Ein neues Europa

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Ein neues Europa Fßr eine gesunde und vorbildliche europäische Gesellschaft


Abschlussarbeit IMS-F der Rudolf Steiner Schule Basel 2017/18 Abgabe: 12.01.2018 Š Henning Weiss 2018, Rheinfelden


Einigkeit in Vielfalt, Gerechtigkeit und Freiheit



Eigenständigkeitserklärung

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Eigenständigkeitserklärung

Hiermit versichere ich

dass die eingereichte Arbeit das Resultat meiner persönlichen, selbständigen Beschäftigung mit dem Thema ist. Ich habe für sie keine anderen Quellen benutzt, als die in den Verzeichnissen aufgeführten. Sämtliche wörtlich oder sinngemäss übernommenen Texte sind gekennzeichnet.

Freitag, den 12. Januar 2018

Weiss Henning


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Wie das Thema Europa mich bewegt

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Wie das Thema Europa mich bewegt Schon im Dezember 2016 habe ich einen Entschluss gefasst: Ich wollte mich in meiner Abschlussarbeit mit Politik beschäftigen. In den Jahren zuvor hatte ich manchmal die Zeitung gelesen, doch von den politischen Themen nie wirklich viel verstanden. Wieso dies oder jenes ein Problem darstellen und wieso manches zum Beispiel eine Untergrabung der Demokratie sein solle. Ich hatte nur minimale Grundkenntnisse, ich war Neuling. Zu dieser Zeit wurde das Thema rund um den Brexit heiss debattiert, doch nicht nur debattiert, es wurde auch ganz stark polarisiert. So sah ich einen Beitrag, in dem es hiess: „Alleine geht es besser, oder?“. Ich war gefesselt; stimmt das? War es ein Problem, dass die EU zerbricht? So schrieb ich meinen ersten Themenabriss; wie genau ich dieses Thema aber beleuchten woll-te, war mir jedoch nicht klar. Doch in den Gesprächen mit meinem Mentor Nicolas Cuendet kam Klarheit: Ich hatte das Bedürfnis, die Menschen zu informieren, ihnen zu zeigen, dass die Europadebatte nicht langweilig, sondern wichtig ist.

Europa als Thema In diesem Jahr setzte ich mich mit dem Thema Europa auseinander und bekam einen grossen Eindruck von der Weltpolitik heutzutage. Ich begann Zusammenhänge zu erkennen und konnte mich nun kritisch mit Themen befassen. Kurzum, ich begann mir eine eigene Meinung zu bilden. Mein Themenschwerpunkt änderte sich mehrmals: von, „Europa zerbricht - ein Problem?“ über „Europa nach dem Schweizer Modell“ zu „Ein neues Europa“. Es ist erstaunlich, wie stark mich das Thema bewegt hat, wie stark Europa und dessen Werdegang zu einem persönlichen Interesse geworden ist.


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Wie das Thema Europa mich bewegt

Man sollte sich mit der Abschlussarbeit mit einem neuen Thema beschäftigen, dieses erkunden und verstehen lernen. Dieses Jahr mit dem Schwerpunkt Europa hat mich erfßllt und bewegt; dieses Jahr war ein grosser Gewinn, wenn ich daran denke, wo ich angefangen habe und wo die Reise nun zu Ende gehen durfte.


Danksagung

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Danksagung Ich möchte meiner an erster Stelle meiner Familie danken, sie alle haben mich grossartig unterstützt und mir Aufgaben abgenommen. Weiter möchte ich mich bedanken bei… …Urs Kohler, für das Bestehen, für seine nachdrückliche Anregung, mich mit Rudolf Steiner und der sozialen Frage zu beschäftigen. …unserem Redaktionsteam der Schülerzeitung, dass ich meine Texte über Europa veröffentlichen konnte. …Helen Weiss für das Malen einer grossartigen Europakarte, die mein Titelblatt und Ausstellung ziert! …Carlo Mariani für die Gespräche über Europa und das Teilen seines Wissens über die Europäische Identität. …Georg

Jost

für die Chance zu unterrichten, den Tipp für den WOZ Euro-

pakongress und natürlich dem Zweitlesen meiner Arbeit! …meiner Grossmutter, Doris

Weiss. Sie hatte mich das ganze Jahr über immer unglaub-

lich unterstützt! …meinem Vater, Samuel Weiss der mich zu jeder Zeit mit hilfreichen Gesprächen unterstützte! …Nicolas

Cuendet

für das Betreuen meiner Arbeit, das Korrigieren und die vielen

Freiheiten die er mir bei der Arbeit liess.


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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis 1

Problematik Europa .................................................................................................................... 15

2

Geschichte Europas..................................................................................................................... 18

2.1

Vorbedingungen für ein geeintes Europa ................................................................................ 20

2.2

Utopie der vereinigten Staaten von Europa ............................................................................. 27

2.3

Vertrag von Rom - eine Utopie nimmt Gestalt an ................................................................... 33

2.4

Europäische Euphorie ................................................................................................................. 42

2.5

Was wurde aus Churchills Utopie? ........................................................................................... 49

3

Heutige Organisation der Europäischen Gesellschaft......................................................... 52

3.1

Wirtschaft ...................................................................................................................................... 56

3.2

Geistesleben .................................................................................................................................. 65

3.3

Recht und Regierung ................................................................................................................... 68

3.4

Konklusion .................................................................................................................................... 80

4

Ein neues Europa......................................................................................................................... 82

4.1

Soziale Frage ................................................................................................................................. 85

4.2

Europäischer Gedanke ................................................................................................................ 89

4.3

Europäische Errungenschaften .................................................................................................. 92

4.4

Ein Traum...................................................................................................................................... 94


Inhaltsverzeichnis

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5

Ein neues System......................................................................................................................... 96

5.1

Aufbau ........................................................................................................................................... 99

5.2

Recht und Regierung ................................................................................................................. 105

5.3

Wirtschaft .................................................................................................................................... 106

5.4

Geistesleben ................................................................................................................................ 108

6

Von der Utopie zur Wirklichkeit ........................................................................................... 110

7

Praktische Arbeiten .................................................................................................................. 116

7.1

Publikationen .............................................................................................................................. 118

7.2

Unterricht .................................................................................................................................... 122

7.3

Europakongress .......................................................................................................................... 127

Persรถnliche Gedanken zu der Arbeit ................................................................................................ 129 Schlusswort ............................................................................................................................................ 133 Quellenverzeichnis ............................................................................................................................... 134 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................................ 142 A.

Anhang ........................................................................................................................................ 144

A.1

Fragebogen .................................................................................................................................. 144

A.2

Geschichte der Schweiz ............................................................................................................. 149

A.3

System der Schweiz ................................................................................................................... 156

A.4

Artikel .......................................................................................................................................... 162


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Problematik Euro


opa

15 «Jede Lösung eines Problems ist ein neues Problem.» Johann Wolfgang von Goethe, 18211 Wer heutzutage die Zeitung liest, stösst tagtäglich auf das Thema Europa, meist in Verbindung mit einem der Themen der Weltpolitik, die uns alle beschäftigen. Seit einigen Jahren kommt es zu einer rückläufigen Entwicklung bei der Integration in Europa. Der sogenannte Rechtsrutsch in vielen der europäischen Länder oder der Brexit, der Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union, zeigen auf, dass die Bevölkerungen der Länder Europas spüren, dass etwas nicht stimmt. Man kehrt zurück zu dem, was man kennt, zu dem, was vor über hundert Jahren ein-mal gut funktioniert hat, der Idee des Nationalstaates. Der Austritt Grossbritanniens sowie der Rechtsrutsch in ganz Europa, insbesondere in verschiedenen Staaten Osteuropas ist ein Symbol dafür, dass die Menschen wissen, dass etwas falsch läuft, aber nicht wissen, was es ist. Es ist in unserer heutigen unübersichtlichen Welt nicht gleich klar ersichtlich, wo das Problem liegt, woher die Problematik in Europa kommt. Die verschiedenen Systeme, Verträge und Ab-kommen erschweren die Suche nach dem Problem mit der europäischen Integration. Zum Vorschein kommen Krisen und Probleme wie die Flüchtlingsströme, wirtschaftliche Unterschiede, Mangel an Solidarität, Terrorismus, die schlechten Finanzen und die hohe Arbeitslosigkeit einzelner Mitgliedsstaaten. Wenn man diese Probleme gesamthaft anschaut, sind es eigentlich nur Erscheinungen des kaputten Systems, das wir weiter aufrechterhalten und in dem wir leben.

1

Vgl. Aphorismen.de kein Datum


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Problematik Europa

Das System Das Gesellschaftssystem ist nun seit über hundert Jahren das gleiche, das Denken hat sich gewissermassen nicht den Umständen der Zeit angepasst. Die soziale Frage aus der Zeit der Industrialisierung ist noch immer nicht gelöst, wir haben sie verschoben und irgendwie beiseitegeschoben. Dies kommt nun auf uns zurück: Soziale Missstände wie die wachsende Altersarmut, die Schere zwischen Arm und Reich oder die Ausbeutung der Menschen sind einige der Erscheinungen. Wir Menschen gehen an die Probleme mit dem alten Denken heran und probieren diese mit Ideologien zu lösen, ohne auf die aktuelle Lage zu blicken. Wie kann in einer Welt, die Frieden und Menschenrechte gross schreibt, ein System akzeptiert sein, das diese eindeutig untergräbt? Es gilt das Fundament zu untersuchen und neue Wege zu gehen, um eine gesunde Gesellschaft und eine Zukunft zu ermöglichen.

Ein neues Europa Es gilt nun für unsere Gesellschaft, unsere Generation, herauszufinden, wie man diese Missstände der Menschheit lösen kann. Europa beherbergt eine der hochentwickeltsten Kulturen auf der Welt, es ist ein Gebiet, in welchem wir Menschen etwas verändern können. Wir müssen eine Lösung finden, damit wir nicht mehr von Krise zu Krise schlittern. Eine Lösung innerhalb der Nationalstaaten reicht heutzutage nicht mehr aus, die Probleme sind über die Grenzen hinausgewachsen und sind auch nicht mehr allein zu lösen. Die heutige Welt ist ein Krisenherd der sozialen Probleme, die es gemeinsam zu lösen gilt. In Europa kann eine solche Lösung angestrebt werden; wir sind seit über 60 Jahren friedlich miteinander verbunden und teilen viele wichtige Werte. Wir träumen schon lange von einem geeinten Europa, von ei-


Problematik Europa

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nem Europa, das in der Welt genug Gewicht hat, um unsere Werte zu schützen und ein Vorbild für sie sein könnte. Dafür müssten mutige Schritte nach vorne gemacht werden, in Richtung eines fertigen Bauplanes, den es noch nicht gibt. Was ist am aktuellen System Europas sinnwidrig, dass wir uns in dieser Krise befinden und gibt es ein System für den Aufbau einer kontinentalen Gesellschaft, das eine gesunde und vorbildliche europäische Gesellschaft ermöglichen könnte?


2.1 Vorbedingung fßr ein gemeinsames Europa ................20 2.2 Utopie der vereinigten Staaten von Europa ..................27 2.3 Vertrag von Rom - eine Utopie nimmt Gestalt an ........33 2.4 Europäische Euphorie .......................................................42 2.5 Was wurde aus Churchills Utopie ..................................49

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Geschichte Europ


pas

19 «Eine Generation, die die Geschichte ignoriert, hat keine Vergangenheit - und keine Zukunft.» Robert A. Heinlein, 19732 Um die Gegenwart zu verstehen und eine mögliche Zukunft gestalten zu können, müssen wir unsere Vergangenheit kennen. Dafür schauen wir in die letzten Jahrhunderte der europäischen Geschichte, ins späte Mittelalter, die frühe Neuzeit und das 20. Jahrhundert zurück. Denn in dieser Zeit ist die gegenwärtige Situation in Europa entstanden. Zu Beginn, damit man den An-schluss an den Zeitstrang findet, gebe ich einen kleinen Überblick über die Zeit davor. Der Ursprung des Europas, das wir kennen, finden wir im 4. bis 6. Jahrhundert nach Christus in Europa. Denn zu dieser Zeit verliessen aufgrund von Kriegen oder schlechten Lebensbedingungen viele Völker ihre Heimat und liessen sich in Zentraleuropa nieder. Diese Völker sind unsere Vorfahren. Die Völkerwanderung führte zum Untergang des Römischen Reiches. So kam es zu den Gründungen des Frankenreiches, des Westgotenreiches (Spanien) und weiteren Reichen in Europa. Mit der Feudalherrschaft teilte die Bevölkerung in Lehr-, Wehrund Nährstand auf. Die Bevölkerung war arm. Dies änderte sich als im Hochmittelalter mit der Städtegründung und dem überregionalem Handel mehr und mehr Berufe aufkamen. Die Kirche spielte im Mittel-alter mit dem Betrieb von Schulen, Universitäten und Krankenhäuser eine grosse Rolle. Da abgesehen von den Priestern und Mönchen nur wenige Menschen lesen und schreiben konnten, war die Bevölkerung in Glaubensfragen unmündig. Mit dem Fall des Oströmischen Reiches (Byzanz) endet das Spätmittelalter um 1453. Mit dem Aufbruch in die frühe Neuzeit kam es zur Entdeckung Amerikas, zur Renaissance, dem Humanismus und der Reformation. 2

Vgl. Martens 2016


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Geschichte Europas

Mit dem Entdeckungszeitalter begann man zu kartographieren und die Welt zu erkunden und Nord- und Südamerika zu kolonialisieren. Dies geschah aufgrund des Verlangens nach neuen Produkten und vielseitigem Leben, nach neuen Gewürzen oder Gold. 3

2.1 Vorbedingungen für ein geeintes Europa Für ein geeintes Europa musste die europäische Gesellschaft einige Stadien durchlaufen; mit der Aufklärung begannen die Menschen zu denken und begannen grösser zu denken. 1789 erkämpften sie sich vom Absolutismus frei und begründeten dann im nächsten Jahrhundert die Nationalstaaten. Mit der Industrialisierung kam der Imperialismus auf, welcher dann zu den Weltkriegen führen sollte. Aus dem Willen nie wieder Krieg führen zu wollen, kam es dann zu dem Willen für ein gemeinsames Europa.

Die Aufklärung Mit der Erfindung des Buchdruckes und dem Anbruch der Reformation lernten viele Menschen lesen und schreiben. Die neuen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Philosophie, welche seit der Epoche des Humanismus und der Renaissance vermehrt erlangt worden waren, erreichten eine Vielzahl von Menschen nun über die Bücher, die Philosophen in Lektüren für eine Vielzahl von Menschen schrieben. Diese Schriften regten zum eigenen Nachdenken an, zum eigenen Suchen und zum eigenen Fragen. So kam es, dass immer mehr Wissen gesammelt und weitere Gebiete erforscht wurden.

3

Vgl. DK 2006, S. 384, 390 & 400


Geschichte Europas

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Der Absolutismus Am Ende des Mittelalters und zu Beginn der frühen Neuzeit war Europa ganz allein in den Händen der Könige. Mit der uneingeschränkten Monarchie hatte der Herrscher alle staatliche Macht in sich vereint. Dies findet in der Regentschaftszeit Ludwig XIV seinen Höhepunkt. Er stand über den Gesetzen und hatte somit absolute Macht. Unter dem Motto, „der Staat bin ich“, drehte sich in Versailles und ganz Frankreich alles um ihn. Deshalb wird er auch Sonnenkönig genannt: Er war der Mittelpunkt des damals bekannten Universums. Ludwig festigte seine Macht in Frankreich mithilfe des Beamtenapparats, des stehenden Heeres, der Kirche und dadurch, dass er der oberste Richter und Gesetzgeber war. Mit den Beamten regierte er bis in das kleinste Dorf. Das Heer war zu dieser Zeit das grösste in Europa; speziell war, dass die Soldaten ihm treu ergeben und zu jeder Zeit abrufbar waren. Die katholische Kirche war Staatskirche und so sicherte sich der Sonnenkönig auch die Macht über die Kirche. Zudem erliess er alleine die Gesetze, sodass die Rechtsprechung rein der Willkür des Königs unterlag. So hatte niemand ausser dem König mehr etwas zusagen. Doch damit die Adligen ihn nicht stürzten, baute er den Hofstaat aus, an welchem die Adligen in Saus und Braus lebten. So machte Ludwig XIV alle von sich abhängig. Das stehende Heer, das Luxusleben und der Beamtenapparat gingen auf Kosten der Untertanen, des einfachen Volkes. Die Bevölkerung konnte diese Kosten für einige Zeit tragen, da es der Wirtschaft Frankreichs immer besser ging. So wurde Frankreich bis 1715, dem Tod des Sonnenkönigs, zum modernsten Land Europas und zum Vorbild für die anderen Königshäuser. Doch befand sich der Absolutismus in Frankreich zum Zeitpunkt seines Todes in einer Sackgasse, denn Frankreich war aussenpolitisch Isoliert, die Verwaltung war korrupt, es kam zu Verfolgungen der Protestanten, die Staatskassen waren leer und die Bevölkerung bemerkte die grosse Ungerechtigkeit in der Gesellschaft.


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Geschichte Europas

In Preussen und Österreich entwickelte sich der sogenannte aufgeklärte Absolutismus: Hier herrschte der König zum Wohl seines ganzen Volkes. Aufgrund der Ideen der Aufklärung herrschten die Könige weniger im Saus und Braus und regierten für das Volk. Die Könige gaben der Bevölkerung auch ein paar wenige Rechte. Doch wollten die Bürgerinnen und Bürger der Länder mitbestimmen, so, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Idee von Demokratie und Mitbestimmung veränderte ganz Europa. 4

Die Französische Revolution In 18. Jahrhundert wurde nach dem Tod des Sonnenkönigs die Situation in Frankreich immer schlimmer, grosse Teile der Bevölkerung litten an Armut und Hunger, die wirtschaftlich führenden Schicht hatte kein Mitspracherecht, der Staat litt an einer Finanzkrise. Durch die Reformunfähigkeit des absolutistischen Systems konnte sich auch nichts ändern. Zudem wurde der öffentliche Druck, aufgrund von zunehmender politischer Aktivität der Aufklärer, immer grösser. Im Juni 1789 konstituierten sich die gewählten Volksvertreter als Nationalversammlung; sie wollten eine Verfassung für Frankreich ausarbeiten. In Paris stürmten dann im Juli die Bürger die Bastille und auf dem Land erhoben sich die Bauern. Im August verkündete die Nationalversammlung die Menschen- und Bürgerrechte. Die Ideale waren „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!“. 1791 kam es zu einer ersten Verfassung, die eine konstitutionelle Monarchie vorsah. Die europäischen Länder erklärten Frankreich den Krieg, um dort wieder einen absolutistischen Herrscher an die Macht zu setzen, damit die Bürger in ihrem Land nicht dasselbe verlangen würden. Dieser Krieg radikalisierte Frankreich innenpolitisch, sodass im Sommer 1792 die Republik ausgerufen und Ludwig XVI geköpft wurde. Im folgenden Jahr setzten sich die Jakobiner, auf-grund

4

Vgl. Gross, Heuer, et al. 2015, S. 8-18


Geschichte Europas

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von Auseinandersetzungen im inneren Frankreichs, mit einer Notstandsdiktatur durch. 1794 wurde die Diktatur nach der Verfolgung und Hinrichtung vieler Menschen gestürzt. 1799 ries Napoleon die Macht an sich und erklärte die Revolution für beendet. Er etablierte die Alleinherrschaft, welche noch bestimmte Rechte und Errungenschaften der Revolution beibehielt. Seit 1792 brachten die französischen Revolutionsheere und später die Heere Napoleons die Idee der Revolution in andere europäische Länder. Die Freude in den „befreiten“ Ländern war zunächst gross, doch mit der Fremdherrschaft und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Ausbeutung kam es zu Nationalbewegungen und so verlor Napoleon 1812/13 die Völkerschlacht bei Leipzig. Dort kämpfte man für eine Befreiung von der französischen Besatzung und für Freiheiten für die Bürger. Letzteres erfüllte sich jedoch nicht: Am Wiener Kongress wurden die alten Verhältnisse in Europa wieder hergestellt. 5 Mit dem aufgekommenen Nationalismus im 19. Jahrhundert, welcher mit der französischen Revolution ihren Anfang fand, wurden viele Nationalstaaten im folgenden Jahrhundert gegründet. Diese führten zwar zur Beruhigung der Konflikte innerhalb eines Volkes, doch waren sie Zündstoff für grössere Konflikte. 6

Das Aufkommen der sozialen Frage Mit der Erfindung der Dampfmaschine 1712 fing das industrielle Zeitalter an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann dann die industrielle Revolution in England mit der Arbeitsteilung. In grossen Fabriken konnten mit Hilfe von Maschinen nun grosse Mengen an Waren produziert werden. Schon 1776 machten sich Philosophen und Denker Gedanken, wie es der

5 6

Vgl. Gross, Heuer, et al. 2015, S. 86 - 87 Vgl. Gross, Heuer, et al. 2015, S. 176


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Geschichte Europas

Wirtschaft, dem Staat und seiner Bevölkerung besser gehen könnte. Adam Smith sprach schon damals von einer liberalen Wirtschaftsordnung (mehr dazu im Kapitel 3.1).

Abb. 1 Die Industrialisierung, Vgl. Zeit 2014

Aufgrund von finanzieller Not auf dem Land zogen viele in die immer grösser werdenden Grossstädte. 7 Die Arbeit in den Fabriken war für die Arbeitnehmer unmenschlich, die soziale Absicherung war rudimentär oder nicht vorhanden. Die sehr niedrigen Löhne führten dazu, dass nichts gespart werden konnte. Wer ausfiel der war rasch in Not und Verelendung. Durch die Industrialisierung kam es deshalb zu einer Zweiklassengesellschaft. Die Arbeiterfamilien mussten in engsten Verhältnissen leben, da aufgrund des Bevölkerungswachstums der Platz eng wurde. Schlechte Abwasser- und Kanalisationssysteme sowie verschmutztes Trinkwasser führten zu Epidemien. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde viel zur „Sozialen Frage“ publiziert; man 7

Vgl. Gross, Heuer, et al. 2015, S. 206


Geschichte Europas

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suchte nach Lösungen für die Arbeiter, wobei die Ideen von Marx und Engels immer mehr Anklang fanden. 8

Das Zeitalter des Imperialismus Mit der Industrialisierung begann auch ein Bevölkerungswachstum Es wurden immer mehr Rohstoffe benötigt. Um die Industrie weiterführen zu können, musste man expandieren, sich weitere Kolonien aufbauen und neue Absatzmärkte finden, was zu einer Ausbeutung der Menschen auf andere Kontinenten führte. Die Fortschritte in Wissenschaft, Technik und Seefahrt führten dazu, dass man Afrika nun richtig erkunden und kartographieren konnte. Selbstverständlich ging es auch darum, die eigene Machtstellung weiter auszubauen und ebenbürtig mit den anderen Grossmächten zu bleiben. Zudem trat im 19. Jh. ein zunehmender Nationalismus auf, der zur Bildung von Nationalstaaten führte. Die Kolonialmächte fühlten sich überlegen, sie wähnten sich „aufgeklärt“ und im Besitze des „Fortschritts“. So sahen sie die Menschen Afrikas und Asiens als primitiv und zurückgeblieben an. Man fühlte sich verpflichtet zu missionieren und die Menschen zu führen (Stichwort: Sozialdarwinismus). Weiter nutzte man den Imperialismus als Ablenkung von den sozialen Fragen im eigenen Land, als Ablenkung von der Situation der Arbeiterklasse. 9

Der Weltkrieg Die Spannungen zwischen den europäischen Mächten wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer grösser. Man führte einen Wettkampf um die Beherrschung der Welt, wobei es immer wieder zu Auseinandersetzungen in den Kolonien kam.

8 9

Vgl. Gross, Heuer, et al. 2015, S. 224 - 225 Vgl. Gross, Heuer, et al. 2015, S. 254


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Geschichte Europas

Viele dieser Krisen hätten schon zu einem grossen Krieg führen können. Die neu fordernde Aussenpolitik Deutschlands von Wilhelm II, welches erst spät ein Nationalstaat geworden war, wurde von den Grossmächten als dauernder Unruhestifter angesehen. Südöstlich gab es Konflikte zwischen der K&K Monarchie, Russland und dem osmanischem Reich. Doch diese Krisen und Konflikte konnten jedoch mit Verhandlungen gelöst werden. Um 1900 wurde die Aufrüstung nochmals enorm gesteigert, zudem hatten die Militärstrategen genaue Pläne für den Kriegsfall. Das Attentat in Sarajewo, im Juni 1914 und die darauf folgende Julikrise waren der Funke, der den Weltkrieg ausbrechen liess. Als dann der Krieg, aufgrund des Eintritts der USA und dem Austritt Russlands 1917/1918 ein Ende fand, kam es zu einem Friedensdiktat der Siegermächte. 10 Dieses Friedensdiktat gab Adolf Hitler die nötige Grundlage für seinen Machtaufstieg und dann schlussendlich für den zweiten Weltkrieg.

10

Vgl. Gross, Heuer, et al. 2015, S. 298 - 299


Geschichte Europas

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2.2 Utopie der vereinigten Staaten von Europa Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges waren das Leid und die Zerstörung gross in Europa. Viele hatten ihr Leben gelassen, Städte waren total zerstört und nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands war auch keine funktionierende Regierung mehr an der Macht. 11 Die Siegermächte teilten Deutschland auf der Konferenz von Jalta 1945 in vier Besatzungszonen ein. Aber eins war klar, NIE wieder Krieg in Europa. Dieser Wille war in den Jahrhunderten des Blutvergiessens, dass im schrecklichsten Krieg, dem Zweiten Weltkrieg sein Ende fand, geboren. So war allen klar: Es galt einen Weg zu finden, der dies verhindern würde. 1946 forderte Winston Churchill in seiner Rede in Zürich die Vereinigten Staaten von Europa. Er träumte von einem Europa, das miteinander redete, einem Europa, das geeint war. „… wir müssen die Europäische Familie in einem regionalen System, sei es den Vereinigten Staaten von Europa, wiederherstellen.“ Winston Churchill, 1946 12 Churchill stellte eine Utopie in den Raum; ihm war klar, dass ein von Frieden und Freiheit geprägtes Europa mit Zusammenarbeit entstehen würde. Es galt einen Weg zu finden, um diese Utopie Wirklichkeit werden zu lassen, eine besonders schwere Aufgabe, nachdem man sich bis auf das letzte Blut bekämpft hatte. Doch hatte er auch schon eine Vorstellung, wie man dies erreichen könnte und so rief er noch in der gleichen Rede zur Gründung des Europarats auf, um eine Basis für Zusammenarbeit und Werte zu schaffen, welche dann zu Vertrauen zwischen den verhassten Nationen führen könnte.

11 12

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 112 Vgl. europa.eu 2017


28

Geschichte Europas

Die vergangene Weltmacht Die Zeit in der man von Europa aus die Welt bestimmte war vorbei. Mit der grossen Verwüstung und den unermesslichen Schäden aus zwei Weltkriegen, verschuldete sich der Westen Europas hoch bei den USA, welche seit dem Ersten Weltkrieg einen grossen Bedeutungszuwachs genossen hatten. Europa war nun also, nach dem Verlust seiner Stärke, für einen Einigungs-prozess auf die Hilfe der USA oder der UdSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) angewiesen. England und Frankreich, welche in den Jahrhunderten davor treibende Kräfte in Europa und der Welt waren, verloren mit den Weltkriegen an Bedeutung und Gewicht in internationalen Fragen.

Abb. 2 "die Weltmacht Grossbritanniens in Ohnmacht" Karikatur, Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 187

Dies führte dazu, dass man nun stark von den zwei Grossmächten beeinflusst wurde, welche sich beide für verschiedene Wirtschaftssysteme einsetzten. Die USA vertraten die Ideologie des reinen Kapitalismus und wollten diesen nach Kriegsende auch wieder in Europa etablieren. Russland


Geschichte Europas

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war seit der Revolution von 1917 kommunistisch, und befürchtete, dass sich in den osteuropäischen Ländern ein kapitalistisches Gesellschaftssystem etablieren würde. Um dies zu verhindern unterstütze man die kommunistischen Bewegungen in Europa. Beide Mächte versuchten ihr Ziel zu erreichen. Wobei die USA wirtschaftlich und machtpolitisch um einiges besser dastand, da sie keinerlei Kriegszerstörung erlitten hatten. Russland hingegen hatte durch den Angriff des Dritten Reiches, aufgrund seiner Rückzugstaktik, grosse Zerstörungen erlitten und musste vieles wiederaufbauen. So war Russland in der unmittelbaren Nachkriegszeit die schwächere Macht und man hatte weniger Handlungsspielraum. 13

Der Beginn des Kalten Krieges So war Europa erneut geteilt und die Einigung, von der man träumte, rückte in ferne Zukunft. Der Kampf der Ideologien hatte begonnen. Europa teilte sich in den West- und Ostblock. Stalin reagierte nun schnell und setzte die Berlinblockade ein, um ein klares Machtzeichen zu setzten. Dieses Jahr der Blockade war ein reines Kräftemessen der zwei Mächte. Auch wenn diese Blockade nur knapp ein Jahr ging, reichte dies, um Westeuropa vor einem neuen Feindbild, Russland, zu einen; man war nun gewillter zusammen zu arbeiten. In diesem Zug gründete die USA die Nato, ein Militärbündnis, welches den Westen mit den USA vereint, den Nordatlantikpakt.

13

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 186


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Geschichte Europas

Der Wiederaufbau Da Europa in Schutt und Asche lag, mussten die Infrastruktur, Schulen und ganze Städte wieder aufgebaut werden. Die USA trieben die Gründung der Bundesrepublik Deutschland voran und schlugen für ganz Europa den Marshall Plan vor; dieser versprach grosse finanzielle Unterstützung für den Weideraufbau. Die russische Regierung konnte den Osten Europas nicht unterstützen, da man selbst grossen Schaden im Zweiten Weltkrieg erlitten hatte und doch wollte man den Einfluss nicht verlieren und lehnte so den Marshall Plan für die Oststaaten ab. Mit diesen Hilfsgeldern von Seiten der USA zwang man die europäischen Staaten an einen gemeinsamen Entscheidungstisch, da man die

Abb. 3 Der Wiederaufbau, Vgl. Lemo kein Datum

Verteilung und Verwaltung der Gelder regeln musste; dafür gründete man dann die European Economic Cooperation. Mit diesem Gremium entstand eine erste Verbindung zwischen den Ländern Westeuropas. 14 So bestand schon zu Beginn ein grosser wirtschaftlicher Unterschied zwischen West und Ost. Die Osteuropäer hatten so keine grosse Auswahl. Für den Konsum, die Politik und Freizeit hatte die sowjetische Regierung klare Vorstellungen, von Freiheit konnte da nicht die Rede sein. Die USA schickten im Gegensatz Elvis Presley auf Friedensmission nach Europa, was für die Jugend eine grosse Befreiung aus den Mustern der Vätergeneration darstellte. So waren die Unterschiede gross, doch teilten die beiden Blöcke trotzdem immer noch Werte und einen Traum, den Traum von einem neuen Europa.

14

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 234


Geschichte Europas

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Der Europarat Mit der Rede von Winston Churchill kam die europäische föderalistische Bewegung auch in der Bevölkerung an; es wurden verschiedenste Verbände gegründet, welche sich dann zu einer proeuropäischen Bewegung vereinigten. Die Bevölkerung Europas träumte von einem Europa mit Wohlstand und Frieden. 1948 kamen Politiker, Neudenker und viele Interessierte im Haager Europa-Kongress zusammen. Dort wurde das Abschlussmanifest erarbeitet, welches dann die Initialzündung für die Gründung des Europarats 1949 war. Bei der Gründung am 5. Mai 1949 entschied man sich, ein Forum für Debatten über allgemeine Europäische Fragen zu erschaffen. Als Fundament legte man die Menschenrechte: Man stand gegen Hass und gegen Angst ein. Doch hatte der Europarat keinerlei Machtbefugnisse und war nur in beratender Funktion tätig. Über die Einhaltung wachte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Der Europarat stand und steht immer noch für ein Europa mit gemeinsamen Werten.

Der Schuman Plan Mit dem Europarat hatte man zwar ein Forum geschaffen, um europäische Fragen zu beantworten, doch misstraute man sich und wollte sich nicht auf den Anderen verlassen. Die Voreingenommenheit der westeuropäischen Länder war zu gross, verständlicherweise. Man musste wieder Vertrauen schaffen, um Bündnisse wieder zu ermöglichen. Zudem lehnte England eine Machtabgabe an den Europarat ab, sodass sich der französische Aussenminister, Robert Schuman zuerst auf einen kleineren Kreis von Staaten für die Integration beschränkte.


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Geschichte Europas

«Europa wird nicht auf einen Schlag entstehen, nicht durch einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Massnahmen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.» Robert Schuman, 1950 15 1950 entwarf Schuman den Schuman Plan, welcher eine Zusammenarbeit, einen Binnenmarkt, auf dem Wirtschaftszweig der Kohle und der Stahlindustrie vorsah. So kam es, dass Frank-reich, Italien, die Benelux-Staaten und die Bundesrepublik Deutschland 1951 die EGKS, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründeten.

Abb. 4 Unterzeichnung des EGKS-Vertrags, Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 235

Dies war der erste Schritt für die Bundesrepublik Deutschland aus der aussenpolitischen Isolation heraus. 16 Schon damals waren Deutschland und Frankreich die vorantreibenden Kräfte für die Integration in Europa. Der europäische Gedanke war nun auch bei der Bevölkerung vollständig angekommen, der Wille für mehr Europa war neu entfacht. Mit der EGKS, auch Montanunion genannt kam es zum wirtschaftlichen Aufschwung. So wuchs die Mittelschicht und damit auch der Wohlstandsbauch im Westen. 15 16

Vgl. Rendinger und Frier 2016 Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 235


Geschichte Europas

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2.3 Vertrag von Rom - eine Utopie nimmt Gestalt an Im Jahre 1957 war man, nachdem es mit der EGKS so gut gelaufen war, bereit sich enger zu binden. Die Gründungsväter der Montanunion wollten auf weiteren Gebieten zusammenarbeiten. Man dehnte das Bündnis von Kohle und Stahl auf das gesamte Wirtschaftsfeld aus. Es kam am 25. März zur Unterzeichnung entsprechender Verträge in Rom. Viele bezeichnen die Unterzeichnung der Römischen Verträge als Geburtsstunde der EU und des heutigen Europas. Die Verträge enthielten schon damals eine Fülle an Dingen die man umsetzten wollte. Man wollte mit dem wirtschaftlichen Erfolg eine Grundlage für spätere politische Zusammenarbeit schaffen.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Mit der Gründung der EWG wurden der Ministerrat, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament eingeführt. In den Jahren bis zu zur Gründung der EU genossen diese Organe einen Kompetenzzuwachs. Im gleichen Atemzug band man sich auch im Atomgeschäft aneinander (EURATOM, Europäische Atomgemeinschaft). Mit der Zusammenarbeit versprach man sich Wohlstand und gemeinsame Werte. Auch wenn es nur sechs Mitgliedsstaaten waren, war es ein Riesenschritt. Mit der wirtschaftlichen Bedeutung der EWG war die Entwicklung neuer Bündnisse absehbar, es kam zur EFTA, der Europäischen Freihandelszone.

Westeuropa - ein Sehnsuchtsort In den 50er Jahren kam es zur friedlichen „Eroberung“ des Südens durch den Tourismus: Die Bevölkerung hatte wieder Geld, um zu reisen. Europa wird in diesen Jahren zum Sehnsuchts-ort. Viele Gastarbeiter reisen ein und arbeiten in der florierenden Wirtschaft Mitteleuropas.


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Geschichte Europas

So zieht es auch die Menschen aus dem Osten in Richtung des kapitalistischen Lebens. Dies hatte zur Folge, dass am 13. August 1961 die Grenzen zum sowjetischen Einflussbereich geschlossen wurden. Offiziell hiess es, dies sei ein antifaschistischer Schutzwall, doch eigentlich war es eine verzweifelte Reaktion, um die DDR-Bürger an der Flucht in den Westen zu hindern.

Der Prager Frühling Im Osten Europas kam es zu mehreren Aufständen gegen die von der KPdSU eingesetzten Regierungen. Mit dem Tod Stalins 1952, fasste man in Ungarn und der DDR Hoffnung und stand gegen Unterdrückung und Abhängigkeit auf. In Ungarn wurde die Liberalisierung der Politik und Gesellschaft 1956 von russischen Truppen niedergeschlagen. Im Frühling des Jahres 1968 kam es erneut zu Friedens- und Unabhängigkeitsbewegungen. Die 68er-Generation wollte sich von der Schuld der Eltern und vom Erbe des Greul der Nationalsozialisten befreien. Es war die grosse Bewegung von „peace, not war!“, man hatte neue Ideen und Vorstellungen, wie man das Leben gestalten möchte. Es kam neuer Wind in die Bewegung der Europäer, man wollte Europa verändern. Die grosse Revolte für Freiheit und Emanzipation erreichte viele Länder Europas. Man forderte eine neue Demokratie, eine, welche von unten, vom Volke bestimmt sein sollte. Diese Bewegung erreichte auch viele Länder in Osteuropa, so auch die Tschechoslowakei. Es kam zum sogenannten Prager Frühling. Die Bewegung in Prag setzte sich für einen Kommunismus mit Meinungsfreiheit und einem Sozialismus mit menschlichem Antlitz ein. Doch der Prager Frühling war nur von kurzer Dauer, die Sowjets zeigten ihre wahren Gesichtszüge und schickten Panzer, um diese Bewegung niederzuschlagen. 17

17

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 205


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Im Nachhinein verabschiedete die sowjetische Regierung die Breschnew-Doktrin, welche diesen Eingriff mit Truppen in der Tschechoslowakei legitimierte und die Souveränität der Ostblockstaaten begrenzte.

Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit Im Verlauf des Kalten Krieges rüsteten die zwei Grossmächte stetig auf; man förderte die Atomwaffenprogramme, die Weltraumforschung, die Verbreitung der eigenen Ideologien und schürte Konflikte zwischen verfeindeten Parteien auf der Welt. In Europa verspürte man zu dieser Zeit grosse Angst vor einer Apokalypse; man organisierte Friedesaufstände gegen Atomwaffen. Unter diesen Umständen und mit der Einsicht, dass es so nicht weiter gehen könne, traf man sich im Jahre 1973 auf der Konferenz für Sicherheit und Zu-

Abb. 5 Versammlung der Staatsvertreter, Vgl. BStU kein

sammenarbeit. Dort kam es zur Unterzeich-

Datum

nung der KSZE-Schlussakte, in welcher man sich auf die Unverletzlichkeit der Grenzen, die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten, die friedliche Regelung von Streitigkeiten, sowie auf Menschenrechte und Grundfreiheiten einigte. Dies war Zündstoff für die Bürgerrechtsbewegungen in den Ostblockstaaten, in der Tschechoslowakei wurde „Charta 77“ gegründet, welche dann bis zur Revolution im Herbst 1989 für die Bürgerrechte kämpfte. 18

18

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 205


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Die Entwicklung der europäischen Integration Seit der Unterzeichnung der Verträge von Rom konnte die EWG-Kommission eine Reihe von Erfolgen als auch Misserfolgen verzeichnen. Als man 1961 mehr Zusammenarbeit auf dem politischen Feld beschloss, boykottierte Frankreich unter Charles de Gaulles den Einigungsprozess. Nach Beilegung dieser Krise konnten 1967 wieder erste Fortschritte erzielt werden, man fasste am 1. Juli die drei Gemeinschaften, die EWG, die EGKS und Euratom in der Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammen. Die vorgesehene Zollunion konnte 1968 umgesetzt werden, zudem entstand im folgenden Jahr der Plan für eine Wirtschafts- und Währungsunion. 1970 kam es erstmals zu einer politischen Zusammenarbeit (EPZ). 1973 konnte die EG, trotz der Ölkrise und der daraus folgenden „Eurosklerose“ (durch Inflation und Arbeitslosigkeit entstandene Europamüdigkeit), weitere Erfolge verbuchen. Denn in diesem Jahr traten Dänemark, Irland und Grossbritannien bei. Der Beitritt des Vereinigten Königreiches war ein grosser Schritt sowohl für die Britten als auch für Europa. England war schon immer eine sehr starke Wirtschaftsmacht gewesen und so halfen Letztere der EG durch die Krise. Auch für die USA war der Beitritt positiv, denn mit Grossbritannien sass für die USA nun wieder ein enger Verbündeter am europäischen Entscheidungstisch, was wieder eine grössere Einflussnahme ermöglichte. Seit 1975 wurde aufgrund des Abkommen von Lomé, dass in diesem Jahr geschlossen wurde eine intensive Beziehung zu den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifik gehegt. Durch Ausgleichszahlungen sollten bei schwankenden Weltmarktpreisen Exporterlöse gesichert werden. 1979 wurde das Europäische Währungssystem (EWS) eingeführt, welches den Zahlungsverkehr innerhalb der EG (Ausnahme von GB) verbesserte; dies geschah mit einer Verrechnungseinheit, die die Wechselkurse harmonisierte. Mit Jacques Delors, dem neuen Präsident der Europäischen Kommission konnte Mitte der 80er Jahre die Integration weitervorangeführt werden. Der Abbau der Binnenmarktgrenzen nahm


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auch an rapider Dynamik zu. 1985 kam es dann zum Schengen Abkommen 19. Dieses Abkommen ebnete den Weg für die noch wachsenden Freiheiten in Europa. Die Ansätze des EWS wurden mit der Einführung der Wirtschaft- und Währungsunion aufgegriffen und in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) von 1986 umgesetzt 20, mit dieser beschloss man die Zusammenarbeit auf neuen Gebieten. Die machte die Einheitliche Europäische Akte zum bis dato wichtigsten Reformwerk seit der Gründung 1957. Mit ihr wurde die politische Zusammenarbeit, welche bis dahin praktiziert wurde im Vertragstext verankert. Weiter gab sie der gemeinsamen Aussenpolitik eine völkerrechtliche Grundlange. Sie war der Zwischenschritt auf dem Weg zur umfassenden Union. Zudem traten Griechenland (1981), Portugal und Spanien (1986) der EG bei. 21

Der Neoliberalismus Die Bewegung des Neoliberalismus entstand in den Jahren nach der Ölkrise (1973) und war die wirtschaftspolitisch ergriffene Lösung. Diese entfesselte die Kräfte des Marktes, denn man glaubt im Neoliberalismus, dass es der Wirtschaft umso besser gehe, desto weniger staatliche Bestimmungen es einzuhalten gelte. Mit Helmut Kohl, Ronald Reagan und Margaret Thatcher vollzog sich in Deutschland, in den USA und Grossbritannien ein politischer Wechsel zum Neoliberalismus. Die Setzung auf Automatisierung der Produktion, liess die traditionelle Industriearbeiterschaft schwinden und somit nahm das politische Gewicht dieser Arbeiterklasse ab. Der Umschwung zum Neoliberalismus brachte in dieser Zeit wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung, doch tragen wir heutzutage die Folgen dieser neuen wirtschaftlichen Ausrichtung. 22

Mit dem Schengen Abkommen war es nun möglich zwischen den Ländern ohne Pass zu reisen. Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 236-238 21 Vgl. Schrötter 2016, S. 7 & 9 22 Vgl. Scheunert 2016, Vgl. Rendinger und Frier 2016 19 20


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Der Fall des Ostblocks In den Jahren vor dem Zerfall der UdSSR nahm die Zahl der Bürgerrechtsbewegungen zu: In der DDR zum Beispiel, schafften Priester ein Forum für Andersdenkende. Mit dem Wechsel an der Spitze der KPdSU, zu Micheal Gorbatschows, kam Bewegung ins stagnierte System der Sowjets. Mit seiner Reform für Offenheit und Umgestaltung in der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, schuf Gorbatschows eine neue Aussen- und Innenpolitik. Er betonte, wie wichtig die friedliche Koexistenz sei. 1987 baute er daher das weltpolitische Engagement der UdSSR ab.

Abb. 6 Leipzig Herbst 1989 - Die friedliche Revolution, Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 206

In der DDR konnte wegen des zurück genommen Engagement der UdSSR, nun erstmals im Mai 1989 gegen die wie üblich gefälschten Wahlergebnisse demonstriert werden. Während dieser Zeit nahm auch die Zahl der ausreisewilligen Bürger zu, sodass als Ungarn am 10./11. September die Grenzen nach Österreich öffnete, die Dämme brachen. Viele nutzten dieses Loch um zu fliehen und wer nicht geflohen war, ging für Freiheit auf die Strasse. Die Opposition wurde immer grösser und es kam zu den Montagsdemonstrationen. Diese Demonstrationen für Presse-, Reise-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und freie Wahlen, nahmen solche


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Ausmasse an, dass am 4. November 1989 eine halbe Million Menschen in Ostberlin auf die Strassen gingen. So kam es, dass am 9. November 1989 die Berliner Mauer fiel. So war es möglich, dass im Herbst 1989 durch eine Kettenreaktion von friedlichen Revolutionen der ganze Ostblock sowie der Eiserne Vorhang fiel. Die Reform Gorbatschows konnte aufgrund verschiedener Faktoren kein gutes Ende nehmen. Ein Grund dafür war der Widerstand und die Unfähigkeit der privilegierten Schicht von Partei-, Staats- und Wirtschaftsfunktionären. Weiter führte mangelnde Konsequenz, Zerrüttung des Wirtschaftssystems und die gering ausgeprägte Initiative des Volkes die UdSSR an den Rand des Zerfalls. Gorbatschow versuchte den Zerfall mit einem neuen Unionsvertrag aufzuhalten doch wurde die Regierung Gorbatschows von konservativen Kräften 1991 gestürzt. Durch den Zerfall der UdSSR und des Ostblocks war die Teilung Europas überwunden. Die Mehrheit der neuen Regierungen der Ostblockstaaten waren demokratisch und fasziniert vom wirtschaftlichen Erfolg des Westens mit dem Kapitalismus. 23

Eine wiedervereinigte Nation Mit dem Zerfall der UdSSR, konnte nun endlich über eine Wiedervereinigung Deutschlands gesprochen werden. Der Wille der Deutschen wieder ein Land, eine Nation zu werden war enorm gross. Mit der Einführung der Marktwirtschaft und der D-Mark war,1990, ein wichtiger Schritt in Richtung Wiedervereinigung getan. Für die Wiedervereinigung Deutschlands benötigte es die Zustimmung der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges.

23

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 198, 206 & 207


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Englands Premierministerin Margret Thatcher glaubte, dass bei einer Wiedervereinigung Deutschland wieder zum Unruhepol in Europa werden könnte. Um dies zu verhindern suchte Thatcher bei den Franzosen nach Verbündeten. Doch der französische Präsident François Mitterrand ging geschickter mit der Lage um. Anstatt die Wiedervereinigung zu verhindern, was schlicht unmöglich gewesen wäre, trieb er die Pläne einer gemeinsamen Währung, des Euros, voran. Denn der europäische Wille war seit Kriegsende nicht mehr so gross gewesen. Mit Westdeutschland zusammen plante Frankreich den Euro. Englands Premierministerin wurde wegen ihrer Ablehnung nach einer Revolte in ihrer Partei abgesetzt und so war der Weg frei für ein geeintes Deutschland. Am 1. September 1990 gaben die Siegermächte ihr Einverständnis und so ist Deutschland seit der Unterzeichnung des Einigungsvertrages wieder ein souveräner Nationalstaat. 24

24

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S.206-207, Vgl. Scheunert 2016


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41

Abb. 7 Die Wiedervereinigung von Ost und West, Vgl. Lemo 1989


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2.4 Europäische Euphorie Mit der Gewinnung der Freiheiten in den Ostblockstaaten entstand eine grosse Euphorie in ganz Europa, eine Euphorie für die Idee des gemeinsamen Europas. Jahrzehntelang hatte die politische Dimension der Integration eine sehr grosse Ausstrahlung gehabt, besonders für die Europäischen Staaten im Osten, welche, bis zum Fall der UdSSR, von Selbstbestimmung nur träumen konnten. Im wiedervereinigten Deutschland war der Wille besonders stark und so wurde mit dem Vertrag von Maastricht 1992 der „Vertrag über die Schaffung der Europäischen Union“ unterzeichnet. Das Ziel der Europäischen Union war schon früh angedacht worden, schon 1961 und dann wieder auf der Pariser Gipfelkonferenzen 1972 und 1974.

Die Europäische Union Im Jahre 1993 trat nun der Vertrag in Kraft und die Europäische Union war gegründet. Man schloss sich auf drei Säulen gemeinsamer Interessen zusammen. Die erste wirtschaftliche Säule ist die, auf der die Europäische Union gegründet worden war, die EG. Die zweite und dritte Säule wurden mit der Gründung der EU als Ziel gesetzt. Diese drei Säulen sollen die Länder der EU unter folgenden gemeinsamen Interessen mehr und mehr zusammen binden: 1. Die Europäische Gemeinschaft Diese beinhaltet die Zollunion, eine gemeinsame Landwirtschafts-, Verkehrs- und Handelspolitik, eine Wirtschafts- und Währungsunion und die Union-Bürgerschaft. Weiter ist dieser Säule auch der Binnenmarkt zuzuordnen; in diesem wird Waren-, Personen-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Ländern ermöglicht.


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2. Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik Hier stehen die Friedenserhaltung sowie die Abrüstung im Vordergrund, Hilfe für Drittstaaten und eine Europäische Sicherheitsordnung. 3. Zusammenarbeit von Justiz und Verwaltung Diese Säule trägt die polizeiliche Zusammenarbeit und die Bekämpfung von Terrorismus, organisiertem Verbrechen und Menschenhandel. Wirtschaftlich und finanzpolitisch wurde die Einführung des Euro und der Europäische Zentralbank beschlossen. 25 Im selben Jahr kam es nun zum gemeinsamen Binnenmarkt. Mit diesen neuen Marktdimensionen eröffneten sich ganz neue Chancen.

Konferenzen und Verträge Mit dem Beitritt von Finnland, Österreich und Schweden 1995 waren es mittlerweile 15 Staaten im Staatenbunde. Es wurden in den folgenden Jahren immer mehr, mit der Osterweiterung traten zehn weitere Staaten der EU bei. Mit dem Beitritt Kroatiens wurden es 2013 28 Mitgliedsstaaten. Dieser Staatenzuwachs bedeutete für die EU einen riesigen Kraftakt, politisch wie auch wirtschaftlich. Dies gelang im Willen Europa wieder zu vereinigen und die Zerrissenheit des 20. Jahrhunderts zu überwinden. Mit jeder Erweiterung wurden Anpassungen der Verträge notwendig; so entstand eine Unübersichtlichkeit von Verträgen und Protokollen. 26 Bereits 1996 kam es zu einer erneuten Regierungskonferenz, in welcher man die dritte grundlegende Revision beschloss. Ein Jahr später unterschrieb man das Revisionspaket, in Amsterdam.27

Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 238 Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 240 27 Vgl. Vertrag von Amsterdam 1997 25 26


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Geschichte Europas

Die 15 Mitgliedsstaaten wollten damit eine handlungsfähigere und bürgernahe Union ermöglichen. Weiter wollte man sich für eine baldige Aufnahme der beitrittswilligen Mittel- und Oststaaten rüsten. In Nizza kam es im Jahre 2000 dann zum längsten Verhandlungsmarathon: Man musste die neue Gewichtung im Ministerrat und dem Europäischen Parlament regeln; dies war besonders brisant, da die Ostblockerweiterung vor der Tür stand. Die wichtigste Reform vom Vertrag von Nizza war jedoch die Reform vom Einstimmigkeitsprinzip. Denn ansonsten wäre man mit 27 Mitglieder (nach der Osterweiterung) im Ministerrat nie zu Entscheidungen gekommen. Mit der Ausnahme bestimmter Themenbereiche wie der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder der Steuer-, Asyl- und Einwanderungspolitik, wurden Ratsentscheidungen nun mit einem qualifizierter Mehr getroffen.

Die Europäische Verfassung Mit der Osterweiterung und dem Beitritt anderer Staaten, war man vor die Herkules-Aufgabe, der Integration der dreizehn neuen Mitgliedstaaten und einer neuner Qualität der Zusammenarbeit in Europa gestellt. Mit diesen neuen Dimensionen der Zusammenarbeit, war der Wunsch nach einer tragfähigen Regierungsstruktur gross. Die Idee von einer gemeinsamen Verfassung war geboren, was zuvor nie vorgesehen gewesen war; Sinn machte es jedoch schon. Früher sprachen die Gründerväter nur von einer „immer engeren Zusammenarbeit der Europäischen Völker“. 28 Auch wenn die Kritiker von einem Ende der bisherigen Elastizität 29 sprachen, einigte man sich in Brüssel auf einen Vertrag über eine Verfassung für Europa. Dieser wurde dann 2004 in Rom, dem Gründungsort der EU unterschrieben.

28 29

Vgl. Schrötter 2016, S. 16 Angebot und Nachfrage


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Eine wirkliche Verfassung, im klassischen Sinne, war nicht geplant. Es ist ein verfassungsähnlicher Vertrag entstanden. Die Türen zu einem Bundesstaat wären damit also nicht geöffnet worden, denn die Nationalstaaten wären immer noch die Herren der europäischen Politik geblieben. Diese Vertrags-Verfassung hätte in Kraft treten können, wenn alle Mitgliedsstaaten diese auf nationaler Ebene abgesegnet hätten. Doch kam es in zwei der Gründungsmitgliedsstaaten, in Frankreich und den Niederlanden, in Volksabstimmungen zur Ablehnung des Vertrags über eine Europäische Verfassung. Was die Gründe für diese Verunsicherung waren, ist nicht klar. Vielleicht hatte die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei oder der sehr schnelle Integrationsprozess der letzten Jahre die Europäer verunsichert.

Lissabon Man verschaffte sich eine Denkpause nach dem unerwarteten Rückschlag der Verfassung. Erst im Jahre 2007 gelang es, die Substanz des gescheiterten Vertrags für eine Verfassung in Europa zu retten. Die Staats- und Regierungschefs unterzeichneten den Vertrag über die Arbeitsweise der Union, eine um-etikettierte Form des gescheiterten Vertrages von 2004. Dieser „Vertrag von Lissabon“ sollte die EU auf eine neue Grundlage stellen, doch erhielt der Vertrag nach einigen Ratifikationen in verschiedenen Ländern Gegenwind. In Irland lehnte man den Vertrag ab. Doch man trieb dieses Mal den Ratifizierungsprozess weiter, es war der letzte Ausweg, einen anderen Plan hatte niemand. Und als die Iren 2009 nochmals abstimmten, wurde der Vertrag mit einer überragenden Mehrheit von 67,1 % angenommen. Nachdem der Europaskeptiker, Vaclav


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Geschichte Europas

Klaus, der Präsident Tschechiens, den Vertrag unterschrieben hatte, konnte der Reformvertrag Ende 2009 schliesslich in Kraft treten. Mit diesem Vertrag gab es zwei neue führende Kräfte in der EU, den Präsident des Europäischen Rats und einen „Hohen Vertreter für Aussen- und Sicherheitspolitik“, eine andere, nicht ganz so gewagte Bezeichnung für einen Aussenminister.

Die weiterführende Integration Im Verlaufe der letzten Jahre, seit der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist, hätte die Europäische Union noch weiter integriert werden können, doch entschieden die Nationalstaaten in Fragen wie der Libyen-Intervention, dem Irak-Konflikt oder der Ukraine-Krise weitestgehend für sich. 30

Die Europäische Krise Ausgelöst von den USA, welche aufgrund von der Immobilienblase und der Pleite einer USAmerikanischen Bank 2007 eine grosse Finanzkrise 31 erlitt, stürzte die Welt in eine Weltwirtschaftskrise. Mit dieser Krise kam ein lang ignorierter Missstand zutage. Die hohe Staatsverschuldung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Der grosse Missstand entstand in dem ersten Jahrzehnt des Euroraums, also in den zehn Jahren nach der Euro Einführung (1999). In dieser Zeit wurde die Eurozone als finanzpolitische und ökonomische Einheit angesehen und Staaten höchst günstige Kredite vergeben, deren tatsächli-

30 31

Vgl. Schrötter 2016, S. 15 - 19 Finanzkrisen sind größere Verwerfungen im Finanzsystem, die durch plötzlich sinkende Vermögenswerte (z. B. bei Unternehmensbeteiligungen) und die Zahlungsunfähigkeit zahlreicher Unternehmen der Finanzwirtschaft und anderer Branchen gekennzeichnet sind und die die ökonomische Aktivität in einem oder mehreren Ländern beeinträchtigen, Vgl. Wikipedia 2017


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che Wirtschaftsleistungen einen viel höheren Zins verlangt hätten. Dies führte dazu, dass wirtschaftlich schwachen Staaten viel mehr Schulden aufnahmen als sie eigentlich hätten tragen können. Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, schauten die Banken wieder genauer hin und bewerteten die Kreditwürdig- und Leistungsfähigkeit einiger Europäischer Staaten wieder realistisch. Die eher ärmeren Länder, welche es betraf, mussten eingestehen, dass man nicht nur über die Verhältnisse gelebt hatte, sondern auch die Stabilitätskriterien der gemeinsamen Währung untergraben hatte. Die Fehlerquelle war eigentlich klar, man führte den Euro ein ohne eine gemeinsame Finanzpolitik zu vertreten, ohne ein Gremium zu haben, das die Finanzpolitik von ganz Europa in Händen hält. Doch die Abgabe von einer eigenen, nationalen Finanzpolitik erschien damals - und erscheint immer noch - als unrealisierbar. Da dies nicht ging, erfand man Schutzmechanismen, wie Rettungsschirme und sprach sich finanzpolitisch ab. Durch die verschiedensten Methoden konnte die Finanzkrise abgerollt werden. Im Sommer 2015 kamen die ersten grossen Flüchtlingswellen über die Balkanrouten. Europa war darauf nicht vorbereitet, somit hatte man keine Antworten, Konzepte oder Lösungen zur Hand. Die Europäische Kommission schlug ein faires Verteilsystem vor, welches die tausende Flüchtlinge pro Tag auf Europa verteilen würde. Dies lehnten Polen, Slowenien oder Grossbritannien sofort ab. Es wäre Solidarität gefordert gewesen, doch manche reagierten mit Abschottung. Dies führte zur Fundamentalkrise des europäischen Gedankens. 32

32

Vgl. Schrötter 2016, S. 21


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Dies hat sich bis heute nicht geändert. Es kommen mittlerweile weniger Flüchtlinge, man hat zumindest das Gefühl. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Weg nach Europa so unmöglich geworden ist. 33

33

Für den ganzen Geschichtsteil diente als Grundlage zwei Dokumentationen, Vgl. Scheunert 2016 sowie Vgl. Rendinger und Frier 2016


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49

2.5 Was wurde aus Churchills Utopie? Die Utopie der Vereinigten Staaten von Europa wurde als erstes von Winston Churchill öffentlich in einer Rede ausgesprochen. Doch war die Utopie der Einigkeit eine von vielen Menschen getragene Bewegung. Nach den verheerenden Kriegen, wollte man nie wieder Krieg, nie wieder Gewalt und Leid. Dieser Wille war unglaublich stark: Er liess uns an den Punkt der Integration von heutzutage kommen.

Zeitachse der Europäischen Integration 34

34

1945

Ende des Krieges

1949

Gründung Europarat

1952

Montanunion, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

1957

Verträge von Rom, Gründung der Europäische Wirtschafts Gemeinschaft

1960

Gründung der Europäischen Freihandelszone

1967

Zusammenschluss der Europäischen Gemeinschaften zur EG

1981

Beitritt Griechenlands

1986

Beitritt Portugals und Spaniens

1987

Einheitliche Europäischen Akte (erste grundlegende Revision)

1989

Fall des Eisernen Vorhangs

1990

Wiedervereinigung Deutschlands; Schengen Abkommen I

1992

Vertrag von Maastricht, Gründung der EU (zweite grundlegende Revision)

1993

Europäische Union tritt in Kraft

1995

Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens; Schengen Abkommen II

1996

Amsterdamer Vertrag (dritte grundlegende Revision der EU)

1997

Einführung der EZB; Beitrittsverhandlungen ehemaliger Ostblockstaaten

Vgl. Schrötter 2016, S. 579 - 581


50

Geschichte Europas 1999

Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion; Einführung des Euros als Buchwährung

2000

Vertrag von Nizza (vierte grundlegende Revision)

2001

Erklärung der Zukunft der Union; Schengen Abkommen III

2002

Einführung des Euros in 12 Ländern

2003

Entwurf einer Europäischen Verfassung

2004

Osterweiterung; Beitritt 10 ost- und südeuropäischer Staaten Vertrag über eine Europäische Verfassung in Rom

2005

Verfassung scheitert an Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden; Aufnahme Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

2007

Vertrag von Lissabon; Slowenien führt den Euro ein; Beitritt von Bulgarien und Rumänien

2008

Malta und Zypern führen den Euro ein

2009

Die Slowakei führt den Euro ein

2010

Beginn der Schuldenkrise

2012

Einführung der Bürgerinitiative

2013

Beitritt Kroatiens

2014

Lettland führt den Euro ein; Referendum über Unabhängigkeit Schottlands

2015

Litauen führt den Euro ein

2016

Brexit

2017

Europa-Bewegung neu in Fahrt; durch die Wahl Emmanuel Macrons

Utopie

Gründung der Vereinigten Staaten von Europa

Die europäische Integration war ein grosser Erfolg: Aus verfeindeten Nationalstaaten bildete sich eine Gemeinschaft auf mehreren Gebieten. Die grundlegenden Schritte sind getan. In den letzten Jahren machte man aber einen rückläufigen Prozess durch. Durch die Ablehnung der gemeinsamen Verfassung von 2005 schob man den grössten Schritt um mehr als ein Jahr-zehnt hinaus. Bis


Geschichte Europas

51

heute sind 27 europäische Länder Teil der EU, 26 ohne Grossbritannien. 19 davon haben die gleiche Währung, den Euro. Der Traum von einem geeinten Europa ist zum Greifen nah, und trotzdem ziehen uns Probleme wieder in Richtung Vergangenheit, in Richtung der Nationalstaaten.

Abb. 8 Beitrittsjahr der verschiedenen Länder, Vgl. Friedrich 2016

Wir stehen heutzutage vor Problemen, welche drastische Veränderungen, mutige Schritte nach vorne und ein Ziel brauchen, damit der Traum von einem geeinten und gesunden Europa weiter geträumt werden kann. Um diese Schritte nachvollziehen zu können, muss man das aktuelle System kennen und verstanden haben…


3.1 Wirtschaft ............................................................................56 3.2 Geistesleben ........................................................................65 3.3 Recht und Regierung.........................................................68 3.4 Konklusion..........................................................................80

3

Heutige Organisation der Europäis Gesellschaft


schen

53 «In Zeiten politischer Krisen ist es für einen ehrenhaften Menschen nicht am schwersten, seine Pflicht zu tun, sondern sie überhaupt zu kennen.» Louis Gabriel Ambroise Vicomte de Bonald35 Die europäische Gesellschaft ist eine vielfältige, bunte Völkermischung. In ganz Europa werden in ca. 50 Ländern über 20 Sprachen mit vielen Dialekten gesprochen. Europa hat keine geografische Begrenzung, Europa ist eine Idee. Geografisch teilt man Europa ca. dem westlichen Fünftel der Eurasischen Kontinentalplatte zu. Nach zwei verheerenden Weltkriegen ist seit über sechzig Jahren Friede zwischen den Ländern in Europa eingekehrt. Viele der Bürger Europas bezeichnen sich selbst als Europäer; man gehört und lebt zusammen. Doch eine Gesellschaft funktioniert nur so gut wie ihr System aufgebaut ist; bei einem guten Aufbau blüht eine Gesellschaft auf, bei einem schlechten treten Ungerechtigkeiten und gravierende Probleme auf, so auch in Europa. Um zu verstehen, wo die europäischen Probleme ihren Ursprung haben, blicken wir nun auf die aktuelle Organisation Europas. Grundlegend ist festzuhalten, dass in der heutigen Gesellschaft das Rechtsleben, der Staat, alles regelt und bestimmt. In Europa ist dies nochmals speziell, da zu dem Staat, es auch noch die Europäische Union gibt, welche den ganzen Kontinent gesellschaftlich vereint und regelt. Die Europäische Union ist jedoch keine Föderation oder Bundesstaat, wie zum Beispiel die USA.

35

Vgl. Aphorismen.de kein Datum


54

Heutige Organisation der Europäischen Gesellschaft

Der Unterschied zwischen einem Bundesstaat (Land) und der EU Das System eines Landes unterscheidet sich wesentlich von dem System der EU. Der Unterschied liegt auf der Hand, ein Land wird als Staat regiert, die EU nicht. Ein Land besteht aus (in manchen Fällen souveränen) Landesteilen, die einer Verfassung und der Landesregierung unterstellt sind. Die Europäische Union ist ein Staatenzusammenschluss, ebenfalls mit Regierung, Parlament und Gericht. Doch die einzelnen Landesregierungen sind nicht der europäischen „Regierung“ unterstellt. Somit ist die EU ein institutionell hybrides Gebilde, denn sie hat bei weitem mehr Organe und Institutionen als es bei einer normalen internationalen Organisation üblich ist. Obwohl sie eine Art von Föderation oder Staat darstellen könnte, ist sie keine, da Vertragsänderungen nur mit Zustimmung aller Mitgliedsstaaten, ihrer Regierungen, ihrer Parlamente und in manchen Fällen sogar ihres Volkes möglich sind. 36 Dieses System wirkt sich auf alle Lebensbereiche, vom Wirtschafts- über das Geistes- bis zum Rechtsleben aus.

Die Werte in der Gesellschaft Die europäische Gesellschaft teilt viele Werte, welche im letzten Jahrhundert oder sogar schon zuvor sich entwickelt haben; hier gehen die Gleichberechtigung der Geschlechter, das Verbot der Todesstrafe und der Kinderarbeit voran.

36

Vgl. Tscharner 2015, S. 19


Heutige Organisation der Europ채ischen Gesellschaft

55

Die gesellschaftliche Aufteilung Eine Gesellschaft setzt sich aus drei Organen zusammen, der Wirtschaft, dem Kultur- und Geistesleben und dem Rechtsleben. Man kann, vereinfacht und verallgemeinert gesagt, diesen drei Organen der Gesellschaft gewisse Ideale zuordnen. In der europ채ischen Gesellschaft, ist Freiheit der Wirtschaft, eine relative Freiheit dem Geistesleben und Gleichheit dem Rechtsleben zuzuordnen. Diese drei Organe fungieren nicht unabh채ngig voneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Die Wirtschaft beeinflusst das Rechtsleben mit Lobbyarbeit, das Rechtsleben beeinflusst wiederum das Geistesleben. Somit entscheidet Wirtschafts- und Rechtsleben 체ber den Geist. Das Geistesleben besitzt deshalb nur eine relative Freiheit. Daher kommt die Soziale Frage. 37

37

Vgl. Burkart 2017


56

Heutige Organisation der Europäischen Gesellschaft

3.1 Wirtschaft 38 Die Wirtschaft bestimmt in der heutigen Gesellschaft unser tägliches Leben. Wir sind alle von ihr abhängig und müssen arbeiten gehen, um leben zu können. Die Wirtschaft ist heutzutage extrem komplex und kompliziert, deshalb werden in diesem Kapitel nur die Grundrisse gezeichnet. Die Wirtschaft entwickelte sich in den letzten zwei Jahrhunderten von der Hauswirtschaft zur Staatswirtschaft und von der Staatswirtschaft zur Weltwirtschaft. Von einer Weltwirtschaft kann man ca. seit einem Jahrhundert sprechen: Das Holz vom Esstisch kommt aus den Tropen, das Metall des Löffels aus China, der Weizen aus Kanada etc. Wir leben in einer höchst vernetzten Welt, welche auf einem höchst einfachen Gedankenkonstrukt des Marktes aufbaut. Die Wirtschaft ist eine Glaubenssache: Jeder vertritt einen anderen Standpunkt, was gut und was schlecht für die Wirtschaft ist. Der Abschluss eines Wirtschaftsstudiums heisst nicht umsonst „Master of Arts“ und nicht „Master of Sience“. Somit mögen vielleicht die in diesem Kapitel dargelegten Punkte manchen als unsinnig oder falsch erscheinen.

Das System In der Wirtschaft kann man nicht von einem System sprechen; die Wirtschaft ist frei und im ständigen Wandel. In der Zeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts machten sich viele Gelehrte Gedanken zur Wirtschaft, wie man sie effizienter machen könnte, wie es dem Staat, respektive seiner Bevölkerung besser gehen könnte. Diese Fragen wurden von Adam Smith mit der Idee der Arbeitsteilung des Arbeits-prozesses beantwortet. Dies bedeutet, dass jeder das machen kann, was er am besten kann, so dass in gleicher Zeit mehr produziert wird.

38

Vgl. D. Weiss 2018, der Inhalt dieses Kapitel beruht auf einem Interview mit Doris Weiss (Ökonomin und Lehrerin).


Heutige Organisation der Europäischen Gesellschaft

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Unter Smith und den Denkern des 18. Jahrhunderts kam auch das Gedankenkonstrukt des Marktes auf. Dieser Markt muss völlig frei von staatlichen Eingriffen sein, sodass Angebot und Nachfrage den Markt bestimmen. Wenn viele Waren verfügbar sind, geht der Preis runter und wenn die Waren knapp werden, geht der Preis hoch. Dies sagt das Grundprinzip von Angebot und Nachfrage aus. Dies macht Sinn in der Theorie, doch in der Realität ist Ware nicht gleich Ware. Jedes Produkt ist einzigartig39. Das Gedankenkonstrukt funktioniert nur, wenn zum Beispiel gleiche Ware, auf einem Markt nur an einem Tag verkauft werden könnte und alle Waren am Ende des Tages verkauft sein müssten. Das grosse Problem ist jedoch, dass wir dieses sehr einfache Konstrukt auf alle wirtschaftlichen Gebiete anwenden. Das Grundprinzip stimmt schon, nur in allen Bereichen spielen verschiedene Einflüsse eine grosse Rolle. In der EU zum Beispiel, gibt es zwar einen Binnenmarkt, doch besteht dieser aus vielen einzelnen Märkten, und ist somit nicht homogen. Zudem gelten in allen Mitgliedsstaaten andere Rechte und Interessen. Dieses Dogma, das Wirtschaftsentwicklungen rein Folge von Angebot und Nachfrage sind, führt dazu, dass der Mensch zu simpel und realitätsfern zu denken beginnt. Wir leben in der Fiktion, dass dies so simpel ist und machen aus allem einen Markt, der sich selbst nach Angebot und Nachfrage regelt, doch eigentlich ist die Welt ungeheuer kompliziert. Man kann auch nicht von einem Arbeitsmarkt sprechen, da besonders der Mensch nicht gleich Mensch ist. Doch wird auch die Arbeit auf dem Arbeitsmarkt zu Ware an sich. Man spekuliert an der Börse mit Arbeit, sodass die Arbeit nicht mehr einen Wert darstellt, den der einzelne Mensch

39

Mit einzigartig ist gemeint, dass nicht Banane gleich Banane ist oder Haus nicht gleich Haus,


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Heutige Organisation der Europäischen Gesellschaft

geleistet hat, sondern das, was sie an der Börse wert ist, den generierten Mehrwert 40. Dies funktioniert erneut in der Theorie, doch ist Arbeit nicht gleich Arbeit und Mensch nicht gleich Mensch. Nicht jede Arbeit generiert einen wirtschaftlichen Mehrwert. Es kann auch nicht von einem grenzenlosen Markt gesprochen werden. Beispielsweise unterscheiden sich Lohnnebenkosten, Wochenarbeitsstunden oder Urlaub schon nur in der EU, trotz gemeinsamen Binnenmarktes. Das grundlegende Problem der heutigen Gesellschaft ruht auf diesem, wie Rudolf Steiner es nennt, lebensfernen Denken.41 Politiker als auch Ökonomen versuchen mit diesem Denkansatz Probleme zu lösen, was dann schlussendlich jedoch nicht wirklich zu umfassenderen Lösungen führt. Mit diesem Denkansatz kam verständlicherweise der Glaube auf, man müsse, damit die Wirtschaft maximalen Ertrag erbringt, den Markt von allen staatlichen Regelungen befreien und den Handel ohne Beschränkungen ermöglichen. 42 Dies ist die grosse Motivation für den Binnenmarkt Europas. Der Staat schafft möglichst viele Barrieren und Grenzen ab, um der Wirtschaft einen freien Markt zu gewährleisten. Dies geht aber nicht ohne Abstriche im Rechtswesen oder in der Politik: Dies nennt man ein Abhängigkeitsdreieck. Die Wirtschaft hängt mit der Politik und den Gesetzen zusammen; so führen mehr Freiheit in der Wirtschaft zu weniger politischen Handlungsmöglichkeiten und weniger gesetzlicher Selbstbestimmung oder umgekehrt. Dies sieht man am Beispiel der Schweiz in der Beziehung zur Europäischen Union. Die Schweizer Regierung möchte der Wirtschaft den Zutritt zum Europäischen Binnenmarkt ermöglichen, doch

Der Preis, der jemand bereit ist zu bezahlen nach erledigen der Arbeit (z.B. für eine gewischte Strasse) Vgl. Steiner 1961, S. 7-8 42 Diese Bewegung wird als Neoliberalismus bezeichnet. Dieser Glaube wurde in den 80er Jahren in der Politik umgesetzt (siehe Kapitel 2.3), was heutzutage zu diesen Ungleichheiten geführt hat. 40 41


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muss sie dafür Gesetze und Regelungen von der EU direkt übernehmen und kann sich politisch nicht mehr so frei verhalten.

Der Einfluss und die Einflussnahme Die Wirtschaft hat keine allgemeine Organisation, es gibt verschiedenste Interessen, die nach aussen vertreten werden. Diese Interessen werden meist von Wirtschaftsvertretern und Wirt-schaftsverbänden vertreten: regional, national, kontinental und global. Grosse Firmen engagie-ren z.B. Universitäten, um Studien zu gewissen Themen zu erstellen, die dann den Politikern vorgelegt werden, um ihnen aufzuzeigen, dass etwas (im Interesse der Wirtschaft) verändert oder angepasst werden muss. Die Wirtschaft hat in den letzten Jahren immer wieder ihre Interessen sehr geschickt verkauft. Lobby-Control 43 geht davon aus, dass ca. 20‘000 Personen die EU Politik täglich beeinflussen, 70% davon aus der Wirtschaft. Man geht davon aus, dass deshalb sehr viele Entscheidungen in der EU indirekt von der Wirtschaft und nicht demokratisch gefällt werden. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss von Nicht-Europäern in Brüssel. Die Welt präsentiert erschreckend hohe Ausgaben von Firmen für Lobbyarbeit (welche wir indirekt alle bezahlen - teurere Produkte & weniger Pensionskassen-Renditen): So geben Siemens oder Phillip Morris je mehr als 4 Millionen Euro pro Jahr nur für Einflussnahme in Brüssel aus. Aber auch Greenpeace nimmt mit einer Million Einfluss. 44 Die Politiker können sich nicht zu allen Themen eine eigene Meinung erarbeiten und brauchen Unterlagen, aufgrund welcher sie entscheiden können. Natürlich setzt sich die Meinung eines Politikers aus den Informationen der Berater oder von Fachpersonen zusammen und aus den

LobbyControl ist ein gemeinnütziger Verein, der über Lobbyismus und Machtstrukturen in Deutschland und der EU aufklärt. 44 Vgl. Ileana Grabitz 2014 43


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Ansichten der Partei, den Medien und Freunden. Dazu kommt die persönliche Bindung zur Wirtschaft: Jeder Politiker arbeitet oder hat bei einem Unternehmen gearbeitet. Doch stehen im Vordergrund die von den Wirtschaftsverbänden finanzierten Studien und die Lobbyisten, die direkt auf die Politiker Einfluss nehmen. Diesen Einfluss macht die Wirtschaft geltend, da das Rechtsleben, die Politiker mit den Rahmenbedingungen in das Wirtschaftsleben eingreifen und somit Einfluss nehmen.

Die Diskrepanzen zwischen den Mitgliedsstaaten Die Länder der EU haben einen Binnenmarkt und in vielen Punkten eine gemeinsame politische Richtung. Trotzdem sind die Länder verständlicherweise immer noch souverän und die Politiker haben sich um das Wohlergehen der Landesbevölkerung zu kümmern. Dies führt dazu, dass jedes Land versucht seine eigene Leistungsbilanz 45 zu steigern. Dies führt zu wirtschaftlicher Konkurrenz in der Europäischen Union. Was eigentlich ein Garant für wirtschaftlichen Erfolg sein sollte, führt in der EU zu grossen Problemen, da die viele Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Währung haben und alle Teil des unbeschränkten Binnenmarkts sind, ohne aber eine gemeinsame Finanz- oder Steuerpolitik zu vertreten. Jedes Land subventioniert die einzelnen Wirtschaftsbereiche verschieden, sodass zum Beispiel ein gut subventionierter Bauer, durch die dadurch möglichen niedrigen Preise, einen grossen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber einem Bauer aus dem Nachbarland hat. Die Folge daraus ist, dass der nicht, oder wenig, subventionierte Bauer in seinem Land seine Waren nicht mehr zum Preis verkaufen kann, den er braucht, um existieren zu können. 45

„Die Leistungsbilanz, kurz LB, umfasst alle Ausgaben und Einnahmen einer Volkswirtschaft, darunter auch die Importe und Exporte von Gütern, in der volkswirtschaftlichen Zahlungsbilanz. Der Saldo der Leistungsbilanz stellt eine wichtige ökonomische Größe zur Bewertung der Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft dar.“ Vgl. Wikipedia 2017


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Die Länder können diese Probleme mittels Importsteuern lösen, wenn sie nicht Teil eines Binnenmarktes sind, oder mit einer gemeinsamen Finanzpolitik. Doch da die EU-Mitgliedsstaaten keine solche vertreten, kommt es zu wirtschaftlichen Unterschieden und sozialen Problemen. Zudem haben die verschiedenen Steuerpolitiken zur Folge, dass sich neue Unternehmen nur in gewissen Gebieten ansiedeln und in anderen Regionen nicht. Obwohl man in ganz Europa seine Waren verkaufen kann, sind die Abgaben pro Land unterschiedlich, was zu einer Bevorzugung gewisser Regionen für Produktion und Hauptsitz führt. Innerhalb der EU gibt es so Steueroasen. Die Niederlande haben eine der attraktivsten Steuerpolitiken in der Eurozone (siehe Abb. 9). Diese Steueroasen in der Eurozone führen dazu, dass die Unternehmen insgesamt weniger Steuern bezahlen müssen, um in der EU handeln zu können. Die Steuerpolitik in Irland, Luxemburg, den Niederlanden und Malta führt zu einer starken Bevorzugung ihrer Gebiete, was die wirtschaftlichen Unterschiede erhöht. 46

Abb. 9 Steueroasen in Europa, Vgl. Crolly 2017

46

Vgl. Epoch Times 2017


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Der Euro ohne gleiche Finanzpolitik Der wirtschaftliche Ausgleich zwischen zwei homogenen Märkten kommt über den Wechselkurs der Währung zustande. Bei grosser Nachfrage nach Gütern im Ausland steigt der Wechselkurs natürlich an, da die Nachfrage nach der Währung, um die Güter zu kaufen, gestiegen ist. Dies geht solange, bis die Güter aufgrund des immer höheren Wechselkurses für die Interessenten im Ausland zu teuer werden. So geht der Absatz wieder zurück und die ausländischen Waren würden aufgrund der starken Währung billiger, sodass deren Absatz stiege und sich so der Exportüberschuss ausgleichen würde. Gewisse Länder in der EU nehmen an Wert zu und gewisse verlieren an Wert: Durch positive oder auch negative Handelsbilanzen müsste sich die Währung ändern, doch dies geschieht nicht, da sie eine gemeinsame Währung haben. So gleichen sich die Gebiete nicht aus und in Deutschland, Europas grösster Exporteur, kommt es so zu einem chronischen Leistungsüberschuss 47 und in anderen Gebieten zu chronischen Handelsbilanzdefiziten. So kann man zum Beispiel nicht Griechenland die Schuld an der Krise von 2010 geben. Der Euroraum gleicht sich nicht aus, was zu einer immer grösser werdenden Schere zwischen den Handelsbilanzen führt. 48 (Siehe Abb. 10) Eine negative Handelsbilanz, also wenn ein Land mehr einkauft als es verkauft, führt dazu, dass der Staat, dessen Unternehmen und Bürger, an Reichtum verlieren. Ein Land, in dem mehr verkauft als eingekauft wird, macht Gewinn. Die hohe Arbeitslosigkeit in Europa ist, nicht nur, aber auch, auf dieses Problem zurückzuführen.

47 48

Auch Handelsüberschuss genannt. Vgl. Münchau 2015


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Abb. 10 Handelsbilanzen der EU Mitgliedsstaaten in Millionen, Vgl. Statista 2016

63


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Heutige Organisation der Europ채ischen Gesellschaft

Der Einfluss der EU Es ist festzuhalten, dass die EU, mit ihrem Binnenmarkt die Wirtschaft in Europa nach dem zweiten Weltkrieg wieder in Gang gebracht hat. Doch ist auch festzuhalten, dass der Aufbau der EU keine gemeinsame W채hrung erlaubt hat. Die Einf체hrung des Euros, ohne eine gemeinsame Finanz- und Fiskalpolitik, schuf grosse wirtschaftliche Missst채nde, welche man mit Ausgleichszahlungen zwischen den EU Staaten aufzuheben versucht.


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3.2 Geistesleben 49 Das Kultur- und Geistesleben ist von Land zu Land in Europa verschieden, jedes Land hat seine eigene Kultur, Vergangenheit und Denker. Doch bei allen herrscht das gleiche Problem, das Geistesleben ist nicht frei. Es ist abhängig vom Staat und dessen Finanzierung. Egal, ob in der Kunst, Kultur oder Schule, durch die staatliche Subventionierung oder Führung kommt es zur Selektion von gewissen Einrichtungen. Dies führt dazu, dass Andersdenkende es schwer haben ihr Geistesgut zu verbreiten oder nach anderen Massstäben zu Lehren.

Der Grund des Problems Der Grund für das unfreie Geistesleben ist die Beeinflussung von Staat und Wirtschaft. Vom Rechtsleben aus wird das Geistesleben von aussen organisiert und verwaltet. Die Übernahme des Erziehungs- und Bildungswesen von der Kirche durch den Staat war zu dieser Zeit gut und so hat sich im Geistesleben eine Freiheit entwickelt, die es aber nicht ausleben kann, da es nun heutzutage immer noch unter der Verwaltung des Rechts steht. Auch wenn dies nicht so drastisch erscheint, ist es trotzdem der Grund für die sozialen Missstände und das falsche und alte Denken das wir an den Tag legen.

Die Folge Die Folge dieser Verwaltung ist, dass Politiker und nicht Pädagogen bestimmen, was wann zu lernen ist. Mit der Vereinheitlichung der Lehrpläne kann der Lehrer nicht das vertiefen, was gerade von Nöten wäre, um das Kind zum Menschen zu machen. Die Politiker machen die Kinder zu Bürgern. Es ist eine vom Staat angeordnete Erziehung. Überspitzt könnte man sagen, dass der

49

Vgl. Burkart 2017


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Mensch zum gehorsamen Soldaten, braven Arbeiter angepasst wird und nicht gefördert wird, ein freier Mensch zu werden. 50 Durch den Politiker kommen Mathematik und Sprachen in den Kindergarten; dies würden die meisten Pädagogen nie empfehlen, da es so zur Zerstörung der Seele kommen kann. In der Schule geht es mit einer intellektualisierten Bildung 51 weiter. . Genauso konnte es nur durch den Eingriff des Rechtslebens kommen; die unpersönliche, meist nichts aussagende, verallgemeinerten Notenzahl im Zeugnis, die das Können und den Menschen zu beurteilen vor-gibt, ist eine weitere Folge dieses Eingriffs. In allen Ländern ist das Staatsschulsystem bevorzugt, da dies mit Steuergeldern bezahlt ist. Alternative pädagogische Schulen werden in gewissen Ländern und Fällen zwar subventioniert, aber kosten trotzdem zusätzlich Schulgeld.

Subventionen Der Staat hat Förderprogramme für Kunst und Kultur. Die Menschen dürfen in den subventionierten Programmen ihre Kunst ausleben, ohne finanzielle Nöte zu verspüren. Es ist jedoch eine Selektion und somit können nicht alle Denker und Künstler ihre Projekte ermöglichen. Durch die Kunst- und Kulturförderprogramme können nur wenige zu einem hohen Grad frei handeln. Unternehmen der Wirtschaft fördern in unserer Gesellschaft auch die Kultur, doch – ähnlich wie beim Staat - nur unter gewissen Bedingungen und unter Einhaltung von Fristen. Zudem geben

Ein extremes Beispiel ist die Konditionierung und Beeinflussung von der Jugend in Deutschland in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg über die Bildung. Vgl. Wikipedia 2018 51 „In der Pädagogik steht Intellektualisierung für die Überbetonung des Intellektuellen in der Ausbildung und Bildung. Dabei wird auf emotionelle und andere nicht rationale Aspekte des Lebens verzichtet. Alternative Schulformen wie etwa die Waldorfpädagogik versuchen ein Gegengewicht zur Intellektualisierung der Kindheit zu finden.“ Vgl. Stangl kein Datum 50


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sie Studien in Auftrag, was den Gelehrten und Professoren, zwar mit eingeschränkter Themenwahl, doch eine Beschäftigung gibt.

Konklusion Das Geistesleben ist nicht frei, man ist als Mensch finanziell von der Wirtschaft abhängig. Wir dürfen zwar denken, was wir möchten und dies auch ausdrücken. Doch können wir aufgrund der Abhängigkeit vom Geld nicht alles tun, wir sind nicht frei in unseren Entscheidungen. Genauso ist es in der Bildung, der Mensch lernt nicht Mensch zu sein, da wirtschaftliche oder staatliche Interessen bei staatlicher Finanzierung und Verwaltung immer im Vordergrund stehen werden.


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3.3 Recht und Regierung Europa ist ein durch Nationalstaaten unterteilter Kontinent; diese Nationalstaaten sind souverän und haben eine durch Demokratie gewählte Regierung.

Die Grundlage der Demokratie Ein demokratischer Staat oder Staatenverbund basiert auf der Gewaltentrennung, was bedeutet, dass die gesetzgebende und entscheidende Kraft, die Legislative, die regierende und überwachende Kraft, die Exekutive und die rechtliche Instanz, die Judikative, vollkommen voneinander getrennt sind. Jeder Bürger eines Landes oder Staates, ist ab der Volljährigkeit wahlberechtigt und kann sich auch wählen lassen; dies könnte man als die «Herrschaft des Volkes» bezeichnen. Die wesentliche Grundbedingung für Demokratie ist eine Staatsform mit einer Verfassung (oder Verträgen), die Menschenrechte und politische Rechte garantiert, mit fairen Wahlen und unabhängigen Gerichten. 52 In einem Staat mit einer vielfältigen Gesellschaft ist es meist schwierig, eine für die Demokratie unablässige Mehrheit zu finden. So schliessen sich Menschen mit ähnlichen Interessen in einer Partei oder einem Verein zusammen. Die Grundhaltungen der Parteien stützen sich meistens auf Ideologien oder eine gewisse Weltanschauung. Von diesen ausgehend werden dann die Parteiziele und Parteiprogramme gestaltet. In einem multikulturellen und vielfältigen Staat, wie zum Beispiel in der Schweiz, gibt es viele verschiedene Interessen und somit auch Parteien.

52

Vgl. Jud, Definition von Demokratie 2004-2008


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Doch lassen sich diese trotzdem in zwei Gruppen aufteilen, Links und Rechts. Die linken Parteien setzen sich für den progressiven 53 Sozialstaat, mit in sozialen Fragen meist liberaler Haltung ein; sie streben internationale Lösungsansätze an. Die rechten Parteien stehen für den meist konservativen 54. Nationalstaat, mit einer auf den eigenen Staat ausgerichteten Regierung, die sich um die Pflege des nationalen Gedankengutes kümmert. Doch es gibt noch andere Interessenvertreter, wie zum Beispiel die Gewerkschaften oder Interessensorganisationen. 55 Ein demokratisches Regierungssystem, ein Regierungssystem mit der Herrschaft des Volkes, kann auf verschiedenste Arten das Volk einbinden, über direkte, präsidiale oder parlamentarische Demokratie. Für die EU-Bürger gibt es zwei Ebenen, auf der sie zu verschiedenen Graden mitbestimmen können. Auf der nationalen Ebene und auf kontinentaler Ebene (EU), wobei die Demokratie in den verschiedenen Ländern Europas verschieden auftritt. 56

Die Nationalstaaten Die Nationalstaaten sind im 19. Jahrhundert in Europa gegründet worden (siehe Kapitel 2.1) und bieten seither Stabilität für meist eine Nation.

Wandel und Erneuerungen fördernd An der Bestehenden Gesellschaftsordnung festhaltend (traditionell) 55 Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, 8 & 10 56 Vgl. Schrötter 2016, S. 185 - 194 53 54


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Die Regierungen sind alle demokratisch aufgebaut. Sie setzen also auf die Gewaltentrennung. Jedes Mitgliedland hat somit ein eigenes Parlament, seine eigene Regierung und sein eigenes hohes Gericht. Es gibt Einheitsstaaten 57 wie Frankreich, Italien oder Griechenland. In diesen Ländern wird von einem Zentrum aus das Land geführt, die einzelnen Regionen haben keine Parlamente oder Regierungen. Eine weitere Staatsform ist der Bundesstaat; diese finden wir zum Beispiel in Deutschland. Hier vereinen sich Teilstaaten zu einem, nach aussen einheitlich auftretenden, Bundesstaat. Gemeinsame Aufgaben, wie zum Beispiel Aussenpolitik oder Militär werden von der Gesamtregierung übernommen. Monarchie finden wir in Europa, abgesehen vom Vatikan, nur noch in der parlamentarischen Form, zum Beispiel in Grossbritannien, Schweden oder Spanien. Hier teilen sich Parlament und Regierung die Staatsgewalt, der Monarch ist jeweils nur noch Repräsentant seines Landes oder Nation. 58 Alle Staaten und Länder in Europa sind demokratisch regiert. Es gibt drei verschiedene Grundmodelle:

Direkte Demokratie (das Modell der Schweiz) Die direkte Demokratie bindet das Volk direkt ein; Letzteres kann über politische Fragen abstimmen. Ein Regierungsmitglied fungiert für ein Jahr als repräsentatives Staatsoberhaupt. Die Regierungsmitglieder sind eine Kollegialbehörde ohne Vorsitzenden. Die Volksmehrheit entscheidet in Sachfragen oft anders als die Regierung und eine grosse Parlamentsmehrheit. Zudem kann das Volk über das Gesetzesreferendum und die Volksinitiative das System aktiv verändern. Die direkte Demokratie ist der Versuch, das Volk unmittelbar an der Regierung des Landes zu beteiligen. 57 58

Oder auch Zentralstaat Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, S. 29


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Ein Beispiel für eine Demokratie mit einem starken Volk ist die Schweiz. Österreich, Deutschland und Liechtenstein haben direktdemokratische Elemente in ihrem System.

Präsidialdemokratie Bei dieser Form der Demokratie wählt das Volk einen Vertreter, einen Präsidenten, der ihre Interessen vertritt. Dieser agiert ohne Parlament und ist meist zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef. Jedoch müssen seine Gesetzesentwürfe etc. durch das Parlament abgesegnet werden. Dies kann bei einer Minderheit der regierenden Partei im Parlament zu Stagnation und zur Kohabitation 59 führen. Diese Form der Demokratie kann, mit ein paar Gesetzesänderungen, zur Diktatur werden. Wie es zum Beispiel in Deutschland im 20. Jahrhundert oder in der Türkei heutzutage passiert ist. Dieses System finden wir zum Beispiel in der USA oder in Frankreich.

Parlamentarische Demokratie Bei diesem System ist das Schwergewicht auf das Parlament gelegt, das Volk wählt Parteien. Diese bilden dann das Parlament, welches die Regierung wählt. Speziell bei diesem System ist, dass die Mehrheit im Parlament durch Koalitionen verschiedenster Parteien errungen werden kann. Die Gegenseite im Parlament, die Opposition, bildet die wichtigste Kontrollinstanz dieser Regierung. Die Agenda der Gesetzgebung definiert in Deutschland den Bundeskanzler (die Regierung).

59

Kohabitation bezeichnet den Zustand wenn der Präsident die Minderheit im Parlament hat, ist er in seiner Macht stark eingeschränkt da das Parlament seine Vorschläge nicht einfach annimmt, so ist er auf eine enge Zusammenarbeit mit den anderen Parteien angewiesen.


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Dieses System bringt den Vorteil, dass auch kleine Parteien eine Chance haben, sich auf Regierungsebene einzubringen. Weiter wird durch das Zusammenpassen 60 der Parlamentsmehrheit die konsequente Anwendung der Gesetze gewährgeleistet. Dieses System finden wir in Grossbritannien und Deutschland. 61

Die Europäische Union Die Bewohner Europas haben in den sechs letzten Jahrzenten ihren Lebensstandard auf ein unübertroffenes Niveau anheben können. Mit einem Binnenmarkt ohne Zollgrenzen leben die Europäer in einem grossen zusammenhängenden Wirtschftsraum. Zudem verpflichtete sich die EU den gleichen Grundwerten, der Demokratie, dem Rechtsstaat und der Achtung der Menschenrechte. In den Jahren zwischen 1951 bis 1967 hatten die in diesen Jahren entstehenden Europäischen Gemeinschaften, EWG, EGKS und Euratom eigenständige Organe und Initutionen. Dies änderte sich 1967 mit der Fusion zur EG (siehe Kapitel 0 und 2.3). Seit dann gibt es die Europäische Kommission, den Rat der Europäischen Union (damals Ministerrat), das Europäische Parlament, den Europäischen Gerichtshof, den Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie seit 1977 den Europäischen Rechnungshof. Trotz diesen Institutionen ist die Europäische Union kein Staat, ihre Mitgliedstaaten sind aber enger miteinander verbunden. In vielen politischen Feldern trifft die EU trotzdem bindende Entscheidungen, die die Mitgliedsländer und dessen Bürger direkt betreffen.

60 61

Das Suchen nach einer Koalition, einer Mehrheit im Parlament die sich aus verschiedenen Parteien zusammensetzt. Vgl. Jod 2004-2008


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Die wichtigsten Organe Der Aufbau der EU ähnelt dem Aufbau einer Regierung eines Bundestaates oder Landes mit einem Zweikammersystem. Sie besitzt zusätzliche Organe oder leicht veränderte, welche die EU ermöglichen. Speziell ist, dass die Exekutive, die Europäische Kommission, nicht die politische Richtung vorgibt, sondern der Europäische Rat.

Abb. 11 Vereinfachter Systemaufbau der EU


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Europäischer Rat Die Staats- und Regierungschefs der verschiedenen Mitgliedsstaaten geben die politische Richtung, nicht nur in ihrem Land, sondern auch in der Europäischen Union vor. Dies geschieht vierteljährlich bei den sogenannten Gipfeltreffen. Man nennt diese Zusammenkunft den Europäischen Rat. Bei diesen Gipfeltreffen geben sie die politische Richtung und Leitlinien vor, welche von der Europäischen Kommission umgesetzt werden. Der Europäische Rat ist weder Exekutive noch Legislative oder Judikative und hat über diese drei politischen Instanzen keine Gewalt. Die Staats- und Regierungschefs beteiligen sich so direkt an den integrationspolitischen Fragen und tragen unmittelbar Verantwortung für die Entwicklung der EU. 62 Europäisches Parlament Trotzdem, dass die EU kein Staat ist, hat sie mit dem Europäischen Parlament eine Volksvertretung. Jeder Mitgliedsstaat entsendet gemäss der sog. „degressiven Proportionalität“ 63 Abgeordnete, welche von den Bürgern des Landes bei der Europawahl alle fünf Jahre gewählt werden, sodass das Parlament mit 751 Abgeordneten 506 Millionen Menschen repräsentiert. Die Repräsentanten verbinden sich nach Parteizugehörigkeit in übernationalen Fraktionen und Allianzen im Parlament. Das Europäische Parlament ist für die Kontrolle der Europäischen Kommission (der Exekutive) verantwortlich, das EP wählt den Präsidenten der EU-Kommission und hat das alleinige Recht durch ein Misstrauensvotum die Kommission zum Rücktritt zu zwingen. Das EP ist zusammen mit dem Rat der Europäischen Union für die Verabschiedung des EUHaushalts und der Gesetzte verantwortlich. 62 63

Vgl. Schrötter 2016, S. 223-225 Bevölkerungsreiche Staaten stellen zwar mehr Abgeordnete, doch im Verhältnis zu der Einwohnerzahl stellen sie weniger Abgeordnete als bevölkerungsärmere. Beispiel: Deutschland mit 99 Abgeordneten, pro 852‘000 Einwohner ein Vertreter, Luxemburg sendet sechs Abgeordnete, pro 83‘000 Einwohner ein Vertreter, Vgl. Schrötter 2016, S. 238


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Rat der Europäischen Union Der Rat der Europäischen Union bildet mit dem Europäischen Parlament die Legislative, er besteht aus den Ministern der Länder. Der Ministerrat, wie der Rat der EU vor dem Vertrag von Maastricht geheissen hat, tagt jeweils in fachlicher Zusammensetzung. Es tagen neun verschiedene Räte, zum Beispiel der Rat der Umwelt- und Verkehrsminister, der Rat der Aussenminister, welcher „Allgemeiner Rat“ genannt wird und sieben weitere. Seit dem Vertrag von Maastricht arbeitet das Parlament eng mit dem Rat der EU zusammen. In einigen Bereichen darf der Rat ohne die Zustimmung des EP nicht arbeiten. Die Abstimmungen über Beschlüsse werden mit dem einfachen Mehr, mit qualifiziertem Mehr oder der Einstimmigkeit gefasst. Die meisten Entscheidungen werden seit der EEA mit dem einfachen Mehr entschieden. Einstimmigkeit ist bei Abweichungen von den Vorschlägen der Kommission oder Änderungen des EP notwendig, sowie in den Bereichen der gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik, Innen- und Rechtspolitik und anderen sensiblen Themen. 64 Europäische Kommission Die Europäische Kommission ist die eigentliche Regierung der Union. Sie setzt sich aus einem Kommissar pro Mitgliedsstaat zusammen. Die Kommissare sind verpflichtet, ihr Amt in völliger Unabhängigkeit von ihren Regierungen und im Interesse der EU auszuüben. Jeder Kommissar ist verantwortlich für ein Ressort/Amt, wie Klimaschutz und Energie, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und so weiter. Die Kommission schlägt dem Rat der Europäischen Union neue Gesetztestexte vor. Die Europäische Kommission ist für die Ausführung und Überwachung der europäischen Gesetzte verantwortlich. Sie hat das Initiativrecht, sodass sie allein das Recht hat Gesetzesentwürfe einzubringen;

64

Vgl. Schrötter 2016, S. 435 - 437


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so kann nur der Rat der Europäischen Union und nur auf Vorschlag der Kommission hin Beschlüsse fassen. Um diese Gesetzesbeschlüsse durchzusetzen, kann die Kommission auch Durchführungsverordnungen erlassen. Zudem verwaltet die Kommission den Haushalt, kontrolliert die Verträge und bestimmt die Aussenpolitik mit. 65 Europäischer Gerichtshof Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bildet die Judikative. Dieser hat seinen Sitz in Luxemburg und besteht aus einem Richter pro Mitgliedsstaat und aus acht Generalanwälten. 66 Der EuGH setzt das Recht der Gemeinschaftsverträge und Gesetzgebungen der EU um, zum Beispiel gegen Mitgliedsstaaten, Firmen oder auch Privatpersonen. Die gefällten Urteile sind bindend und unanfechtbar. 67 Europäische Zentralbank Die Europäische Zentralbank legt die Geldpolitik fest und führt diese aus. Sie sorgt für Preisstabilität in den Ländern der Wirtschafts- und Währungsunion 68. Die EZB, wie die Europäische Zentralbank abgekürzt heisst, vereint die Kompetenz der nationalen Zentralbanken. Diese arbeiten gemeinsam mit der EZB an der Stabilität der Geldpolitik in ihrem Währungsgebiet. 69

Vgl. Schrötter 2016, S. 167 - 174 Vgl. Schrötter 2016, S. 125 67 Vgl. Tscharner 2015, S. 21 68 WWU, die Länder die seit 1999 und dem 2002 den Euro als Zahlungsmittel eingeführt haben. 69 Vgl. Schrötter 2016, S. 204 - 208 65 66


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Wirtschafts- und Sozialausschuss Der Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) dient dem Rat und der Europäischen Kommission als beratendes Organ; er setzt sich aus Vertretern des Wirtschafts- und des Soziallebens, aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammen. In gewissen Entscheidungen, bei Fragen zur Agrar-, Verkehrs-, Sozial-, Forschungs-, Umweltund der Regionalpolitik sowie bei Freizügigkeits- und Rechtsangleichungen müssen der Rat und die Kommission vor ihrer Entscheidung den Ausschuss anhören. 70

Die vier Freiheiten71 Mit der Entwicklung der EU haben sich vier zentrale Freiheiten herausgebildet. Diese sind höchst wichtig sowohl für die Wirtschaft als auch für die Unionsbürger. Freier Personenverkehr Alle Bürgerinnen und Bürger dürfen sich im ganzen Raum der Europäischen Union frei bewegen, sich niederlassen oder eine Arbeit annehmen. Es gibt keine Binnengrenzen. Freier Warenverkehr Mit dem freien Warenverkehr, einer der wesentlichen Freiheiten der EU, können Waren ohne Zollgebühren, Kontrollen oder Kontingentierung sich frei im EU Raum bewegen. Dadurch ist der Handel zwischen den Mitgliedsstaaten stark vereinfacht.

70 71

Vgl. Schrötter 2016, S. 553 - 554 Vgl. RP kein Datum


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Freier Dienstleistungsverkehr Diese Freiheit stellt sicher, dass jede Privatperson aus jedem Land einen Dienst, wie z.B. ein Handyabonnement, oder die Stromversorgung frei wählen kann. Freier Kapitalverkehr Mit dem freiem Kapitalverkehr kann jeder Unionsbürger frei entscheiden, in welchem Land und bei welchem Kreditinstitut er/sie sein Geld anlegen möchte.

Auswirkung Diese vier Grundfreiheiten der Europäischen Union gewährleisten den Binnenmarkt zwischen den Mitgliedsstaaten. Die erste ist wohl für die meisten Unionsbürger die wichtigste, da sie so überall in Europa Arbeit aufnehmen oder sich niederlassen können.

Der Einfluss Die EU, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union reden auf gesetzlicher Ebene viel mit, sodass zum Beispiel 80% der bundesdeutschen Rechtsregeln in der Umweltpolitik, 70% in der Agrarpolitik und 40% in der Wirtschaftspolitik durch Europarecht beeinflusst wird. 72 Der Einfluss der EU auf die Mitgliedsstaaten ist gross, Gesetze werden direkt umgesetzt und Waren und Güter müssen nur noch in Brüssel angemeldet werden. Dies führt dazu, dass die Staaten ihr Selbstbestimmungsrecht zu einem Teil abgeben. Was ihnen vor dem Eintritt sicher bewusst war, doch haben die Bürger der Länder so keinen Einfluss mehr auf gewisse Fragen. 72

Vgl. Schrötter 2016, S. 245


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Doch ist der Einfluss, wo es ihn heutzutage am meisten braucht, nicht gegeben. In Fragen in Bezug auf Migrations-, Aussen- und Sicherheits-, Innen- und Rechtspolitik und sensible Themen ist der Einfluss gering, da für diese Entscheidungen die Einstimmigkeit benötigt wird. Dies führt dazu, dass die Kommission solange Kompromisse eingehen muss, bis der Entscheid nicht mehr problemlösend ist. Im aktuellen System, wie am Anfang des Kapitels schon erwähnt, ist der Einfluss vom Rechtsleben, ob von der EU oder den Nationalstaaten auf die Wirtschaft durch Gesetze oder Subventionen enorm gross. Dies gilt genauso für das Geistesleben.


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3.4 Konklusion Das System das Europa heutzutage vertritt, hat Grosses geleistet und hat die Gesellschaft weit nach vorne gebracht, doch reicht dies nicht. Die Probleme verlangen nach einer Reformation, was unter dem wirren und unübersichtlichen Konstrukt der EU nicht mehr möglich ist. An sich ist das System der EU nicht schlecht, es weist einfach demokratische Probleme auf, sowie das Problem des Europäischen Rates. Die EU macht denselben Fehler wie die Mitgliedsstaaten, sie kontorollieren und verwalten über das Rechtsleben hinaus. Dies kann nicht das Fundament einer gesunden und vorbildlichen Gesellschaft sein. Das grösste Problem der europäischen Integration ist der Europäische Rat, in diesem entscheiden die Staats- und Regierungschefs die politischen Leitlinien und Richtungen. Mit diesem Rat ziehen die Präsidenten und Regierungschefs immer wieder nationale Karten und stellen sich so der europäischen Entwicklung entgegen. So kann die EU zum Beispiel keine gemeinsame Finanz- und Steuerpolitik führen. Dies hat England von ihrem Eintritt bis zum Austritt immer getan, man pflückte sich die guten Sachen raus und entzog sich bei Lösungen von europäischen Problemen, die sie nur Geld gekostet hätten, der Verantwortung. Diese Haltung führt zum Verlust der Solidarität, welche speziell heutzutage gefordert wäre. Das nächste grosse Problem ist die nicht gegebene Legitimität. Die Volksvertretung, das Europäische Parlament, wird nicht gleich gewählt. Durch den proportionalen Faktor gilt nicht das Prinzip „ein Bürger eine Stimme“, doch genau dieses bräuchten wir, um die Legitimität im Parlament zu begründen. So wie es jetzt ist steht, kann das Parlament keine wirkliche Vertretung der Unionsbürger darstellen, da nicht jeder gleiches Wahlrecht besitzt.


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Die starke Beeinflussung der Politik durch die Wirtschaft wirft weitere demokratische Fragen auf: Wer bestimmt nun und zu welchem Wohl, zum Wohl der Bürger oder dem der Wirtschaft? Weiter versucht jeder Mitgliedsstaat, zum Schutze der eigenen Bevölkerung und Wirtschaft die vier Grundfreiheiten zu untergraben. Der Gerichtshof ist zwar für diese verantwortlich, doch dauert die Rechtsprechung meist zu lange, sodass die Politiker ihre Interessen oft doch durchsetzen konnten. 73 Es gilt festzuhalten, dass die nationale Ebene eine europäische Integration nicht zulässt; für ein gemeinsames Europa müssen die Nationalstaaten überwunden werden. Ansonsten werden die Probleme die gleichen bleiben. Ein weiteres Problem des Bestehens der Mitgliedsstaaten ist, dass die wirtschaftlichen Leitungen immer in Konkurrenz stehen werden, was dann zu unsolidarischem Handeln führt. Das Grundproblem in unserer Gesellschaft ist, dass wir Lösungen anstreben und verwirklichen, die in Wirklichkeit keine Lösungen sind. Die Staaten verschulden sich hoch, um das schiefe Haus, welches unsere Gesellschaft darstellt, aufzurichten, anstatt mal das Fundament anzuschauen. Die Unfreiheit des Geisteslebens ist die grösste Barrikade, vor der die europäische Gesellschaft steht. Nach Wegen, diese Unfreiheit zu verhindern, wird nicht gesucht, geschweige denn nach wirklichen Lösungswegen für die sozialen Fragen oder die demokratischen Probleme in Europa.

73

Vgl. Wikipedia 2018


4.1 Soziale Frage........................................................................85 4.2 Europäischer Gedanke ......................................................89 4.3 Europäische Errungenschaften ........................................92 4.4 Ein Traum ...........................................................................94

4

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83 «Utopien sind künftige Wirklichkeiten, deren Eintritt wir erhoffen oder befürchten.» Lothar Schmidt, 199774 Europa braucht einen kompletten Bauplan, zu welchem wir dann hinstreben können. Wir brauchen eine Vorstellung oder einen Gedanken, welcher diskutiert werden kann, um eine Zukunft zu finden. Wir benötigen einen Bauplan, der eine gesündere Gesellschaft voraussieht, welche für die Lösung der sozialen Probleme auf der Welt ein Vorbild sein könnte. Die soziale Frage wird sich immer fortentwickeln und es werden immer neue Antworten darauf gesucht werden müssen,75 doch wäre ein gewisser Bauplan, ein gewisses System ein gutes Fundament für eine solche Gesellschaft. Auf die europäischen Errungenschaften und Erkenntnisse muss gebaut werden, damit sich eine gesunde Gesellschaft entwickeln kann. Um diese Werte und Errungenschaften weiterhin vertreten zu können, braucht diese Gesellschaft Gewicht in der Welt, welches ihr nur ein geeinter Kontinent bieten kann. Die Probleme heutzutage werden zu gross, um sie richtig auf nationaler Ebene lösen zu können. Deshalb brauchen einen geeinten Kontinent, um die heutigen Probleme gemeinsam zu lösen. Churchills Utopie der Vereinigten Staaten von Europa, aufgebaut wie die USA, ist nicht mehr zeitgemäss. Man muss den Gedanken, den Wunsch, der Zeit anpassen. Es gibt neue Ideen und Dinge, die berücksichtig werden müssen. Für eine Utopie muss man auf den Errungenschaften der Gesellschaft, die sie sich schon erarbeitet hat, aufbauen, damit diese realistisch und umsetzbar werden kann. Ohne den aktuellen Stand einzubeziehen kann man phantasieren und sich Gedanken 74 75

Vgl. gutzitiert.net kein Datum Vgl. Steiner 1961, S. 12


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machen, doch wäre eine solche Utopie meist nicht realistisch oder genug grossen Anzahl Menschen nah. Zudem stellt sich die Frage, was man grundsätzlich ändern möchte. Die Kernpunkte der sozialen Frage aus der Zeit der Industrialisierung sind zum Beispiel noch nicht gelöst.


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4.1 Soziale Frage 76 Bei einer Utopie eines gemeinsamen Europas geht es nicht nur darum, die Werte der Gesellschaft zu schützen, sondern auch darum, die Probleme zu lösen. Diese Probleme sind die Folgen des Weltbildes und des Aufbaus der Gesellschaft. Der Kern der sozialen Frage hat sich nicht geändert, es geht immer noch darum, als was man den Menschen ansieht. Welche Würden er besitzt, wie man ihn behandeln muss oder welche Rechte er besitzt, hängen vom Weltbild ab, aufgrund dessen wir Gesetze verabschieden.

Die Kernpunkte der sozialen Frage Was ist eigentlich der Mensch? Im 20. Jahrhundert wurde die Frage durch zwei verschiedene Staatskonzepte beantwortet. Dies sind die zwei Extreme des Kommunismus und des Kapitalismus.

Kommunismus Der Kommunismus ist ein Herrschaftssystem, dass Ursprünglich auf dem Werk von Marx beruht. Der Staat mit seinen Bedürfnissen und Machtansprüchen steht an erster Stelle. Die sozialen Freiräume sind durch den Staat gegeben. Im Kommunismus ordnet man alles der grossen Wirtschaft unter, welche vom Staat gelenkt wird. Dies bedeutet, dass die Wirtschaft und die Materie an erster Stelle stehen, wobei es das Spirituelle nicht gibt. Ausformuliert bedeutet dies, dass der Mensch eine Maschine ist.

76

Vgl. Burkart 2017


86

Ein neues Europa

Kapitalismus Im Kapitalismus wird das Verhältnis zwischen Mensch und Staat nicht klar definiert; aber das Wohlergehen der Wirtschaft und des Kapitals haben Vorrang. Der Mensch spielt nur eine kleine Rolle im grossen Wirtschaftsbetrieb; der Mensch ist also auch Teil einer Maschinerie. Beide Systeme sind materialistisch orientierte Systeme. Bei einem materialistischen System wird der Mensch nicht als Mensch wahrgenommen, sondern als Maschine, als kleines Zahnrädchen im System. Somit gleicht die Gesellschaft im Kapitalismus und im Kommunismus, einer Maschine.

Humanitäre Sichtweise Mit der Annahme, der Mensch sei eine Verbindung von Geist, Seele und Körper ergibt sich eine andere Sichtweise auf die Gesellschaft. So muss die Gesellschaft ein übergeordneter, sozialer Organismus sein. In der Zeit um 1850 war es ein weitverbreiteter Gedanke, dass Völker ein Organismus sind, die geboren werden, reifen und wieder sterben. 77 Die Gesellschaften in Europa reifen auch, zum Beispiel konnte sich die Freiheit im Geist unter der staatlichen Verwaltung entwickeln. Die Weiterentwicklung wäre die Befreiung des Geistes vom Staat, doch dies geschah nicht und so wurde der Reifungsprozess angehalten.

Die Folgen des materialistischen Denkens Die Folgen des materialistischen Denkens sind, dass man versucht Antworten zu Fragen nur auf der materiellen Ebene zu finden, auch wenn es nicht überall funktioniert. Das Denken ist in diesem Dogmatismus gefangen.

77

Vgl. Lasaulx 2003


Ein neues Europa

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Die Folgen bei den zwei gegensätzlichen Ideologien des Materialismus 78 sind verschieden, doch beide führen weg vom Menschen. Durch die Ideologie verengt sich das Denken, sodass es in beiden Fällen zu einer gewissen Unfreiheit des Geistes kommt; im Kapitalismus und Kommunismus kann man nicht das machen was man will, da man vom Geld gezwungen wird, weiter zu arbeiten. Beim Kommunismus zählt nur das vermeintliche Gemeinwohl, beim Kapitalismus zählt gar kein Gemeinwohl mehr. Der Staat im Kapitalismus versucht zu dieser Ideologie den Ausgleich zu finden. Dafür setzt er soziale Organisationen ein, dass das Gemeinwohl noch bestehen bleibt. Dies stellt neben den Unsummen, die dafür ausgegeben werden keine Lösungen für das Grundproblem dar. Wir lernen schon früh dieses Weltbild und lassen unser Leben davon bestimmen.

Das Fundament - der Staat Das Fundament ist das Problem in unserer heutigen Gesellschaft. Der Einheitsstaat kümmert sich um alles. So kann zentral regiert, kontrolliert und beeinflusst werden. Doch was ist eigentlich ein Staat? Wikipedia spricht von einer „politischen, rechtlichen Ordnung.“ 79 Was hat das mit der Bildung, Kultur oder Wirtschaft zu tun? Es ist eine grosse Machtstellung, die die Politiker wahrscheinlich nicht abgeben wollen. Durch die Verwaltung des Staates konnte sich eine Freiheit im Geistesleben entwickeln, doch kann diese nicht zum Tragen kommen, wenn der Staat das Geistesleben weiter reguliert und verwaltet.

78 79

Dem Kapitalismus und dem Kommunismus Vgl. Wikipedia 2017


88

Ein neues Europa

Die Dreigliederung der Gesellschaft Wir müssen neu denken, wir brauchen das organische Denken für den einzelnen Menschen, um eine organische Gesellschaft zu gestalten. Die Voraussetzungen für dieses Denken haben wir bereits. Die Gesellschaft ist eine Gemeinschaft von denkenden, fühlenden und wollenden Menschen, ein sozialer Organismus. Wie der menschliche Organismus sich in Geist, Seele und Körper oder Denken, Fühlen und Wollen gliedert, ist die Gesellschaft auch dreigliedrig. Die Organe des Körpers funktionieren alle autonom, doch sind sie zu jeder Zeit mit einander verbunden und im Diskurs, sonst kommt es zum Tod. 80 So kommt es zur Dreigliederung der Gesellschaft, in Geistes-, Wirtschafts- und Rechtsleben. Nach Rudolf Steiner setzt sich die wahre Gestalt der sozialen Frage aus drei grundsätzlichen Fragen zu Wirtschaft, Recht und Geist zusammen und den Idealen, die man ihnen zuordnet. 81

80 81

Vgl. Steiner 1961, S. 47 Vgl. Steiner 1961, S. 21


Ein neues Europa

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4.2 Europäischer Gedanke Um eine kontinentale Gesellschaft bilden zu können, muss man sich angehörig fühlen, muss man eine gemeinsame Identität haben. Der Gedanke von Europa als Ganzes wird schon lange von grossen Denkern und Philosophen gedacht. So sprach schon Jean Jacques Rousseau vor über 250 Jahren von einer europäischen Republik. Für diese Utopie, diejenige Churchills oder die meinige müssen die Bürger Europas zusammenleben wollen und sich zusammengehörig fühlen. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit verspürten seit dem Untergang des römischen Reiches viele Denker und Philosophen. Zu diesen zählten Dante Alighieri, Pierre Dubois und William Pen. Sie nahmen alle eine, wenn auch fast nicht spürbare europäische Identität wahr. Diese ist mittlerweile gewachsen; es gibt viele zeitgenössische europäische, von Bürgern getragene Bewegungen, welche ein geeintes Europa vorantreiben. Doch reicht diese für uns meist nur ausserhalb des Kontinentes spürbare Identität, um uns zusammenzuschliessen? Hat Europa eine solche bindende Kraft, wie die Nationen sie ausüben?

Die Identität der Nation82 Die Nationen haben in Europa heutzutage eine besonders starke Identität. La Grande Nation, zum Beispiel eint die Franzosen in vielerlei Hinsichten. So ist dies auch bei allen anderen Nationen in Europa, alle haben bei ihrer Identitätsbildung im 19. Jahrhundert den Willen sich zu einen aufgezeigt und sich abzugrenzen, einen Mythos erschaffen und sind so zur Nation geworden. Man spricht dabei von dem Drei-Schritte-Modell. Der erste Schritt ist der Wille einer Gemeinschaft, einer Volksgruppe, sich zu einen. Dieser kann aufgrund von einer Krise oder Krieg entstehen, oder aufgrund von gemeinsamen Werten, der 82

Der Begriff Nation umfasst eine Gemeinschaft mit einem übergeordneten Ziel.


90

Ein neues Europa

Sprache, der Rasse, der Geografie oder auf Grund von gemeinsamen Interessen. Der zweite Schritt ist die Suche nach einem Mythos, einer Sage, die den Zusammenschluss romantisiert erklärt. Dadurch entsteht dann als dritter Schritt die Nation. Aus heutiger Sicht betrachtet, müsste die Reihenfolge des Drei-Schritte-Modell umgeordnet werden. 83

Die europäische Identität Für eine europäische Identität braucht es weder eine gemeinsame Sprache, Rasse, Religion, Interessen noch Geografie. Es benötigt den Willen, sich zusammenzuschliessen sowie eine Vergangenheit, welche kultiviert werden kann. 84 Diesen Willen hat es nach dem zweiten Weltkrieg gegeben. Er hat die ganze Bevölkerung Europas ergriffen. Somit wäre eine europäische Identitätsbildung möglich gewesen. Doch wurde anstatt auf ein kulturelles Zusammenkommen auf ein wirtschaftliches gesetzt. Dieses liess die Bevölkerung aussen vor, was dazu führte, dass sich die Bürger Europas nicht als solche, sondern als Franzosen, Engländer oder Deutsche sehen. Der Wille zur Einigung ist mittlerweile in der Bevölkerung wieder gar gering geworden. Es gäbe viel, worauf eine solche Identität ruhen könnte, vieles was die Bevölkerung Europas einen könnte. Die Werte 85 und die gemeinsamen Errungenschaften bilden die grösste Bindung zwischen den Nationen. Diese in die Zukunft führen zu wollen, könnte uns einen. Es gibt eine europäische Identität, auch wenn die Bürger sie vielleicht weniger verspüren. Eine Identität, die nicht auf den herkömmlichen identitätsbildenden Faktoren beruht, sondern auf Errungenschaften und Werten, die die europäische Gesellschaft teilt. Vgl. Mariani 2016, S. 9 - 22 Vgl. Mariani 2016, S. 34 - 37 85 Siehe Kapitel 3 83 84


Ein neues Europa

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Ein neues Europa sollte auf den Werten und Errungenschaften gegründet werden und uns unsere Identität als Europäer geben. Wir teilen diese Werte und könnten sie als geeinter Kontinent nach aussen tragen.


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Ein neues Europa

4.3 Europäische Errungenschaften Eine neue europäische Gesellschaft muss die Errungenschaften und Werte, die sie sich erkämpft hat, kennen und darauf aufbauen. Europa ist ein alter Kontinent, mit verschiedenen sehr alten Kulturen. In Jahrhunderten hat sich die europäische Gesellschaft in den verschiedenen Ländern Werte errungen und gesellschaftliche Rechte erkämpft, welche auch in der Zukunft gewahrt werden müssen.

Die Demokratie Die Demokratie, ist, wie Winston Churchill mal sagte „die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“ 86 Sie gibt die Macht dem Volk, wie in Kapitel 0 Recht und Regierung näher dargelegt ist. Die erste Form von Demokratie finden wir im alten Griechenland. Im Jahre 462 v. Chr. wurde, ausgehend von den Naturrechten, die Idee der Gleichberechtigung entwickelt. Man wollte mitbestimmen, doch hatte man dieses Recht nur, wenn man weder Frau, noch Sklave oder Ausländer war. In der ersten Form der Demokratie entschieden Athener, die über 20 Jahre alt waren, zusammen über Krieg und Frieden. Die Demokratie stand damals für die Gleichberechtigung der Männer von Athen, heutzutage steht sie für die Gleichheit aller. Jeder darf und soll wählen gehen und die meisten Europäer nehmen diese Pflicht an. 87 Diese Errungenschaft, das Mitbestimmungsrecht, ist ein unglaublich wichtiges Recht, das uns die Selbstbestimmung gewährleistet und uns so Freiheit in unseren Entscheiden sichert.

86 87

Vgl. zitate.net kein Datum Vgl. Wikipedia 2017


Ein neues Europa

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„Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ Mit der französischen Revolution wurden grundlegende Ideale ausgesprochen. Die Freiheit der Menschen, die Gleichheit zwischen den Menschen und die Brüderlichkeit untereinander. Die Freiheit zu denken und zu leben war ein grosser Schritt, das Ideal der Brüderlichkeit griff die Nächstenliebe der Kirche auf und schuf somit einen Wert für Nicht-Gläubige. Das Ideal der Gleichheit war wohl das, was man zu der Zeit am meisten spürte und auch wollte. Dies setzte Bürger, die Adligen und die Könige gleich. Jeder Mensch hat die gleichen Reche. Dies sind grosse Werte und Errungenschaften der damaligen, unterdrückten, französischen Gesellschaft. In unserer heutigen Gesellschaft kommen nur zwei der drei Ideale zum Tragen. Wir finden die Freiheit in der Wirtschaft, also im Handel untereinander, Gleichheit der Menschen vor dem Recht und nur eine gewisse Freiheit im Geiste.

Der Friede und die Menschenrechte Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges kam es nach Jahrhunderten, die von Kriegen und Unterdrückung durchzogen waren, zu Frieden. Ein Krieg verlangt einer Gesellschaft enorm viel ab, weshalb die Errungenschaft des Friedens zu einer der wichtigsten der Europäer geworden ist. Während der Zeit nach dem Krieg kamen Organisationen wie die UNO auf, um die Menschenrechte zu schützen; wie gut dies funktioniert, sei mal dahingestellt. Trotzdem setzen sich die Menschen, speziell in Europa, für die Menschenrechte ein. Wir vertreten Werte, wie das Verbot der Todesstrafe oder der Kinderarbeit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau, von Mensch zu Mensch. Diese Werte müssen gehalten und geschützt werden, egal wie hoch der wirtschaftliche Druck der internationalen Mächte ist.


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Ein neues Europa

4.4 Ein Traum Ein neues Europa: In diesem neuen Europa geben drei Organe der Gesellschaft ihre Form. Die europäische Gesellschaft ist eine Willensgemeinschaft! Mit der Abschaffung der Nationalstaaten können sich die Bürger für ein wirkliches gemeinsames Europa entscheiden. So wird es nun für alle eine gemeinsame, bindende Verfassung, die die Rahmenbedingungen für eine gesunde Gesellschaft setzt, geben. Sie dient den Menschenrechten und dem Frieden als Fundament. Dies führt dazu, dass die drei verschiedenen Lebensbereiche, Geistes-, Wirtschafts- und Rechtsleben für ein menschliches Europa sorgen. Diese Bereiche sind voneinander getrennt und unabhängige Organe, ihnen werden die Ideale der Französischen Revolution zugeteilt; um die soziale Frage zu lösen. Im Rechtsleben finden wir die Gleichheit: jeder ist gleich und hat die gleichen Rechte zu sein, zu wählen oder zu arbeiten. Jeder hat ein Recht auf Selbstbestimmung. Im Wirtschaftsleben finden wir die Brüderlichkeit; jeder gibt so viel für eine Ware, wie er kann und der Produzent verlangt so viel, wie er für seinen Lebensunterhalt braucht. So findet keine wirtschaftliche Ausbeute mehr statt. Im Geistesleben finden wir die Freiheit; jeder darf denken und aussprechen, was er möchte und ist zudem nicht abhängig vom Staat oder Wirtschaft. Die wirkliche Freiheit im Geist ist das Wichtigste was es zu erreichen gibt. Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen würde der Staat eine grosse Freiheit im Tun und im Geist ermöglichen. Die Bildung soll nun von verschiedenen Schulen, mit verschiedenen pädagogischen Ansätzen geführt werden. In einem europäischen Bildungsrat besprächen Pädagogen mögliche Abschlüsse oder Lehrpläne.


Ein neues Europa

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Im jetzigen Europa werden viele Entscheidungen in Brüssel getroffen, was zu einer Zentralisierung und einer bürgerfernen Regierung führt. Im neuen Europa sollen mit der direkten Demokratie sowohl in den Provinzen als auch für den gesamten Kontinent viele Entscheidungen im Sinne des Bürgers möglich werden. Es geht darum, dass die Bürger grosse regionale Selbstbestimmung haben, was zu einer Dezentralisierung führt. Die Kontinentalregierung kann, falls die Provinzen dies anfordern, helfend unter die Arme greifen. Eine Dezentralisierung würde es auch in der Wirtschaft geben, mit lokalen Währungen. Neben der gemeinsamen kontinentalen Währung, würden die lokalen Unternehmen gefördert; dies würde zumindest die regionale Brüderlichkeit fördern. Und mit einer gemeinsamen Finanz- und Fiskalpolitik käme es nun wieder zum Ausgleich innerhalb von Europa. Mit diesem gemeinsamen Europa würden wir unsere Werte und Errungenschaften auf der Welt vertreten und schützen können, mit diesem gemeinsamen Europa könnten wir Menschen richtig frei sein und unser Umfeld demokratisch mitgestalten.


5.1 Aufbau .................................................................................99 5.2 Recht und Regierung.......................................................105 5.3 Wirtschaft ..........................................................................106 5.4 Geistesleben ......................................................................108

5

Ein neues System


97 «Eine Anregung zu einem Wege nach sozialen Zielen, die der gegenwärtigen Lebenswirklichkeit und Lebensnotwendigkeit entsprechen[…].» Rudolf Steiner, 191988 Um eine Gesellschaft, wie in Kapitel 4 beschrieben aufzubauen, benötigen wir ein neues Sys-tem. Ein System, welches der Gesellschaft gerecht wird. Neben der Dreigliederung der Gesell-schaft, in Rechts-, Wirtschafts- und Geistesleben, muss Europa von Grund auf neu struktu-riert werden. Es stellen sich Fragen nach Zentralismus oder Föderalismus, nach der Eintei-lung des Kontinenten sowie nach den demokratischen Rechten. Auf den Errungenschaften Europas gründen wir ein neues Europa, eines das für eine gesun-de und vorbildliche Gesellschaft steht. Die grössten Errungenschaften89 Europas sind die De-mokratie, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, der Frieden und die Menschenrechte. Mit die-sem neuen System kommen alle Errungenschaften zum Tragen. Die Demokratie und die Gleichheit für das Rechtsleben, die Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben und die Freiheit im Geistesleben. Der Frieden, die Menschenrechte und eine gemeinsame Verfassung bilden das Fundament dieser drei Organe. Für eine faire und austarierte Regierung bietet sich das demokratische System der Schweiz an.90 Die Schweiz ist eine Föderation und wird durch direkte Demokratie regiert, bei welcher die grösste Macht in der kleinsten politischen Instanz liegt. Dies verhindert Ungleichheit und bürgerfernes Regieren. Somit würde Europa in Provinzen unterteilt, welche souverän ihre Kommunen verwalten und unter der gemeinsamen Verfassung der kontinentalen Regierung regieren würden. Vgl. Steiner 1961, S. 21, 22 Siehe Kapitel 4.3 90 Siehe Anhang A.3 88 89


98

Ein neues System

Das Geistesleben, also Schul- und Kulturwesen würden von rechtlichen Organ getrennt, die Wirtschaft würde wie jetzt auch vom Recht getrennt sein, sie würde nur unter den Umweltschutzgesetzen und den Menschenrechten stehen. Eine Gesellschaft, die auf Dreiteilung setzt und einen ganzen Kontinent vereinen will, braucht einen gewissen Aufbau und Regelungen.


Ein neues System

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5.1 Aufbau Der Aufbau ist simpel, es gibt drei verschiedene Organe in einer Gesellschaft, die des Geistes, des Rechtes und der Wirtschaft. Diese sind jeweilig komplett voneinander getrennt und haben eine eigene Organisation. Natßrlich stehen alle drei unter dem Recht das die Verfassung voraussetzt, doch agieren und organisieren sich die drei Organe ihr Gebiet unabhängig voneinander. Diese drei Organe der Gesellschaft stehen im stetigen Diskurs miteinander um eine gesunde und fortschrittliche Gesellschaft zu ermÜglichen.

Abb. 12 Die drei Organe der Gesellschaft


100

Ein neues System

Die Grundlage für das System Die Grundlage sind die gemeinsame Verfassung, der Frieden und die Menschenrechte. Alle drei Organe müssen unabhängig voneinander bestehen und sich weiterentwickeln können. Dadurch entsteht die Einheit der Gesellschaft. 91 Die vorgeschlagene politische, wirtschaftliche und geistige Ordnung soll als Diskussionsgrundlage dienen, um einen Aufbau zu realisieren. Diese Ordnung ist nicht absolut, sie kann und muss sich mit der Zeit verändern. Das einzige was immer gewährleistet werden muss, ist die Dreigliederung und die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der einzelnen Organe.

Eine neue Einteilung des Kontinents Die Grenzen, die wir heutzutage kennen, sind Grenzen, die durch Krieg, Gewalt und Unterdrückung zustande gekommen sind. Diese Grenzen verleiten dazu, zurück in alte Bedingungen oder Verhältnisse zu fallen. Für ein möglichst selbstbestimmendes und demokratisches Leben dürfen die Provinzen 92, die zweitgrösste politische Einheit des Kontinentes, nicht zu grosse Umfänge haben. Man teilt den Kontinent in Provinzen ein, die ca. die Grösse der Bundesländer in Deutschland haben. Diese werden dann nach Gemeinden und Kommunen gegliedert. Jede der Provinzen hat seine eigene Verfassung. Diese dürfen sie auch ändern, solange diese nicht im Widerspruch zu Europaverfassung steht.

91 92

Vgl. Steiner 1961, S. 17 Vgl. Landesbezirke, Bundesländer, Kantone etc.


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101

Die Aufgabenteilung der Regierungen wird in der Europaverfassung festgehalten, wobei dort das Prinzip der Subsidiarität 93 angewandt wird. So lässt die Kontinentalregierung den Provinzen für diese erfüllbaren Aufgaben Autonomie und steht helfend zur Hand, wenn diese ihre Unterstützung fordern.

Die Europäische Föderation94 In der Utopie, in der das Schweizer System als Grundlage dienen würde, wäre Europa eine Föderation. Dies würde für die Provinzen bedeuten, dass diese jeweils souverän sind.

Dezentralisierung Die kleinste Instanz hat die grösste Macht: Dies ist der Grundsatz bei der Machtfrage. Aufgaben werden nur von den Provinzen übernommen, wenn die Kommunen sie nicht mehr genügend gut erfüllen können. Dies geht weiter bis zur Regierung Europas. Das einzige, was die Regierung vorgibt, sind die Richtlinien und die Gesetzte, an welche sich die kleineren Instanzen halten müssen. So ist trotz Individualität Gerechtigkeit gewährleistet. Der Aufbau der Europäischen Föderation besteht aus drei Regierungsschichten (dreistufiger Staatsaufbau95).

„Subsidiarität (von lateinisch subsidium „Hilfe, Reserve“) ist eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Maxime, die Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und die Entfaltung der Fähigkeiten des Individuums, der Familie oder der Gemeinde anstrebt.“ Vgl. Wikipedia 2017 94 Im Anhang ist das Schweizer Politiksystem erklärt, siehe A.3 95 Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, S. 35 93


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Kontinentale Ebene Die kontinentale Regierung der Europäischen Föderation ist verantwortlich für die Gesetzesbildung, politische Ausrichtung, zukunftweisende Strategien und Problemlösungen. Sie geben die beschränkenden Faktoren an. Die kontinentale Regierung erfüllt die Aufgaben, die ihr die europäische Verfassung zuweist oder die einheitlicher Regeln bedürfen. Zudem führen sie die Aussenpolitik, die Sicherheitspolitik und Geld- und Währungspolitik. Im Bezug auf Umweltschutz, Zivil- und Strafrecht und Asywesen gibt die Kontinentalregierung die Gesetzte vor und die provinziellen Regierungen müssen diese dann umsetzten.

Provinzielle Regierung Die Provinzen bilden die zweitgrösste regierende Instanz. Sie sind die ausführenden Instanzen. Der Aufbau der Provinzen ist der eines zentralistischen Staates. Dies führt mit sich, dass sie, nebst einer eigenen Verfassung, ein Parlament und eine Regierung haben. Die Provinzialebene ist in der Europäischen Föderation die ausführende Gewalt der Beschlüsse der kontinentalen Regierung, ausser in den Bereichen Strassen- und Steuerwesen, die gemeinsam besprochen werden. Das Polizei- oder Gesundheitswesen wird nicht von der Kontinentalregierung vorgegeben. In diesen Bereichen entscheidet die Provinz autonom. Strassen und Steuerwesen sind Teilaufgaben von provinzieller und kontinentaler Regierung.

Kommunale Regierung Die Kommune 96 ist die kleinste politische Instanz im europäischen System. Trotzdem hat sie eine kommunale Verfassung, ein gesetzgebende -, eine ausführende -, und eine richterliche Behörde. 96

Vgl. Gemeinde, Ansiedlungen etc.


Ein neues System

103

Sie führt die Entscheide der kontinentalen und provinzialen Regierung aus. Die kommunale Ebene bekommt das meiste vorgeschrieben, doch darf sie bei Dingen selber regeln, die den Ort direkt betreffen. 97

Die Wirtschaft Die Wirtschaft wird sich frei entwickeln und muss nur die geschaffenen Rahmenbedingungen der Föderation einhalten, formuliert in der Verfassung und den darin niedergeschriebenen Menschen rechten. Es gibt auf der kontinentalen und provinziellen Ebene jeweils ein Wirtschaftsparlament, das sich aus Ökonomen nach Fachkompetenz zusammensetzt. Das Wirtschaftsparlament kümmert sich um den geregelten Wirtschaftskreislauf und teilt die Subventionierungen der Wirtschaftszweige auf. Die einzelnen Provinzen müssen einzelne Währungen neben der kontinentalen Währung haben, um eine natürliche Dezentralisation zu gewährleisten und lokale Unternehmen zu unterstützen.

Bildung- und Kultur Wir brauchen in Europa trotz aller Freiheit im Geistesleben eine Organisation, einen Rat, der die Bildung regelt. Der Europäischer Bildung- und Kulturrat wird nicht demokratisch gewählt; sondern setzt sich aus Pädagogen zusammen. Es stellt sich hier die Frage nach der Freiheit in der Bildung: Darf es eine Verallgemeinerung, die zu einem gewissen Grad durch so einen Bildungsrat entsteht, geben?

97

Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, 34 & 35


104

Ein neues System

Abb. 13 Ein mรถglicher Systemaufbau (vereinfacht)


Ein neues System

105

5.2 Recht und Regierung Das Rechtsleben „hat es zu tun mit dem, was da sein muss im sozialen Organismus wegen des Verhältnisses von Mensch zu Mensch“ Rudolf Steiner, 1919 98 Im Rechtsleben herrscht Gleichheit. Jeder Mensch ist gleich im Verhältnis zueinander. Jeder hat das gleiche Stimmrecht, so wird der Volksvertretung Legitimität zuteil. Dies ist unabkömmlich für ein zukunftweisendes Europa.

Regierung Wichtig ist, dass die Regierung nur noch Hoheitsaufgaben innehat. Sie verwaltet Recht und Staat und nimmt keinen Einfluss auf das Geistesleben und reguliert nicht die Wirtschaft. Sie kümmert sich rein um das Rechtsleben, also das, was zwischen Mensch und Mensch ist, da wo jeder Mensch gleich ist. 99 Der Staat ist verantwortlich für ein gutes Umfeld in einer Gemeinschaft; er legt dafür die Rahmenbedingungen in der Verfassung fest.

Recht Für jeden Menschen in Europa gelten die gleichen Grundrechte; diese werden in der europäischen Verfassung festgelegt.

98 99

Vgl. Steiner 1961, S. 51 Vgl. Burkart 2017


106

Ein neues System

5.3 Wirtschaft Das Wirtschaftsleben „hat es zu tun mit all dem, was da sein muss, damit der Mensch sein materielles Verhältnis zur Aussenwelt regeln kann.“ Rudolf Steiner, 1919 100 Die Wirtschaft beschäftigt sich nur mit dem was der Mensch braucht, also der Produktion, dem Transport und der Verbrauch von Gütern 101. Nicht mehr, nicht weniger. 102

Wirtschaftliche Assoziationen Um ein möglichst faires Wirtschaften zu ermöglichen müssen Produzenten, Händler und Konsumenten Assoziationen bilden. In diesen Assoziationen wird der Preis besprochen, damit es zu einer Brüderlichkeit in der Wirtschaft kommen kann.

Entlöhnung Es muss auch neu bei der Lohnfrage umgedacht werden. Der Mensch, der in der Wirtschaft arbeitet ist Produzent. Er ist nicht Angestellter. Ein Unternehmen produziert Güter, welche einen gewissen Wert auf dem Mark haben. Der Arbeitnehmer leistet einen Beitrag an diesen Gütern. Er ist somit Produzent eines Gesamtproduktes. Er wird so an den Unternehmenserfolgen direkt beteiligt, ebenso wie an den Misserfolgen. Dieser wirtschaftliche Beitrag muss nach seinem Arbeitsaufwand und seinem Können, seiner Naturgrundlage im Verhältnis zu seiner Beteiligung am Produkt entlohnt werden.

Vgl. Steiner 1961, S. 51 Güter stehen hier für das Produkt an sich, können somit auch Dienstleistungen sein. 102 Vgl. Steiner 1961, S. 51 100 101


Ein neues System

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Rudolf Steiner spricht von einer Naturgrundlage, sie bezeichnet das, was der einzelne Mensch lernen, durch die Erziehung und das Leben werden kann. Diese Naturgrundlage, zusammen mit dem Arbeitsaufwand und dem Anteil an einem Produkt, bestimmt den Lohn den der Mensch erhält. 103

103

Vgl. Steiner 1961, S. 52


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Ein neues System

5.4 Geistesleben Das Geistesleben „hat zu tun mit all dem, was hervorspriessen muss und eingegliedert werden muss in den sozialen Organismus aus der einzelnen Individualität heraus.“ Rudolf Steiner, 1919 104 Das Geistesleben kümmert sich um alles, was auf natürlichen Begabungen des einzelnen Individuums beruht.

Bildung Die Freiheit im Geistesleben führt zum Wegfall der staatlichen Bildungseinrichtungen. Es gibt verschiedene Schulen mit verschiedenen Schwerpunkten und Methoden. So kommt es zu einer Vielfalt der verschiedenen Erziehungsarten. In der Schule muss der freie Mensch geformt werden.

Einkommen Das Einkommen eines Menschen gibt ihm die Grundlage zu leben; er ist extrem abhängig von ihm. Um wirkliche Freiheit im Geist zu ermöglichen darf der Mensch nicht mehr existentiell von der Wirtschaft abhängen. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wäre der Mensch nicht mehr an die Wirtschaft gebunden und somit in seinen Entscheidungen und Gedanken frei. Freiheit im Geist führt dazu, dass die Gesellschaft immer in Richtung des Sozialen gehen wird. 105

104 105

Vgl. Steiner 1961, S. 51-52 Vgl. Steiner 1961, S. 13


Ein neues System

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6

Von der Utopie zur Wirklichkeit


111 « Das Wesentliche aller echten Veränderung ist die Veränderung des Wesentlichen.» Peter Amendt, 1944106 Eine Utopie ist nicht Zeit zeitgebunden, sie könnte jeder Zeit eintreten oder auch nicht. Doch grade jetzt ist eine Aufbruchsstimmung in Europa spürbar. Sinnbildlich dafür sind die jungen Menschen, die wieder für Europa auf die Strassen gehen. Es gibt verschiedene Bewegungen, die von einem geeinten Europa oder von einem Europa mit mehr Demokratie träumen. Diese Bewegungen geben Mut sich für dieses Gemeinschaftsprojekt Europa einzusetzen. Die Zukunft Europas ist ungewiss, wir stehen am Scheideweg. Es gibt verschiedene Wege mit verschiedenen Konsequenzen. Doch gibt es nun einen Weg aus dieser Krise? Gibt es eine Utopie die angestrebt werden kann?

Die Antwort auf die Fragestellung Anfangs der Arbeit schrieb ich über die Krise, in der wir uns befinden und stellte die folgenden zwei Fragen: „Was ist am aktuellen System Europas sinnwidrig, dass wir uns in dieser Krise befinden und gibt es ein System für den Aufbau einer kontinentalen Gesellschaft, das eine gesunde und vorbildliche europäische Gesellschaft ermöglichen könnte?“

106

Vgl. Aphorismen.de kein Datum


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Von der Utopie zur Wirklichkeit

Die Fehler des heutigen europäischen Systems: Im heutigen Europa finden wir grundlegende Missstände, die die verschiedenen Krisen verstärken. Zum einen wäre da die ungelöste soziale Frage, welche mit der vertretenen Weltanschauung assoziiert. Zum Andern ist da die Ausschliessung der Bürger von den politischen Fragen, die nicht gegebene Legitimität des Europäischen Parlaments und die verschiedenen Finanz- und Fiskalpolitiken der Mitgliedsstaaten, um nur einige Probleme zu nennen. Das Kapitel 3.4 ist eine detaillierte Beantwortung dieser Frage.

Ein neuer Aufbau Ja, es gibt einen Bauplan für Europa! Die europäische Gesellschaft ist möglich. Wir alle teilen Werte und Errungenschaften, die zu einer europäischen Identität führen und ein gesundes Europa ermöglichen würde. Grundlegend für ein neues Europa mit einer gesunden und vorbildlichen Gesellschaft ist die Überwindung der Nationalstaaten. Man teilt den Kontinent in Provinzen. Als Rechtsaufbau kommt das Schweizer System und das System der direkten Demokratie zum Tragen, welche Europa föderalistisch macht und für Gleichberechtigung der europäischen Bürger sorgt. Dadurch löst man zwei wichtige Probleme, die wirtschaftlichen Unterschiede in Europa, welche Armut in Europa hervorbringen und noch viel wichtiger die demokratischen: Jeder ist in einer Föderation gleich. Zudem bringt das Schweizer System eine Dezentralisierung und viele Selbstbestimmungsrechte für die einzelnen Provinzen, was zeitgemäss wäre und auch die natürliche Diversität in Europa ermöglichen würde, welche es schon besitzt. Weiter wird durch eine Europäische Föderation Europa wieder zu einem Gewicht in der Welt, welches für die gesellschaftlichen Werte einstehen und grosse Weltprobleme, wie die Klimaerwärmung effektiv in die Hand nehmen könnte.


Von der Utopie zur Wirklichkeit

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Zum anderen liegt der Suche nach einem neuen System, welches eine gesunde Gesellschaft ermöglichen soll, die Lösung der sozialen Frage zu Füssen. Grundlegend für die soziale Frage ist das Weltbild, das in der Politik vertreten wird. Das materialistische Weltbild muss durch ein humanitäres ersetzt werden, bei welchem man den Mensch als Wesen akzeptiert, das sich aus der Verbindung von Geist, Seele und Körper zusammensetzt. Rudolf Steiner zeigt in seinem Werk „Die Kernpunkte der sozialen Frage“ auf, dass die Gesellschaft ein sozialer Organismus ist, welcher sich in drei Organe, die Wirtschaft, das Recht und den Geist gliedert. Für die Lösung der sozialen Frage müssen diese drei Organe voneinander getrennt werden, autonom funktionieren und ihnen die richtigen Ideale, wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zugeordnet werden. Es geht um die sogenannte Dreigliederung der Gesellschaft. Das Wirtschaftsleben vertritt das Ideal der Brüderlichkeit, das Geistesleben das Ideal der Freiheit und das Rechtsleben das Ideal der Gleichheit. Dies gäbe eine Basis, um soziale Probleme, welche immer wieder auf uns zukommen werden besser zu erkennen und zu lösen. Das Grundlegende, was zuerst gelöst werden muss, ist die Unfreiheit im Geiste. Diese wird durch die wirtschaftliche und staatliche Abhängigkeit des Menschen hervorgerufen. Wir müssen eine dreigegliederte europäische Gesellschaft anstreben. Dies ist das Grundgerüst des Neuen Europas.


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Von der Utopie zur Wirklichkeit

Die ersten Schritte zur Wirklichkeit In den nächsten Jahren muss sich das Geistige vom Staat lösen. Dies fördert, wenn auch anfangs nur auf nationaler Ebene, ein Umdenken. Was zur Gründung eines neuen Europas notwendig ist. Die EU hat viel erreicht, hat nach dem Krieg für ein stabiles gemeinsames Europa gesorgt. Doch ist sie in einer Situation angelangt, in der sie sich nur noch schwer den gegebenen Umständen anpassen kann. Bis die Länder bereit sind, ein neues Europa zu begründen, bleibt die EU erhalten. Um in dieser Zeit ein möglichst faires und ausgeglichenes Europa zu ermöglichen braucht es eine gemeinsame Fiskal- und Finanzpolitik. Dies ist die im Moment notwendigste Massnahme für die Übergangszeit.


Von der Utopie zur Wirklichkeit

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7.1 Publikationen ...................................................................118 7.2 Unterricht ..........................................................................122 7.3 Europakongress................................................................127

7

Praktische Arbeite


en

117 Als ich mein Abschlussarbeitsthema gewählt habe, tauchte ich in ein für mich komplett neues Gebiet, der Politik in Europa ein. Ich merkte schnell, dass, wenn ich mit meinen gleichaltrigen Mitmenschen über Europa sprechen wollte, die meisten nur eine vage Vorstellung vom jetzi-gen Europa haben; die meisten wissen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges viel und da-nach weniger. Man bekommt plakative Schlagworte wie Kalter Krieg oder Fall der Berliner Mauer zu hören. Natürlich sind dies prägende Ereignisse im 20. Jahrhundert. Doch wirklich wissen, wieso es eine Europäische Union gibt, woraus diese entstanden ist und was diese ge-nau Europa bringt, wissen nur wenige. Dies hängt sicher nicht mit einem Desinteresse von unserer Generation zusammen, welches uns immer wieder unterstellt wird, sondern mit der schulischen Bildung und deren Gewich-tung in Geschichte und Politikwissenschaften. Das Thema ist hoch spannend und essentiell. Wir müssen wissen, woher wir kommen, wir müssen wissen, wie das System funktioniert, in dem wir leben. Ohne dieses Wissen können wir uns keine eigene Meinung bilden. Natürlich ist dies von Land zu Land, von Schule zu Schule und von Lehrer zu Lehrer unter-schiedlich und deshalb nicht als absolut zu sehen. Trotzdem stimmt der Grundtenor. Man sagt noch schnell, die Jugend sei desinteressiert, die Jugend kümmere sich nur um ihre eigene Welt, doch muss die Gesellschaft ihr auch die Grundlagen geben, interessiert zu sein. Denn nicht jeder hat ein Jahr Zeit, um sich mit der Politik und Geschichte unseres Kontinents auseinander zu setzen. Aus diesen Gründen beschloss ich, dass ich mein Wissen, welches ich mir erarbeitet habe, mit meinen Mitmenschen zu teilen und ihnen somit die Chance zu geben, sich zu interessieren.


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Praktische Arbeiten

7.1 Publikationen Ich hatte vor ca. einem Jahr das grosse Bedürfnis zu schreiben, zu schreiben über Politik und soziale Missstände. Ich hatte nur vage Vorstellungen wie viel Zeit dies in Anspruch nehmen würde, denn wirklich viel geschrieben hatte ich bis dahin ausserhalb des Unterrichtes nicht. Ich gründete zwar Anfangs des 11. Schuljahres mit zwei Mitschülerinnen und drei 12. Kolosserinnen eine Schülerzeitung, doch war ich für den Rahmen der Zeitung verantwortlich, dazu gehörten Layout und Gestaltung. Somit hatte ich einen Ort, an dem ich meine Texte veröffentlichen konnte. Ich wollte Stück für Stück Europa erklären, damit sich alle eine Meinung bilden können. So kam es zur Idee einer Webseite, auf welcher ich dies zusätzlich veröffentlichen könnte.

Blog-Bar.ch Im Februar 2017 ging nach einem Wochenende voller Arbeit die selbst gestaltete Internetseite online. Damals veröffentlichte ich einen Text über Trump, welcher vier Szenarien vorstellte, wie es in den USA weiter gehen könnte und Moritz Schiller, mit dem ich das Projekt ins Leben gerufen hatte, schrieb über das Glück in der heutigen Gesellschaft. Leider blieb es bei diesen zwei Artikeln. Das Projekt war zu gross, um neben Schülerzeitung, Hobby etc. einen Platz in meinem täglichen Ablauf zu finden. Auch wenn die Seite bis dato ungenutzt ist, lernte ich viel über Gestaltung, Aufbau und Verwaltung einer Webseite. Sie gibt mir nun eine Plattform, auf welcher ich jederzeit Texte veröffentlichen kann.

Zeitung Die Schülerzeitung der Rudolf Steiner Schule Basel, SchoolTimes, war nach dem Ausstieg der Gründerin ein grosses Projekt, welches nun mit meinen zwei Mitschülerinnen Amira Linders, Julia Wolf und mir wachsen oder scheitern durfte. Zum Glück fanden sich drei Schüler aus der


Praktische Arbeiten

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damaligen 10. Klasse, Tim Züger, Sophia Krummen und Julia Döhn, mit deren Hilfe wir die dritte Ausgabe im Mai publizieren konnten. In dieser Ausgabe veröffentlichte ich dann auch meinen ersten Text über die Geschichte des gemeinsamen Europas.

Abb. 14 Artikelauszug „Geschichte des Gemeinsamen Europas“ in der SchoolTimes N°03, Vgl. H. Weiss, Geschichte des Gemeinsamen Europas 2017, S. 4 & 5


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Praktische Arbeiten

Mit diesem Artikel konnten sich die Schüler der Rudolf Steiner Schule Basel einen vereinfachten Überblick über die Geschichte Europas verschaffen. Rückblickend war der Artikel ein wenig zu verschlungen und nicht ganz komplett. Doch für meinen Wissensstand vor mehr als einem dreiviertel Jahr war der Text gut. Das Projekt der Schülerzeitung nahm richtig Fahrt auf, so kam es vor den Herbstferien zu einer weiteren Ausgabe. In dieser schrieb ich einen Kommentar über Europa und wie es weiter gehen sollte sowie eine Aufforderung zur eigenen Meinungsbildung (siehe beide Texte im Anhang A.4).

Abb. 15 Artikel „Nun wie weiter" und „Es liegt bei uns was geschieht“ in der SchoolTimes N°04, Vgl. H. Weiss 2017, S. 4 & 5


Praktische Arbeiten

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Mit diesen beiden Kommentaren wollte ich eine Diskussion anregen. Was soweit ich gehört habe, teilweise funktioniert hat. Diese SchoolTimes ist für die Schüler der RSSB eine Möglichkeit, eine Plattform, die unbedingt erhalten werden muss. In ihr können Schüler auf Probleme aufmerksam machen und Interesse für verschiedenste Dinge wecken. Das Veröffentlichen in einer Zeitung ist herausfordernd, speziell wenn einen alle, die den Artikel lesen, kennen. Das Absenden, das Loslassen, war immer wieder aufs Neue schwierig; man hofft, dass die Leser den Artikel verstehen und gut finden werden, man hofft, dass man den Menschen etwas Mitgeben konnte. Der Unterschied vom Internet zur gedruckten Zeitung ist gross. Im Internet kennt man meistens die Menschen nicht, die den Artikel lesen; zudem kann man Fehler nachträglich korrigieren oder ganze Artikel wieder löschen. Bei einer Zeitung geht dies nicht. Trotz allem ist das „Inhändehalten“ der frisch gedruckten Zeitung diesen Stress und Aufwand äusserst wert. Als Abschluss der Europathematik in der Schülerzeitung geben wir, das Redaktionsteam, auch eine Extraausgabe zum Thema Europa heraus. Mit dieser kann ich mein anfängliches Ziel, meine Mitmenschen über Europa zu informieren und ihnen die Chance zu geben sich zu interessieren, erreichen. Die Zeitung gewinnt mit jeder Ausgabe an Vielfalt und Diversität. Es hat sich gelohnt, diese vielen Stunden der Arbeit in dieses Projekt zu geben und ich hoffe, sie bleibt noch für die nächsten Jahre bestehen und dient weiterhin als Basis der Erklärung der Welt.


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Praktische Arbeiten

7.2 Unterricht Im Herbst 2017 wurde ich gefragt, ob ich nicht einen Vortrag über Europa im Geschichtsunterricht der 11. Klasse halten wolle. Ich entschied mich, das Angebot anzunehmen, wenn ich unterrichten dürfte und 1 ¾ Stunde Zeit bekommen würde. Da mir dies Georg Jost, der Geschichtslehrer, zusicherte, legten wir die Woche fest, in der ich in die Klasse kommen sollte. Die Idee zu unterrichten, mein Thema zu unterrichten, gefiel mir sehr. Ich durfte das vermitteln, was mir im Unterricht immer gefehlt hat. Es war eine grosse Chance, eine Chance ein neues Gebiet kennenzulernen. Das Gebiet des Unterrichtens.

Vorbereitung Zu Beginn standen folgende Fragen im Raum: Was möchte ich vermitteln, was sollen die Schüler mitnehmen und wissen und vor allem, wie setzte ich das um, ohne 1 ¾ Stunde einfach Vortrag zu halten. Ich erarbeitete mit meiner Grossmutter, Doris Weiss, einer Gymnasiallehrerin, eine Liste von Themen, die ich in einem Unterricht über Europa einführen und bearbeiten könnte. Für mich war klar, dass der Schwerpunkt des Unterrichts auf der Geschichte Europas beruhen sollte. Ich wollte zudem den Schülern etwas von meinen Gedanken zu einem neuen Europa mitgeben und ihnen zeigen, wie das aktuelle System funktioniert. Was sollten die Schüler nach dem Unterricht wissen/können? Diese Frage war extrem hilfreich bei der Gewichtung der einzelnen Teile. 1 ¼ Stunde ist zwar viel Zeit, doch kann man nicht alles so ausführlich behandeln, wie man es eigentlich gerne würde. Bei diesem Vorbereitungsprozess


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ist klar geworden, dass man mit dem Thema des gemeinsamen Europas wahrscheinlich eine ganze Epoche füllen könnte. Ich gewichtete und entschied mich für einen möglichst breiten Überblick. Doris Weiss gab mir für die exakte Planung des Unterrichts den Tipp, Minute für Minute meinen Unterricht zu planen und zu strukturieren. Dies tat ich und erstellte folgende Gliederung: Unterricht 11. Klasse - Europa 7:50 - 9:35, 1 Std. 45 min Einführung: 7:50 Begrüssung 7:51 Aufgabe: Aktuelle Probleme Europas, der EU aufschreiben (2 min) // Zeitungsbericht für einen „weichen“ Einstieg. 7:55 Sammlung der Probleme auf Wandtafel 7:58 Überleitung zu Meinungen zur EU 8:00 Aussagen, welche Diskutiert werden (zwei / drei -> Welche Bezug zur Geschhichte haben) Hauptteil: 8:05 8:07 8:10 träge 8:30 8:35

Beginn mit einer Frage was dann 1930 - 1950 passiert. Zeitachse an Wandtafel kurze Zusammenfassung des gerade gesagten und Ergänzungen Lehrervortrag, Start 1951, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl - Vervon Vertrag von Maastricht. Fortlaufend Zeitachse ergänzen. Frage: Wisst ihr was seither passiert ist? - Bis Tag jetzt Zeitachse ergänzen Blick auf das System - Wie wird gewählt? Wer hat die Macht?

Umfrage / Pause: 8:50 Umfrage lösen 9:00 Kaffeepause Überblick: 9:05

9:06 9:07 9:10 9:12 9:15

Geschichtsüberblick, wie oft hätte sich Europa zu einem gesamt Europa entscheiden können, unter welchen Punkten und welche Optionen wären offen gewesen? Neue Zeitachse: 2000 v. Chr. bis jetzt: Die Sage um „Die Europa“ Erste Formen der Demokratie (Athen) -> werden zu Europäern Rom Französische Revolution Napoleon, Europa Visionär - Wiener Kongress


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Praktische Arbeiten 9:17 9:20 9:25 9:30 9:35

Revolution 1848 Vergleich mit der Schweizer Geschichte 1800-1850 Meine Meinung Zukunft Europa: Ideale, Vorbilds Funktion Zukunftsvisionen? Wo sehen die Schüler die Zukunft Europas - Meinungen etc. Abschliessen mit Zukunft - Fragerunde?

Nun ging es daran, für jeden Punkt den Stoff nochmals zu erarbeiten und zu gliedern. Da sich mein Thema der Abschlussarbeit in den Wochen vor dem Unterricht nochmals gewandelt hatte, durfte ich vieles neu erarbeiten, was für die äusserst kurze Vorbereitungszeit ein grosser Stress war. Mir unterlief bei der Vorbereitung ein grosser Fehler: Ich schrieb Texte zu den verschiedenen Punkten meiner Gliederung, mit welchen ich normalerweise während eines kurzen Referates gut den roten Faden hätte behalten können. Dieser Fehler fiel mir in der ersten Klasse stark auf, sodass ich am Abend des gleichen Tages für die zweite Klasse mir die ganze Information und Gliederung in Stichworten aufschrieb. Hier noch ein grosses Dankeschön an Herrn Jost; er hat mir Folien vorbeireitet die ich auf dem Hellraumprojektor während des Unterrichts zeigen konnte.

Umsetzung Am Montagmorgen war es dann soweit: Ich durfte mein Thema der 11b präsentieren. Ich startete den Unterricht nach meiner Begrüssung mit einem Aufgabenblatt, auf welchem die Schüler die Probleme Europas auflisten sollten. Danach sammelte ich die Begriffe an der Tafel; die Klasse konnte mir alle gegenwärtigen Probleme nennen, was mich sehr freute. Danach stieg ich in die Geschichte mit der Frage ein, was denn zwischen 1930 und 1950 passiert sei. Diese Interaktion mit den Schülern nahm mir ein wenig die Nervosität.


Praktische Arbeiten

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Nun stieg ich in den Lehrervortrag ein. Ich nahm mir etwas mehr als eine halbe Stunde Zeit, um die Geschichte bis 1992 zu erzählen. Ich musste diesen Teil komplett auswendig führen, da ich die vorbereiteten Texte nicht gebrauchen konnte. Doch dank guten Fragen von den Schülern, die anscheinend schon einiges von Politik verstanden haben, wurde dieser Teil trotz fehlender Notizen gut und verständlich. Nun stand die Erklärung des aktuellen Systems auf dem Plan, doch es war schon 10 vor neun und eigentlich sollten die Schüler nun schon meine Umfrage lösen. So verschob ich den Teil des aktuellen Systems nach die Neunuhrpause. Während die Schüler die Umfrage ausfüllten, konnte ich mich neu orientieren. Ich strich die nächste Aufgabe, die ich für die Schüler vorbereitet hatte und stieg ein mit der Frage, was die Errungenschaften Europas seien. Ich hatte mich in der Zeit komplett verkalkuliert, ich konnte vieles nicht bringen, was ich am Ende noch bringen wollte. Zum Glück durfte ich am nächsten Tag noch in die Parallelklasse. Am Abend liess ich den Unterricht Revue passieren und schrieb mir Dinge auf, die nicht so gut funktioniert hatten: Zum einen die Erklärung des Systems, zum anderen war der Geschichtsteil nicht komplett vollständig, da ich ihn frei gehalten hatte. In der 11a war ich nun schon von Anfang an viel ruhiger; ich wusste, was auf mich zukommen würde und konnte die Zeit in der Klasse auch ein wenig geniessen. Der Unterschied zwischen den Klassen war enorm, wo die andere Klasse mir alle Probleme des heutigen Europas nennen konnte, konnten die Schüler in dieser Klasse das wohl in den Medien heissesten Diskutierte nennen, die Flüchtlingsproblematik. Doch durch das Nachfragen meinerseits konnten die Schüler noch weitere Probleme aufzeigen.


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Praktische Arbeiten

Generell war die Klasse, so schien es mir auf einem anderen Wissenstand. Doch trotzdem waren sie interessiert dabei und verfolgten den Unterricht.

Fazit Das Unterrichten zeigte mir eine komplett neue Art, wie man Informationen vermitteln kann, es ist viel schwieriger als man annimmt. Diese Erfahrung hat mir grossen Respekt vor den Lehren eingeflösst. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich wesentlich zu viel geplant hatte. Ich konnte in beiden Klassen das zweite Arbeitsblatt nicht verteilen und musste relativ schnell voranziehen, so dass Schüler, mit denen ich nachher sprach, sagten, sie hätten schon noch Fragen gehabt, doch ich sei dann schon beim nächsten Thema gewesen, sodass ihre Frage nicht mehr gepasst hätte. Ich hätte wohl weniger ins Detail gehen sollen. Ich habe von vielen Schülern tolles Feedback erhalten; dies half, um über meine eigenen Fehler oder meine Nervosität hinweg zu sehen. Ich konnte mit dem Unterrichten von meinem Jahresthema nochmals total einsteigen. Es hat mir geholfen, mich nochmals tiefer mit der Geschichte, den Errungenschaften und meiner Utopie zu beschäftigen. Eine unverwechselbare Erfahrung.


Praktische Arbeiten

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7.3 Europakongress Ich nahm am Wochenende vom 8.-9. September am Europakongress der Wochenzeitung in Zürich teil.

Eröffnung Am Freitag startete es mit dem Auftaktspodium „Ist Europa noch zu retten?“ mit Saskia Sassen, Jakob Tanner, Catarina Principe. Obwohl der Eröffnungsvortrag von Saskia Sassen wenig mit Europa zu tun hatte, konnte ich an diesem Abend dank guter Moderation doch in das europäische Thema einsteigen.

Workshops Ich besuchte am Samstag die unten gelisteten Workshops, die ich im Vorfeld aussuchen musste. Ich wählte die, die zu meinem damaligen Schwerpunkt der Arbeit (Europa nach dem Schweizer Modell aufzubauen) am besten passten. Leider ging es, nachdem die Diskussion eröffnet wurde, immer stark um generelle Fragen zu Europa und nicht um Workshop-spezifische, was ich schade fand.

WORKSHOP: DIE BEZIEHUNG DER SCHWEIZ ZUR EU Mit Cédric Wermuth, SP-Nationalrat, und Rolin Wavre, FDP, Vorstandsmitglied NEBS WORKSHOP: SOLIDARISCHE EUROPÄISCHE HANDELSPOLITIK Mit Alexandra Strickner, Mitgründerin von Attac Österreich WORKSHOP: EINE VERFASSUNG FÜR EUROPA Mit Thomas Seibert, Institut für Solidarische Moderne


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Praktische Arbeiten

Abschlusspodium Am Samstagabend war nach den Workshops noch das Abschlusspodium „Wie Weiter?“ mit James K. Galbraith, Rokhaya Diallo, Maria Stepanowa. Diese Podiumsdiskussion war mit Abstand das Spannendste was ich am Europakongress sehen durfte. Im Anhang (Kapitel A.4) finden sie einen Kommentar von mir, der sich auf die Aussagen des Abschlusspodiums bezieht.

Fazit Rückblickend muss ich sagen, dass ich besser die Podien und Vorträge besucht hätte, da ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht so ein grosses Wissen zu Europa hatte, um in den Workshops wirklich mit zu diskutieren. Doch hat sich das Wochenende in Zürich trotzdem gelohnt, ich konnte so einen Einstieg in die aktuelle Diskussion finden. „Wie gross ist das Thema eigentlich?“, diese Frage stellte sich mir im Verlauf des Europakongresses, und wurde immer grösser. Es war ein sehr tolles Erlebnis, all diese Menschen zu sehen, die sich auch für Europa begeistern und sich Gedanken machen.


Persönliche Gedanken zu der Arbeit

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Persönliche Gedanken zu der Arbeit Meine Abschlussarbeit war für mich etwas vom Intensivsten und Schwierigsten was ich bisher machen durfte. In Anbetracht dessen, dass ich vor einem Jahr noch keine Meinung und auch kein Wissen zu Politik, Geschichte, Wirtschaft und Geist hatte war die Arbeit in aller Hinsicht eine grosse Bereicherung. Ich konnte in diesem Jahr in ein Thema eintauchen und verstehen lernen, was mich sicherlich in den nächsten Jahren noch begleiten wird.

Praktische Arbeiten Ich konnte, wenn man so auf das Jahr der Abschlussarbeit blickt, meine Gedanken und Ideen mit der Zeitung oder dem Unterricht verwirklichen. Doch eigentlich träumte ich noch von viel mehr, ich wollte eine Podiumsdiskussion oder ein Schwerpunkttag an der Schule veranstalten, Interviews führen und meine Mitmenschen mit einer Umfrage zu befragen, um ihre Sicht zu Europa herauszufinden. Das grosse Problem war nicht die Umsetzung oder der Mangel an Willen, sondern die Zeit. Ich hatte nach den Herbstferien mein Thema nochmals neu gegriffen und stand fast wieder beim Ursprung. Ich hätte von diesem Zeitpunkt bis zum Vortrag eine Dispens vom Unterricht sowohl auch von meinen Hobbys gebraucht, um meine Ideen und Konzepte wirklich so umzusetzen, wie ich es geplant und durchdacht hatte. Es waren insgesamt fünf Projekte, sechs wenn man den Europakongress der WOZ dazu zählt. Ich konnte drei davon umsetzten und bin eigentlich sehr zufrieden mit dem, was ich erreicht habe.


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Persönliche Gedanken zu der Arbeit

Die Umfrage versuchte ich noch irgendwie durchzubringen, doch bin ich schlussendlich nicht mehr vor der Abgabe zu einer Auswertung gekommen. An dieser Stelle ist trotzdem ein herzliches Dankeschön an die Befragten angebracht, dass sie sich Zeit für meine Umfrage genommen und diese ausgefüllt haben. 107

Die Herausforderung Teile wie Geschichte und Politik waren nach ein paar Stunden des Einarbeitens leicht zu schreiben. Doch forderten die Erklärung der aktuellen Wirtschaft und der sozialen Lage extrem viel von mir. Das Thema speziell um die aktuelle Wirtschaftslage ist enorm gross und es gibt verschiedenste Ansichten. Je unverständlicher mir ein Thema der Arbeit schien, desto grösser war meine Freude, als ich das Thema endlich gegriffen hatte. Die soziale Frage war eines dieser Themen, dieses „Aha“ Erlebnis war etwas vom Schönsten beim Schreiben meiner Abschlussarbeit. Doch konnte ich aufgrund des Zeitdrucks den Inhalt dieser Kapitel nicht besser und erschliessbarer erklären. Die Konkretisierung und Konzentration der Lösung der sozialen Frage, nach Rudolf Steiner, war das Interessanteste, aber gleichermassen auch das Schwierigste und Herausforderndste. Ich denke es bedarf einer einzelnen Abschlussarbeit, um ansatzweise ein konkretes Verständnis Steiners zu erlangen. Das Loslassen einer Konkretisierung, wie im Kapitel 0 versucht, fiel mir extrem schwer.

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Im Anhang finden sie den Fragebogen der Umfrage (A.1)


PersĂśnliche Gedanken zu der Arbeit

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Fazit Ich musste durch einen langen Prozess gehen, um zu meiner Fragestellung zu kommen. Ich musste mich zuerst im Thema Europa zurecht finden und lernen, was es alles zu wissen gibt. Ich denke ich konnte trotz des grossen Themas einen logischen Aufbau erarbeiten. Ich habe meine eigenen Erwartungen erfĂźllt und blicke zufrieden auf meine Arbeit zurĂźck.


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Persรถnliche Gedanken zu der Arbeit


Schlusswort

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Schlusswort In den einzelnen Ländern Europas wird von Rechts Angst propagiert, wir müssten in die Abschottung zurück und uns nur noch um uns selbst kümmern. Vielmehr müssen wir wieder zu träumen lernen, um nicht in einer Angstdynastie leben zu müssen. Wir müssen von einem besseren, gemeinsamen Europa träumen. Wir haben die Aufgabe, Freiheit und unsere Werte zu vermitteln und Raum für diese zu bieten, wir haben die Aufgabe, wieder als Vorbild für die anderen Gesellschaften dazustehen. Wir brauchen ein System, eine Weltanschauung, die den Menschen in seinem vollen Wesen anerkennt. Es gibt, wie diese Arbeit zeigt, einen möglichen Bauplan der angestrebt werden könnte. Es liegt nun an uns und an den Politikern, diesen anzustreben und umzusetzen. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Politiker etwas bewegen, Mut beweisen und die Welt verändern. Wir müssen vom Grossen Ganzen ausgehen, um die wirklichen Probleme zu erkennen. Doch auch wenn wir diese Probleme sehen, kommt es meist erst nach einer Katastrophe oder einem Krieg zu einem Willen etwas zu ändern. Doch wir können nicht auf eine weitere Katastrophe warten. Diese Krisen, welche wir uns von Jahr zu Jahr erschüttern, treiben uns mehr und mehr in den Abgrund. Man muss aufzeigen, auch wenn es uns vermeintlich so gut geht wie noch nie, dass wir etwas tun müssen. Wir können nicht auf einen Krieg warten, um das kaputte Fundament gerade zu rücken, wir müssen jetzt handeln und Initiative zeigen. Wir müssen wieder lernen zu träumen! Zu träumen von einer Welt, in der Freiheit und keine Diskriminierung und Ungerechtigkeiten herrschen.

Europa nutze deine Chance! Henning Weiss


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https://de.wikipedia.org/wiki/Europäischer_Binnenmarkt Vgl. Zugriff am 7. 4 2018. —. Wikipedia - Leistungsbilanz. 6. 12 2017. https://de.wikipedia.org/wiki/Leistungsbilanz Vgl. Zugriff am 8. 1 2018. —. Wikipedia - Staat. 17. 12 2017. https://de.wikipedia.org/wiki/Staat Vgl. Zugriff am 9. 1 2018. —. Wikipedia - Subsidiarität. 30. 11 2017. https://de.wikipedia.org/wiki/Subsidiarit%C3%A4t Vgl. Zugriff am 8. 1 2018. WOZ. Europa Kongress. Volkshaus und QZ Aussersihl, Zürich. 8./9.. September 2017. YouGov, dpa /. YouGov, Umfrage: Deutsche wollen eine andere EU. 8. März 2017. https://yougov.de/news/2017/03/08/umfrage-deutsche-wollen-eine-andere-eu/ Vgl. Zugriff am 4. August 2017.


Quellenverzeichnis

Zeit.

Zeit

-

141

Die

Geburt

der

Industriegesellschaft

(Abb.).

15.

11

2014.

http://img.zeit.de/wirtschaft/2014-11/industrialisierung-maschinen-fs-bilder/08zeitalter-maschinen.jpg/imagegroup/original Vgl. Zugriff am 9. 1 2018. zitate.net. Zitate.net - Demokratie. kein Datum. http://zitate.net/zitat?id=369 Vgl. Zugriff am 4. 1 2018.


142

Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Die Industrialisierung, Vgl. Zeit 2014 ....................................................................................... 24 Abb. 2 "die Weltmacht Grossbritanniens in Ohnmacht" Karikatur, Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 187 .................................................................................................................................... 28 Abb. 3 Der Wiederaufbau, Vgl. Lemo kein Datum ............................................................................. 30 Abb. 4 Unterzeichnung des EGKS-Vertrags, Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 235 .................... 32 Abb. 5 Versammlung der Staatsvertreter, Vgl. BStU kein Datum .................................................... 35 Abb. 6 Leipzig Herbst 1989 - Die friedliche Revolution, Vgl. Gross, Holstein, et al. 2015, S. 206 38 Abb. 7 Die Wiedervereinigung von Ost und West, Vgl. Lemo 1989 ................................................ 41 Abb. 8 Beitrittsjahr der verschiedenen Länder, Vgl. Friedrich 2016 ................................................. 51 Abb. 9 Steueroasen in Europa, Vgl. Crolly 2017 .................................................................................. 61 Abb. 10 Handelsbilanzen der EU Mitgliedsstaaten in Millionen, Vgl. Statista 2016 ...................... 63 Abb. 11 Vereinfachter Systemaufbau der EU ....................................................................................... 73 Abb. 12 Die drei Organe der Gesellschaft............................................................................................. 99 Abb. 13 Ein möglicher Systemaufbau (vereinfacht) .......................................................................... 104 Abb. 14 Artikelauszug „Geschichte des Gemeinsamen Europas“ in der SchoolTimes N°03, Vgl. H. Weiss, Geschichte des Gemeinsamen Europas 2017, S. 4 & 5 ........................................ 119 Abb. 15 Artikel „Nun wie weiter" und „Es liegt bei uns was geschieht“ in der SchoolTimes N°04, Vgl. H. Weiss 2017, S. 4 & 5 ........................................................................................... 120


Abbildungsverzeichnis

143


144

Anhang

A. Anhang A.1 Fragebogen Wichtig bei der Betrachtung des Fragebogens ist, dass ich diese Umfrage digital erstellt habe und somit Fragen für gewisse Antworten bringen konnte. Deshalb hat es Fragen in dieser Übersicht, die sich klar widersprechen. In Teil A sind sogenannte Demografische Fragen; diese dienen dazu, die Umfrage auszuwerten. In Teil B ging es um die Gesundheit der Gesellschaft, mit dem Hintergedanken der sozialen Frage und in Teil C um Europa und Teil D um die Zukunftsvision des Probanden. Am Schluss als Dankeschön konnten die Probanden ihre Mail Adresse angeben, um meine Arbeit als PDF zu erhalten.

Teil A A1. Wie alt sind Sie? A2. Welchem Geschlecht fühlen Sie sich angehörig? o o

weiblich männlich

A3. Wo sind Sie zurzeit beschäftigt? o o o o o o

Schule Lehre Praktikum Universität Arbeit Keins von allen


Anhang

145

A4. Welche Nationalität haben Sie? A5. Welche Nationalität hatte ursprünglich Ihre Mutter? A6. Welche Ihr Vater? A7. In welchem Land wohnen Sie zurzeit? o o o

Schweiz Deutschland Frankreich

A8. Wie steht es um Ihr politisches Interesse? Kein Interesse 1 - 5 sehr interessiert A9. Welche Parteien vertreten Ihre Vorstellungen am ehesten? o o o o o o o o o

AfD CDU CSU Die Linke Die Grünen FDP SPD andere keine

A10. Welche Parteien vertreten Ihre Vorstellungen am ehesten? o o o o o o

CVP BDP FDP Grüne Grün-Liberale SP


146

Anhang

o o o

SVP weitere keine

A11. Welches Medium/ welche Medien nutzten Sie um sich zu informieren? o o o o o o o o o

Nachrichten über Radio/Fernsehen Gratiszeitung (20min, Blick am Abend usw.) Zeitung (NZZ, WOZ usw.) Facebook YouTube Internet allgemein Veranstaltungen Ein anderes Medium Ich informiere mich nicht

Teil B: Gesellschaft B1. Wie Gesund schätzen Sie die Gesellschaft Ihres Landes ein? 0 - Todkrank 1 - Krank 2 - Leicht erkältet 3 - Gesund und ausgeglichen 4 - Top fit 5 - Strotzend vor Gesundheit In Bezug auf: o o o o

Im Allgemeinen In der Politik In der Wirtschaft In der Bildung & Kultur


Anhang

147

B2. Was bräuchte die Gesellschaft, um gesünder zu werden? B3. Wenn wir so weiter leben wie bisher, wird die Situation...? o o o o

deutlich schlechter eher schlechter eher besser deutlich besser

Teil C: Europa C1. Wie schätzen Sie ihren Wissensstand in den folgenden Bereichen ein o o o o o o

Kein Wissen Basis Wissen Gute Allgemeinbildung Ich kenne mich aus

In Bezug auf: 1. 2. 3. 4.

Geschichte von Europa Schweizer Geschichte Politik im Allgemeinen Aktuelle Entwicklungen in und um Europa

C2. Wie sind Sie zu Ihrem Wissen über das Europa der letzten 50 Jahre o o o o o o

gekommen? Schule Verwandtschaft Printmedium (Bücher, Zeitungen etc.) Veranstaltungen (Kongresse etc.) Internetrecherche


148

Anhang

C3. Was halten Sie von der Aussage: „Es braucht eine Erneuerung in Europa.“? o o o o

Ich stimme zu Ich stimme teilweise zu Ich stimme eher nicht zu Ich stimme nicht zu

C4. Haben Sie ein Interesse an der europäischen Entwicklung? o o

Ja Nein

C5. Was erwarten Sie, in welche Richtung wird sich die EU in der nächsten Zeit entwickeln? o o o o o

Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten Auflösung der EU EU mit Auflösung der Nationalstaaten Beschränkung auf Binnenmarkt &/ Zollunion Weitere?

C7. Sind Sie der Meinung das die europäische Entwicklung keinen Einfluss auf das Land hat in dem sie leben? o o

Ja Nein

C8. Setzten Sie sich für Veränderungen in Europa ein? o o

Ja Nein

C9. Wo setzten Sie sich für Veränderungen ein? o o

In den sozialen Medien In Gesprächen


Anhang

o o o

149

In Agitation-/ Demogruppen In politischen Parteien Weitere

C10. Für welche Veränderungen setzten Sie sich ein? C11. Wieso setzen Sie sich nicht für Veränderungen ein? o o o o

Habe andere Probleme. Es bringt sowieso nichts, wenn ich mich einsetzte. Weiss nicht was zu verändern wäre. Politik & Co. schrecken mich ab.

Teil D: Zum Schluss D1. Haben Sie einen Vision, wie Europa in 20 Jahren "aussehen" könnte? Hier haben Sie Platz um eine solche Vision zu schildern. (max. 100 Worte)

A.2 Geschichte der Schweiz Vorgeschichte von dem Föderalismus der Schweiz Im Januar 1798 beschworen die Gesandten wieder die alten Bünde. Es wurde von einem helvetischen Bund geredet. Die Nation, ein Begriff, der für die Schweizer mehr und mehr an Bedeutung gewann, „war die politische Gemeinschaft der wirtschaftlich produktiven, daher selbständigen und mündigen Bürger, die unter einem einheitlichen Gesetz lebte und eine gesetzliche Versammlung als ihr Vertretung wählte.“ 108

108

Vgl. Maissen 2015, S. 156


150

Anhang

Da es in der Schweiz keine vererbten Vorrechte mehr gab, waren, abgesehen von den wirtschaftlichen Unterschieden, alle Schranken für eine solche Nation geöffnet. Um sich gegen die Nachbarsländer behaupten zu können brauchte es eine einheitliche, zentralisierte Staatsgewalt. Doch es wurden Stimmen laut, Stimmen gegen die helvetische Revolution. Es waren nicht nur Gegner, die auch gegen die Französischen Revolution waren, sondern auch die Kleinstrepubliken. Sie mussten „die Freiheit, die sie auf dieselbe politische Stufe wie die alten Orte emporhob, bereits wieder eintauschen für eine Freiheit, die ihre formal gleichen Bürger unmittelbar, ohne kollektive Mitspracherechte einer unvertrauten und fernen Zentralregierung unterstellte.“ 109 Aus diesen Gründen beschlossen die neu gewählten Delegierten der zehn Kantone, am 12. April 1798, im ersten gesamtschweizerischen Parlament, dass es eine neue Verfassung brauche, um das Land zu vereinen. Die letzten Widerstandversuche, die von Alois Reding geführt wurden, endeten Anfang Mai 1798. Die neue Regierung der Schweiz bestand aus einem fünfköpfigen Direktorium, das Minister an die Spitze der Verwaltungseinheiten setzte, zwei Kammern, dem Grossen Rat, der Gesetze vorbereitete und dem Senat, welcher dann die Gesetze beschloss. Man wollte die ganze Republik rational einrichten und so erhielten alle Männer die gleichen aktiven Bürgerrechte, die Rechtsgleichheit. Diese Gleichheit ist die grösste Errungenschaft der Helvetier. Im August 1798 beschloss man im dritten Artikel der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, dass die Souveränität des Schweizer Staates grundsätzlich aus der Nation hervorgehen solle. Daraus entwickelte sich die Volkssouveränität, welche man schon aus den neu gegründeten USA kannte. Es war die Form der repräsentativen Demokratie, aus welcher sich die direkten Demokratie entwickelte. Man beschloss weitere Rechte, von der Petitions- bis zur Pressefreiheit. Weiter garantierte der Staat für das Eigentum. 109

Vgl. Maissen 2015, S. 160


Anhang

151

In den folgenden Jahren wurde die Schweiz zum Kriegsschauplatz. Der Krieg von Napoleon gegen Russland, Österreich und weitere Mächte wurde zum Teil in der Schweiz ausgetragen. Zwischen 1799 und 1803 kam es in der Helvetischen Republik ausserdem zu vier Staatsstreichen, die Einteilung der Kantone wie auch die Verfassung wurden mehrfach verändert. Das Parlament war in zwei Hälften gespalten, in die zentralistische und die föderalistische Fraktion. So wurde die Republik unregierbar und dies führte zum Bürgerkrieg in der Schweiz. Die Föderalisten erhoben sich gegen die Unitarier 110 und viele der Bürger schlugen sich auf die föderalistische Seite. Aus kriegsstrategischen Gründen besetzte Napoleon Ende September 1802 das ganze Land. Er half als Mediator zwischen den zwei verstrittenen Parteien und so kam es, dass 1803 die Mediationsakte verabschiedet wurde, die das alte kantonale System wieder herstellte. Die ehemaligen Untertanen wurden als gleichberechtigte Vollmitglieder in die Eidgenossenschaft aufgenommen. Dies führte dazu, dass die Eidgenossenschaft im Jahre 1803 um sechs Kantone (Aargau, Graubünden, St. Gallen, Thurgau, Tessin und Waadt) erweitert wurde. Zusätzlich bezog Napoleon auch Soldaten von der Schweiz und führte den Landammann als aussenpolitischen Befehlsempfänger ein. Dies machte eine direkte Besetzung überflüssig, denn der Landammann führte die Befehle Bonapartes spätestens bei der Drohung eines Einmarsches aus. Der Landammann der Schweiz regierte jeweils ein Jahr. Somit war er nicht in der Lage eine Machtstellung aufzubauen. Dieses Amt, welches einzigartig in der Schweizer Geschichte ist, wurde abwechselnd von den Direktoralkantonen Freiburg, Bern, Solothurn, Basel, Zürich und Luzern ausgeübt. Auch wenn die alten Ratsfamilien in den Direktoralkantonen wieder das Sagen hatten, war die Mediationszeit im Vergleich zu der Helvetik ein besonders friedliches Jahrzehnt was zum wirtschaftlichen Aufschwung führte. 111

110 111

eine politische Fraktion (zentralistisch) von 1798 bis 1803 Vgl. Maissen 2015, S. 156 - 174


152

Anhang

Durch Vertragsbruch zur Verfassung Mit der Niederlage Napoleons in der Schlacht zu Waterloo sahen gewisse Kantone die Chance wieder die Macht zu ergreifen. Die Alliierten versuchten am Wiener Kongress die vorrevolutionären Herrschaftsverhältnisse wieder herzustellen. Dies gelang erst, als die Mächte eine Aufteilung des Landes oder eine Königsherrschaft androhten. So konnten sich die Schweizer auf einen lockeren Bundesvertrag einigen. „Selbst diesem lockeren Bündnis schlossen sich Schwyz und Appenzell Innerrhoden erst angesichts von Napoleons Rückkehr von Elba an, und Nidwalden musste durch den Einmarsch von Bundestruppen dazu gezwungen werden.“112 Der Bundesvertrag, den die Kantone unterschrieben hatten, war ein umfassendes Abkommen. Dieses Abkommen vereinte die Kleinstaaten ohne gemeinsame Exekutive oder zentralisiertes Organ. Der Bundesvertrag vereinigte die 22 Kantone zur Schweizer Eidgenossenschaft. Weil die Kantone hauptsächlich autonom regiert wurden, kam es wieder zur Herrschaft der Adligen. Die einzigen Kompetenzen, die sie an die sog. Tagsatzung abgaben, waren die Bündnisse und Handelsverträge, die Ernennung der Gesandten und die Kriegsführung. Die Tagsatzung trat alle zwei Jahre abwechslungsweise in Bern, Zürich oder Luzern zusammen. Das Bündnis stärkte sich mehr auf der militärischen Seite. Man rief einen eidgenössischen Kriegsrat ins Leben, welcher dem Bundesheer, bestehend aus kantonalen Kontingenten, vorstand. Zudem regelte der Bundesvertrag die Kompetenzen des Völkerrechtssubjets113 Schweiz, die Gewährleistung des Gebiets und der Verfassung zwischen den Kantonen. Die Neutralität der Schweiz ist seit dem Wiener Kongress anerkannt und unantastbar, die Mächte sagten der Schweiz eine immerwährende Neutralität zu. 114

Vgl. Maissen 2015, S.180 Völkerrechtssubjekt ist ein Rechtssubjekt im Völkerrecht, also ein Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten, dessen Verhalten unmittelbar durch das Völkerrecht geregelt wird. 114 Vgl. Maissen 2015, S. 178 - 184 112 113


Anhang

153

1830 erreichten die Liberalen in den wichtigsten Kantonen eine Verfassungsrevision; diese führte zu einer Gleichberechtigung der Einwohner der Kantone, zur Gewaltentrennung sowie Presse-, Vereins-, Versammlungs-, Handels-, und Gewerbefreiheit. Doch scheiterte der Versuch 1832/33 eine Bundesverfassung einzuführen, da diese die Einstimmigkeit aller Vertragsverpflichteten benötigte. „Gegen die Revision stellten sich die konservativen Kantone, in denen die politischen Konflikte zwischen vollberechtigten und benachteiligten Bürger auch zur Kantonsspaltung führten, so vorübergehend in Schwyz, dauerhaft 1833 in Basel.“ 115 Die Konservativen liessen auch die Initiativen für eine obligatorische Volksschule und eine Gründung von Universitäten scheitern. Die Konservativen waren im Aufwind und kamen an die Macht, wie zum Beispiel in Zürich. Dort musste die liberale Regierung einer konservativen weichen („Züriputsch“). Auf beiden Seiten kam es zu verschärften Spannungen, die Liberalen traten gegen die „Pfarrerherrschaft“ an. Im Kernpunkt stand die Zukunft der Schweiz, ob als Nationalstaat oder als Bund souveräner Kantone. Dieser Kampf fand seinen Höhepunkt, als zwei Radikale die konservative Regierung von Luzern mit Gewalt stürzen wollten, was zu über 100 Toten führte. Um dieser Macht der Liberalen entgegenzutreten schlossen sich sieben katholisch-konservative Kantone zum „Sonderbund“ zusammen. Der Sonderbund suchte zudem Unterstützung bei Frankreich und Österreich. Dies verstiess, laut den Liberalen, gegen den Bundesvertrag von 1815 und daher verlangten sie die Auflösung des Sonderbundes. Bei den Wahlen im Sommer 1847 kam in zwölf Kantonen eine Mehrheit der Liberalen an die Macht. Letztere hatten somit die Mehrheit. Diese Regierungen forderten bei der Tagessatzung die Auflösung des Sonderbunds. Zudem beschlossen die Liberalen Kantone die Revision des Bundesvertrags in die Wege zu leiten.

115

Vgl. EDA N/A, S. 2


154

Anhang

So kam es zum Sonderbundskrieg im November 1847, dieser wurde von General GuillaumeHenri Dufour, Oberbefehlshaber der Eidgenössischen Truppen, beendet, noch bevor ausländische Mächte zugunsten der Konservativen eingreifen konnten. So kamen in diesem Krieg nur 100 Menschen ums Leben. Die konservativen Mächte in Europa warnten die liberale Tagsatzungsmehrheit vor einer Verfassungsänderung. Doch da im Februar und März 1848 diese konservativen Mächte selbst von Liberalisten revolutioniert wurden, mischten sich diese nicht mehr in den Prozess um eine neue Verfassung der Eidgenossen ein. Als die Tagsatzung im Frühjahr 1848 die neue Verfassung abschloss und annahm, folgten „die Abstimmungen in den Kantonen, von denen 15 ½ der neuen Verfassung zustimmten, während 6 ½ sie ablehnten, darunter die meisten früheren Sonderbundskantone.“116 Dies war ein revolutionärer Akt, da eigentlich die Einstimmigkeit für eine Vertragsänderung von Nöten gewesen wäre. Somit erklärte die Tagsatzung die neue Verfassung als geltend. Die Föderation war beschlossen.

116

Vgl. EDA N/A, S. 4


Anhang

155

Bundesverfassung Mit der Bundesverfassung trat die Bundesebene in Kraft. Diese bestand aus dem Bundesrat, der Bundesversammlung und dem Ständerat. Diese Organe waren für Aussen-, Sicherheits- (Armee), Währungs-, Zollpolitik und für das Postwesen verantwortlich. Der Ständerat ist das Nachfolgeorgan der Tagsatzung und bildete mit dem Nationalrat die legislative Bundesversammlung. Diese wählte den Bundesrat, welcher mit sieben Bundesräten die Exekutive bildete. Jeweils für ein Jahr wurde ein Bundesrat Bundespräsident. Dieser war Vorsitzender des Bundesrates und hatte bis 1920 das Amt des Aussenministers inne. Weiter entstand auch die Judikative, in der Form des Bundesgerichtes. Wählen durften nur Männer, welche christlich und nicht armengenössig waren. Mit der neuen Verfassung war „die Pressefreiheit, das Vereins- und Petitionsrecht sowie die Handels- und Gewerbefreiheit, soweit die Kantone sie nicht polizeilich einschränkten“ 117 garantiert. Die freie Niederlassung war für Juden erst ab dem Jahre 1866 erlaubt. Die Kultusfreiheit, die vorerst nur für Christen galt, wurde 1874 auch den Juden gewährt. Weiter waren mit der Verfassung die Voraussetzungen für einen einheitlichen Binnenmarkt gewährgeleistet. So konnte der Franken als nationale Währung eingeführt werden. Die Haupteinnahmequelle des Bundes waren die Binnenzölle und die nun mit der Verfassung vereinheitlichten Aussenzölle. Die erste Bundesversammlung kam am 6. November 1884 zusammen, um die sieben ersten Bundesräte zu wählen. Bei dieser Versammlung wurde auch Bern zur Bundeshauptstadt erklärt.118

117 118

Vgl. EDA N/A, S. 4 Vgl. EDA N/A, S. 1-5


156

Anhang

A.3 System der Schweiz Die Schweiz ist ein Zusammenschluss verschiedener Völker in einem Bundesstaat, eine Föderation.

Ziele Die Ziele der Schweiz sind die Werte (wie die Selbstständigkeit, Sicherheit, Stabilität, einige Wertschöpfungen und das Ringen um Ausgleiche), die sie sich über Jahrzehnte aufgebaut und erhalten hat, weiterhin zu vertreten. Weiter schreibt die Schweiz Solidarität und Freiheit gross. Der Zusammenhalt der Diversitäten und die grösstmögliche Chancengleichheit sind der Schweiz besonders wichtig.119

Fundament der Schweiz - die Bundesverfassung Das Fundament, das uns verbindet und uns zu einem Land werden lässt, ist die Schweizer Bundesverfassung. Die Bundesverfassung der heutigen Schweiz basiert auf der Verfassung, die 1848 von Liberalisten durchgesetzt wurde (siehe Anhang A.2). Diese Verfassung wurde in den Jahren 1874 und 1999 überprüft und erneuert. Eingeteilt ist sie in sechs Titel, welche in Kapitel und Abschnitte aufgeteilt wurden. Diese Verfassung festigte den Gedanken, welchen uns seit bald 170 Jahren vereint.

119

Vgl. VBS 2016


Anhang

157

Aufbau Der Schweizerische Bund besteht aus 26 Kantonen und Halbkantonen, von denen jeder seine eigene Verfassung hat. Die Kantone dürfen daran Änderungen vornehmen solange diese nicht im Wiederspruch zu Bundesverfassung stehen. Die Aufgabenteilung der Regierung der Schweiz wird in der Bundesverfassung festgehalten, wobei dort das Prinzip der Subsidiarität angewandt wird. So lässt der Bund den Kantonen für diese erfüllbaren Aufgaben und steht helfend zur Hand, wenn diese seine Unterstützung fordern. Das Schweizer System ist auf drei Ebenen aufgeteilt:

Bundesebene Die Bundesebene ist erfüllt die Aufgaben, die ihr die Bundesverfassung zu teilt. Übernimmt die Aufgaben der Aussen-, Sicherheits-, Geld- und Währungspolitik. Für diese setzt der Bund Gesetzte fest und führt diese aus. Im Bezug zu Umweltschutz, Zivil- und Strafrecht und dem Asylwesen gibt der Bund die Gesetzte vor und die Kantonsregierung muss diese dann umsetzten.

Kantonalebene Auf der Kantonalebene wird wie in einem zentralistischen Staat regiert. Dies führt mit sich das sie nebst einer eigenen Verfassung ein Parlament und Regierung haben. Die Kantonalebene ist im Schweizer Staat die ausführende Gewalt der Bundesbeschlüsse, ausser im Bezug zu Strassenund Steuerwesen wird in Diskurs getreten. Das Polizei- oder Schulwesen wird nicht von der Bundesregierung vorgeben. In diesen Punkten entscheidet der Kanton autonom.


158

Anhang

Gemeindeebene Die Gemeinde ist die kleinste Politische Instanz im Schweizer System. Trotzdem hat sie eine Gemeindeverfassung, ein gesetzgebende -, eine ausführende -, und eine richterliche Behörde (Friedensrichter). Die Gemeindeebene bekommt das meiste vorgeschrieben, doch darf sie bei Dingen selber regeln die den Ort direkt betreffen.120

Legislative, Exekutive und Judikative Die Schweiz ist ein demokratisch regiertes Land und basiert somit auf der Gewaltentrennung.

Legislative Die Bundesversammlung (der Stände- und Nationalrat) bilden das Zweikammern-Parlament. Beide Räte sind gleichberechtigt. Gebildet wird der Nationalrat aus 200 Mitgliedern, welche die gesamt Bevölkerung repräsentieren. Der Ständerat besteht aus 46 Mitgliedern, welche die Kantone vertreten.

Nationalrat Der Nationalrat wird nach einem demokratischen Prinzip zusammengestellt; seine in dem Mitgliederzahl wird im Verhältnis zur Bevölkerung eines einzelnen Kantons bestimmt. Im Nationalrat haben die bevölkerungsreichen Kantone das grössere Gewicht.

Ständerat Der Ständerat wird durch ein föderalistisches Prinzip zusammengestellt, in dem aus jedem Kanton zwei und aus den Halbkantonen ein Abgeordneter den Kanton vertritt. Dies führt dazu, dass 120

Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, 34 & 35


Anhang

159

bevölkerungsarme Kantone gleichberechtigt sind wie vergleichsweise bevölkerungsreiche Kantone.

Aufgaben der Bundesversammlung Gesetzgebung: National- und Ständerat beraten alle Bundesverfassungsänderungen, erlassen Bundesgesetzte und Bundesbeschlüsse, geben Anstösse zu neuen Gesetzen und genehmigen Staatsverträge. Wahlen: Bei den Wahlen kommt es zur vereinigten Bundesversammlung. Dort wird der Bundesrat, Bundeskanzler/in, das Bundesgericht und im Kriegsfall der General gewählt. Kontrolle: Die beiden Räte kontrollieren den Bundesrat, die Bundesverwaltung und die eidgenössischen Gerichte. Finanzen: Die beiden Kammern segnen die vom Bundesrat angefertigten Staatsrechnungen ab, zudem beschliessen sie die Bundesausgaben.

Exekutive Die ausführende Kraft auf Bundesebene sind die sieben Bundesräte im Bundesrat. Sie werden jeweils für vier Jahre von der vereinigten Bundesversammlung gewählt. In dieser Amtszeit (Legislaturperiode) können die Bundesräte nicht aus dem Amt gewählt werden, jedoch dürfen sie zurücktreten. Kollegialregierung Die sieben Bundesräte vertreten nach aussen ihre Entscheide kollegial, so wird auch wenn Meinungsverschiedenheiten herrschen, die Meinung der Mehrheit gegenüber der Öffentlichkeit vertreten.


160

Anhang

Für ein Jahr wird ein/e Bundespräsident/in von der vereinigten Bundesversammlung gewählt. Dies ist ein repräsentatives Amt und enthält keine Machtbefugnisse. Das Amt dient dazu die Schweiz sowie nach Innen als auch nach aussen zu repräsentieren. Aufgrund der Konkordanz121 muss der Bundesrat bei unterschiedlichen Meinungen auf eine gemeinsame Lösung kommen. Aufgaben: •

Bestimmung die Regierungspolitik; dafür stellt er ein Regierungsprogramm zusammen.

Verfassungsänderungen gegenüber der Bundesversammlung vorschlagen; dies geschieht mit dem Initiativrecht

Erlassen von Verordnungen, dass Gesetze, die vom Parlament erlassen worden sind vollzogen werden.

Verwaltung der Bundesfinanzen; dafür plant er die Staatsfinanzen und erstellt Staatsrechnungen

Die Pflege der Beziehungen zum Ausland; repräsentativ vertritt der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin meist den Bundesrat in diesen Angelegenheiten

Gewährleistung der inneren sowie äusseren Sicherheit; dafür hat er die dafür erforderlichen Massnahmen zu treffen

Die Pflege der Beziehungen zu den Kantonen

Die Beaufsichtigung der Bundesverwaltung

Nebst diesen Aufgaben ist jeder Bundesrat für ein Departement zuständig, welches er leitet.122

121 122

Übereinstimmung verschiedener Meinungen mit dem Ziel einer gemeinsamen Lösung Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, 42 & 43


Anhang

161

Judikative Die oberste richterliche Instanz ist das Bundesgericht in Lausanne und Luzern, es befasst sich mit der Bundesgesetzgebung. Da sie das oberste Gericht ist, können ihre Entscheidungen nicht weitergezogen werden und sind somit letztinstanzlich. 123 Das Bundesgericht In Lausanne wird über zivilrechtliche und strafrechtliche Rechtsfragen geurteilt.

Demokratie Die Schweiz wird mit direkter Demokratie regiert. Dies hat zu Folge, dass in der Schweiz bis zu vier Mal pro Jahr eine Volksabstimmung stattfindet, 124 da man so das Volk am besten in Entscheidungen einbinden kann. Dazu gehört auch, dass die Bevölkerung der Schweiz mit Volksinitiativen und Referenden die Verfassung, Gesetzte etc. aktiv verändern kann. Für diese Volksinitiativen, obligatorische Referenden oder einen Beitritt zu internationalen Organisationen benötigt es ein doppeltes Mehr. Dies bedeutet, dass nebst dem Volk auch vom Ständerat die Initiative oder das Referendum angenommen werden muss. 125

Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, 44 Vgl. Schweizerische Bundeskanzlei 2017 125 Vgl. Gruzeler und Maurer 2013, 21 123 124


162

Anhang

A.4 Artikel Nun wie weiter? Kommentar von Henning Weiss Veröffentlicht in der SchoolTimes N°04 September 2017

Europa steht vor dem Abgrund, nein eigentlich steht sie vor der Wahl in diesen gedrängt zu werden oder über diesen zu springen, ob zu stagnieren oder vorwärts in die Zukunft zu blicken. Am Europa Kongress in Zürich, an einem öffentlichen, von der WOZ organisierten Kongress über Europa, kamen verschiedenste Personen zusammen. Sie hatten eins gemeinsam: Sie sind besorgt was mit dem Europäischen Gedanken passiert ist und passieren wird. Wie soll es weitergehen, nach dem Rechtsruck und dem Brexit Entscheid? Was sind die Lösungen für die kontinentalen Probleme? Um dies und vieles mehr ging es in diesen zwei Tagen in Zürich. Ich möchte euch einem kleinen Teil des Kongresses beiwohnen lassen, der Debatte um die nahe Zukunft Europas. Allen, die dort waren, war klar, so geht’s nicht weiter. Es wurde diskutiert, ob Europa überhaupt noch zu retten sei. Der Gedanke der uns vor knapp siebzig Jahren zusammengebracht hatte, keine Nationalstaaten mehr zu haben, Krieg und Gewalt zu verhindern, ist verschwunden. Viele wollen, sowie die Engländer wieder für sich sein. Doch wieso ist dies so? Es sind die Probleme und die nicht funktionierenden Lösungen, die viele der Europäischen Bürger denken lassen, dass diese Probleme auf nationaler Ebene gar nicht erst aufgetreten oder schnell und effizient gelöst worden wären. Diese rufen die eigentlich seit dem zweiten Weltkrieg geschlagenen Nationalsozialisten auf den Plan. An verschiedenen Ecken Europas geniessen sie wieder vermehrt grosse Popularität, in den Niederlanden, Frankreich, Österreich, Italien und auch Deutschland. Viele haben die Wahl zum Regierungspräsidenten oder Premiere Minister


Anhang

163

verloren, trotzdem ist die Entwicklung erschreckend. Wie zum Beispiel hatte die Front National in Frankreich bis zur letzten Wahl nie eine Zustimmung von mehr als 20% erreicht, doch dies erreichte Marine Le Pen beim Wahlgang im April. Doch abgesehen von der Ausrichtung, gegen die EU, gegen Flüchtlinge, gegen gemeinsame Lösungen, gegen den Islam und gegen Ausländer zu sein, haben die rechts Denkenden aus den verschiedenen Länder wenig gemeinsam. Sie möchten alleine dastehen, alleine die Probleme lösen und alleine Internationale Verträge abschliessen. Weiter möchten sie sich vor niemandem verantworten müssen und aus dieser Unübersichtlichkeit heraus in klare Strukturen kommen. Ist nicht gerade diese Unübersichtlichkeit und das gemeinsame Handeln, eine unserer grössten Vorteile und Privilegien? Durch diese können wir uns zwischen so vielen Möglichkeiten entscheiden, was uns eine ungeheure Freiheit gibt. Dies verdanken wir der Global- und Digitalisierung. Es ist schwer heutzutage Grenzen zu bilden. Dafür haben wir es heutzutage schwer Zusammenhänge nachzuvollziehen. Wir müssen uns mit der neuen Unübersichtlichkeit, wie Matthias Zehnder in seinem Wochenkommentar (vom 10.02.17) schreibt, einfach abfinden. Weiter hat jeder einzelne eher Angst, anstatt zu träumen. Die rechten Politiker warnen vor den Flüchtlingen, vor den grossen Schwierigkeiten, die uns die EU bringt. Eine Angstdynastie ist einer Willensdynastie, die aus Träumen entsteht, meiner Meinung nach nicht vorzuziehen. Wir sollten den Europäischen Traum, Frieden und Wohlstand für alle, weiterleben und -träumen. Viele sind sich auch der Privilegien, die uns die EU gibt nicht mehr bewusst. Wir kennen es gar nicht mehr anders, wir wurden in diese Lage geboren. Nebst dem, dass wir einen Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung haben, was uns viele wirtschaftliche Vorteile bringt, können wir überall in Europa ohne kontrolliert zu werden oder ohne ein Visum zu besitzen einreisen, eine Arbeit suchen oder einfach leben. Dies verdanken wir der Personenfreizügigkeit, egal ob arm oder reich, wir dürfen hin gehen wohin wir wollen. Dies ist, wie der SP Nationalrat Cédric Wermuth sagt als Freiheitsrecht zu betrachten.


164

Anhang

Nun EU ist nicht perfekt, die Orte, an denen die Probleme Europas liegen, sind auch keine Unbekannten, Klimaerwärmung, Flüchtlingsströme und wirtschaftliches Konkurrenzverhalten sind seit bald einem Jahrzehnt Dauerbrenner am Europäischen Entscheidungstisch. Dazu kommt die Stagnation bei Entscheidungen, welche die Lösungsprozesse erschweren. Dies liegt vor allem am Unwillen der einzelnen Länder und am Politiksystem. Die Einstimmigkeit, welche Beschlüsse oder Vertragsänderungen benötigt, lies grosse Entscheide, wie eine gemeinsame Wirtschaftsstrategie oder sogar eine gemeinsame Verfassung scheitern. Um die EU verändern zu können, müsste in 28 Mitgliedsstaaten eine linke, pro Europäische Regierung gewählt werden. Dies zeigt klar auf, dass wir einem Systemwechsel zu einem demokratischeren System nicht verzichten können, um grosse kontinentale oder sogar globale Probleme zu lösen. Doch solch ein Systemwechsel kann nur vonstattengehen wenn in allen Ländern eine pro Europäische Regierung an der Macht ist, die einstimmig für ein Systemwechsel stimmen würden. Doch wie wahrscheinlich ist das? Es scheint fest zu stehen, dass in diesem System die Stagnation vorabsehbar gewesen ist. Und ja, diese Stagnation trifft auch die Schweiz. Denn der Schweiz geht es so gut wie es der Europäischen Union gut geht. Im Jahre 2016 gingen knapp 55% aller Exporte in, und 72% aller Importe kommen aus dem Europäischen Raum. Eine starke EU hilft auch der Schweiz. Mit den bilateralen Verträgen I und II sind wir stark an die EU gebunden, was die Personenfreizügigkeit oder Grenz- und Wirtschaftsunion betrifft. Wir in der Schweiz schieben gerne die Schuld ab, doch am Schluss trifft es auch uns. Man kann sich den globalen Fragen nicht einfach entziehen. Die Probleme, wie die globale Erwärmung oder die afrikanische Völkerwanderung, ausgelöst doch, meist vom Westen provozierte Gewalt und dem Klimawandel, nach Europa können nicht auf nationaler Ebene gelöst werden. Um diese Probleme lösbar zu machen, muss der Kontinent zusammenhalten. Doch wie können wir das, wenn wir uns wirtschaftlich und auch sozial ausspielen und immer versuchen das Bestmögliche für das eigene Land rauszuholen? Wir sollten uns besinnen, wir haben eine, zwar nicht perfekte Europäische Plattform, aber auf welcher wir


Anhang

165

verstehen, diskutieren und abkommen schliessen können. Wir sollten diese gemeinsam nutzen, um kontinentale und globale Fragen und Probleme beantworten und lösen zu können.

Es liegt bei uns was geschieht! Aufruf/Kommentar von Henning Weiss Veröffentlicht in der SchoolTimes N°04 September 2017

Schauen wir auf die Welt, beschäftigen wir uns mit Fragen und Problemen. Bei vielen Themen, die dringendst nach Lösungen rufen, wie die Globale Erderwärmung oder Gefährdung des Friedens gibt es zum Glück Lösungsansätze. Diese dürfen Mut geben, in die Zukunft zu blicken. Es liegt nun an uns und an den Politikern diese umzusetzen. Wir müssen uns dafür einsetzten, dass Politiker etwas bewegen, Mut beweisen und die Welt verändern. Es sollte nicht um die Wiederwahl gehen, sondern darum die Welt zu einem besseren und fairen Ort zu machen. Die Wiederwahl ist nicht wofür wir unsere Vertreter wählen, die gewählten Interessenvertreter müssen das umsetzten wofür man sie wählt. Nun, wenn wir dann nach Lösungen und Wegen suchen, ist es wichtig von den Problemen auszugehen und nicht von sich selber, nicht vor seiner eigenen Haustür, nicht vom eigenen Land. Denn so scheinen die Probleme weit, weit weg zu sein. Es scheint einen nichts anzugehen, was in der Welt passiert. Doch dies ist nicht so, früher oder später sind die Probleme auch vor seiner eigenen Haustür spürbar. Meist sind die Probleme dann so gross, dass man, ohne hohe Kosten dafür zu zahlen oder Menschen dafür leiden zu lassen, keine Lösung mehr findet. Wegen solchen Denkweisen wird die AfD zu grosser Wahrscheinlichkeit in den Bundestag einziehen. Denn diese geben vor, sich den Problemen vor der Haustür zu widmen. Ich will niemandem unterstellen, der von sich ausgeht, wenn er der Welt anschaut, dass er rechts sei, doch glaube ich, dass die Probleme so nicht gelöst werden können. Wir sollten die Probleme beim Ursprung angehen. Eine Mauer gegen die Flüchtlinge zu bauen dient zum Beispiel niemandem. Sie kommen dann einfach


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Anhang

über einen noch gefährlicheren, noch tödlicheren Weg. Die Ursache der Flüchtlingsströme ist die Klimaerwärmung und die Gewalt in Afrika. Sollten wir nicht dort ansetzten? Bildet euch eine Meinung, plappert nicht einfach Extremen nach. Es ist wichtig zu hinterfragen, wichtig nicht alles zu glauben, was in der Zeitung steht. Bildet euch eine Meinung zur Zukunft der Welt, es ist unsere Zukunft.


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