MISSION WIEN

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essen, ohne an diese kopflosen, rennenden Hendeln zu denken. Extrem grausam. In einem Sommer zeigte sie mir einen furchtbar hohen Jägerstand. Sie kraxelte nicht hinauf, mit der Ausrede, dass der Stand schon zu morsch sei. Ich schon, weil ich ihr beweisen wollte, dass sie nur ein Angsthase ist. Als ich fast oben war, brach eine Sprosse der Leiter. Ich kam zwar hinauf, aber nicht mehr hinunter. Saß gefangen auf der Plattform, wie ein Volltrottel. Zudem bekam ich auch noch Panik und begann herumzubrüllen. Sie rief die Feuerwehr und ich bin mir sicher, sie grinste blöd dabei. Mit Blaulicht und Sirenengeheul kam ein Wagen. Unmengen an Menschen aus Lenes Dorf versammelten sich um meine Rettungsaktion zu beobachten. Am nächsten Tag stand sogar ein Artikel in der Zeitung. Die Überschrift: »Unsere freiwillige Feuerwehr rettete Wiener Kind von Jägerstand«. Extrem unangenehm. Extrem demütigend. Extrem heimtückisch. Jetzt ist dir sicher auch klar: Lene ist ein gemeines, scheinheiliges, hinterlistiges Monster, das nur geboren wurde, um mein Leben zu versauen. Und in einer halben Stunde muss ich zum Westbahnhof gehen, um diese Göre abzuholen. So schön hätten meine wohlverdienten Sommerferien ohne sie werden können. Ewig pennen, dann mit meinen Freunden Boris und Ali heimlich »ab 18+ Games« zocken. Oder mit ihnen am Skaterplatz rumhängen, um zu besprechen, wie wir ein paar abgefahrene YouTube Clips drehen können. Dazwischen hätten wir ein paar neue Scootertricks eingeübt, begleitet von fetten Songs, die ich auf mein Smartphone geladen habe. Wenn’s ganz heiß geworden wäre, hätten wir im Schwimmbad ein paar »Beckenrandbomben« hingelegt, bis uns der Bademeister erwischt, und wir danach ein paar Mädchen geärgert hätten. Abends dann, einen Horrorstreifen aus dem Internet gezogen... So richtig chillige Ferien halt. Doch mein Schicksal ist besiegelt. Ich muss nun los, um das Monster abzuholen.

S

ie ist da. Bis jetzt war sie anständig. Ihrem Begrüßungs-Bussi bin ich gekonnt ausgewichen, die Reisetasche hat sie selber geschleppt und voll gequatscht hat sie mich auch nicht. Lene hat mir sogar ein T-Shirt mitgebracht. Es sieht gar nicht mal so schlecht aus. Es ist schwarz und darauf steht: »Prinz auf der URBse«. Was das auch immer heißen soll. Mir gefällt das Leiberl irgendwie. Gesagt habe ich ihr das natürlich nicht, denn so übertrieben freundlich muss ich echt nicht zu ihr sein. Jetzt sitzen wir beide in meinem Zimmer. Es ist unerträglich still, denn die Stecker von Fernseher, Playstation und Laptop hat meine Mutter inzwischen


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