Begleitbuch Beethoven Museum / Deutsch

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— Beethoven Museum, Probusgasse 6, Heiligenstadt, Wien

Ludwig van Beethoven (1770–1827) lebte ab 1792 bis zu seinem Tod in Wien. Den Sommer 1802 verbrachte er in Heiligenstadt, damals ein beliebter Kurort. Hier entstanden die Sturm-Sonate und erste Skizzen zur späteren 3. Symphonie, der Eroica. Außerdem schrieb Beethoven an diesem Ort einen Brief, der als Heiligenstädter Testament in die Geschichte eingegangen ist: eine Art „geistiges Bekenntnis“ angesichts seiner fortschreitenden Ertaubung. Der außergewöhnliche Künstler Beethoven und seine Musik stehen im Mittelpunkt dieses Museums. Doch es werden auch die Hörgewohnheiten des Publikums vor etwa 200 Jahren thematisiert, die gesellschaftlichen Grenzen dieser Zeit sowie das Ausloten von neuen Möglichkeiten.


Inhalt Zum Beethoven Museum . . . . . . . . . . . . 5 1 ankommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 erholen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3 komponieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4 verdienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5 auffĂźhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 6 vermachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Garten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Im Museum zu hĂśren und zu sehen . . . 83 Dank, Impressum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 84


— Silhouette und Eintrag des Grafen Ferdinand Ernst von Waldstein ins Stammbuch Beethovens

„Lieber Beethoven! Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozart’s Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglinges. Bei dem unerschöpflichen Hayden fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemand vereinigt zu werden. Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart’s Geist aus Haydens Händen. Bonn d. 29.TEN Oct. 1792. Ihr warer Freund Waldstein“ Als Beethoven 1792 nach Wien aufbrach, trug sein Förderer Graf Ferdinand Ernst von Waldstein in ein von seinen Freunden zum Abschied geschenktes „Stammbüchlein“ diese Zeilen ein. Sie muten fast prophetisch an – Mozart, Haydn und Beethoven werden in einem Satz erwähnt.


ZUM BEETHOVEN MUSEUM

Wien ist voll von Musikergedenkstätten. Wie könnte es auch anders sein in einer Welthauptstadt der Musik? Dutzende Gebäude zieren Tafeln und Plaketten, die an einzelne Komponisten und Musiker erinnern. Darüber hinaus gibt es zahlreiche musealisierte Gedenkstätten – allein das Wien Museum verwaltet acht: drei zu Beethoven, zwei zu Schubert und je eine zu Mozart, Haydn und Johann Strauss (Sohn). Die Infrastruktur ist also reich an Stätten, ihre Wirksamkeit ist aber infrage zu stellen. Gewiss symbolisieren sie eine musikalische Topografie, deren schieres Ausmaß Respekt gebietet – so sind allein für Beethoven dutzende Wohnorte dokumentiert. Sie alle setzen aber voraus, dass Besucherinnen und Besucher die Relevanz Beethovens schon akzeptiert und internalisiert haben. „Hier hat Beethoven gewohnt!“ ist eben eine Aussage, die nur eine bereits vorhandene Ehrfurcht aktivieren kann. Für Uneingeweihte bleibt die Botschaft relativ bedeutungslos. Hier kommen wir zu dem fundamentalen Unterschied zwischen Gedenkstätte und Mu­ seum. Was Erstere voraussetzt, kann Letzteres vermitteln. Die idealtypischen Gäste sind nicht Pilgerinnen und Pilger auf der Suche nach einer Verbindung zu geliebten Heroen, sondern Wissbegierige, offen für neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Genau das versucht das Beethoven Museum zu ermöglichen. Aus der vormaligen Gedenkstätte Beethoven Wohnung Heiligenstadt – zwei Zimmer, die an den Ort der Niederschrift des Heiligenstädter Testaments erinnerten – wurde ein 365 Quadratmeter großer historischer Ausstellungsparcours, der Leben und Wirken des Komponisten aus vielerlei Perspektiven beleuchtet. Ausgehend von einer Darstellung der Übersiedlung des jungen Musikers von Bonn nach Wien referiert die Präsentation Themen wie die Rolle von Politik und gesellschaftlichen Zwängen oder die Bedeutung der Natur in Beethovens Werk. Spezielles Augenmerk gilt den kompositorischen Strategien des Meisters, vor allem im Zusammenhang mit seinem voranschreitenden Ohrenleiden. So erschließt sich auch der weitreichende Kontext der Niederschrift des Heiligenstädter Testaments, des für den weiteren Lebensweg Beethovens entscheidenden Dokuments – Ausdruck für die Überwindung seiner gesundheitlichen Verzweiflung durch die Akzeptanz seiner kompositorischen Mission. Das Beethoven Museum ist die erste Institution Wiens, die eine umfassende Musiker­ biografie dieser Art vorlegt. Natürlich ist es sein Ziel, damit auch deklarierte Beethoven-Lieb­ haberinnen und -Liebhaber zu erreichen – die Pilgerfahrt an die Stätte des Heiligenstädter Testaments ist ja ungebrochen möglich. Darüber hinaus eröffnet das Museum aber die konkrete Aussicht, ein neues Publikum an den Komponisten heranzuführen. Es ist zu hoffen, dass andere Musikergedenkstätten ähnliche Neuaufstellungen erfahren werden. Das Beethoven Museum Wien verdankt seine Gestalt einem großartigen Team und engagierten Partnerorganisationen, bei denen ich mich herzlichst bedanke! Matti Bunzl Direktor Wien Museum


— Rudolf Stepanek, Probusgasse 6, Straßenansicht, 1958 — August Stauda, Probusgasse 6, Hofansicht, 1902 — Herrengasse 6 (später Probusgasse), Hofansicht, spätes 19. Jh.

Baugeschichtlich wird das Haus in der Probusgasse 6 in Heiligenstadt erstmalig 1454 erwähnt. Das unter anderem als Dorfrichterhaus bekannte Gebäude kaufte im Jahr 1732 ein Bäckermeister – und ein Bäckerhaus sollte es mit einer kurzen Unterbrechung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts auch bleiben. Eine bau­ geschichtliche Untersuchung im Jahr 2016 förderte die zahlreichen Um- und Ausbauten, Adaptierungen und Veränderungen zutage und brachte das Wissen um die Funktion einzelner Räume, wie die Backstube, den gassenseitigen Verkauf, die Bäckerwohnung, das Vorratslager, auf den neuesten Stand der Forschung. Seit 1850 hielten Künstler das Haus im Wissen um Beethovens Aufenthalt auf Gemälden, Holzschnitten, später auch Fotografien fest.


1 ankommen Das „Bäckerhaus“ in Heiligenstadt Die Geschichte des Hauses in der Probusgasse 6 – früher Her­ rengasse – beginnt um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Nach mehreren Umbauten entstand dort im Jahr 1732 eine Bäckerei mit Backstube, gassenseitigem Verkauf und einer Bäcker­ wohnung darüber. Ein schriftlicher Hinweis auf Ludwig van Beet­hovens Aufenthalt findet sich im sogenannten Heiligenstädter Testament von 1802. In diesem nie abgeschickten Brief an seine Brüder drückte er seine Verzweiflung über seine fort­ schreitende Taubheit aus. Die mündlichen Überlieferungen zu Beet­hovens Bleibe schrieb 1890 der Musikwissenschaftler Josef Böck-­ Gna­ denau nieder – sie berichten von einer Garten­ wohnung im Bäckerhaus, erreichbar über eine Holztreppe vom Hof aus. Nach heutigem Stand der Bauforschung kann damit nur die rechte obere Gartenwohnung gemeint sein, in der Beet­hoven mit großer Sicherheit den Sommer 1802 ver­ bracht hat.


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— Franziszeischer Kataster, Heiligenstadt und NuĂ&#x;dorf, 1819, mit Ansichten aus Heiligenstadt


ankommen

— War Beethoven hier? Bildmontage, Kippbild

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— Phenakistiskop, zu hören ist eine Aufnahme der Klaviersonate Nr. 17, d-Moll op. 31 Nr. 2

Carl Czerny, Schüler Beethovens und Verfasser einer der heute noch gängigen Klavierschulen, in: Erinnerungen aus meinem Leben, 1842: „Als er einst im Sommer bei seinem Landaufenthalt in Heiligenstadt bei Wien einen Reiter bei seinem Fenster vorübergaloppieren sah, gab ihm das gleichmäßige Trappen die Idee zum Thema des Finales seiner d-Moll-Sonate.“ Die Klaviersonate Nr. 17 in d-Moll schrieb Beethoven zwischen 1801 und 1802. Sie wurde von seinem Schüler als „vollkommen“ bezeichnet. Das Phenakistiskop spielt mit Czernys Erklärung zur Entstehung der Sonate.


ankommen

— Plakate zu Beethoven-Ausstellungen in Wien — Ansicht und Eintrittskarte der Beethoven-Sammlung in Heiligenstadt 1887

Die Wiener Beethoven-Gesellschaft wurde 1954 gegründet, sie befand sich bis 1970 am Pfarrplatz 2 und übersiedelte danach in die Probusgasse 6. 1967 wurde das Haus Probusgasse 6 von der Stadt Wien angekauft, das Wien Museum richtete dort eine Beethoven gewidmete Gedenkstätte ein. Die Gesellschaft forscht seit ihrer Gründung zur Entstehungs- und Rezep­ tions­­geschichte der Musik Beethovens und gestaltete Ausstellungen zur materiellen Hinterlassenschaft Beethovens.

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— François Rousseau, Die Errichtung des Freiheitsbaums auf dem Markt (heute Rathausplatz Bonn) durch französische Truppen, 1795 — Georg Karl Urlaub, Der Sturm der Hessen auf das Friedberger Tor, 1792 — Kutschentüren

Während der Koalitionskriege zwischen 1792 und 1815 besetzten französische Truppen Teile des Rheinlandes. Aus Beethovens Reisenotizen zu seiner Fahrt nach Wien im Jahr 1792 geht hervor, dass der Kutscher seine Fahrgäste „mitten durch die hessische Armee führte und wie der Teufel fuhr“. Einen Tag später hätte Beethoven umkehren müssen. Bonn und Wien waren seit 1776 politisch eng verbunden: Maximilian Franz von Österreich, der jüngste Bruder Kaiser Josephs II., wurde 1784 Erzbischof und Kurfürst von Köln. Er vertrat eine aufgeklärte Weltsicht, leitete umfassende Reformen des Staats- und Bildungswesens ein, förderte Künstler und schien Rang und Stand weniger abzugewinnen. Er trug keine Perücke und bezog statt des kurfürstlichen Schlosses ein Bürgerhaus am Rheinufer.


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