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Intuition
In vielen der niedergeschriebenen Erfahrungsberichte scheint eine besondere Art von Wissen und Erkenntnis auf. Es ist die Intuition, welche man kurz definieren könnte als die Fähigkeit, Einsichten und Zusammenhänge zu verstehen, welche mit dem Verstand nicht erfasst werden können. Und Fakten und Hintergründe zu wissen, die nicht bekannt sind. Die lateinische Wurzel des Wortes intueri meint: genau hinsehen, anschauen und intuitio: unmittelbare Anschauung. Damit wird die Fähigkeit bezeichnet, Einsichten in Sachverhalte, Sichtweisen oder Gesetzmässigkeiten zu erhalten, ohne den Verstand. Dieser ist dann im Nachhinein tätig, beim Prüfen der intuitiven Einsichten und beim Umsetzen. Wenn wir intuitiv sind, dann bewegen wir uns auf einer anderen Bewusstseinsebene als auf derjenigen des Verstandes. Dieser ist, verglichen mit der Intuition, langsam und begrenzt im Erfassungsvermögen. Die Intuition könnte man als Sprung bezeichnen, sie braucht kein Transportmittel, sondern steigt unvermittelt aus der Tiefe unseres Seins auf. Sie steht in Verbindung mit der Kreativität, ist schöpferisch, erfinderisch, bringt wirklich Neues ans Licht im Gegensatz zum Verstand, der immer die gleichen Kreise zieht und sich im bekannten Rahmen bewegt. Mascha Kaléko drückt es im Gedicht «Herz contra Hirn» so aus: «Wie bemüht sich unser Intellekt, bis er ein Körnchen ‹Gold› entdeckt. Darauf gähnt Madame Intuition: ‹Ach, das…? – Das wusst’ ich immer schon!›»2
Intuition ist eine von drei Möglichkeiten, wie wir die Wirklichkeit erkennen können nach Ken Wilber3. Er spricht vom «Auge der Sinne» – empirische Wissenschaft, vom «Auge des Verstandes» – Philosophie, Logik und Mathematik, und vom «Auge der Kontemplation» –, welches bedeutet, die systematische und disziplinierte geistliche Praxis zur Öffnung der intuitiven und spirituellen Fähigkeiten des Selbst. Es wird etwa unterschieden zwischen oberflächlicher Intuition (personale Ebene) und solcher, welche aus der transpersonalen Dimen-
sion kommt. Ruth C.Cohn bezeichnet die personale Intuition als «…stillen Wanderer. Sie wandert von unseren augenblicklichen bewussten Fragen zu unserem inneren Speicherraum, wo vergessene und schlummernde Erinnerungen und Triebe lagern. Sie greift sie auf, ordnet sie neu und wandert still und schweigend wieder ins Bewusstsein zurück, wo sie urplötzlich die Antwort bringt, die wir gesucht haben.»4 Auf einer anderen Ebene könnte man Intuition bezeichnen als das Ohr der Seele. Denn die Seele ist das einzige Instrument, das sensibel genug ist, die leisesten Schwingungen des Lebens aufzufangen, diese Energien zu spüren, diese Feldströmungen zu fühlen und sie zu deuten.
Eine weitere Dimension der Erfahrung, welche man der Intuition zuzählen könnte, ist der «flow». Er bezeichnet eine tranceartige Vertiefung, eine höchste geistige Aufmerksamkeit und Konzentration. Es ist ein fast rauschhaftes Aufgehen in einer Tätigkeit. Der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi, ein amerikanischer Psychologe, fand heraus, dass Menschen am glücklichsten sind, wenn sie sich mit aller Kraft selbstvergessen einer Aufgabe widmen, die im oberen Bereich ihrer Leistungsmöglichkeiten angesiedelt ist, um etwas ihnen Wertvolles zustande zu bringen. Sie verschmolzen quasi mit der Aufgabe, alles andere um sie herum wurde unwichtig. Gleichzeitig erlebten sie, dass ihnen Energie von aussen zukam. Sie hatten das Gefühl, mit der Aufgabe eins zu sein und so über sich selber hinauszuwachsen. Es war ein Fliessen von Energie zu der Aufgabe und wieder zum Menschen zurück, darum gab er diesem Zustand den Namen «flow»5 .
In der transpersonalen Dimension, aus dem Urgrund heraus, leuchtet noch eine andere Farbe der Intuition auf. Man könnte sie auch als «Herzwissen» bezeichnen. Sie ist direkt mit der Quelle verbunden und hat Zugang zu allem Wissen, zu aller Weisheit.
Bisher hat die Menschheit vor allem aus der Erfahrung und dem damit verbundenen Wissen gelebt. Man hat erkannt, wie