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Stadtentwicklung: 100 Jahre

Vor 100 Jahren entstand die Gemeinnützige Bau- und Wohngenossenschaft Freistatt Thun. Ihr Ziel war es, die akute Wohnungsnot zu bekämpfen. Die älteste Wohnbaugenossenschaft der Stadt blickt auf eine bewegte Geschichte zurück.

Während des Ersten Weltkriegs wurde in der Schweiz kaum Wohnraum gebaut, obschon die Bevölkerung wuchs. Dies hatte zur Folge, dass vor allem sich rasch entwickelnde Industriestädte wie Thun Anfang der 1920er Jahre unter einer akuten Wohnungsnot litten. Zahlreiche Familien lebten auf kleinstem Raum in städtischen Notunterkünften. Vor diesem Hintergrund gründete die Arbeiterunion Thun 1922 mit der Gemeinnützigen Bau- und Wohngenossenschaft (GBWG) Freistatt die erste Wohnbaugenossenschaft in Thun. Die Stadt unterstützte das Projekt unter anderem mit

100 Jahre Freistatt

Aktuell erhalten Interessierte an 13 Posten im Quartier auf Informationstafeln einen Einblick in die 100-jährige Geschichte der Genossenschaft.

www.freistatt.ch

Bild: Die Freistatt im Jahr 1932, als das Halten von Tieren im Haus verboten war.

der Abgabe von günstigem Bauland und mit Subventionen. Im Gegenzug verpflichtete sich die GBWG Freistatt, Obdachlose aufzunehmen.

Gemeinsame Regeln entwickeln

Bis in die 1940er Jahre entstanden in der Freistatt gut hundert Wohnungen. Darin lebten vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter aus den Thuner Industriewerken. Gemeinsam mussten sie Normen für das Zusammenleben entwickeln. So war zum Beispiel in den 30er Jahren das Halten von Nutztieren im Haus, später auch im Garten verboten. «Aus heutiger Sicht mögen die Regeln und die strikten Kontrollen durch die Organe der Genossenschaft ‹bünzlig› erscheinen», sagt Thomas Schwitter, Historiker und Vizepräsident der GBWG Freistatt. «Aus der damaligen Situation heraus sind sie jedoch verständlich: Viele Bewohnerinnen und Bewohner lebten zum ersten Mal in einer richtigen Wohnung. Sie standen unter grossem gesellschaftlichem Druck und mussten unter Beweis stellen, dass sie fähig waren zu Ordnung und Sauberkeit.»

Nachbarschaft pflegen

Von Beginn weg pflegte man in der Freistatt auch die Geselligkeit, zunächst allerdings in bescheidenem Rahmen. «Erst als es den Menschen nach dem 2. Weltkrieg wirtschaftlich besser ging, feierten sie an der Generalversammlung jeweils auch – mit Tanz und allem, was dazugehört», sagt Schwitter. Die Pflege der Gemeinschaft ist nach wie vor ein wichtiger Pfeiler des genossenschaftlichen Wohnens. Für Schwitter verbindet diese Wohnform die Vorteile von Miete einerseits und Eigenheim andererseits in idealer Weise: «Der Kontakt mit den Nachbarinnen und Nachbarn ist eng, gleichzeitig besteht eine grosse Gestaltungsfreiheit.»

Fit für die Zukunft

Auch heute herrscht in Thun wieder Wohnungsmangel, und erneut entwickelt die GBWG Freistatt – gemeinsam mit der Stadt Thun und der Pensionskasse der Stadt Thun – ein zukunftsweisendes Projekt: Im Siedlungsteil 2 aus den 1940er Jahren und auf den angrenzenden Arealen der städtischen Sozialwohnungen sowie der heutigen Poststelle Länggasse soll mehr Wohnraum geschaffen werden. Allein der Teil der GBWG Freistatt wird künftig 190 bis 200 statt der aktuellen 111 Wohnungen umfassen. «Dabei ist es mir wichtig, dass die besonderen Qualitäten der Freistatt erhalten bleiben», sagt Schwitter. «Insbesondere wollen wir den Aussenraum auch künftig mit den Bewohnerinnen und Bewohnern zusammen gestalten.»

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