POROTON: Technische Informationen STATIK

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2. Tragwerksentwurf 2.1 Lastfluss Es ist eine wohlbekannte und fast schon triviale Tatsache, dass Mauerwerk aufgrund der vorgegebenen Fugenstruktur nur sehr geringe Zugkräfte aufnehmen kann, die bei der Berechnung üblicherweise nicht angesetzt werden. Daher sollten Bauteile aus Mauerwerk vorwiegend auf zentrischen oder exzentrischen Druck beansprucht werden, wobei die Resultierende dabei im Querschnitt verbleiben muss. Zum Abtrag von auftretenden Biegemomenten aus Wind- und Erddruckbelastung, exzentrisch eingetragenen Vertikallasten und aus der Verdrehung der Decken, sind in der Regel rückstellende Normalkräfte in den Wandscheiben bzw. Wandquerschnitten erforderlich (Abbildung 2.3). Somit kommt dem vertikalen Lastabtrag die entscheidende Rolle zu, wenn es um die Optimierung des Lastflusses geht.

2.3 Lastabtrag Wandscheibe (oben) und Wandquerschnitt (unten)

Ein mauerwerksgerechter Entwurf sollte daher immer anstreben, vertikale Lasten möglichst gleichmäßig und über alle Geschosse durchgängig, ohne große Versprünge einzelner Wandscheiben, in den Baugrund zu leiten, um planmäßige Exzentrizitäten möglichst gering zu halten. Überträgt man dieses Konzept auf den modernen Wohnungsbau, so stellt sich die Herausforderung, tragende Wände so anzuordnen, dass einerseits offene, flexibel nutzbare Grundrisse ermöglicht werden und gleichzeitig eine ausgewogene Verteilung der vertikalen Lasten auf die tragen-

den Wände erreicht wird. Die Zielsetzung in diesem Zusammenhang sollte immer sein, die Tragfähigkeit des Mauerwerks möglichst gut zu nutzen und Stahlbetonelemente im Wandbereich, die sowohl das konstruktive Gefüge als auch den Bauablauf stören, zu vermeiden. Die Druckfestigkeit von Mauerwerk ist im Allgemeinen auch für die Realisierung von mehrgeschossigen Gebäuden ausreichend. Allerdings sollten Teilflächenbelastungen, die aus großen Einzellasten, wie zum Beispiel Unterzügen oder Stützen resultieren, vermieden werden.

Unmittelbar unter den konzentrierten Lasten stellt sich eine Druckverteilung unter 60 Grad ein. Aufgrund der geringen Übertragungsfläche im Bereich der Lasteinleitung treten erheblich größere Druckspannungen auf. Es gibt daher die Möglichkeit, diese Bereiche mit höherer Steinfestigkeitsklasse auszubilden oder lastverteilende Stahlbetonpolster anzuordnen. Die aus der Umlenkung resultierenden, horizontalen Kräfte (Spaltzugkräfte) sind durch eine ausreichende Überdeckung des Mauerwerksverbands aufzunehmen (Abbildung 2.4).

Die Beanspruchung einzelner Wandscheiben durch vertikale Lasten lässt sich über Lasteinzugsflächen (vgl. Kapitel 5.3.2) einfach und schnell ermitteln. In gewöhnlichen Wohnungs- und Bürogebäuden können die veränderlichen Lasten nach DIN EN 19911 als gleichzeitig auf einer Decke wirkend (d.h., die gleiche Last auf allen Feldern oder keine Last, wenn dies maßgebend ist) angesehen werden. Setzt man das Prinzip der Lasteinzugsflächen konsequent um, wird ersichtlich, dass sich eine offene Grundrissgestaltung und ein gleichmäßiger Lastabtrag keinesfalls ausschließen (Abbildung 2.5).

2.4 Lastabtrag bei Teilflächenbelastung

2.5 Lasteinzugsflächen für tragende Wände

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