nützlichen Dinge gehört, werfe ich nicht weg. In der Ausstellung präsentierst du ein Objekt, das Stofftier deiner Kindheit, und alle weiteren Sammelobjekte sind nur als Geräusch vertreten, nämlich mit dem Geräusch, das sie beim Angreifen erzeugen. Wie gesagt, für mich “sprechen” die Dinge. Meinen gestiefelten Kater habe ich als Kind ja wirklich gehört, ich kann mich heute noch an seine Stimme erinnern. So entstand die Idee, über die Geräusche der Dinge ein Ordnungssystem zu entwickeln. Foucault erwähnt im Vorwort zu seiner “Ordnung der Dinge” eine historische chinesische Liste um Tiere einzuteilen (Borges). Sinngemäß: a) einbalsamierte Tiere, b) Tiere, die dem Kaiser gehören, [...]

f) Fabeltiere, k) Tiere, die mit einem ganz feinen

Kamelhaarpinsel gezeichnet sind, l) und so weiter. Das einzig verbindende zwischen den Kategorien ist die alphabethische Reihenfolge. Die geordneten Tiere können nirgends anders nebeneinander auftreten als in der Ortlosigkeit der Sprache, schreibt Foucault weiter. Ich meine, dass der Klangraum als “ortloser” Imaginationsraum eine Fülle an Möglichkeiten für eine Ordnung meiner sehr disparaten Sammlung bietet. Natürlich ist es auf eine Art ein persönliches Ordnungssystem, da ja erst über mein An- und Begreifen der Dinge ein Geräusch entsteht. Anderseits ist da eine Abstraktion möglich, mit der ich als Künstlerin was anfangen kann. Dieses Ordnungssystem im Klangraum ist eine Versuchsanordnung – und auch ein Versuch der Trennung. Vielleicht bewirkt der Umstand der Aufnahme ja, dass ich danach manches einfach weggebe.

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Peter Weinmeister erz채hlt Weihnachtsgeschichten MC 1988, 7x11x2


Politik ihrer Zeit auf Vinyl Schallplatten, 31x31

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Kunst dem Volk Nationalsozialistische Zeitschrift, Semperitwerbung auf R端ckseite, Wien 1942, 46x31


What is cultural colonialism? Alexander Brenner, Barbara Schurz, London 2002 Buntstift/Papier, 48x36

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Sprichwort: “Die betagte Mutter überlebt ihren Infarkt kaum ... ich pflanze im Garten einen Apfelbaum” Comic Marco Kociper, Slowenien 1998, 30x42


Elliott Sharp Fotografie Ziga Koritnik, 21x14

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Was f채llt mir ein zum Thema Kunstverein? Gedicht, Heimo Zobernig Edition Salzburger Kunstverein, Papier, 21x30


Otto M端hl Druck, Edition Texte zur Kunst, 20x30

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Nie mehr mĂźde Reklametafel, Ă–sterreich 1950er Jahre, Karton, 37x34


Pullover Olympische Spiele Innsbruck 1976 Flohmarkt St. Stefan im Rosental, 1993, 65x65

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China Cola Tafel Fundst端ck, Peking 1992, einzige Tafel dieser Art auf zweimonatiger Reise, Karton, 36x49


T-Shirt Benita Ferrero Waldner Pr채sidentschaftswahlkampf 2004, 65x65

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Glück, Mutter, Langeweile Was bedeutet Sammeln für dich? Sammeln und Horten ist für mich eindeutig ein Krankheitsbild. Hier dürfte sich eine frühkindliche Fixierung ungünstig mit den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen verbinden. Mein Sammeln hat demzufolge als Spannungsfeld mit zwei großen Missverständnissen in der Kindheit begonnen. Erstens bestand offensichtlich ein psychologisches Missverständnis zwischen meiner Mutter und mir. Das zweite Missverständnis betraf die ökonomischen Verhältnisse, in denen wir lebten. Ich begann als argloser Sammler von Mickey Mouse Heftln. Als eine immer größere Flut von Mickey Mouse Hybriden wie Mickey Vision am Markt auftauchte, wurde ich erstmals skeptisch. Offensichtlich versuchte hier eine fremde Macht meinen Sammlertrieb auszunutzen. Skeptisch wurde ich aber auch mir selbst gegenüber und dem, was der Sammeltrieb mit mir anstellte. Mit neun sagte ich mir erstmals “Da musst du aufpassen” und erkannte somit ein zentrales Gesellschaftsphänomen und seine neurotische Dimension. Mit zwölf begann ich dann Musik LPs zu sammeln, jetzt besitze ich ein paar tausend. Darum wollte ich zuerst in der Ausstellung meine Mutter präsentieren, gemeinsam mit meiner Plattensammlung. Meine Mutter hat leider dankend abgelehnt. Grundsätzlich sind für mich Nicht-Sammler auf jeden Fall bessere Demokraten, Elternteile, Mitmenschen. Helmut Kaplan widerspricht dir und sagt, dass die Neurose die natürliche Grundlage jedweder kulturellen Entwicklung sei. Hier haben wir ein Missverständnis mit dem Herrn Kaplan. Ich sehe das nämlich ähnlich wie er. Für mich ist Neurose nicht negativ besetzt. Ich stimme zu, ohne Neurose keine kulturelle Motivation. Man muss allerdings noch weiter gehen und sagen, dass unsere gesamte Kultur eigentlich auf Langeweile aufbaut. Das Wesen der Langeweile, des Müßigganges, hat die Kultur ermöglicht. Wenn man sich in Spanien die schönen Höhlenzeichnungen in Alta Mira anschaut, so hat sich hier niemand verewigt, der neurotisch war, sondern jemand, dem langweilig war. Ein existentieller Vorgang sozusagen, eine Kopie einer Gemütsverfassung. Da hat man Viecher an die Wand gepinselt, da hat man Repräsentationsstrukturen ausgebildet, und da hat man auch begonnen zu sammeln. Das zieht sich hinein bis in die heutige bürgerliche Gesellschaft, die sich über diesen selbstgezimmerten Käfig definiert. Der Anfang war die präbürgerliche Entwicklung der Jäger als Trophäensammler. Was sammelst du heute? Devianzen aller Art, Abweichungen, Schallplatten funktionieren da am besten, da sie auf mannigfaltigen Ebenen unterwegs sind. Die Devianz übt einen bestimmten Reiz auf mich aus. Die zweite “Trio” Platte (“Bye Bye”, 1983, Anmerkung. d. Verf.) ist ein 98

gutes Beispiel. Mit dem frühen, wunderbaren, danach kaum weitergeführten Gedan-


ken, das Plattencover für Werbeeinschaltungen zu verkaufen. Zuerst waren zwei Uvex Werbungen drauf, dann sind weitere Firmen dazugekommen, Hörzu, Casio. Das ständige Nachpressen hat im Endeffekt zehn bis zwanzig verschiedene Cover ergeben. Das war lange vor Jeff Kohns und wurde auch nicht als Kunst konzipiert. Trio haben sich einfach die Spielregeln des Kapitalismus, so hieß die Chose vor dem Neoliberalismus, sehr schön angeeignet und haben diese auf ihre Art der Punkästhetik runtergebrochen. Solche Platten suche ich und über den Kaufakt löst das dann ein Glücksgefühl aus, ein Freiwerden der Endorphine. Ich kann das Glücksgefühl nicht haben, wenn ich den “Mann mit dem Goldhelm”, nun echt oder unecht, in der Hand halte, sondern nur dann, wenn ich weiss, dass ich ein besonderes Stück ganz günstig erworben habe oder ein gefundenes Stück zum Sammlerstück erhebe. Das ist der Punkt für mich, der Kaufmoment. Dass du dir Dinge nicht über die komplette Verfügbarkeit wie bei eBay reinziehst. Wo du jetzt sagst, ich bin geil auf was und ich will das haben und zahle auch 100 Euro, und sofort besitzt du es. Nein, so nicht! Mir geht’s darum Dinge aufzustöbern, zu ergattern und den speziellen Umständen entsprechend nichts oder wenig zu zahlen. Auf aufgemotzte Plattenbörsen verzichte ich inzwischen komplett, weil diese Preise zahle ich nicht. Aber Flohmärkte ja, das ist eine Freude. Der Moment des Kaufens macht mich am allerglücklichsten, ein Ding in der Hand zu halten. Der Geldwert spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Was suchen die Peter Weinmeister Kassette and das “Benita for President” T-Shirt in deiner Kollektion? Das ist natürlich auch 80er Jahre-Denken, da ich da sozialisiert wurde, und dem kann man nicht ausweichen, auch wenn man Masken aufsetzt. Die Kindheit rinnt an einem herunter ... Politik ist hier und nur hier auf Popästhetik runtergebrochen. Das sind einfach gute Gimmicks dekontextualisiert von Politik, auch im Sinne von Devianz, manchmal aber auch im Sinne von Rarität. Als politisch interessierter Mensch versuche ich auch auf diesem Gebiet relevante Objekte zu orten. Wie stehts mit Wegschmeissen? Wegschmeissen? Nein. Ich kann mich von nichts trennen, habe noch nie Platten weggetauscht. Nur als 14jähriger, als ich das Poster aus der AC/DC Box einem Klassenkollegen gegeben habe. Ich träume heute noch schlecht. Wobei das Ding selbst für mich nur symbolischen Wert hat, ich bin kein Pfleger des Objektes. Befriedigung verschafft mir der Moment der Akquisition. Es gibt da einen ganz plötzlichen starken Drang, Dinge haben zu wollen. Ganz egal, in welcher finanziellen Lage man sich befindet. Das ist eine klare Suchtaffinität, mit der man ausgestattet ist. Es ist eine Vorform, an der Grenze zwischen Genuss und Sucht. Und man hat das Glück auf der einen Seite zu stehen, und nicht auf der anderen.

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Nur wer die Form beherrscht darf mit ihr spielen. Texturheber Tetjus T端gel, resanita, Graz 2005 Klebeband, 74,6x5


Wirbelsäulenröntgen M. Hörmann, Landesklinik für Chirurgie, Graz 1994 Röntgenfolie, 30x90

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Frau aus der Serie “Abreisende” Christian Eisenberger, Intervention im öffentlichen Raum, Graz 2004 Karton, 90x160


The Pedestrians Yvette Helin, Intervention im รถffentlichen Raum, New York City 1995 Diapositiv, 3,5x2,4

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du wirst sehen in auge die lüge Peter Umgeher, Comic-Print aus der Serie “Ein Held”, 2003 Papier auf Karton, 17,4x25,2


Rakete Max R端f/Reum端ller, Graz 2002 Filzstift auf Papier, 10x8,6

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Zerbrechliche Prテ、gung Peter Leeb, New York City 1991 Wasserfarben und テ僕kreide auf Transparentpapier, 59,2x44,8


Frosch getrocknet gefunden in Marrakech, in der Mittagshitze neben einer endlos langen schattenlosen Mauer, 1993, ca. 7,4x3x20

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Totenkopfkette Nepal, spätes 20. Jahrhundert handbebearbeitete Knochen, 109 Totenköpfe à 0,7x1,1x0,5, Gesamtlänge 140


Rinde einer Eiche Fundort: Plesch, Steiermark, 1997 oder 1998, ca. 30x51

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die zerschlagung des kapitals in der äußersten linken ecke Conrad Stachl, Graz 2003 Holzbrett, Nagel, durchbohrtes Zehngroschenstück, 14,2x26,8x1,9


STOP MAKING ART Viktor Snesar, St. Petersburg 1994 Druck, Limitierte 10er Auflage, Nr. 2, 50,8x79,9

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Strukturen, Sätze und Geräusche

Was bedeutet Sammeln für dich? Sammeln bedeutet für mich vor allem der Verzicht auf eine nomadische Lebenstruktur. Das ist auch mein großes Problem mit dem Sammeln. Auf der eine Seite brauche ich Inspiration durch Dinge, die mich umgeben, auf der anderen Seite habe ich einen Horror davor, zu viele Dinge um mich zu haben. Weil sie mich einengen, dadurch dass sie Aufmerksamkeit einfordern. Wenn sich zu viele Dinge ansammeln, werde ich nervös. Von Zeit zu Zeit muss ich mich damit beschäftigen, Dinge wieder loszuwerden, mich also mit ihnen beschäftigen Denn ich kann sie nicht einfach wegwerfen oder auf die Straße stellen. Ich denke darüber nach, wer was haben wollte, wem ich was weitergeben könnte. Einfach wegwerfen geht sich nicht aus? Das kann ich nicht. Ich finde nicht, dass die Dinge Müll sind, dass sie verschwinden sollten, nur weil ich sie nicht mehr haben will. Ich habe auch selbst viele gebrauchte Dinge, die andere Leute schon entsorgt haben und die einen Wert für mich haben. Welche Eigenschaften muss ein Ding für deine Sammlung haben? Es muss meine Phantasie in Gang bringen, Ideen auslösen. Insofern ist es meistens Material für mich, Ideengeber. Es entsteht eine Art Kommunikation. Manche Dinge sind sogar mit Geschichten verbunden, die weitererzählt werden können, und diese Geschichte verändern sich im Lauf der Zeit. Solange die Geschichte eine Fortsetzungsgeschichte ist, bleibt das Ding spannend. Abgeben kann ich gesammelte Gegenstände erst, wenn sie beginnen an Bedeutung zu verlieren. Das passiert dann, wenn ich sie ansehe und sie betreffen, berühren mich nicht mehr. Wenn nur mehr die Frage bleibt, was mich einmal inspiriert hat, dann ist das Objekt schon mehr Teil der Erinnerung als der Gegenwart. Der Fluss ist versiegt, und das Ding hat seine Bedeutung verloren. Sammelst du nach bestimmten Kategorien? Ich sammle aus dem Bauch heraus, aber ich erkenne Tendenzen bei den Dingen, die meine Aufmerksamkeit erregen. Offensichtlich habe ich eine Vorliebe für Strukturen, Sätze und Geräusche. Sätze, die ich höre, schreibe ich mir oft auf, manchmal sammle ich sie als gedrucktes Etwas. Das Visuelle steht dabei nicht im Vordergrund, son114

dern die Aussage, der Sinngehalt. Das dient mir dann als Material, als Trigger für an-


dere Ideen, Gedanken. Geräusche faszinieren mich, weil wir ständig von einer Geräuschkulisse umgeben sind, ohne ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Ich habe angefangen bei Alltagsgeräuschen genauer hinzuhören, weil es ohnehin schwieriger ist, sich die Ohren zuzustöpseln als die Augen zuzumachen. Das Zusammenräumen von Sesseln in einem Saal nach einem Konzert, am Flughafen Schritte auf langen Gangways, die unterschiedlichen Geräusche der Schuhe. Solche Tonquellen nehme ich auf, weil mich ihre Musikalität interessiert, der Rhythmus, die Struktur, die sie erzeugen. Und sie finden mitunter eine konkrete Verwertung in Soundinstallationen oder Videos. Was hat es mit den Strukturen auf sich, die du noch erwähnt hast? Abgesehen von den Strukturen, die ich in Geräuschen finde, gibt es auch Objekte, deren Struktur mich interessiert. Dabei wird klar, dass es mir nicht um eine Bildsprache oder das Objekt selber geht, sondern – es geht mir um Abweichungen. Das kann ein Stück Baumrinde sein oder ein vertrockneter Frosch von einer Reise. Wobei ich kein besonderer Naturfreak bin. An der Rinde und dem Frosch fasziniert mich die haptische Oberflächenstruktur, die fast etwas von Narben hat. Ich fotografiere schon lange Narben. Mich inspiriert es, wenn es auf einer glatten Oberfläche, wie zum Beispiel Haut, eine Unterbrechung gibt. Etwas aus der Norm rausbricht, aus dem Üblichen, aus dem, was man als schön empfindet. Sammelst du auch Kunst? Teilweise. Aber ob es zur Kunst erklärt ist oder nicht, interessiert mich dabei nicht. Zu meiner Sammlung gehört zum Beispiel eine bemalte Pappfigur von Christian Eisenberger. Eine Zeit lang tauchten im Grazer Stadtbild regelmäßig seine ausgesetzten Pappfiguren auf, die waren plötzlich überall. Mir hat gefallen, wie hier mit einfachsten Mitteln eine Irritation, eine Abweichung im Stadtbild erzeugt werden konnte. Was ist das älteste mit dir kommunizierende Ding in deiner Sammlung? Eine Blutkruste von einer schweren Knieverletzung nach einem Megasturz. Die verwahre ich seit über dreissig Jahren. Der jüngste Zugang? Ein Satz. “Nur wer die Form beherrscht, darf mit ihr spielen” von den Grazer Künstlerinnen resanita.

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November 1st 2001 – B52 drop 50 000 pound on frontline Taliban Kalenderblätter von Jarret Mitchel USA 2001, Bleistift auf Sperrholz, 32x20


Fundst端ck aus der Ulitsa Petrovka Moskau 1994, Filzstift/Papier, 37x24

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Mercedes Benz 300 SL, Baujahr 1957 Johann Kogler, Oberzeiring 1999 Bierkapseln, Fotokopie, Cellophan, 26x18


Die Frage Dora Ludron, Graz 1997 テ僕farben/Leinwand, 60x45

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Verschwörungstheorien Fundstücke aus den Straßen von Graz 1991-2000 Kugelschreiber/Papier, 20x20


Paar aus 8020 Intervention im รถffentlichen Raum, Christian Eisenberger, Graz 2004 Karton, 90x160

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Iglu Zuckerw端rfel, resanita, Graz 2005, 20x18x20


Der Winter Bronislava Dubner, Moskau 1994 Bleistift/Papier, 21x30

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A tribute to the champs of boxing JF, USA, 2001 Acryl/Leinwand, 51x41


Plastikschildkrรถtenspritzpistole Koloman Kann, Wien 2001 Wasserfarbe/Papier, 40x26

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Shine box - Future TV Aristarkh Chernishev, Fernseh-Verzerrer, Moskau 2004 Plexiglasbox mit russischer Technologie, 20x20x6


Russkij Robot Kyrill Rubcov, Moskau 2002 Holz/Acryl, 20x10x5, 30x20x1

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Befreiung vom guten Geschmack

Was sammelst du? Ich sammle Gegenstände, die im weitesten Sinn für mich den Begriff Kunst erforschen. An Kunst interessiert mich weniger eine großartige Qualität oder der Marktwert eines Werkes, sondern der/die SchöpferIn selbst. Wo beginnt der Punkt an dem Menschen unbedingt etwas ausdrücken möchten? Glauben sich hinsetzen zu müssen und Werke zu produzieren, anstatt sich das nächste Wurstsemmerl zu machen oder noch näherliegenderen Bedürfnissen nachzugehen. Für mich zählt der Gestaltungswille und dies ist auch die Eintrittskarte in meine Sammlung. Das kann Kunstkunst von bekannten KünstlerInnen sein oder Arbeiten von KünstlerInnen, die in der offiziellen Rezeption nicht auftauchen. Handgeschriebene Waschzettel mit Weltverschwörungstheorien, die eine Zeit lang in Graz hinter den Scheibenwischern parkender Autos zu finden waren, oder Zufallszeichnungen von FreundInnen. Was meinst du mit Kunstkunst? Damit meine ich offiziell abgesegnete Qualität, von Institutionen legitimierte Werke. Auf viele meiner gesammelten Gegenstände trifft eher der Begriff Folkart zu. Volkskunst, mit einem direkten Draht zum Objekt, die oft hart an gängigen Geschmackskriterien vorbeischrammt oder eh gleich Lichtjahre davon entfernt ihre Bahnen zieht, und dabei vieles freisetzt, was mich an Kunst fasziniert. Rätselhafte Motivation, rätselhafte Materialkombinationen, Leidenschaft und Humor. Das klingt nach Kritik am Bewertungssystem von Kunstinstitutionen, eine Position, die oft aus der freien Szene vernommen, schon einen ziemlichen Bart hat. Ist deine Sammlung nicht auch wiederum eine Absegnung, nur diesmal mit deinen Kriterien? Das ist klar. Wie Erika Thümmel schön sagt, auch wenn einen eigentlich die Welt interessiert, geht man von sich aus. Natürlich geht das von meinen Wertungen aus. Im Übrigen gibt es für mich Interessanteres als Kunstinstitutionen und ihre Selektionskriterien zu bemängeln. Jeder nach seinem Geschmack. Es gibt da viele Leute die sehr gute Arbeit leisten, und jeder kann es sich aussuchen, in welchem Spiel man mitspielt. Meinen Ansatz sehe ich wertfrei dazu als Forschungsprogramm, um das Schaffen von Menschen besser zu verstehen. Du betreibst dein Sammeln jetzt seit zehn, fünfzehn Jahren. Gibt es Forschungsergebnisse? Ergebnisse? Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sehr weit gekommen bin. Das Schaffen bleibt nach wie vor sehr unterhaltsam und rätselhaft. Ein paar Erkenntnisse gibt 130

es. Wie man zum Beispiel Eitelkeit oder berechnenden Ausdruck leichter erkennt,


Banalitäten entlarvt. Persönlich habe ich mich endlich vom guten Geschmack befreien können. Vom Denken in Bewertungskriterien, der Angst vor dem schlechten Geschmack. Jetzt nähere ich mich der Kunst eher als Phänomen, möchte alle möglichen Aspekte verstehen. So gesehen hat mir das Forschungsprogramm geholfen vom Bewertungsstress zur Phänomenologie zu kommen. Wieviel Einfluss nehmen dabei deine Russlandaufenthalte, die russische Position, die von aussen betrachtet oft mit einem “do it yourself”, einem elementaren, unverkrampften Zugang zur Kunst hantiert? Mich hat es zufällig nach Russland verschlagen, das war nicht geplant. Meine Aufenthalte dort stehen exemplarisch dafür, dass man in einen anderen Kulturkreis geht, wo andere Kriterien gelten, andere Dinge verhandelt werden. Daraus ergibt sich oft Inspiration, Veränderung. Russland hat sich natürlich gut für Phänomenologisches angeboten. In der Kunst finden sich viele privatmythologische Zugänge mit einfachen Materialien, Fundstücken. Die persönliche Motivation, das Aufladen von Objekten mit immaterieller Bedeutung spielen eine stärkere Rolle als bei uns. Du bist in den 80er Jahren sozialisiert. Damals war das sogennante Authentische, wie junge Wilde in der Malerei, ein Kriterium in der Kunst. In den 90er Jahren hat das niemanden interessiert, und jetzt ist ein authentischer Zugang scheinbar wieder en vogue. Ist dein jetziger Zugang zu Kunst als Phänomen, was das Authentische zu beinhalten scheint, eine Prägung aus deiner Generation? Glaube ich nicht. Ich war damals eher auf der Suche nach wasserdichter Qualität, war mit einem übermäßigen Respekt vor der Kunst geschlagen. Auf Authentisches ohne Vorbehalt zuzugehen, das war nicht so meines. Der Rest ist eine normale Rhythmik in der Kunstrezeption, wie in jedem anderen Markt auch. Jetzt sind eben wieder Buntstiftzeichnungen, Kritzi Kratzi Flyer und Spatzenpost-Ästhetik vorne dabei. Ist Kategorisierung, wie Erwerbsdatum, Technik, Art der Objekte wichtig für deine Sammlung? Nein. Mir ist die Geschichte zum Ding wichtiger. Im Idealfall möchte ich immer die ProduzentInnen kennenlernen. Die Mercedes Collage mit Bierkapseln habe ich von einem Künstler aus Oberzeiring in seinem Atelier gekauft, und ebenso das Bild “A Tribute to the Champs of boxing” von einem Maler aus Chicago. Bei den gefundenen Straßenzetteln wäre interessant zu wissen, wer es ist, der die Bevölkerung vor dem großen Lottobetrug warnen will. Selbst bei den Einkaufszetteln würde ich gerne die Person sehen, die damit bewaffnet sich Richtung Supermarkt auf den Weg macht. Das sind – in Analogie zu Frau Strobl – meine Spuren fremden Lebens.

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Erika Thümmel Studium der Restaurierung am Opificio delle Pietre Dure in Florenz, Atelier für Restaurierung von Gemälden und Holzskulpturen in Graz, Objektkünstlerin; Gestalterin zahlreicher Ausstellungen; unterrichtet an der FH-Joanneum, Studiengang Informationsdesign.

Helmut Kaplan Bildender Künstler. Zeichnungen, Musik, Objekte, Räume, Veranstaltungen, Betriebsstrukturen ... 1990 Gründungsmitglied des FOND, 1994/98 Gründung von TONTO.

Edda Strobl Bildende Künstlerin mit Schwerpunkt auf Comics (tonto) und narrativer Zeichnung. Davon ausgehend Installationen, Gemälde, Aktionen, Analysen. In der Freizeit Musik (analog) in diversen Bands (Burning 1996-98, tofita seit 2004, SNM-Gast seit 2005).

Michael Petrowitsch Seit 1995 Geschäftsführer für den „Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark“, seit 2003 Obmann der IG-Kultur Steiermark. Einzelkind. DJ mit Schwerpunkt Punk, DDR-Musik, 80er Independent, Südslavia, 70er Deutschprogressiv u.a., teilweise mit Klarinettenbegleitung. Anita Hofer Arbeitsfelder: partizipatorische und interaktive Umgebungen, Aktionen, Installationen, Video, Musik. 1997-2001 nuoc mam dirndln (culture clash), seit 2001 TOISE (elektronisches Duo mit AndReas Klöckl), seit 2002 LTNC. Seit 1998 Gründung und Leitung der Plattform KiG! – Kultur in Graz. Bernhard Wolf Bildender Künstler. Studium an der Freien Akademie Moskau. Schwerpunkt Kulturaustausch mit Russland. Ausstellungen. Seit 2003 Organisator des Homeless World Cup.

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Kerstin Barnick-Braun Kunsthistorikerin, freie Autorin. Forschungsschwerpunkte: Kunst nach 1945, speziell österreichische Kunst der 1960er und 1970er Jahre im internationalen Kontext; europäisches Informel; künstlerische Methoden des 20. Jahrhunderts.

Christian Fleck Universitätsprofessor am Institut für Soziologie der Universität Graz, Präsident der österreichischen Gesellschaft für Soziologie, Leiter des Archivs für die Geschichte der Soziologie in Österreich.

August Ruhs Vorstand-Stellvertreter der Universitätsklinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeut, Psychoanalytiker/Lehranalytiker (WAP), Gruppenpsychoanalytiker /Ausbildungsleiter (ÖAGG), Psychodrama-Lehrtherapeut (ÖAGG), Lehrtherapeut der PSY-Module der ÖÄK.

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Publikation zur Ausstellung Dings. Aus den Sammlungen Hofer / Kaplan / Petrowitsch / Strobl / Thümmel / Wolf 13. Juli – 17. September 2006 Organisation und Durchführung: Anita Hofer, Bernhard Wolf, ESC im Labor mit Unterstützung von Land Steiermark und Stadt Graz HerausgeberInnen: Anita Hofer, Bernhard Wolf Redaktion: Bernhard Wolf Redaktionelle Mitarbeit: Helmut Kaplan, Reas Klöckl Interviews: Bernhard Wolf, Helmut Kaplan Grafische Gestaltung, Satz und Layout: Anita Hofer Druck: Universitätsdruckerei Klampfer, Weiz Printed in Austria © 2006 luxus edition © Fotos: Johannes Gellner © Foto “The Pedestrians”: Gabe Kirchheimer 1995 © Texte: bei den AutorInnen

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ISBN 3-9502091-5


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