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Das Teo Otto Theater in Remscheid
Neuer Glanz und neue Leitung Das Teo Otto Theater in Remscheid
Künstlerischer Leiter Sven Graf, Foto: Stefan Lamb
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Das Remscheider Theater präsentiert sich frisch renoviert mit dem Charme der 1950er-Jahre. Mit dem neuen künst- lerischen Leiter Sven Graf stehen die Zeichen aber auf Zukunft.
Bis ins Detail liebevoll kopiert: Das obere Foyer im Teo Otto Theater nach der Renovierung (links) und im Originalzustand von einst (rechts). Als Vorlage für die Restaurierung standen nur SchwarzWeiß-Fotos zur Verfügung. Foto links: Thomas Wunsch Foto rechts: Teo Otto Theater Remscheid

Für ihn sei es eines der schönsten Theater in Deutschland, sagte Entertainer Götz Alsmann einst. Und der kommt schließlich viel rum. Immer wieder macht er deshalb auch gern Station im Remscheider Teo Otto Theater. Mit seiner Begeisterung für das Remscheider Theater ist er vielen Menschen in der bergischen Region voraus, denn hört man sich – ganz unrepräsentativ, versteht sich – ein bisschen um, so findet sich eher selten jemand, den es aus den in der Nähe liegenden Großstädten wie Wuppertal, Solingen oder gar Düsseldorf und Köln ins Remscheider Theater zieht.
Ein Fehler allein schon deshalb, weil das im Zentrum von Remscheid gelegene Theater tatsächlich ein Schmuckstück ist. Erbaut von dem Düsseldorfer Architekten Ernst Huhn und 1954 als Stadttheater erönet, war es einer der ersten Theaterneubauten der Nachkriegszeit in Deutschland, und Remscheid war damit eine der ersten Städte, die sich nach dem Krieg wieder ein Theater leisteten. 2001 wurde es nach dem berühmten, 1904 in Remscheid geborenen Bühnenbildner Teo Otto umbenannt – er schuf unter anderem die Bühnenbilder zu Bertolt Brechts „Mutter Courage“ und Else Lasker-Schülers „Die Wupper“. Der einstige Glanz des Hauses war freilich im Lauf der Jahrzehnte und unter dem ästhetisch wenig ansprechenden Geist der 1970er-Jahre komplett verloren gegangen – bis sich die Stadt Remscheid im Vorfeld des 50-jährigen Theater-„geburtstags“ zu einer grundlegenden Sanierung und Restaurierung entschloss. Der braune Teppichboden flog ebenso raus wie Kugelleuchten, Kristalldeckenlampen und die billigen Gartenmöbel in den Foyers. Die Holzvertäfelung im Saal wurde auf Hochglanz gebracht, das Entrée bekam wieder einen dunkel glänzenden Linoleumboden und Tütenlampen nach originalem Vorbild. Sogar die heute theaterüblichen rechteckigen Garderobenmarken ersetzten die detailverliebten Restauratoren durch solche in originaler, gerundete Form.
Muschelförmige Sessel in mattgrün und schwarze LackGlas-Tischchen (die im Original aus Bakelit waren) laden seitdem im oberen Foyer wieder zum Verweilen ein, und selbst die mit rotem Kunstleder bezogenen Holzstühle im ehemaligen Raucherfoyer versprühen herrlich nostalgischen Charme. Alte Schwarz-Weiß-Fotografien dienten seinerzeit als Vorlage für die Wiederherstellung sämtlicher Details; was das Farbkonzept angeht, orientierte man sich mangels authentischer Vorlagen am Zeitgeschmack der Entstehungszeit und an Augenzeugenberichten. Ein Glücksfall kam den Restauratoren dabei zu Hilfe: „Eine Floristin hatte zur Erönung 1954 als Meisterarbeit den Blumenschmuck passend für das Theater angefertigt und dafür alle Farben akribisch beschrieben“, erzählt Verwaltungsleiter Lutz Heinrichs. Die richtige Mischung zu treffen, war dennoch eine gewaltige Herausforderung. Nach rund anderthalbjähriger Umbauzeit wurde im November 2003 mit einer großen 50er-Jahre-Party die glanzvolle Wiedererönung gefeiert.
Im Laufe der vergangenen 16 Jahre hatte sich freilich wieder einiges an Patina über das Haus gelegt. Zum 65. „Geburtstag“, der mit Saisonbeginn im Oktober 2019 gefeiert wurde, sollte nun alles wieder strahlen wie neu. Und das, so zeigt ein Besuch im renovierten Haus, ist wahrlich glänzend gelungen. Die Messingleuchter glänzen wieder ebenso wie die Parkett- und Linoleumböden, und die zart lindgrüne Wandfarbe wirkt in Kombination mit den pfirsichjoghurtfarbenen Vorhängen auch im Winter frühlingsfrisch. Und so verströmt das Theater durch und durch erneut das Flair der 1950er-Jahre. Kein Wunder, dass Götz Alsmann, Tollenträger und Liebhaber des Jazzschlagers, sich in diesem Schmuckkästchen wie zu Hause fühlt.
Wurde 1954 als einer der ersten Theaterneubauten im Nachkriegsdeutschland erö¦net: Das Teo Otto Theater in Remscheid. Foto: Thomas Wunsch

Nun ist es, Schmuckkästchen hin oder her, nicht hauptsächlich die äußere Hülle, die einen ins Theater zieht – es muss auch inhaltlich etwas hermachen. Und was das angeht, darf man jetzt wieder gespannt sein. Mit Beginn der laufenden Saison hat das Haus, das von jeher als Gastspieltheater ohne eigenes Ensemble fungiert, einen neuen Leiter bekommen: Sven Graf, 34 Jahre alt.
Damit endet eine unschöne Hängepartie, während der das Teo Otto Theater ohne künstlerische Leitung dastand. Die Suche nach einer Nachfolgekraft für den im Frühjahr 2018 ausgeschiedenen Dr. Christian Henkelmann zog sich hin; die schließlich auserkorene Kandidatin sprang nach Zusage unmittelbar vor Dienstantritt wieder ab. Verwaltungsleiter Lutz Heinrichs und Disponentin Constanze Mandt füllten die Lücke für die Saison 2019/20 zwar mit einem durchaus ansprechenden Programm, dauerhaft tragfähig war diese Lösung natürlich nicht.
Dass es schwierig werden würde, auf der Basis einer mageren halben Stelle jemanden mit entsprechender Qualifikation zu finden, der bereit wäre, die anspruchsvolle und mit hohen Erwartungen befrachtete Aufgabe zu übernehmen, hätte man sich freilich beizeiten denken können. Christian Henkelmann war insofern ein Glücksfall, als er in Personalunion als Theaterleiter, Kulturdezernent und später auch Stadtdirektor von Remscheid eine große Präsenz und Reputation mitbrachte und seine Aufgaben nach eigenem Ermessen quasi aus einem Topf ausfüllen konnte.
Er hatte das Teo Otto Theater nach turbulenten Zeiten in ruhiges Fahrwasser gesteuert und fast ein Jahrzehnt zur weitgehenden Zufriedenheit der Remscheider geführt. Sein von ihm selbst gern zitiertes Motto: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“, knüpfte im Grunde an den Geist der Gründerzeit des Theaters an, das einige Jahrzehnte ein solides Stadttheaterprogramm geboten hatte – bevor 1990 die Intendantin Helga Müller-Serre aus Frankreich kam, mit Abonnements wie „vorwiegend heiter“ aufräumte und das Haus zu einem weit über die Region, gar international ausstrahlenden Haus mit dem Schwerpunkt auf neuen Theaterformen und zeitgenössischem Tanz machte. Eine überregionale Zeitung schrieb damals gar vom „Theaterwunder in der Provinz“. Eine Einschätzung, die das
heimische Publikum und die kommunale Politik freilich nicht uneingeschränkt teilten. 2003 endete die Ära MüllerSerre mit der Suspendierung der Intendantin. Es folgte ein langwieriger Prozess vor dem Arbeitsgericht, der mit einer Niederlage der Stadt endete, die der freigestellten Intendantin noch mehrere Jahre Gehalt zahlen musste. Auch das Arbeitsverhältnis zwischen ihrer Nachfolgerin Dorothee Stürmer und der Stadt Remscheid endete ebenso glücklos wie unharmonisch mit deren vorzeitigem Ausscheiden 2009. Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann konstatierte seinerzeit „unüberbrückbare künstlerische Dierenzen“ – und übernahm im Anschluss die Theaterleitung praktischerweise gleich selbst. Die internationale Tanzsparte blieb, etwas konventioneller ausgerichtet als zuvor, über die Zeit ein roter Faden.
Jetzt also stehen die Zeichen auf Neuanfang. Keine leichte Aufgabe für Sven Graf, auch wenn die Position inzwischen auf eine Dreiviertelstelle aufgestockt wurde. Beim Gang durch die Innenstadt springt einen die Tristesse geradezu an: In der Fußgängerzone und einstigen Einkaufsmeile dominieren die Leerstände – unterbrochen von Ein-Euro-Shops, Dönerbuden und Telefonläden –, die Städtische Galerie ist abgewickelt. Wie und für wen will man in so einer Stadt überhaupt Theater machen?
„Das herauszufinden wird mein größtes Thema,“ ist sich Sven Graf bewusst, der von Freiburg ins Bergische wechselt. Er möchte zunächst die Menschen hier kennenlernen, mit vielen ins Gespräch kommen und „mit einer guten Mischung starten“. Das, was er in Remscheid vorgefunden habe, sei auf jeden Fall eine gute Ausgangsbasis: „Das Tanzprogramm ist wirklich stark, damit möchte ich mindestens auf dem Stand bleiben“, steht für ihn schon mal fest. Und dafür bringt er gute Voraussetzungen mit: In seiner vorherigen Position verantwortete er bei der Konzertdirektion Landgraf – einem der größten Gastspielanbieter im Land und langjährigem Partner des Teo Otto Theaters – die Tanzsparte. Auch das Kindertheater sieht er gut aufgestellt, möchte es „aktuell und schön halten“. Der weite Bereich des Crossover biete noch viele tolle Möglichkeiten, findet Graf, weiß aber auch: „Man muss das erkennbar und verständlich machen.“ Und er freue sich auf die Zusammenarbeit mit den Bergischen Symphonikern, die mit dem 38-jährigen Daniel Huppert ebenfalls gerade einen neuen, jungen Leiter bekommen haben. Die wohl größte Herausforderung sieht Graf darin, den sperrigen Begri des „ernsten Schauspiels“ zugänglicher zu machen, die eher publikumsschwache Sparte interessant und neu anzupacken. „Es gibt viele gute zeitgenössische Stücke“, findet er, aber es gälte, die richtige Balance zu finden: „Man darf das Publikum nicht unterschätzen, aber es auch nicht vor die Stirn schlagen.“ In Provokation um ihrer selbst willen sehe er jedenfalls keinen Sinn.
Sollte, müsste Theater über die anspruchsvolle Unterhaltung hinaus heute nicht auch dringend wieder einen Beitrag zu gesellschaftlichen Fragen leisten, ein Theaterprogramm mithin auch einen thematischen roten Faden aufweisen? „Gewiss, aber das ist natürlich nicht so einfach, wenn man nicht selbst inszenieren kann“, gibt er zu bedenken. „Ich muss ja schauen, was angeboten wird.“ Und was nütze einem ein gutes Thema, wenn es auf der Bühne nicht überzeuge – „das muss man sich erst mal ansehen“. Das klingt nach einer handfesten Portion Pragmatismus. In Kombination mit seiner sympathischen Aufgeschlossenheit, Neugier, Sachkenntnis und jugendlichem Elan könnte das tatsächlich eine gute Mischung für die Aufgabe sein, die vor ihm liegt. Wie sich all das in der Programmgestaltung niederschlagen wird, wird freilich erst zur Saison 2020/21 erkennbar werden. Vorerst hält die laufende Saison noch einiges bereit, für das sich auch für Auswärtige einmal die Fahrt nach Remscheid lohnt. Und am 8. Mai 2020 ist auch Götz Alsmann wieder da, diesmal mit seinem brandneuen Programm „L-i-e-b-e“.
Anne-Kathrin Reif
Termine in Kürze im Teo Otto Theater Auswahl
23. Januar 2020 Faust I – Reloaded Schauspiel, Württembergische Landesbühne Esslingen 25. Januar 2020 Hoffmanns Erzählungen Oper, Theater Hagen 1. Februar 2020 Schwestern – Love and Hate Lesung mit Musik, mit Silvia Munzón López, Marina Matthias, Annette Rettich/Cello 4. Februar 2020 Nederlands Dans Theater II zeitgenössischer Tanz 13. März 2020 Pariser Leben Operette/Theater Hagen, Bergische Symphoniker 17. März 2020 #zauberflöte 3.0 zeitgenössischer Tanz, NRW Juniorballett www.teo-otto-theater.de, Theaterkasse: 02191/162650.