Impuls Nr. 12 - OK
07.11.2011
10:41 Uhr
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Zickeler-Wirtin sperrt ihre „Kinderstube” zu Marion Kapeller schließt schweren Herzens Haiminger Traditionsgasthaus
Gasthof Stern steht in großen Buchstaben auf der Fassade zu lesen. „Zum Stearn“ geht in Haiming aber keiner. Wenn, dann geht man zum Zickeler. Seit Jahrzehnten, besser gesagt, seit Jahrhunderten ist das Traditionshaus DER Treff an Haimings alter Hauptstraße. Oder besser gesagt, er war es. Denn, seit vergangener Woche hat der Zickeler geschlossen. Musste er schließen. Irgendein Nachbar hatte sich gestört gefühlt, eine Anzeige gemacht und daraufhin war „der Zickeler“ auf Herz und Nieren geprüft worden. Klar, dass da nach den strengen Augen des Gesetzes das eine oder andere beanstandet werden konnte. Dinge, die etwa in südlichen Ländern als Luxus gelten, haben in unserer modernen Gasthauskultur keinen Platz mehr: Stiegen und Gänge müssen breiter sein als sie ehedem konzipiert und für lange Zeit ausreichend gewesen waren. Insofern stehen nun umfangreiche Arbeiten an – falls der Zickeler überhaupt jemals wieder aufgesperrt werden soll. Momentan ist Besitzerin Marion
Foto: bestundpartner.com
Sie ist im ersten Stock direkt oberhalb des Lokals geboren. Ihr Kinderwagen stand dann oft in jener Gaststube, die für 46 Jahre quasi ihr Zuhause sein sollte. Nun geht eine Ära zu Ende.
In dieser Gaststube verbrachte Marion Kapeller fast das halbe Leben. Jetzt sperrt sie zu.
Kinder in der Gaststube stand, und wenige Tage nach dem frohen Ereignis auch rasch wieder dorthin zurückkehrte.
Kapeller aber einfach nur traurig. Es ist „schiach“ sagt sie. Ein kurzer Begriff, der beinahe ein ganzes Leben umfasst: Die Wirtin aus Leidenschaft steht nämlich seit ihrem 14. Lebensjahr in der Gaststube. Zuerst als Helferin bei der Mama, später dann zusammen mit Gatten Wilfried als selbstständige Unternehmerin. Beim Zickeler war der Begriff Familienunternehmen wirklich ernst zu nehmen: Selbst mit sechs Geschwistern aufgewachsen, lernte Marion früh, was es hieß, zusammen zu halten. Anders ging es auch gar nicht. Und so war es auch wenig verwunderlich, dass die Wirtin mit Leib und Seele jeweils bis wenige Stunden vor der Geburt ihrer eigenen drei
Vom Gasthaus in den Kreißsaal
Trachtengruppe ins Leben gerufen Veranstaltung im Gemeindesaal Strengen, bei der die jungen Leute ihre einstudierten Tänze präsentierten. Obmann der Gruppe, die eng mit der Trachtengruppe aus Nauders zusammenarbeitet, ist Andreas Denoth.
Foto: Schranz
Im Vorjahr riefen 22 junge Burschen und Mädchen aus Strengen eine Trachtenund Schuhplattlergruppe ins Leben und begannen mit den Proben. Nun lud die „Trachtengruppe Rallsberg Strengen” zur ersten öffentlichen
Die Trachtengruppe Rallsberg Strengen beim Auftritt im Gemeindesaal Strengen.
Der Nachwuchs wurde während der Arbeit derweil von den alten Zickeler-Wirtsleuten beaufsichtigt: Hilde und Franz Zoller. Beide erreichten ein stattliches Alter. Franz, großteils seines Lebens ein Raucher, stand im 90sten Lebensjahr als er verschied, Hilde, die gerne heimlich das eine oder andere Zigaretterl schmauchte, wurde 88. Sie hatten das Haus bereits von ihren Vorfahren übernommen und waren wohl der lebende Beweis dafür, dass Arbeit im Gastgewerbe nicht unbedingt ungesund sein muss. Frisch sieht auch Marion aus. Ihre 60 Lenze merkt man ihr jedenfalls nicht an. Und wäre da nicht dieser BH-Bescheid, dass man zusperren muss, dann würde sie wohl noch lange weiter machen. „Das Ausschenken ist einfach mein Leben“, sagt sie nachdenklich. Warum das Haus „Zickeler“ heißt, weiß Marion Kapeller nicht. Ihrer Schwester sei einmal in der Schule gesagt worden, ein alter Zigglbrunnen könne der Grund dafür sein. Wie auch immer, jedenfalls hat sich der Name im Laufe der Zeit verselbständigt. Ist quasi ein Markenzeichen geworden. Ein Markenzeichen war viereinhalb Jahrzehnte lang die Wirtin. Sie trinkt keinen Alkohol („Wenn
mich jemand unbedingt einladen wollte, dann trank ich einen Pfiffradler – ganz viel Sprite und darauf halt ein wenig Schaum“), sie rauchte nie, sie griff nie zu den Karten und ließ auch nie die Würfel tanzen. Ein Leben ohne Laster? Mitnichten! Marion Kapeller war süchtig! Süchtig nach dem DaSein für ihre Gäste. Für Privates blieb da wenig Platz. Gegessen wurde bei den Gästen. Und fragt man sie nach ihren Hobbys, dann sagt die Haimingerin: „Bedienen“. Das brachte ihr von Sohn Silvio spaßhalber den Beinamen „Mutter Teresa“ ein, auch Ehemann Wilfried meinte das eine oder andere Mal, dass sie eher mit der Gaststube als mit ihm verheiratet sei… Nun muss sich die Legende in den Ruhestand verabschieden. Wie das ganz ohne Gäste werden wird, das kann sich Marion derzeit noch nicht vorstellen. Die Meisterin der Diskretion – „wer beim Kartenspielen verloren und wer gewonnen hat; wer bei welchem politischen Gezänk was gesagt hat und was nicht, das ging bei mir bei dem einen Ohr hinein und beim anderen wieder hinaus“ – hofft allerdings, dass der älteste Sohn weiter macht. Wie man die begeisterte Gastgeberin kennt, würde sie wohl dann das eine oder andere Mal im Lokal auftauchen. In der Zwischenzeit muss sie halt dem Trauzeugen einmal die Bilder von der Hochzeit zeigen. Das war so vor 35 Jahren versprochen – aber niemals in die Tat umgesetzt worden. (best) 10. November 2011
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