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Wie geht es Ihnen im Tessin, Herr Caratsch?
from Hotelier 06/21
by WEBER VERLAG
«Hotelier»-Gespräch mit Bruno Caratsch, General Manager im Hotel Casa Berno, Ascona
Wie geht es Ihnen im Tessin, Herr Caratsch?
Eine Terrasse mit grossem Pool und Sicht über den Lago Maggiore. Einzigartig. Das Hotel Casa Berno in Ascona ist ein spezielles Haus – nicht nur wegen der tollen Lage hoch über dem See. Das Hotel gehört einer Stiftung der katholischen Kirche. «Hotelier» wollte von Gastgeber und Direktor Bruno Caratsch wissen: Wie geht es Ihnen unmittelbar nach der eigentlichen Coronakrise?
INTERVIEW Hans R. Amrein
Bruno Caratsch, wenn Sie auf die letzten 19 Monate Corona und Pandemie zurückschauen und für Ihr Hotel Casa Berno in Ascona eine Art Bilanz ziehen müssten, wie würde diese lauten?
Ein Wechselbad der Gefühle. Als wir kurz vor der Saisoneröffnung im März 2020 den kompletten Lockdown hinnehmen mussten, war die Situation äusserst anspruchsvoll. Nach einem Winter mit Investitionen und Vorbereitungen, standen wir plötzlich vor einer nicht vorhersehbaren Situation. Als wir endlich öffnen durften, waren wir über die enorme Nachfrage überrascht, die zum Glück bis heute anhält. Wir konnten schlussendlich trotz zwei Monaten weniger Öffnungszeit die Saison sehr erfolgreich abschliessen. Vorsichtig, jedoch sehr optimistisch sind wir dann in die Saison 2021 gestartet, bis jetzt mit grossem Erfolg.
Es ist jetzt Anfang August 2021. Wie werden die nächsten Monate sein? Wird die grosse «Schweizer Nachfrage» bei Ihnen und im Tessin bis Ende Herbst 2021 anhalten?
Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage geringfügig nachlassen wird, wir jedoch weiterhin mit hoher Auslastung arbeiten werden. Der Herbst war bei uns bereits vor der Pandemie immer stark.
Das Tessin hat im in den letzten 19 Monaten einen wahren Deutschschweizer Gäste-Boom erlebt. Wird dieser Boom nachhaltig sein? Oder war das nur ein krisenbedingter Aufschwung?
Dieser Boom wird nicht mehr die Dimensionen der letzten zwei Saisons haben, trotzdem bin ich aufgrund der Feedbacks unserer «neuen» Gäste überzeugt, dass einige wieder kommen werden. Seit 2016 ging es nach schwierigen Jahren im Grossen und Ganzen stetig aufwärts. Wenn wir weiter an unseren Angeboten arbeiten und in unsere Betriebe investieren, werden wir auch in Zukunft eine gute Chance haben.
Was haben Sie als Tessiner Hotelier von der Krise oder dieser Pandemie gelernt?
Die neuen Gegebenheiten erforderten viel Flexibilität, die Bedürfnisse der Gäste ha ben sich zum Teil verändert. Die Kurzfristigkeit und Schnelllebigkeit des Geschäfts ist und bleibt eine Herausforderung. Es gilt, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Digitalisierung muss verstärkt vorangetrieben werden, auch in der klassischen Ferienhotellerie.
Haben sich bei Ihren Gästen Buchungsverhalten, Bedürfnisse vor Ort (Hotel) und Konsum in den vergangenen Pandemie-Monaten markant verändert?
Das Buchungsverhalten hat während dieser Zeit den Trend zu kurzfristigen Buchun gen verstärkt. Die Bedürfnisse nach Sicherheit, gesundem Leben und ökologischem Handeln sind spürbar. Als Beispiel haben wir in den letzten zwei Jahren eine deutliche Zunahme an Gästen, die mit Elektrofahrzeugen anreisen, aufgrund dessen wir nun sechs Ladestationen installiert haben.
Das Tessin gilt nach wie vor als «Sonnenstube der Schweiz». Ist dieses Image noch aktuell und für Tourismus und Hotellerie sinnvoll?

Ich denke, dass wir nach wie vor als Sonnenstube der Schweiz wahrgenommen werden. Gerade für kurzfristige Kuraufenthalte spielt unser mediterranes Klima eine grosse Rolle. Das Tessin hat sich jedoch weiterentwickelt und bietet heute viel Abwechslung – von der Kunst über Sportangebote bis hin zu grossen Events.
Sagen Sie mir drei bis fünf Gründe, warum ein Gast aus Zürich oder Basel Ferien oder ein Wochenende bei Ihnen im Tessin verbringen sollte?
Das Tessin ist nicht zuletzt durch den Gotthard-Basistunnel und den neuen CeneriTunnel näher an die Deutschschweiz ge rückt, was es für kurzfristige Aufenthalte sehr interessant macht. Die Angebote sind heute sehr vielfältig und gerade das Neu-Entdecken der Swissness ist im Tessin sehr ausgeprägt. Einfach mal abschalten, das «Dolce far niente» geniessen, dafür eignet sich das Tessin nach wie vor hervorragend.
Immer mehr Ferien- und Wochenendgäste setzen auf Spa- und Wellness-Angebote. Sie bieten den Gästen heute einen Pool mit Seesicht. Haben Sie die Absicht, den Spa-Bereich auszubauen?
Ja, bereits nächsten Winter werden wir unser Spa-Angebot durch neue Saunen, Fitness und andere Dinge erweitern.
Die Lage Ihres Hotels hoch über dem Lago Maggiore mit wunderbarer Sicht auf den See sowie die Nähe zur Natur sind einzigartig. Doch einige Bereiche des Hauses sind eher austauschbar, Beispiel Gastronomie, öffentliche Räume (Lobby) … Wie wollen Sie Ihre Positionierung schärfen und das Haus noch einzigartiger machen?
Seit nun fünf Jahren investieren wir in die Modernisierung unseres Hotels. Auch der Restaurationsbereich wird in den nächsten zwei Jahren komplett neu gestaltet. Momentan erarbeiten wir Konzepte und Ideen für die Neuausrichtung unserer Gastronomie, die wir nächstens unserem Stiftungsrat zur Entscheidung vorlegen werden.
Bis Ende 2023 will die Stiftung 4,5 bis 5 Millionen Franken ins «Casa Berno» investieren.
Das ist richtig. Wie bereits erwähnt, werden wir nächsten Winter (2021/22) den Eingangsbereich umbauen und einen neuen, multifunktionellen Raum für kleinere Veranstaltungen errichten. Hinzu kommen zwei neue Juniorsuiten sowie die erwähnte Erweiterung des Spa-Bereiches. Und im folgenden Winter ist der komplette Umbau der Restauration geplant. Schlussendlich wäre dann noch die Renovierung der letzten Zimmer zu erledigen.
Die Folgen von Corona werden den Strukturwandel in der Schweizer Hotellerie beschleunigen. Leider existieren im Tessin im Drei- und Vier-Sterne-Segment viele Hotels, die eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Kommt es nächstens zum grossen «Hotelsterben» in der «Sonnenstube»?
Aus meinen Erfahrungen der letzten Jahre werden nicht mehr wettbewerbsfähige Hotels irgendwann durch Investoren ➤
erworben, dann wird investiert – und später werden die Häuser wieder als Hotel betrieben. Ein grosses Hotelsterben er warte ich nicht.
Sie haben zusammen mit zwei anderen Hoteliers eine kleine Hotelkooperation («Benvenuti Hotels») gegründet. Was bringt dieser «Zusammenschluss» den einzelnen Betrieben?
Entstanden ist unsere Kooperation ur sprünglich im Rahmen einer MarketingZusammenarbeit. In den Jahren haben wir uns weiterentwickelt, und heute ist die Zusammenarbeit vielfältiger – Marketing ist weiterhin der wichtigste Bestandteil der Zusammenarbeit, wir nützen Synergien, vom Benchmark bis zum Mitarbeiteraustausch, wir unterstützen uns bei Grossanlässen, kaufen gemeinsam ein …
Das Hotel Casa Berno ist im Besitz der Stiftung «Fondazione Beato Pietro Berno, Ascona». Hinter der gemeinnützigen Stiftung steht die katholische Kirche. Gemeinnützigkeit, soziale Zwecke und Geld verdienen bzw. gute Renditen erzielen – wie schaffen Sie diesen Spagat?
Eigentlich ist es kein Spagat – das eine braucht das andere. Um gemeinnützige Projekte unterstützen zu können, sind wir auf eine gute Rendite angewiesen. Um auch in Zukunft eine gute Rendite erarbeiten zu können, muss ein Teil in unser Haus investiert werden, damit wir das Hotel stetig verbessern können und somit auch in Zukunft die nötigen Mittel für die Unterstützung von sozialen Werken gewährleisten können.
Sie führen das Hotel – zusammen mit Ihrer Frau Manuela – seit rund 14 Jahren. Wie lange bleiben Sie dem Hotel noch treu? Oder anders gefragt: Reizt es Sie nicht, wieder mal ein anderes Haus oder gar ein eigenes Hotel zu führen?
Wir fühlen uns sehr wohl im Casa Berno! Der Reiz nach Neuem ist immer präsent, jedoch sehen wir nach wie vor sehr viel Entwicklungspotenzial für unser Haus, was die Aufgabe spannend macht. Die nächsten drei bis vier Jahre sind für die Ausrichtung des «Casa Berno» sehr wichtig und wir freuen uns, Teil dieser Aufgabe zu sein.
Schlussfrage: Welche Hotels oder Mitbewerber bewundern Sie?
Ich bewundere einerseits Hotels, die betreffend Architektur und Infrastruktur aussergewöhnlich sind, jedoch auch HotelierKollegen, die mit guten Ideen und mit konsequenter Positionierung ihre Betriebe führen. Da gibt es einige im In- und im Ausland.
Hotelgeschichte
Der heilige Berno und die Entstehung des Casa Berno
Beeindruckend und zahllosen Ascona-Besuchern von der Seeseite her ansichtig ragt die Pfarrkirche S. Pietro e Paolo mit ihrem schlanken Glockenturm zwischen der Casa Serodine und dem Municipio aus dem Bild des Ortes. Das über Jahrhunderte gewachsene kirchliche Wahrzeichen birgt nicht nur einige der schönsten religiösen Werke des berühmten, im fernen Rom verstorbenen Ortsmaler Giovanni Serodine. Als geweihte Reliquie wird in einem gläsernen Schrein auch das Haupt eines Mannes bewahrt, den die Chiesa Madre heute als einen ihrer Heiligen verehrt.
Beato Pietro Berno wurde im Jahre 1553 (mutmasslich) im damals noch kaum bekannten Ort Ascona als Sohn kleiner Handwerker geboren. Bereits damals hatte sich in Rom eine nicht unbedeutende Kolonie ausgewanderter Asconeser angesiedelt. Als angehender Missionar schiffte sich Beato Berno am 4. April 1579 in Lissabon ein und landete am 8. Oktober des gleichen Jahres, zusammen mit Glaubensbrüdern, in Goa, der damaligen Hauptstadt von portugiesisch Indien.
Berno trat nach seiner Ankunft umgehend der von Jesuiten und Dominikanern geleiteten Mission bei. Nur Tage später wurden Berno und seine Mitbrüder am 13. Juli 1583 Opfer einer fanatisierten Menge. Bereits kurz nach dem Eintreffen der Todesbotschaft in Ascona wurde der inzwischen legendäre geistliche Auswanderer in seinem Heimatort als eine Art lokaler Heiliger verehrt. Erst dreihundert Jahre später allerdings unterzeichnete Papst Leo am 13. November 1892 die entscheidenden kirchlichen Dokumente, die den Sohn Asconas unter die höchsten Märtyrer des Glaubens erhoben.
Die religiöse Geschichte Asconas wäre, wie auch immer, ohne die Namen Papio und Berno undenkbar und um viele Aspekte einer gelebten Volksfrömmigkeit ärmer.
Zur Entstehung des Hotel Casa Berno: Im Jahre 1961 bis 1962 wurde das heutige Hotel erbaut und als Altersheim eröffnet. Nach einem Jahr wurde es dann zum Hotel umfunktioniert. Nach mehreren Erweiterungen und Renovationen wird es seitdem als Hotel Casa Berno betrieben.
Das Casa Berno ist im Besitz der Stiftung «Fondazione Beato Pietro Berno, Ascona» und wird seit 10 Jahren durch Manuela und Bruno Caratsch geleitet. Das Hotel ist ein wirtschaftlich ausgerichteter und profitorientierter Betrieb. Mit den erwirtschafteten Erträgen werden vor allem soziale Projekte der Stiftung unterstützt.